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Ein Arzt im Lager

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Speisewagengesellschaft, dann der Photograph und zuletzt der <strong>Arzt</strong>. Dieser kommt erst<br />

dann, wenn es wirklich Not gibt, dann aber wird er natürlich hoch geschätzt. Der<br />

schlechteste, älteste und mindeste <strong>Arzt</strong> ist <strong>im</strong>mer besser als gar keiner. So kamen aus der<br />

grauen Masse <strong>Ein</strong>zelmenschen heraus, kraft ihrer Berufe. Sie brachten uns einige<br />

Nachrichten über die Vorgänge in der Welt und auch ein Stück Brot, ein Ei, einen Apfel.<br />

Auch unter den Frauen gab es leichte Aufhellungen. War doch Polia gleich auf den Major<br />

zugetreten, hatte ihm versichert, daß wir alle bessere Menschen seien, nichts mit Politik<br />

zu tun hätten und gute Behandlung erwarteten. Man konnte über diese Intervention<br />

verschiedener Meinung sein. Zynisch bemerkte einer der Herumstehenden: “Frauen<br />

haben es in der Welt einfacher. Sie haben unter allen Umständen etwas zu bieten.” Zu<br />

Mittag wieder ein Ruf: Essen! Kübel wurden uns übergeben, jedes kleine Z<strong>im</strong>mer bekam<br />

einen. <strong>Ein</strong>er von uns geht zur Küche, erscheint mit fast vollem Kübel, wieder Erbsen in<br />

Wasser. Es sind große Erbsen, größer als die gewöhnlichen und mit dickerer Schale.<br />

Wenn sie weich gekocht sind, lassen sie sich zu Brei zerstoßen, wenn sie hart sind, ist es<br />

schwer, sie zu schlucken. Aber in jedem Falle, das Essen ist warm, hat Wasser in sich<br />

und Salz. Man kann das rötliche Erbsenwasser trinken und dann die Erbsen essen und hat<br />

schon zwei Gänge. Die Menge ist reichlich. Abends wieder Erbsen, und so blieb es. Mit<br />

Sonnenuntergang erscheint ein Unteroffizier, hängt Ketten und Schlösser vor unser Tor.<br />

Wir erhalten einige Fässer für nächtliche Bedürfnisse. Früh tragen wir sie zur Latrine. Es<br />

wird einige Ordnung in unsere Reihen getragen. Die Männergruppen zerfallen in zwei<br />

Sektionen, jede in vier bis fünf Hundertschaften und diese in Zehnergruppen. Nun gibt es<br />

Führer der Zehnergruppen, der Hundertschaften, der Sektionen. Die Frauen bilden die<br />

dritte Sektion. Die Führer der Sektionen sind auf einmal da. Wer hat sie best<strong>im</strong>mt? Der<br />

Kommandant kennt uns nicht. Wir kennen uns nicht. Warum gerade diese? Wer schob sie<br />

vor? Und es sind die richtigen. Wieder Gesichter, die man erkennt, unsere<br />

Gruppenführer. Doch langsam, langsam heben sich auch andere ab. Wer kann Matroi<br />

verkennen? Im schmutzigen Mantel mit braunem Pelzkragen und Mütze versank er in der<br />

Masse. Aber jetzt schält er sich aus seinen Hüllen, der rundliche Bauch, die feisten,<br />

kurzen Beine. Der Birnenkopf mit den großen, unschuldigen Kaninchenaugen, die<br />

traurigen Tränensäcke und die runde Brille—das ist der Matroi, der Doktor Matroi aus<br />

Arad. Sein Schatten, den er von seinen Abfällen von mitgebrachter Wurst und Speck<br />

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