Mensch & Maschine
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„Das mechanische<br />
Zeitalter wird in<br />
absehbarer Zeit zu<br />
Ende gehen“<br />
Fotos: © Stephan Floss (2). Georg Eckelt. © Karl Clauss Dietel VG Bild-Kunst, Bonn 2020. © Lutz Rudolph VG Bild-Kunst, Bonn 2020<br />
widmen: dem Automobil. Zwei Fahrzeuge<br />
markieren bald Höhe- und Tiefpunkt<br />
seiner Karriere. Der Trabi, für<br />
den Dietel zusammen mit Lutz Rudolph<br />
an insgesamt sieben Nachfolgemodellen<br />
arbeiten wird. Und der Wartburg,<br />
dessen Grundentwurf auf einer<br />
Studie Dietels aus dem Jahr 1962<br />
basiert.<br />
„Es gibt auch Dummköpfe, die mir<br />
meinen Wartburgentwurf streitig machen<br />
wollen“, bemerkt er eher enerviert<br />
als wütend. Er entrollt ein Poster und<br />
erklärt den Entwurf. Dabei folgen seine<br />
Finger den abgerundeten Formen,<br />
erläutern mir deren Semantik. Ziel war<br />
es, so sagt er, „dieses Produkt auf<br />
menschliches Maß zu bringen“.<br />
Breite und Höhe von Tischen und<br />
Stühlen ergeben sich aus den Maßen<br />
des menschlichen Körpers, erläutert er.<br />
Dietel beugt sich nun über den Tisch<br />
und breitet seine Arme aus. Mein Blick<br />
fällt auf die Wand rechts von mir, wo<br />
Leonardo da Vincis vitruvianischer<br />
<strong>Mensch</strong> als Zeitungsausschnitt hängt.<br />
Leonardo erscheint hier wie ein Hausgott,<br />
nein, der prototypische Gestalter,<br />
nicht der Erfinder, zu dem er oft stilisiert<br />
wird. Überhaupt gerät Dietel nun<br />
in Bewegung, verweilt kaum noch am<br />
Tisch. Überall in seinem Atelier hängen<br />
Bilder, Zeitungsausschnitte, Plakate,<br />
die illustrieren sollen, was er meint. Er<br />
geht zur gegenüberliegenden Wandseite,<br />
dort hängt ein ganzer Bilderstreifen.<br />
Er zeigt ihn als kleinen Hosenmatz am<br />
Lenkrad des väterlichen Wagens. Geradezu<br />
zwangsläufig erscheint da seine<br />
spätere Beziehung zum Automobil.<br />
Dietel hat einen weiteren Zeitungsausschnitt<br />
parat. Dieser zeigt einen Entwurf<br />
für ein Elektroauto der Marke<br />
Honda. Die Schnauze erinnert an ein<br />
freundliches, vereinfachtes Gesicht. Er<br />
legt seinen Wartburgentwurf daneben.<br />
Die Form semantik ist dieselbe, „’Ne<br />
anständige Sache“, nennt Dietel es. Das<br />
vermutlich schon größte Kompliment,<br />
das er vergibt. Er freut sich über die<br />
„geistige Kongruenz“. „Da fühlt man<br />
sich nicht einsam.“ Und dann sagt<br />
er einen dieser druckreifen Dietel-Sätze:<br />
„Das verankert eigenes Tun hinein in<br />
die Ströme der Zeiten.“<br />
Doch genug der schönen Sprache.<br />
Jetzt schwenkt er hinüber zum zeitgenössischen<br />
Automobil. So mancher<br />
moderne SUV, ein wahres Schlachtschiff<br />
auf den Straßen, in denen <strong>Mensch</strong>en<br />
wie Monaden im ewigen Stau der<br />
Innenstädte und Autobahnen stehen,<br />
sei vielleicht Ausdruck des Wunsches,<br />
der klaustrophobischen Nähe zu entgehen,<br />
meint er. Ob das Auto Zukunft<br />
hat? Das mechanische Zeitalter, das mit<br />
der Renaissance begann, es wird in<br />
abseh barer Zeit zu Ende gehen, glaubt<br />
er. Und mit ihm zusammen wohl<br />
auch das Auto.<br />
Dietels Lebenswerk begleitete die<br />
Hochphase des Automobils, dessen Goldenes<br />
Zeitalter und dessen Ende. Nun<br />
könnte man meinen, dass er im falschen<br />
Teil Deutschlands gelebt hat, wo die<br />
politischen Vorgaben seine Schöpferkraft<br />
hemmten. Zwar notierte er am Tag der<br />
Maueröffnung in sein Tagebuch „Endlich<br />
endet die Entmündigung“, aber die<br />
Gängelei hat ihn wohl auch angespornt.<br />
Das damals einzigartige Studium des<br />
Karosseriebaus, die Arbeit im Zentrum<br />
des DDR-Autobaus sowie die Notwendigkeit<br />
der Materialreduktion aufgrund<br />
der ökonomischen Zwänge – all das<br />
prägte sein Schaffen auf positive Weise.<br />
Was also bleibt, nach Jahrzehnten<br />
schöpferischer Arbeit? Produkte, die für<br />
den Nutzer als <strong>Mensch</strong>en geschaffen<br />
sind und die das <strong>Mensch</strong>liche zum Maß<br />
der Dinge erheben. •<br />
Was Dieter Rams im Westen, das ist<br />
Karl Clauss Dietel im Osten: ein<br />
Vordenker der Formgestaltung. Seine<br />
Entwürfe prägen nicht nur Klassiker<br />
des DDR-Designs. Nach 1990 gab<br />
Dietel Elektrofahrädern, Telefonen<br />
und sogar Häusern eine neue Form<br />
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