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Unser Rietberg Ausgabe 04 vom 20. Mai 2020

Stadtmagazin für Bokel, Druffel, Mastholte, Neuenkirchen, Rietberg, Varensell und Westerwiehe

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Kommentar<br />

der Redaktion<br />

Ein tiefer Fall...<br />

Coronazeiten sind schwere<br />

Zeiten für alle - auch für<br />

Kinder und Jugendliche.<br />

Vorbei die Zeit der sorglosigkeit,<br />

des unbefangenen<br />

Spiels und der täglichen<br />

Ordnung durch Schulbesuche.<br />

Was wohlbehüteten<br />

Kindern in der Geborgenheit<br />

ihrer Familien schon<br />

Probleme bereitet, ist umso<br />

schwieriger zu meistern für<br />

traumatisierte Mädchen<br />

und Jungen, die in Jugendhilfeeinrichtungen<br />

untergebracht<br />

sind. Wo lange<br />

Zeit daran mit großem Engagement<br />

seitens der Mitarbeiter<br />

gewirkt wurde,<br />

um Strukturen zu schaffen,<br />

Sicherheit zu geben, dort<br />

fällt der Fall in die Coronamaßnahmen<br />

viel tiefer aus.<br />

Die rund 170 MitarbeiterInnen<br />

in allen Bereichen des<br />

<strong>Rietberg</strong>er Jugendwerkes<br />

leisten außergewöhnliche<br />

Arbeit, sowieso und gerade<br />

jetzt. Ob Hauswirtschafterin,<br />

Erzieher, psychologischer<br />

Dienst, alle sind auf<br />

Lokales<br />

Adolf Salmen und Tobias Heimann (rechts) lassen hinter die Kulissen blicken.<br />

hätten.“ Ein Beispiel sei die Jugendwohngruppe<br />

in Delbrück,<br />

die ihre Gemeinschaftsräume<br />

mit Wandmalereien verziert<br />

hätten,<br />

Natürlich habe man überall<br />

die Hygienevorschriften umgesetzt,<br />

doch nicht alle Vorgaben<br />

seien in der Realität<br />

praktikabel gewesen, Adolf<br />

Salmen: „Wir mussten in vielen<br />

Dingen auch Kompromisse<br />

eingehen dürfen und haben<br />

eng mit dem Kreisjugendamt<br />

kooperiert.“ Das gelte für die<br />

sogenannte Fünf-Tage-Wohngruppe,<br />

diese Mädchen und<br />

Jungen führen normalerweise<br />

von freitags bis sonntags zu<br />

ihren Familien, ein notwendiger<br />

Prozess der Annäherung.<br />

Und genau das hätten sie<br />

in den eng gesteckten Wochen<br />

eigentlich nicht gedurft.<br />

Salmen: „Das gehört aber<br />

zwingend zur Therapie dieser<br />

Kinder mit bestimmten<br />

Störungsbildern, die jedwede<br />

Förderung brauchen, um sich<br />

bisher nicht gekannte Weise<br />

gefordert. Die Experten<br />

im ambulanten Team, die<br />

sonst Betreuung in Familien<br />

vor Ort leisten, müssen<br />

neue Wege finden, um Kontakte<br />

zu halten und auch in<br />

Konfliktsituationen schnell<br />

helfen zu können.<br />

Und dann ist da das, was<br />

auch die Verantwortlichen<br />

im Jugendwerk umtreibt<br />

- was heißt Corona,<br />

Isolation, dem häuslichen<br />

Umfeld ausgeliefert sein<br />

für manche Kinder und Jugendlichen.<br />

Was kommt da<br />

auf die Gesellschaft zu? Das<br />

Jugendwerk kennt viele Fälle<br />

häuslicher Gewalt, des<br />

Missbrauchs, der Vernachlässigung<br />

aus Zeiten ohne<br />

Corona. Wie wird es sein,<br />

wenn sich die Haustüren<br />

wieder öffnen, wenn Kinder<br />

wieder in die Schulen<br />

kommen, vielleicht verhaltensaufällig<br />

weil traumatisiert?<br />

Ihnen muss schnell<br />

geholfen werden - und das<br />

ist eine Aufgabe aller...pb<br />

Foto: P: Blöß<br />

entwickeln zu können und das<br />

Vermissen von Mutter oder<br />

Vater nicht ohne Schäden<br />

aushalten.“ Es habe solche<br />

Besuche zu Hause gegeben,<br />

und das Jugendwerk blieb<br />

dennoch coronafrei. Die rund<br />

170 Mitarbeiter erwiesen und<br />

erweisen sich in der Ausnahmesituation<br />

als eine große<br />

Solidargemeinschaft, „sie haben<br />

ausnahmslos alles mitgetragen,<br />

keiner hat sich mit<br />

Blick auf eigene Kinder oder<br />

ältere Familienmitglieder im<br />

eigenen Hausstand eine Auszeit<br />

genommen. Alle waren<br />

da, haben sich in den Teambesprechungen<br />

auch aufgefangen,<br />

denn natürlich ist ein<br />

solcher Druck und eine solche<br />

Verantwortung in einer Zeit,<br />

über deren Auswirkungen wir<br />

auch keine Erfahrungen haben,<br />

nicht immer leicht aushaltbar.<br />

Ich bin sehr stolz, dass<br />

wir mit unserer Einrichtung so<br />

stabil geblieben sind.“<br />

Sorgen bereiten den beiden<br />

Experten in der Jugendhilfe<br />

die möglichen Auswirkungen<br />

der Isolationswochen. Was sei<br />

zwei Monate lang hinter verschlossenen<br />

Türen passiert?<br />

Keine Schule, keine Sozialkontakte<br />

außerhalb von Familien,<br />

in denen Vernachlässigung,<br />

Gewalt oder Missbrauch zu<br />

befürchten sei, das bedeute<br />

auch, dass zwei Monate lang<br />

niemandem im Umfeld von<br />

Kindern etwas auffallen könne.<br />

Und in der öffentlichen<br />

Wahrnehmung sei dieser Themenbereich<br />

kaum vorgekommen.<br />

Salmen und Heimann<br />

sind sich sicher: „Da werden<br />

wir in der Phase der weiteren<br />

Öffnung noch in Abgründe<br />

schauen. Auf die Einrichtungen<br />

der Jugendhilfe kommt<br />

eine Menge zu.“<br />

Übrigens: das Jugendwerk<br />

hat keineswegs die Räumlichkeiten<br />

im alten Kloster in der<br />

Innenstadt aufgegeben, auch<br />

wenn es den Eindruck macht.<br />

Im Juni beginnen die umfangreichen<br />

Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten.<br />

Dafür<br />

sind Wohngruppen, Verwaltung<br />

und Co in andere Räumlichkeiten,<br />

beispielsweise am<br />

Dortenbach, umgezogen. In<br />

drei Bauabschnitten über einen<br />

Zeitraum von drei Jahren<br />

hinweg erfolgt die dringend<br />

notwendige energetische<br />

Überarbeitung und auch dem<br />

Brandschutz muss Rechnung<br />

getragen werden. „UR“ berichtet<br />

in Kürze ausführlich zu<br />

diesem Projekt und setzt die<br />

Serie über die einzelnen Gruppen<br />

fort.<br />

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