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Mensch & Maschine

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22 BILDGESCHICHTE<br />

ARBEIT IST<br />

DAS EWIGE LEBEN<br />

In einer alten Kirche in Annaberg-<br />

Buchholz erzählt ein spätgotischer<br />

Altar von den Anfängen der<br />

sächsischen Industriegeschichte<br />

1. DER LANDVERMESSER<br />

Ein Landvermesser steckt mit einem<br />

Beilwurf neu erschlossene Gruben -<br />

felder ab. Im Mittelalter eine übliche<br />

Vermessungspraxis.<br />

2. DER TRANSPORT<br />

Die verschiedenen Erzsorten wurden<br />

getrent zur Hütte transportiert.<br />

Gediegenes Silber wurde dafür extra<br />

in kleine Erzfässchen gefüllt.<br />

1.<br />

2.<br />

TEXT Ralf Hanselle<br />

Auf der Rückseite eines im Jahr 1521 geweihten Flügelaltars<br />

in der St. Annenkirche in Annaberg-Buchholz ist ein weltweit<br />

einzigartiger Bilderbogen angebracht, der in seinen<br />

vielen Details ein tieferes Verständnis für das erzgebirgische Montanwesen<br />

vor 500 Jahren gibt. Zugeschrieben wird das ursprünglich<br />

vierteilige Altarbild dem vermutlich aus Nürnberg stammenden<br />

Tafel- und Glasmaler Hans Hesse. Besonders auf der Mitteltafel<br />

seines Altars hat der spätgotische Meister eine vielschichtige Bildgeschichte<br />

über die Silbergewinnung an der Schwelle zur frühen<br />

Neuzeit geschaffen. Eingelassen in eine aufwendig umgestaltete<br />

Industrielandschaft, die eindeutige Bezüge zur Annaberger Geografie<br />

aufweist, erzählt Hesse von den tiefen Umbrüchen seiner Zeit.<br />

Mit der Darstellung von Stollen, Erzhalden, Schmelzöfen oder Prägewerken<br />

belegt er, wie stark der Bergbau die erzgebirgische Lebensund<br />

Vorstellungswelt an der Schwelle zur Renaissance geprägt hat.<br />

Zu einer Zeit, in der Michelangelo sein metaphysisches Welt- und<br />

Erlösungskonzept unter die Decke der Sixtinischen Kapelle in<br />

Rom malte, hält man es im sächsischen Annaberg eher irdisch und<br />

fast ein Stück vorreformatorisch: Denn auch wenn hier und da<br />

ein paar Engel im Bildhintergrund auftauchen und auf der linken<br />

Bildtafel der Bergbaupatron St. Wolfgang zu sehen ist, so ist die<br />

Kernbotschaft auf dem einst von der Bergknappschaft in Auftrag<br />

gegebenen Altar unübersehbar: Glückseligkeit erreicht nur, wer<br />

fleißig schuftet. Seit 500 Jahren folgt die erzgebirgische Erlösung<br />

daher labora und nur ganz wenig ora.<br />

Foto: © akg-images<br />

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