Mensch & Maschine
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MOBILITÄT<br />
47<br />
LF: Der Bus soll im Linienbetrieb fahren,<br />
aber zusätzlich auch on demand zur<br />
Verfügung stehen – das heißt, man<br />
kann den Bus über eine App buchen.<br />
Sie, Herr Claus, arbeiten bei einem<br />
anderen sächsischen Verkehrsprojekt,<br />
dem sogenannten Smart Rail Connectivity<br />
Campus in Chemnitz. Dabei<br />
handelt es sich um eine Art Thinktank,<br />
in dem man über die Probleme des<br />
zukünftigen Schienenverkehrs nachdenkt.<br />
Es geht also auch bei Ihnen<br />
um den ÖPNV. Ist das, was Frau<br />
Fitzthum da beschrieben hat, auch ein<br />
Problem für Eisenbahner?<br />
SC: Wir forschen bei uns immer wieder<br />
zu Fragen der Mobilität im ländlichen<br />
Raum. Da stehen Sie vor ähnlichen Herausforderungen.<br />
Auf dem Land ist der<br />
ÖPNV oft sehr ausgedünnt. Gerade<br />
am Wochenende kommen <strong>Mensch</strong>en<br />
kaum noch vom Fleck. Deshalb beschäftigen<br />
auch wir uns mit On-demand-<br />
Systemen für die Schiene. Es gibt aber<br />
auch vergleichbare Probleme in großen<br />
Ballungsräumen: Denken Sie etwa an<br />
den Trubel nach Großveranstaltungen:<br />
Die Bahnsteige füllen sich, und der<br />
Normalbetrieb reicht nicht mehr aus.<br />
Wäre es da nicht schön, wenn man dank<br />
Künstlicher Intelligenz in der Lage<br />
wäre, das wachsende Bedürfnis der<br />
Kunden früh zu erkennen und zusätzliche<br />
Züge automatisch einzusteuern?<br />
Das Zauberwort heißt also KI?<br />
LF: Die Herausforderung für uns besteht<br />
darin, dass Fahrzeuge lernen müssen,<br />
mit der Infrastruktur zu kommunizieren.<br />
Dafür müssen wir das ganze Umfeld<br />
technisch ertüchtigen.<br />
SC: Der ÖPNV auf der Straße kann hier<br />
viel von der Bahn lernen – zum Beispiel<br />
bei der Leit- und Sicherungstechnik.<br />
Die Schiene fährt seit jeher mit einer<br />
Leittechnik. Das heißt, der Fahrer entscheidet<br />
nicht, wann er fährt; der<br />
Verkehr wird über Signalanlagen gesteuert.<br />
Das werden wir auch immer öfter<br />
beim Automobilverkehr erleben.<br />
LF: Das stimmt. Wir müssen etwa<br />
„Visionen verbinden<br />
das technisch<br />
Mögliche mit dem<br />
finanziell Machbaren“<br />
Ampelanlagen dazu bringen, ihr<br />
visuelles Signal zusätzlich auch als digitale<br />
Information an ein Fahrzeug<br />
zu übertragen.<br />
Und dennoch kennt auch die Bahn<br />
noch immer keine führerlosen Züge.<br />
SC: Das hat juristische und technische<br />
Gründe. Es gibt derzeit noch kein System,<br />
das derart fehlerfrei arbeitet, dass man es<br />
allein lassen könnte. Es gibt Situationen,<br />
die uns vor Herausforderungen stellen:<br />
Bahnübergänge zum Beispiel.<br />
LF: Da gibt es in der Tat Probleme:<br />
Wie bringen Sie der Technik bei,<br />
ob ein Objekt auf einer Fahrbahn eine<br />
Von der Bergstation der<br />
Schwebebahn aus schaut<br />
man auf Dresden und die<br />
Elbe<br />
Zurück in die Zukunft:<br />
Claus und Fitzthum<br />
diskutieren über den<br />
Verkehr von morgen<br />
Plastiktüte oder eine Katze ist? Und wie<br />
erklären Sie dem Algorithmus, wie<br />
sich Objekte im Notfall verhalten? Da<br />
ist vieles ungelöst.<br />
SM: Wie groß ist am Ende überhaupt<br />
die Bereitschaft der Fahrgäste, sich auf<br />
autonome Systeme einzulassen?<br />
LF: Das wird sich einspielen. Wir nutzen<br />
ja auch alle Fahrstühle – und die lenkt<br />
auch niemand mehr von Hand.<br />
SC: Wichtig ist, dass man den Fahrgästen<br />
den menschlichen Mehrwert der<br />
neuen Systeme erklärt. Wenn es in<br />
Zukunft Teilbereiche von Bahnstrecken<br />
geben wird, auf denen ein Zug autonom<br />
fahren kann, dann hat der Zugführer<br />
mehr Zeit, sich um die Bedürfnisse<br />
der Kunden zu kümmern. Unsere<br />
Verkehrsutopien verfolgen also keinen<br />
Selbstzweck. Der <strong>Mensch</strong> ist kein<br />
lästiges Übel der Technik. Der <strong>Mensch</strong><br />
muss im Zentrum der Innovationen<br />
stehen. •<br />
MENSCH & MASCHINE