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BLICKWECHSEL 2020

Mittendrin und anders. Deutschsprachige Minderheiten im östlichen Europa

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Blick auf Zarz/Sorica, 2009, © Johann Jaritz via Wikimedia Commons<br />

UNTER DEN GIPFELN DES RATITOVEC<br />

Die Geschichte der Tiroler Siedlungen von Zarz/Sorica und Umgebung<br />

Das deutsche Gebiet von Zarz/Sorica in der ehemaligen Krain<br />

ist fast vergessen. Es befindet sich im Nordwesten des heutigen<br />

Slowenien, im oberen Teil des Hochselzacher/Selščica-<br />

Tals, zwischen dem alpinen und dem voralpinen Raum.<br />

Auf terrassierten Hängen, unter den Gipfeln des Ratitovec-<br />

Gebirges liegen die Dörfer Ober Zarz/Zgornja Sorica, Unter<br />

Zarz/Spodnja Sorica, Im Eibendtlein/Ravne, Am Thoregkh/<br />

Torka, Za Werdam/Zabrdo, Pertovseh/Prtovč, Salimlog/Zali<br />

Log, Ober Daine/Zgornje Danje und Unter Daine/Spodnje<br />

Danje. Ihre fast 800-jährige Geschichte nahm im Hochpustertal/Alta<br />

Pusteria in Südtirol ihren Anfang.<br />

Bereits im frühen und hohen Mittelalter begann sich das<br />

Gebiet von Zarz unter bairischer Herrschaft zu entwickeln.<br />

Tassilo III., Herzog von Baiern, überließ dem späteren Bischof<br />

Atto von Freising (damals noch Atto von Scharnitz) 769 ein<br />

Gebiet im oberen Teil des Hochpustertals zur Errichtung eines<br />

Benediktinerklosters in dem Ort Innichen/San Candido. In der<br />

zu dieser Zeit noch weitgehend unbewohnten Gegend waren<br />

die Freisinger Bischöfe die Ersten, die eine Ansiedlung systematisch<br />

förderten. Im Jahr 973 übertrug der römisch-deutsche<br />

Kaiser Otto II. dem Bischof Abraham von Freising dann einen<br />

großen Teil des Territoriums in der Krain – das gesamte Selzacher<br />

Tal bis hin zur heutigen Stadt Bischoflack/Škofja Loka.<br />

Wegen des Bevölkerungswachstums schenkte Bischof Emicho<br />

von Freising im Jahr 1283 den Siedlern von Innichen Land<br />

auf dem Gebiet von Zarz. Eine Zeichnung in den Urbarien von<br />

Bischoflack aus dem Jahr 1291 zeigt die Errichtung von zwanzig<br />

neuen Bauernhöfen in Zarz und im Dorf Niderhueben/Danje.<br />

Urbarien aus den Jahren 1318, 1492 und 1501 dokumentieren<br />

die Besiedlung weiterer Dörfer in der Region Zarz.<br />

MITTENDRIN UND ANDERS<br />

Kofler, Gaiger, Trojer, Gasser, Merkel/Märktel<br />

oder Pfeifer. Generell lässt sich der Schluss<br />

ziehen, dass die Bevölkerung in den Dörfern unterhalb des<br />

Ratitovec während der gesamten Siedlungsgeschichte relativ<br />

homogen blieb.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die deutschsprachigen<br />

Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlungen stigmatisiert.<br />

Dennoch hat in den letzten Jahren die Wiederbelebung<br />

der lokalen Traditionen, Bräuche und Gewohnheiten<br />

der Vorfahren begonnen. Einige von ihnen waren auch<br />

beibehalten worden. Jedes Jahr übergibt beispielsweise<br />

eine Delegation aus Zarz der Klosterkirche in Innichen eine<br />

Geldspende und bittet im Gegenzug um den Schutz ihres<br />

Grund und Bodens. Zudem wird in der Gegend ein spezieller<br />

Dialekt gesprochen – heute zwar nur noch von wenigen,<br />

aber in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von fast der<br />

gesamten Bevölkerung. Er ähnelt den Hochpustertaler und<br />

bairischen Dialekten. Die Menschen, die heute in Zarz und<br />

Umgebung leben, sind sich der alten Traditionen bewusst<br />

und stolz auf ihre Geschichte.<br />

Miha Markelj<br />

Dr. Miha Markelj ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Postdoc an der<br />

Primorska-Universität (Univerza na Primorskem) in Koper, Slowenien. Er<br />

publizierte u. a. zur Bedeutung traditioneller Kulturlandschaften für eine<br />

nachhaltige Tourismusentwicklung.<br />

Bauernhof Zgornji Trojar im Dorf Trojar, 2018, © Miha Markelj<br />

Auf den Bauernhöfen herrschte offenbar eine hohe familiäre<br />

Kontinuität. Das lässt sich unter anderem aus den<br />

Geburtsregistern ableiten. Zudem finden sich im gesamten<br />

Gebiet um Zarz – ähnlich wie im Hochpustertal oder<br />

in Baiern – immer wieder Familiennamen wie Egart/Egort,

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