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BLICKWECHSEL 2020

Mittendrin und anders. Deutschsprachige Minderheiten im östlichen Europa

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20<br />

VON PRAG IN DIE WELT<br />

Wie Lucie und Franz Schulz auf zwei Kontinenten Kulturgeschichte schrieben<br />

Schönes ernstes Rätsel, Prag,<br />

wer sänge deines Lebens Tiefen …<br />

Friedrich de la Motte Fouqué, Reise-Erinnerungen, 1823<br />

Sie waren Kinder Prags, die auszogen, die Welt zu erobern –<br />

die Geschwister Lucie und Franz Schulz. Es war das Prag<br />

Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph I., der das Zepter<br />

der k. u. k. Habsburgermonarchie in Wien nimmermüde<br />

schwang. Es war auch das österreichische Prag der Tschechen,<br />

Deutschen und Juden, die die »dreifache Seele« (Franz<br />

Werfel) bildeten. Bis 1918. Bis »der Zerfall Österreich-Ungarns<br />

[…] die Kakanier auf die Wanderschaft in eine mürrische<br />

Zukunft trieb« (Franz Schulz).<br />

Als Lucie Schulz ist sie am 18. Januar 1894 in Prags ältester<br />

Vorstadt Karolinenthal/Karlín geboren – am 17. Mai 1989 in<br />

Zollikon bei Zürich als Lucia Moholy gestorben. Dazwischen<br />

liegt ihre Bauhaus-Geschichte … liegt Exil-Geschichte.<br />

Als Franz Georg Schulz ist er am 22. März 1897 in Karolinenthal<br />

geboren – am 4. Mai 1971 in Muralto (Tessin) als<br />

Francis George Spencer, genannt Franz Spencer, gestorben.<br />

Dazwischen liegt Film-Geschichte … liegt seine<br />

Exil-Geschichte.<br />

Sie wuchsen als Kinder des Landesadvokaten Dr. jur. Gottlieb<br />

(Bohumil) Schulz und seiner Frau Valeska in einem intellektuell-musisch<br />

geprägten Zuhause in Prag auf. Die Familie,<br />

zu der auch die Schwester Gisa gehörte, war mosaischen<br />

Glaubens; die Kinder wurden »eher atheistisch erzogen«<br />

(Lucie). Muttersprachen: Deutsch und Tschechisch, dazu mit<br />

auf den Lebensweg: Englisch und Französisch.<br />

Prag, ade<br />

Als Lucie Schulz 1915 aufbricht, hat sie ihre Lehramtsbefähigung<br />

für Deutsch und Englisch + Büroerfahrung in der<br />

Kanzlei ihres Vaters + Verbindungen zur damals aufkommenden<br />

Jugendbewegung im Gepäck. Ihr Weg führt sie ins<br />

deutsche Kaiserreich – in die Verlagswelten von Wiesbaden<br />

(1915), Leipzig (1916–18), Hamburg (1919). Sie profiliert sich in<br />

Redaktion und Lektorat. Ihre Fotografie ist zu der Zeit noch<br />

amateurhaft. So gerüstet geht Lucie 1920 nach Berlin. In dieser<br />

Weltstadt, Medienstadt, Filmmetropole, wo die Bilder 1895<br />

laufen lernten, ist Franz Schulz bereits 1918 angekommen.<br />

Berlin, welcome<br />

In Berlin ankommen heißt: in der Avantgarde ankommen.<br />

Ein junger Künstler, der ungegenständlich-konstruktivistisch<br />

Historische Postkarte mit der Prager Karlsbrücke und deutscher Aufschrift, um 1904, © akg-images, und Porträt von Franz und Lucie<br />

Schulz um 1909, Bauhaus-Archiv Berlin

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