20.12.2012 Aufrufe

Ein Arzt im Lager

Ein Arzt im Lager

Ein Arzt im Lager

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

So entwickelt sich ein Leben mit einer Tages- und einer Arbeitseinteilung. <strong>Ein</strong>e<br />

ordnende Hand ist zu spüren. Wir sind es nicht, unsere Bekannten auch nicht. Aber sie ist<br />

da. Jede Hundertschaft hat ihren Essensverteiler. Die sind alle von einem Schnitt, auch<br />

die Hundertschaftsführer sind vom gleichen. Die beiden Sektionsführer, die die<br />

Verbindung mit der <strong>Lager</strong>leitung bilden, sind 2 Advokaten, eher indifferente Typen, aber<br />

ihnen wird geraten, was sie tun oder sagen sollen. Von wem? Wir bekommen mehr<br />

Essen, früh 200 g Brot pro Kopf, Gerstenbrot mit nassem Stroh, richtigem Häckselstroh.<br />

Es ist tief gesprungen, es krümelt be<strong>im</strong> Schneiden, hat einen breiten, seifigen Streifen am<br />

Boden, aber <strong>im</strong>merhin Brot. Dann bekommen wir ein bißchen Käse, alle offiziell<br />

Arbeitenden, die eine Funktion haben. Wir haben 2, Moritz als Hygieniker und ich. Wir<br />

bekommen ziemlich viel Käse, dünnen, wässerigen Weißkäse. Darin liegt Eiweiß, Kalk,<br />

Kalorien. Der Käse verteilt sich natürlich auf alle, auch das Brot wird zusammengelegt<br />

und die Nahrungsmittelreste von zu Hause. Die Freßgemeinschaft, die sich schon <strong>im</strong><br />

Zuge zwischen 5 von uns gebildet hat, bleibt bestehen, und Turri tritt als 6. hinzu. Wir<br />

bekommen einige Kartoffeln, Aufleger, Turri und Roll kochen, Gustl, Muniu und ich<br />

essen mit. Schwer ist das Kochen <strong>im</strong> Anfang. Man braucht dazu soviele Dinge, vor allem<br />

Nahrungsmittel, dann Brennmaterial, Kochstelle, Wasser, Salz und auch einen Topf,<br />

lauter schwer erreichbare Dinge. Wir versuchen es zuerst auf breiter Basis, ein<br />

Blechkübel als Kochgefäß, <strong>Ein</strong>kauf von Maismehl, Bohnen, Kartoffeln, Eiern bei den<br />

Ukrainern, die zur Arbeit ausgehen und relativ leicht einschmuggeln, Wasser, krampfhaft<br />

reserviert, dem Waschen abgespart, und Salz holt Moritz aus der Küche. Dieser kostbare<br />

Artikel ist einfach nicht zu haben. Er wird über den Fluß eingeschmuggelt und zu hohen<br />

Preisen verkauft. <strong>Ein</strong>faches Steinsalz oder grobes Kochsalz sind Luxusartikel. Salz ist<br />

aber lebensnotwendig. Moritz hat sich seinen jugendlichen Charm ins Alter bewahrt.<br />

“Moritz, nur du kannst es, geh’ in die Küche, klopf der Regina freundlich auf den Popo,<br />

und sie gibt dir sicher eine Tüte Salz.” “Was schickt ihr <strong>im</strong>mer mich? Soll der Rote<br />

gehen, soll das Pferd, der Tierdoktor, gehen. Ich bin ein alter Mann.” “Moritz, nur du<br />

wirst es bekommen, schön, wir können sonst keine Suppe kochen.” Das zieht. Moritz<br />

geht, erscheint nach einer halben Stunde mit breitem Lachen um den ausdrucksvollen<br />

Mund, mit einem Papierfetzen, in dem einige Salzklumpen liegen, in der Hand. “Na!<br />

Habt’s und laßt’s mich in Ruh’.” Die Suppe kocht Schneeberg, ein Koch von Beruf. In<br />

32

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!