Mensch & Maschine
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ZEITREISE<br />
33<br />
Foto: Halbmond Teppichwerke<br />
– ein in Deutschland komplett vom<br />
Hand geknüpfter Teppich lohnt sich<br />
einfach nicht! Die Lohnkosten in Persien<br />
betragen zum Ende des 19. Jahrhunderts<br />
nur ein Zehntel der hiesigen<br />
Kosten. So zahlt man für einen Teppich<br />
mit 409 600 Maschen, der in Persien<br />
umgerechnet 8,70 Mark kostet, in<br />
Deutschland über 100 Mark. Zudem<br />
gilt die Teppichproduktion als knifflige<br />
Handarbeit – selbst dann, wenn<br />
<strong>Maschine</strong>n die zumeist weiblichen<br />
Weberinnen unterstützen.<br />
Aber schließlich, Ende der 20er-<br />
Jahre, ist man so weit: Die Orientstickteppiche<br />
der Tefzet aus dem Vogtland<br />
etablieren sich in aller Welt als Alternative<br />
zu ihren Vorbildern aus dem Orient.<br />
Das liegt zugegebenermaßen auch daran,<br />
dass sich die Qualität der Exportware<br />
aus dem Orient mittlerweile verschlechtert<br />
hat.<br />
Ein Wort, das man in Oelsnitz übrigens<br />
bis heute nicht gern hört, ist das<br />
Wort Fälschung. Zu recht. Denn mit<br />
heutigen Vorstellungen von rechtlich<br />
geschütztem Design kommen wir beim<br />
Orientteppich nicht weit. Wie einst<br />
die Geschichten der alten orientalischen<br />
Märchenerzähler wurden die Designs<br />
über Jahrhunderte hinweg weitergegeben<br />
und sind bis heute im Grundsatz<br />
erhalten geblieben. Trotzdem: „Von<br />
Originalen, also von echten Orientteppichen<br />
kann man eigentlich nur sprechen,<br />
wenn sie aus dem Ursprungsland<br />
stammen“, weiß Zimmermann. Sprechen<br />
wir also besser von einer Orientteppich-Kopie,<br />
so wie es auch die Tefzet-<br />
Werbeprospekte der damaligen Zeit tun.<br />
„Immer schon war es das Bestreben<br />
der europäischen und amerikanischen<br />
Teppich-Industrie, einen Teppich zu<br />
schaffen, der den kostbaren alten orientalischen<br />
Stücken in Farbe, Musterung,<br />
Qualität und Lebensdauer ebenbürtig<br />
sein sollte“, tönte zum Beispiel eine<br />
Tefzet-Magazin-Anzeige aus den<br />
Alter Webstuhl des<br />
Teppichwerks in Adorf<br />
30er-Jahren. „Herrlich wie ein Echter,<br />
haltbar wie ein Echter... aber lange nicht<br />
so teuer!“ Und fügte vollmundig und<br />
mit einem Seitenhieb auf die Konkurrenz<br />
hinzu: „Nur auf dem Wege der<br />
Handarbeit ist es möglich, den ganzen<br />
Reiz der antiken Teppiche so vollendet<br />
wiederzugeben.“<br />
Ein Ende dieser Konkurrenz unter<br />
den Vogtländer Teppichbetrieben<br />
bringt erst die DDR. Sämtliche Teppichbetriebe<br />
werden verstaatlicht und unter<br />
dem Namen des Verkaufsschlagers von<br />
Koch & te Kock zum VEB Halbmond-<br />
Teppiche zusammengeführt.<br />
Womit wir bei unserer kleinen<br />
Zeitreise wieder bei der anfangs vorgestellten<br />
Reisegruppe aus der DDR<br />
angekommen wären. Die ist mittlerweile<br />
weitergereist und im Libanon<br />
angekommen. Das Bild, das sich den<br />
Vertretern dort bietet, ist ein atem beraubendes:<br />
In Achrafieh, einem der<br />
ältesten Bezirke der libanesischen<br />
Hauptstadt Beirut, wurde eine komplett<br />
neue Moschee aus dem Boden<br />
gestampft: ein großer Kugelbau, der die<br />
Herren aus der DDR beeindruckt.<br />
Was sie aber noch mehr beeindruckt ist<br />
dieses: „Die gesamte Moschee ist mit<br />
unseren Artikeln ausgelegt – 800 qm<br />
unserer Qualität Täbris-Super“, befindet<br />
Dietzel nicht ohne Stolz: „Was unsere<br />
Teppiche an betrifft, so muss ich sagen,<br />
dass sie sich in dem Raum sehr gut<br />
ausnahmen.“ •<br />
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