Mensch & Maschine
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auch hier bei der Schwebebahn: Die<br />
technischen Herausforderungen hat<br />
Langen, der ja auch Entwickler der<br />
Schwebebahn in Wuppertal gewesen ist,<br />
mit Bravour gemeistert. Aber es hat<br />
Parallelentwicklungen gegeben, die sich<br />
besser am Markt behaupten konnten.<br />
Dennoch hat man gerade in Sachsen<br />
viel Erfahrung mit Visionen zur Mobilität.<br />
Es gibt hier eine gute Infrastruktur<br />
für Forschung und Entwicklung. Das<br />
mag auch daran liegen, dass man uns<br />
Sachsen einen Hang zur Tüftelei nachsagt.<br />
Trotz allem Know-how: Müssen Sie<br />
nicht damit rechnen, dass auch<br />
Ihre Projekte am Ende nicht über die<br />
Prototyp-Phase hinauskommen?<br />
LUISE FITZTHUM: Ich kann ja nur für unser<br />
Projekt sprechen. Wir haben das Glück,<br />
die Leipziger Verkehrsbetriebe und andere<br />
Unternehmen mit im Boot zu haben.<br />
Die haben ein Interesse daran, die Entwicklung<br />
zur Marktreife zu bringen.<br />
Bevor wir Ihre Entwicklungen genauer<br />
vorstellen, lassen Sie uns kurz darüber<br />
nachdenken, was eigentlich am Anfang<br />
einer jeden Utopie steht.<br />
SC: Da spielt vieles eine Rolle: menschliche<br />
Bedürfnisse, technische Möglichkeiten.<br />
Im Wesentlichen geht es aber<br />
um eine Lücke. Bei unseren Projekten<br />
etwa geht es um Antworten auf die<br />
Frage, wie wir die Verkehrswende meistern<br />
und den ÖPNV ins Zeitalter der<br />
Digitalisierung bringen können.<br />
LF: Das verbindet uns. Die Gegenwart<br />
stellt uns vor neue Probleme. So wird in<br />
absehbarer Zukunft Fahrpersonal für<br />
Busse und Bahnen fehlen. Zudem werden<br />
auch die Bedürfnisse der Kunden ausgefeilter<br />
und individueller werden.<br />
Der klassische Alleinfahrer im eigenen<br />
Pkw wird ein Auslaufmodell und Verkehr<br />
öffentlicher werden.<br />
Was Sie beschreiben, ist ja ein generelles<br />
Problem unserer digitalen Gegenwart:<br />
Man verlangt von Produkten und<br />
Dienstleistungen, dass sie granular werden<br />
– das heißt, es gibt ein Bedürfnis<br />
In Oberloschwitz, dem<br />
Endpunkt der Schwebebahn,<br />
empfängt einen die<br />
historische Bergstation<br />
nach Passgenauigkeit. Die Dresdner<br />
Schwebebahn hier ist noch ein Beispiel<br />
für das alte, das vordigitale Denken:<br />
Hier laufen zwei Kabinen auf einem<br />
statischen Stahlträger. Alles ist somit<br />
festgelegt. Abweichung, Individualisierung<br />
oder Sonderwünsche sind nicht<br />
vorgesehen. Der Soziologe Max Weber<br />
prägte dafür einst den Begriff des<br />
„stahlharten Gehäuses“ des Industriezeitalters.<br />
SC: Ja, das Industriezeitalter 2.0 hatte<br />
noch sehr harte Rahmenbedingungen.<br />
Heute indes scheint alles weicher, aber<br />
auch diffuser geworden zu sein. Sie<br />
zum Beispiel, Frau Fitzthum, arbeiten<br />
an der TU Dresden an einem Projekt<br />
namens ABSOLUT. Dabei geht es um<br />
automatisiert fahrende Bus-Shuttles in<br />
Leipzig. Diese sollen, wenn sie fertig<br />
sind, auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen<br />
und Nutzer reagieren können.<br />
LF: Wir planen ein hoch automatisiertes<br />
System, das auf einer Strecke von sieben<br />
Kilometern zwischen einem S-Bahnhof<br />
und dem Leipziger BMW-Werk verkehren<br />
wird. Die gut 13 000 Mitarbeiter<br />
dort arbeiten im Schichtdienst. Das<br />
heißt, die jetzigen Busse sind zu den<br />
Stoßzeiten überfüllt, sonst aber gähnend<br />
leer. Der ÖPNV in seiner jetzigen<br />
Form ist auf solche Veränderungen nicht<br />
ausgelegt; das ist wirtschaftlich nicht<br />
tragbar. Also überlegen wir, ob sich nicht<br />
ein Konzept mit automatisierten und<br />
fahrerlosen Bus-Shuttles entwickeln<br />
lässt. Geht alles gut, werden wir 2021<br />
den Probebetrieb starten.<br />
Wie wollen Sie denn die Bedürfnisse<br />
der Fahrgäste erfassen?<br />
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