IHK-Präsident Jan Stefan Roell beschäftigt in seinem Unternehmen, der Zwick Roell AG (Ulm-Einsingen), rund 1600 Mitarbeiter.
<strong>unternehmen</strong> [!] TITELTHEMA 11 Schwaches Netz bremst Home-Office IHK Ulm Das Coronavirus verändert unser Wirtschaftleben radikal und deckt schonungslos Schwächen auf. Ein Video-Interview mit Präsident Jan Stefan Roell über Gesundheit, Hilfen für die Betriebe, wie wir die Krise meistern und was wir aus ihr lernen sollten. Wie erleben Sie die ungeheure Wucht der Corona-Krise persönlich? Jan Stefan Roell: Ich erlebe, dass wir unseren Arbeitsstil vollständig verändert haben. In meinem Unternehmen sind die meisten Mitarbeiter im Home-Office. Natürlich sind einige Bereiche wie die Produktion ausgenommen. Hier entzerren wir, wo immer das möglich ist. Trotzdem erlebe ich einen deutlich intensiveren Austausch – jedoch nur per Webkonferenz und Telefon. Wird Corona langfristig die Art, wie wir kommunizieren, verändern? Ich glaube schon. Einmal geht es darum, was man kurzfristig per Telefon- und Videokonferenz weiterführen kann. Auf der anderen Seite stehen neue Projekte. Also das, was wir neu aufsetzen. Hierfür brauchen wir den persönlichen Kontakt. Wir lernen also beides, was digital möglich ist und an welchen Stellen wir das gewohnte Miteinander vermissen. Welche Regeln geben Sie sich fürs Home-Office? Alle die können, arbeiten mobil. Wir versuchen, in allen Bereichen jeweils zwei Teams zu bilden. Wenn wir im Unternehmen sein müssen, ist immer nur ein Team anwesend. Das erleichtert das Einhalten der Abstandsregeln und reduziert somit das Ansteckungsrisiko. Es ist unser oberstes Ziel, dass die Neuinfektionen zurückgehen. Haben Sie bestimmte Bürozeiten oder sind Sie dauerhaft erreichbar? Prinzipiell arbeiten wir zu denselben Zeiten, wie sonst auch. Aber es gibt eine Tendenz, abends etwas länger zu machen, da sich etwa Videokonferenzen eher an die Tagesrandzeiten verlagern. Trotzdem achten wir auf genügend Pausen, die ich gerne auch für einen Spaziergang nutze. Was ist die drängendste Frage, die Sie als IHK-Präsident umtreibt? Mit Sicherheit, wie wir unsere Unternehmen optimal unterstützen können, die Liquidität zu sichern. Deshalb wickeln wir alle Anträge für Soforthilfe über die Wir lernen, was digital möglich ist, und wo wir das Gewohnte vermissen. Industrie- und Handwerkskammern ab. Der große Vorteil ist, dass wir weitaus schneller reagieren können als Banken. Wir kennen die Unternehmen, führen die Plausibilitätsprüfung direkt durch und können Selbstständigen und kleinen Unternehmen die Soforthilfe so schnell zugänglich machen. Was tut die IHK noch? Wir spielen der Politik zurück, welche Programme funktionieren und welche nachgeregelt werden müssen. Wir sind hier hautnah mit dabei – jeden Tag beraten wir hundertfach Unternehmen per Email und Telefon. Dafür haben wir unsere Beratungszeiten auf 8:00 bis 20:00 Uhr an sieben Tagen der Woche erweitert. Aus diesen Erfahrungen heraus, tragen wir unsere Erfahrungen an die Politik zurück. Haben Sie ein konkretes Beispiel? Bei den Krediten wurde die Startup-Szene nicht berücksichtigt. Hier hat die Politik schnell nachgebessert und die Kriterien angepasst. Was ist Ihre drängendste Frage als Unternehmer? Als Unternehmer beschäftigen mich mehrere Fragen: Tue ich alles für die Gesundheit meiner Mitarbeiter? Bin ich für meine Kunden da, die mich in der Krise brauchen? Was muss ich tun, um meine Liquidität zusammenzuhalten und möglichst lange in der Krise durchstehen zu können. Es ist schwer vorstellbar, wie Sie derzeit für Ihre Kunden da sein können. Natürlich sind die Bedingungen erschwert. Wir gehen teilweise im Service zu Kunden, wenn sie selbst nicht arbeiten, etwa am Abend oder samstags. Gerade in der derzeitigen Situation muss der Grundsatz der Kundenorientierung weitergelebt werden. Wir versuchen die vielfältigen Wünsche zu erfüllen, so lange diese gesetzlich möglich sind. Wie sieht das im Alltag aus? Nehmen Sie einen Kunden, der einen bestimmten Service unbedingt braucht. Ist es juristisch zulässig, kommen wir in diesem Fall zu jeder Tages- und Nachtzeit, die der Kunde ansetzt. Benötigt ein Kunde eine indi- Zur Person Für Jan Stefan Roell dürfte die Geburt des sechsten Enkelkindes zuletzt eines der erfreulichsten Ereignisse gewesen sein. Der 65-Jährige (verheiratet, sechs Kinder) stammt aus Düsseldorf, studierte Elektrotechnik in München und promovierte dort in Staatswissenschaft. Nach seiner Zeit bei McKinsey trat er <strong>19</strong>85 ins Unternehmen Zwick ein, dessen Mehrheit er <strong>19</strong>92 erwarb. Er war von 2006 bis 2009 Vorsitzender von Südwestmetall. Seit 2018 ist er Präsident der IHK Ulm. Der begeisterterte Flieger spielt im Zwick-Roell-Orchester Posaune.