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Unser Rietberg Ausgabe 04 vom 20. Mai 2020

Stadtmagazin für Bokel, Druffel, Mastholte, Neuenkirchen, Rietberg, Varensell und Westerwiehe

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Lokales<br />

Flucht oder Kampf sind natürliche Reflexe<br />

Das Jugendwerk in Zeiten von Corona - ein tolles Team hilft Kindern<br />

Ab Juni wird drei Jahre lang das alte Klostergebäude, in dem sonst das Jugendwerk tätig ist, in drei Bauabschnitten saniert <br />

Foto: P: Blöß<br />

<strong>Rietberg</strong> (pb). Coronazeiten<br />

sind solche mit strikten Vorgaben,<br />

festen Regeln, vielen<br />

Einschränkungen im Leben<br />

und gänzlich ungewohnten<br />

Strukturveränderungen im<br />

alltäglichen Ablauf. Vielen<br />

fällt es schwer in diesen Wochen,<br />

auf Gewohntes zu verzichten,<br />

Freizeit nicht mehr<br />

ausleben zu können und irgendwann<br />

vermissen Kinder<br />

und Jugendliche sogar die<br />

Schule.<br />

So schön es anfangs manchen<br />

erschien, in der Familie auf<br />

mehr oder minder engem<br />

Raum Stunden miteinander<br />

zu verbringen, mittlerweile<br />

macht sich mehr und mehr<br />

Unzufriedenheit breit. Oder,<br />

um es platt zu formulieren,<br />

man geht sich schlichtweg<br />

auf den Keks. Familien sind<br />

seit Geburt an miteinander<br />

verbandelt, doch wie schaut<br />

es eigentlich im Jugendwerk<br />

<strong>Rietberg</strong> aus? Hier, wo in<br />

unterschiedlichen Wohngrup-<br />

pen traumatisierte Kinder und<br />

Jugendliche betreut werden<br />

– und wo alle Beteiligten, insbesondere<br />

die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter in allen<br />

Bereichen seit Ausbruch der<br />

Pandemie vor ganz neuen<br />

Aufgaben stehen?<br />

Im Gespräch mit „UR“ schildern<br />

Einrichtungsleiter Adolf<br />

Salmen und der Pädagogische<br />

Leiter Tobias Heimann, was<br />

sich verändert hat, was ganz<br />

neu zu betrachten ist, welchen<br />

logistischen Herausforderungen<br />

man sich stellen muss.<br />

Und – was wird nach Corona<br />

sein? Was macht die Situation<br />

mit Kindern in nicht stabilen<br />

familiären Umfeldern?<br />

99 Mädchen und Jungen in<br />

stationärer Begleitung, weitere<br />

27 teilstationär, gehören<br />

zum <strong>Rietberg</strong>er Jugendwerk.<br />

Adolf Salmen: „Man muss<br />

sich deutlich machen, die<br />

Kinder und Jugendlichen sind<br />

von ihrer individuellen Vorgeschichte<br />

her teilweise schwer<br />

geschädigt. Sie brauchen feste<br />

Strukturen und müssen einen<br />

sicheren Ort finden, um aus<br />

diesem heraus auch sich selbst<br />

finden zu können.“ Corona,<br />

das sei nun eine ganz neue,<br />

unbekannte Bedrohung, die<br />

da auf die Jugendwerk-Familie<br />

eingeprasselt sei. „Die Kinder<br />

fragen, was das heißt, wie lange<br />

das dauern wird. Und gerade<br />

deshalb brauchen sie jetzt<br />

besondere Stabilisierung.“<br />

Die Einrichtung mit ihren vielen<br />

kleinen Wohngruppen<br />

betreue rund um die Uhr in<br />

7-Tage-Wochen, „und wir tun<br />

alles, damit die Mädchen und<br />

Jungen Strukturen finden und<br />

sich sicher fühlen“, ergänzt<br />

Heimann.<br />

„Flucht oder Kampf, das sind<br />

die beiden natürlichen Reflexe<br />

gegen eine gefühlte Bedrohung“,<br />

weiß Adolf Salmen.<br />

„Den Kindern und Jugendlichen<br />

ist von einem Tag auf<br />

den anderen vorübergehend<br />

quasi alles genommen, was<br />

sie außerhalb um sich herum<br />

haben und was als feste Struktur<br />

für das tägliche Leben<br />

steht, Freunde, Schule, Familie,<br />

Sport, gemeinsame Aktivitäten.<br />

Und kein Kind ist vorher<br />

gefragt worden oder hatte die<br />

Chance, sich auch unter unserer<br />

Begleitung in Ruhe auf die<br />

Situation einzustellen.“<br />

Diese Form der Isolierung in<br />

den vergangenen Wochen sei<br />

für viele schwer zu meistern<br />

gewesen, „sie waren ja ausgeliefert,<br />

vieles nun außerhalb<br />

des gewohnten Lebens allein<br />

hinzubekommenn. Da kommt<br />

bei so manchem der traumatische<br />

Kern wieder hoch.“<br />

Für einige andere, weiß Tobias<br />

Heimann, wardie Corona-Isolationszeit<br />

wie ein Geschenk,<br />

„jene, die im Alltag noch wenig<br />

gesellschaftlich kompatibel<br />

sind, sie haben sich ohne<br />

diesen äußerlichen Druck in<br />

Schule und Co klarzukommen<br />

auf Dinge eingelassen, die sie<br />

sonst sicher nicht ausprobiert<br />

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