2020/19 unternehmen [!] Magazin Ausgabe72 Mai 2020
Das Wirtschaftsmagazin im Südwesten. Ausgabe 72 - Mai 2020
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30 FINANZIEREN<br />
<strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Damit die Antragspflicht als ausgesetzt<br />
gilt, müssen zwei Bedingungen<br />
erfüllt sein: Der Antragsgrund<br />
ist bedingt durch die Corona-Krise<br />
eingetreten, und es gibt die Aussicht<br />
auf Sanierung. „Beim ersten Kriterium<br />
hat der Gesetzgeber die Begründung<br />
vereinfacht, indem grundsätzlich<br />
von einem Coronabezug<br />
auszugehen ist, wenn im Betrieb am<br />
31. Dezember 20<strong>19</strong> noch keine Krise<br />
vorlag“, erläutert Knecht. Damit hat<br />
nach seinen Worten der Gesetzgeber<br />
an diesem Punkt Rechtssicherheit<br />
geschaffen.<br />
Zur Person<br />
Sandra Pfister ist<br />
Partnerin am Hamburger<br />
Standort der<br />
Sozietät Heuking<br />
Kühn Lüer Wojtek.<br />
Die Finanzierungs-Spezialistin<br />
verfügt über umfassende<br />
Erfahrung im<br />
Bereich Bank- und<br />
Finanzrecht sowie im<br />
Bereich internationaler<br />
debt und equity<br />
capital markets-Transaktionen.<br />
nehmen die nötige Luft, um staatliche<br />
Hilfen zu beantragen und Sanierungsbemühungen<br />
voranzutreiben“,<br />
ließ Bundesjustizministerin Christine<br />
Lambrecht (SPD) dazu verlauten.<br />
Doch bei vielen Unternehmern,<br />
die Hilfskredite beantragt haben,<br />
schürt diese Neuregelung eher die<br />
Verunsicherung, als dass sie Klarheit<br />
schafft. Verantwortliche in den<br />
Firmen stehen im Fall des Falles<br />
vor der Frage, ob sie mit einem Insolvenzantrag<br />
warten können,<br />
wenn sich eine Zahlungsunfähigkeit<br />
anbahnt oder bereits eingetreten<br />
ist, ihr Antrag aber noch in der<br />
Bearbeitung ist. „Ich warne Unternehmensverantwortliche<br />
davor,<br />
darauf zu spekulieren, dass Anträge<br />
zeitnah genehmigt und Gelder<br />
ausgezahlt werden“, sagt Cornelius<br />
Knecht, Co-Leiter des Bereichs<br />
Restrukturierung der Unternehmensberatung<br />
EY am Standort<br />
Stuttgart angesichts der Antragsflut,<br />
mit der die Banken überschwemmt<br />
werden. „Die Aussetzung<br />
der Pflicht setzt nicht die<br />
Gründe für einen Antrag außer<br />
Kraft“, betont der EY-Experte.<br />
Ich warne<br />
davor, darauf zu<br />
spekulieren, dass<br />
Anträge zeitnah<br />
genehmigt werden.<br />
Cornelius Knecht<br />
EY, Standort Stuttgart<br />
ILLUSTRATIONEN: MAX MESCHKOWSKI<br />
Heikle Situation<br />
Deutlich schwieriger indes ist angesichts<br />
der dynamischen Entwicklung<br />
der Corona-Krise der Umgang<br />
mit dem zweiten Kriterium. Sowohl<br />
für das Management als auch für<br />
kreditgebende Banken ist es es komplex,<br />
die Aussicht auf Sanierung, zu<br />
beurteilen. „Zum Beispiel sollte<br />
nach den ersten Gesprächen mit der<br />
Hausbank die begründete Möglichkeit<br />
erkennbar sein, finanzielle<br />
Staatshilfen zu bekommen“, sagt der<br />
Unternehmensberater und Restrukturierungsexperte.<br />
„Ist das nicht der<br />
Fall und kann das Unternehmen<br />
nicht mehr seinen laufenden Verpflichtungen<br />
nachkommen, kann es<br />
sich nicht auf die Aussetzung der<br />
Antragspflicht für einen Insolvenzantrag<br />
berufen.“<br />
Allerdings: „Erhält ein Unternehmen<br />
im Aussetzungszeitraum einen<br />
Kredit, sind alle Rückzahlungen auf<br />
diesen Kredit bis zum 30. September<br />
2023 sowie alle im Zeitraum 1.<br />
März bis 30. September <strong>2020</strong> – nachträglich<br />
– gewährten Sicherheiten<br />
nicht anfechtbar“, erläutert Karsten<br />
Kiesel, Rechtsanwalt bei der Sozietät<br />
Schultze & Braun in Achern (Ortenaukreis).<br />
„Sie werden nicht als<br />
Benachteiligung von Gläubigern<br />
eingestuft.“<br />
Häufig jedoch dürfte in der aktuellen<br />
Situation auch ohne diese Einschränkung<br />
die Gemengelage bei<br />
vielen Unternehmen unübersichtlich<br />
sein. In diesem Fall empfiehlt<br />
EY-Restrukturierungsexperte<br />
Knecht: „Die Verantwortlichen in<br />
den Unternehmen sollten die betriebliche<br />
Situation sehr genau dokumentieren<br />
und sich insolvenzrechtlich<br />
beraten lassen, um sich<br />
nicht dem Vorwurf einer Insolvenzverschleppung<br />
auszusetzen.“ [!]<br />
<br />
Thomas Luther