Dissertation - Amtliche Materialprüfungsanstalt
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Mikroskopische Schadensanalyse<br />
und Konservierungskontrolle<br />
am Beispiel historischer Terrakotten und Ziegel<br />
DISSERTATION<br />
zur Erlangung des akademischen Grades<br />
Doctor rerum naturalium<br />
an der Fakultät Bauingenieurwesen<br />
der<br />
Bauhaus-Universität Weimar<br />
vorgelegt von<br />
Frank Schlütter<br />
aus Erfurt<br />
Weimar 2002<br />
Gutachter: 1. Prof. Dr.-Ing. habil. Jochen Stark<br />
2. Prof. Dr. rer. nat. habil. R. Blaschke<br />
3. Prof. Dr. rer. nat. habil. D. Knöfel<br />
Tag der Disputation: 30.04.2002
Der Begeisterte wird immer und notwendig<br />
über den triumphieren, der nicht begeistert ist.<br />
Willi Rickmer Rickmers<br />
(Bremer Fabrikant und Asienforscher,<br />
Leiter der Deutsch-Russischen ALAI-PAMIR-Expedition 1928)
Vorwort<br />
Vorwort<br />
Nach heutigem Verständnis des Begriffes Denkmalpflege ist zur Erhaltung von Kunst- und<br />
Kulturgut eine Konservierung anzustreben. Ein Materialaustausch soll möglichst vermieden<br />
werden.<br />
Zu den Voraussetzungen einer erfolgreichen und dauerhaften konservatorischen Behandlung<br />
gehören stets auch genaue Kenntnisse der Ursachen und Auswirkungen auftretender<br />
Schäden. Die Veränderungen der Baustoffgefüge müssen bis in ihre mikroskopischen<br />
Details bekannt sein, um die Schadensprozesse rekonstruieren und bei der Festlegung<br />
konservatorischer Schritte berücksichtigen zu können. Hierfür wird die Aussagefähigkeit<br />
mikroskopischer Untersuchungen an kleinen Bauwerksproben noch immer unterschätzt und<br />
nicht ausreichend genutzt.<br />
Mit der vorliegenden Arbeit sollen die Möglichkeiten der analytischen Mikroskopie zur<br />
Schadensdiagnose und zur Bewertung von Konservierungen am Beispiel geschädigter<br />
Terrakotten und Ziegel aufgezeigt werden.<br />
Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. habil. R. Blaschke für die Unterweisungen in der<br />
analytischen Baustoffmikroskopie, die mir vor allem in den vielen Stunden gemeinsamer<br />
Laborwagenarbeit in umfassender Form zuteil wurden. Darüber hinaus bedanke ich mich für<br />
seine zahlreichen Anregungen hinsichtlich der Darstellung der Ergebnisse.<br />
Für seine Unterstützung danke ich auch Herr Dr.-Ing. H. Juling von der MPA Bremen. Er hat<br />
durch seine Diskussionsbereitschaft wesentlich zum Gelingen beigetragen.<br />
Gleichfalls danke ich Herrn Prof. Dr-Ing. habil. J. Stark vom F.A. Finger Institut für Baustoffkunde<br />
der Bauhaus-Universität in Weimar für die wohlmeinende Unterstützung und vor allem<br />
für die Möglichkeit, diese Arbeit an der Fakultät Bauingenieurwesen der Bauhaus-Universität<br />
Weimar einreichen zu können.<br />
Frau Dr. Hella Ruebesam vom Deutschen Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege e.V. in<br />
Fulda (ZHD) möchte ich für die Förderung der Mikroskopie im Rahmen der BMFT/BMBF-<br />
Projekte zur Denkmalpflegeforschung danken.<br />
Ebenfalls danke ich Herrn Dr. M. Steiger vom Institut für Allgemeine und Angewandte<br />
Chemie der Universität Hamburg für die thermodynamischen Berechnungen an einem Salzgemisch<br />
und die Unterstützung bei deren Interpretation.<br />
Bei Herrn Dr. E. Wendler und Herrn Dr. H.-H. Neumann möchte ich mich für die Diskussionen<br />
zu Fragen der Schadensprozesse durch Salze bedanken.<br />
Mein herzlicher Dank gilt meiner Frau Beatrice Schunke für ihre Geduld und den Verzicht auf<br />
Familienleben an zahlreichen Wochenenden. Auch ihre tatkräftige Unterstützung bei der<br />
Strukturierung der Arbeit und der Korrektur des Manuskriptes war eine unerläßliche Hilfe.<br />
Die Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit wurden während meiner Tätigkeit in der<br />
Abteilung Analytische Baustoffmikroskopie der <strong>Amtliche</strong>n <strong>Materialprüfungsanstalt</strong> der Freien<br />
Hansestadt Bremen (MPA) durchgeführt und aus Mitteln des Bundesministeriums für<br />
Forschung und Technologie im Rahmen des Verbundprojektes „Steinzerfall - Steinkonservierung“<br />
finanziert.<br />
Die Bearbeitung der Terrakotten der Johanniskirche in Tartu erfolgte im Auftrag des ZHD<br />
Fulda.
Inhaltsverzeichnis 4<br />
Inhalt<br />
Seite<br />
1 PROBLEMSTELLUNG UND UNTERSUCHUNGSOBJEKTE 8<br />
1.1 Problemstellung und Ziele 8<br />
1.2 Bauwerke, Materialien und Untersuchungsschwerpunkte 10<br />
1.2.1 Schweriner Schloß 10<br />
1.2.2 Holstentor in Lübeck 12<br />
1.2.3 Johanniskirche in Tartu (Republik Estland) 13<br />
1.2.4 Kampischer Hof in Stralsund 15<br />
2 STAND DER FORSCHUNG - LITERATURAUSWERTUNG 18<br />
2.1 Zur Geschichte der Herstellung keramischer Baustoffe<br />
von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung<br />
18<br />
2.2 Zusammensetzung und Gefüge grobkeramischer Materialien 19<br />
2.3 Schadensursachen an keramischen Baustoffen 21<br />
2.3.1 Rohstoff- und fertigungsseitige Schadensursachen 21<br />
2.3.2 Bauwerkspezifische und anthropogene Schadensursachen 22<br />
2.4 Mikroskopische Untersuchungen an Ziegeln und Terrakotten 23<br />
2.4.1 Laborserien 23<br />
2.4.2 Bauwerksproben 26<br />
2.5 Spezielle mikroskopische Untersuchungen zu Schadensursachen 28<br />
und Konservierungsansätzen<br />
2.5.1 Kryo-REM-Untersuchungen 28<br />
2.5.2 ESEM-Untersuchungen 29<br />
3 ZUR METHODIK DER MIKROSKOPISCHEN BAUSTOFFANALYSE 32<br />
3.1 Probennahme 33<br />
3.2 Präparationsschritte 33<br />
3.2.1 REM-Präparation 34<br />
3.2.2 Dünnschliff-Präparation 35<br />
3.2.3 Kryo-Präparation vor Ort 35
Inhaltsverzeichnis 5<br />
3.3 Mikroskopische Analysemethoden 35<br />
3.3.1 Polarisationsmikroskopie 37<br />
3.3.2 Rasterelektronenmikroskopie und Röntgenmikroanalyse 37<br />
3.3.2.1 Rasterelektronenmikroskop und energiedispersive<br />
Röntgenmikroanalyse<br />
37<br />
3.3.2.2 Kryo-Einrichtung 39<br />
3.3.3 Artefakte und deren Vermeidung 39<br />
4 UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE UND DISKUSSION 41<br />
4.1 Bauterrakotten im Fassadenbereich (Schweriner Schloß, 41<br />
Holstentor Lübeck und Johanniskirche Tartu)<br />
4.1.1 Thematische Schwerpunkte der durchgeführten<br />
mikroskopischen Untersuchungen<br />
41<br />
4.1.2 Definition der verwendeten Begriffe 42<br />
4.1.3 Scherbeneigene Ursachen der Oberflächenfarbigkeiten<br />
der Terrakotten des Holstentores in Lübeck<br />
42<br />
4.1.3.1 Rote Oberfläche über ockerfarbenem Scherben 43<br />
4.1.3.2 Gelbliche Oberfläche über rotockerfarbenem Scherben 46<br />
4.1.4 Farbfassungsrelikte an den Oberflächen der Terrakotten<br />
der Johanniskirche in Tartu<br />
48<br />
4.1.4.1 Gelbockerfassung 48<br />
4.1.4.2 Rotfassung 51<br />
4.1.5 Veränderungen der Oberflächen an den Terrakotten des<br />
Schweriner Schlosses - Auflagerungen und Krusten<br />
54<br />
4.1.5.1 Schwarze und graue Oberflächen 54<br />
4.1.5.2 Gelbschwarze Oberflächen 61<br />
4.1.5.3 Beige Oberflächen 63<br />
4.1.5.4 Rötlich-beige Oberflächen 65<br />
4.1.6 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile<br />
an den Terrakotten des Schweriner Schlosses<br />
67<br />
4.1.6.1 Stadium I: Keine Schäden erkennbar 69<br />
4.1.6.2 Stadium II: Erste sichtbare Schäden 74<br />
4.1.6.3 Stadium III: Starke sichtbare Schäden 76
Inhaltsverzeichnis 6<br />
4.1.7 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile an den<br />
Terrakotten des Holstentores Lübeck und der Johanniskirche Tartu<br />
80<br />
4.1.7.1 Holstentor Lübeck - Stadium II: Erste sichtbare Schäden 80<br />
4.1.7.2 Holstentor Lübeck - Stadium III: Starke sichtbare Schäden 83<br />
4.1.7.3 Johanniskirche Tartu - Stadium III: Starke sichtbare Schäden 85<br />
4.1.8 Modell zum Schadensprozeß an Bauterrakotten im Fassadenbereich<br />
in Gegenwart von Gips<br />
90<br />
4.1.9 Mikroskopische Bewertung von Probekonservierungen an den<br />
Terrakotten des Schweriner Schlosses<br />
94<br />
4.1.9.1 Strukturelle Festigung 95<br />
4.1.9.2 Kompressenbehandlung zur Gipsminderung 104<br />
4.1.9.3 Oberflächenkonsolidierung durch Schalenhaftmörtel<br />
und Schlämmen<br />
109<br />
4.2 Ziegelmauerwerk des Kampischen Hofes in Stralsund 115<br />
4.2.1 Thematische Schwerpunkte der durchgeführten<br />
mikroskopischen Untersuchungen<br />
115<br />
4.2.2 Mikroskopische Charakterisierung des Ziegelmaterials 116<br />
4.2.3 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile<br />
am Außenmauerwerk<br />
118<br />
4.2.3.1 Intakte mittelalterliche Ziegel mit Ausblühungen 118<br />
4.2.3.2 Schädigung mittelalterlicher Ziegel durch Gips 121<br />
4.2.3.3 Schädigung mittelalterlicher Ziegel durch NaCl 125<br />
4.2.3.4 Schädigung der Reparaturziegel des 19. Jh. durch NaCl 127<br />
4.2.4 Einfluß der Witterung auf die NaCl-Kristallisation am<br />
Außenmauerwerk<br />
132<br />
4.2.4.1 Feuchte Witterung und ergänzende Laborversuche 132<br />
4.2.4.2 Trockene Witterung 133<br />
4.2.5 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile<br />
am Innenmauerwerk<br />
137<br />
4.2.5.1 Gips im Schadensbild der mittelalterlichen Ziegel 138<br />
4.2.5.2 NaCl im Schadensbild der mittelalterlichen Ziegel 144<br />
4.2.6 Auswirkungen einer Raumklimatisierung auf die NaCl-Kristallisation<br />
am Innenmauerwerk<br />
153<br />
4.2.6.1 Ausgangszustand 153<br />
4.2.6.2 Zustand nach viermonatiger Klimatisierung 153
Inhaltsverzeichnis 7<br />
4.2.7 Auswirkungen einer Kompressenbehandlung auf die Salze<br />
im oberflächennahen Porenraum<br />
158<br />
4.2.8 Vergleich von Kryo-REM- und REM-Untersuchungen<br />
zur NaCl-Kristallisation am Innenmauerwerk<br />
161<br />
4.2.8.1 Kryo-REM-Untersuchung 161<br />
4.2.8.2 REM-Untersuchung 161<br />
4.2.9 Modell zum Schadensprozeß am Ziegelmauerwerk<br />
des Kampischen Hofes<br />
165<br />
5. ZUSAMMENFASSUNG 167<br />
6. LITERATUR 170
1. Problemstellung und Ziele 8<br />
1 PROBLEMSTELLUNG UND UNTERSUCHUNGSOBJEKTE<br />
1.1 Problemstellung und Ziele<br />
Nicht nur Natursteine oder Putze historischer Bauwerke zeigen Schäden, die auf ein<br />
Versagen der Baustoffe unter den konkreten Belastungssituationen zurückzuführen sind.<br />
Terrakotten und Ziegel sind gleichermaßen davon betroffen.<br />
Es ist inzwischen unbestritten, daß die starke Zunahme anthropogener Schadstoffemissionen<br />
in die Atmosphäre seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine der wesentlichen<br />
Ursachen heute anzutreffender Schäden ist.<br />
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß fast immer auch auslösende Faktoren am Bauwerk<br />
vorhanden sind. Die Exposition eines Gebäudes, die geometrischen Verhältnisse einzelner<br />
Bauteile, die Materialeigenschaften und eine vorhandene Belastungssituation sind die<br />
bestimmenden Größen für die Entstehung von Schäden.<br />
Durch das komplexe Zusammenwirken verschiedener Schädigungsmechanismen entstehen<br />
eine Vielzahl phänomenologisch charakterisierbarer Verwitterungsformen. Hierzu zählen<br />
Oberflächenveränderungen in Form von Ausblühungen, Schwärzungen und Krusten sowie<br />
Materialverluste mit unterschiedlichen Verwitterungsprofilen.<br />
An kunsthistorisch wertvollen Objekten, zu denen auch die Baukeramik im Fassadenbereich<br />
denkmalgeschützter Bauwerke zählt, ist eine Probenentnahme häufig nur unter großen<br />
Einschränkungen möglich. Die verantwortlichen Denkmalpfleger und Restauratoren verlangen<br />
eine zerstörungsfreie oder zumindest zerstörungsarme Zustandserfassung.<br />
Dieser Forderung nach substanzschonender Probenentnahme wird die Mikroskopie durch<br />
die Möglichkeit, sich auf sehr kleine Proben zu beschränken, in hohem Maße gerecht.<br />
Die Erfahrungen aus verschiedenen Forschungsarbeiten zur Verwitterung historischer und<br />
moderner Baustoffe haben gezeigt, daß die aktuellen Schadensbilder das Resultat langjähriger<br />
Prozesse sind, deren entscheidende Anfänge in mikroskopisch feinen Dimensionen<br />
gesucht werden müssen. Mit Hilfe mikroskopischer Untersuchungen können Verwitterungsvorgänge<br />
erkannt und hinsichtlich ihrer Ursachen interpretiert werden (Blaschke 1987 und<br />
1989; Blaschke und Juling 1990a und 1992).<br />
Umfassende mikroskopische Untersuchungen an Bauwerksproben geschädigter Terrakotten<br />
wurden bisher noch nicht durchgeführt.<br />
In der vorliegenden Arbeit sollen die Oberflächen- und Gefügeveränderungen, die an den<br />
Terrakotten unterschiedlicher Bauwerke unter objektspezifischen Belastungssituationen<br />
entstanden sind, erfaßt und verglichen werden. Hierbei werden alle im Außenbereich an<br />
unglasierten keramischen Fassadenbauteilen auftretenden Phänomene berücksichtigt.<br />
Ziel ist die Rekonstruktion der Entwicklung von Primärschäden und deren Abgrenzung von<br />
sekundären Veränderungen.<br />
Die Eignung eines Konservierungskonzeptes wird meist an Testflächen überprüft, die nach<br />
ausreichender Standzeit untersucht und beurteilt werden. Die mikroskopische Analytik wurde<br />
bislang kaum zur Bewertung von Konservierungen eingesetzt.<br />
Am Beipiel von Konservierungstestflächen an Terrakotten sollen die Möglichkeiten der<br />
Mikroskopie für eine Dauerhaftigkeitsprognose sanierter Bereiche untersucht werden.
1. Problemstellung und Ziele 9<br />
Leicht lösliche Salze in porösen Materialien stellen besondere Anforderungen an die<br />
mikroskopische Analytik. Die Grenzen herkömmlicher mikroskopischer Verfahren zur Klärung<br />
von Verwitterungsprozessen an feuchte- und salzbelastetem Ziegelmauerwerk sind nicht<br />
ausreichend definiert. Aus Natursteinuntersuchungen ist jedoch bekannt, daß Lagerung und<br />
Transport von Proben, die leicht lösliche Salze enthalten, unter Umständen zu<br />
Veränderungen im Probenmaterial führen, die verfälschenden Einfluß auf die Ergebnisse<br />
mikroskopischer Untersuchungen haben können.<br />
Durch den Einsatz der Kryo-Präparation vor Ort und Untersuchung in der Kryo-Probenkammer<br />
des REM soll die Feuchte- und Salzverteilung in geschädigten und ungeschädigten<br />
Ziegeln eines Bauwerkes ermittelt werden.<br />
Ziele sind die Abbildung von Feuchtigkeit bzw. Salzlösung im Porenraum und die Ermittlung<br />
und Bewertung der Morphologien der Salze bei unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen<br />
und schließlich die Klärung der Lösungswanderung und der Schädigungsmechanismen.<br />
Die Untersuchungen wurden an folgenden Objekten und Materialien durchgeführt:<br />
1. Schweriner Schloß - Terrakotten des 19. Jahrhunderts<br />
2. Holstentor in Lübeck - Terrakotten des 19. Jahrhunderts<br />
3. Johanniskirche in Tartu (Republik Estland) - Terrakotten des 14. Jahrhunderts<br />
4. Kampischer Hof in Stralsund - Ziegel des 14. und 19. Jahrhunderts
1. Problemstellung und Ziele 10<br />
1.2 Bauwerke, Materialien und Untersuchungsschwerpunkte<br />
1.2.1 Schweriner Schloß<br />
Das Schweriner Schloß mit seiner reichen architektonischen Gliederung ist eines der<br />
kulturhistorisch wertvollsten Baudenkmale Mecklenburg-Vorpommerns (Abb. 1). Nach einem<br />
grundlegenden Umbau um 1870 ist das Schloß in seiner heutigen Gestalt ein hervorragendes<br />
Beispiel des Historismus, der verschiedene Kunst- und Baustile vorheriger Epochen vereint.<br />
Die Gliederung des Neuen Langen Hauses und der Terrakottaschmuck sind Ausdruck einer<br />
Wiederbelebung von Renaissanceformen in Mecklenburg während dieser Zeit (Brockow<br />
1995a).<br />
Zur Gestaltung der Fassaden wurden sowohl Abformungen der Renaissance-Porträt-<br />
Terrakotten des alten Schweriner Schlosses (Motive des Lübecker Meisters Statius von<br />
Düren) angefertigt als auch neue Porträts entworfen und hergestellt (Brockow 1995b).<br />
Abb. 1:<br />
Das Schweriner Schloß<br />
in der Abendsonne.<br />
Rechts neben dem<br />
großen Turm sind die<br />
Giebel mit Terrakottaverkleidungen<br />
verziert.<br />
Abb. 2:<br />
Geschädigte Porträt-<br />
Terrakotta an der Fassade<br />
des Schweriner<br />
Schlosses (NW-Giebel<br />
über dem Kirchenchor).<br />
Starke Konturenverluste<br />
im Bereich des Porträts<br />
sowie des Blattkranzes<br />
sind kennzeichnend für<br />
das fortgeschrittene<br />
Stadium der Schädigung.
1. Problemstellung und Ziele 11<br />
Makroskopisch erkennbare Schäden und Fragestellungen an die analytische Mikroskopie<br />
Die Terrakotten des NW-Giebels am Neuen Langen Haus wiesen zum Zeitpunkt der<br />
Untersuchungen zum Teil erhebliche Schäden auf (Abb. 2). Die lokale Begrenzung der<br />
Schäden auf den NW-Giebel steht im Zusammenhang mit defekten Abdeckungen des<br />
freistehenden Giebels und schadhafter Dachanschlüsse an der Giebelrückseite.<br />
Gesamtziel der Untersuchungen war es, Möglichkeiten einer in situ Konservierung aufzuzeigen,<br />
um die geschädigten Terrakotten im Bestand zu erhalten und einen Austausch<br />
gegen Kopien zu vermeiden.<br />
Zur Zustandserfassung und während der Durchführung der konservatorischen Arbeiten<br />
wurden an den Terrakotten schrittweise umfangreiche mikroskopische Untersuchungen<br />
durchgeführt. Damit bestand die Gelegenheit, die komplette naturwissenschaftliche und<br />
restauratorische Bearbeitung mikroskopisch zu unterstützen. Tabelle 1 faßt die auftretenden<br />
Schäden und die Untersuchungsschwerpunkte zusammen.<br />
Tabelle 1: Terrakotten am NW-Giebel des Schweriner Schlosses: Auftretende Schäden,<br />
Inhalte der durchgeführten Untersuchungen und eingesetzte mikroskopische<br />
Methoden<br />
Material Makroskopische<br />
Schäden<br />
Terrakotta<br />
(19. Jh.)<br />
- Oberflächenveränderungen<br />
• Verschmutzungen<br />
• Krusten<br />
• Verfärbungen<br />
- Materialverlust / Rückwitterung<br />
durch<br />
• Absanden<br />
• Abschuppen<br />
• Schalenbildung<br />
Gegenstand der<br />
mikroskopischen<br />
Untersuchungen<br />
- Oberflächenveränderungen<br />
• Salzausblühungen<br />
• Krusten, Auflagerungen<br />
• Farbunterschiede der<br />
keramischen Oberflächen<br />
- Gefügeveränderungen im<br />
Tiefenprofil<br />
• Entfestigungsformen<br />
• Neubildungen (Salze)<br />
• Salzverteilung<br />
- Konservierungsmaßnahmen<br />
• Festigung<br />
• Kompressenbehandlung<br />
• Anböschung / Schlämmen<br />
Mikroskopische<br />
Methoden<br />
-PolMi<br />
-REM/EDX
1. Problemstellung und Ziele 12<br />
1.2.2 Holstentor in Lübeck<br />
Das 1466-78 erbaute Holstentor, eigentlich Holstein-Tor, ist eines der bedeutendsten<br />
Bauwerke der Backsteingotik in Lübeck (Rumler 1997). Einst Teil der mittelalterlichen<br />
Befestigungsanlage, sind die massigen Türme mit den Spitzdächern heute eines der Wahrzeichen<br />
der Stadt (Abb. 3).<br />
Das Mauerwerk besteht aus glasierten und unglasierten Ziegeln und ist durch umlaufende<br />
Terrakottafriese horizontal gegliedert.<br />
Von den spätmittelalterlichen Terrakotten der Erbauungszeit sind nur noch wenige<br />
Exemplare vorhanden. Die Mehrzahl wurde aufgrund ihres schlechten Zustandes, wahrscheinlich<br />
im Zuge der Umbauten im Jahre 1871, entfernt und durch Kopien ersetzt.<br />
Abb. 3:<br />
Holstentor in Lübeck. Im Vordergrund steht das<br />
Labormobil. Oberhalb des Fahrzeugdaches ist<br />
der untere, horizontal umlaufende Terrakottafries<br />
zu erkennen. Der nächste Fries befindet sich<br />
oberhalb der verglasten Fenster und länglichen<br />
Bögen.<br />
Abb. 4:<br />
Typische Schäden an den Terrakotten des<br />
Holstentores Lübeck:<br />
Oberflächenveränderungen durch schwarze<br />
Krusten und starke Materialverluste durch<br />
Rückwitterung
1. Problemstellung und Ziele 13<br />
Makroskopisch erkennbare Schäden und Fragestellungen an die analytische Mikroskopie<br />
Die Terrakotten weisen an zahlreichen Stellen starke Schädigungen auf. Dabei ist ein<br />
ursächlicher Zusammenhang zwischen der teilweise ungenügenden Wasserführung im<br />
Bereich der Kalksteingesimse und den Schäden an den Terrakottafriesen ersichtlich. In<br />
schadhaften Gesimsteilen mit ausgewaschenen Fugen wird ablaufendes Regenwasser<br />
kanalisiert und dringt verstärkt in die darunter befindlichen Terrakotten ein. In den<br />
betroffenen Bereichen treten Krustenbildung und Rückwitterung auf (Abb. 4).<br />
Im Rahmen einer Zustandserfassung vor anstehenden Restaurierungsarbeiten bot sich die<br />
Gelegenheit für mikroskopische Untersuchungen, die jedoch auf die Kopien des 19. Jahrhunderts<br />
beschränkt waren (s. Tabelle 2).<br />
Im Mittelpunkt standen die Gefügeveränderungen der Terrakotten in unterschiedlichen<br />
Stadien der Schädigung sowie die auftretenden Ausblühungen und Krusten. Außerdem<br />
wurden die Ursachen von Farbunterschieden zwischen der Terrakottaoberfläche und dem<br />
darunter befindlichen keramischen Scherben mikroskopisch analysiert.<br />
Tabelle 2: Terrakotten des Holstentores Lübeck: Auftretende Schäden, Inhalte der durchgeführten<br />
Untersuchungen und eingesetzte mikroskopische Methoden<br />
Material Makroskopische<br />
Schäden<br />
Terrakotta<br />
(19. Jh.)<br />
- Oberflächenschäden<br />
• Verschmutzungen<br />
• Krusten<br />
- Materialverlust / Rückwitterung<br />
durch<br />
• Absanden<br />
• Abschelbern<br />
• Schalenbildung<br />
1.2.3 Johanniskirche in Tartu (Republik Estland)<br />
Gegenstand der<br />
mikroskopischen<br />
Untersuchungen<br />
- Gefügeveränderungen im<br />
Tiefenprofil<br />
• Entfestigungsformen<br />
• Neubildungen (Salze)<br />
• Salzverteilung<br />
- Oberflächenveränderungen<br />
• Salzausblühungen<br />
• Krusten, Auflagerungen<br />
• Farbunterschiede der<br />
keramischen Oberflächen<br />
Mikroskopische<br />
Methoden<br />
-PolMi<br />
-REM/EDX<br />
Die Johanniskirche in der estnischen Stadt Tartu (Abb. 5) steht in der Tradition der<br />
Backsteingotik des Ostseeraumes und ist eines der wenigen Zeugnisse des Mittelalters im<br />
klassizistisch geprägten Stadtbild (Karin 1995).<br />
Von den ehemals etwa 2000 Dekorationsstücken aus Terrakotta, die einstmals die Innenund<br />
Außenwände schmückten, sind durch Kriegseinwirkungen etwa die Hälfte verlorengegangen.<br />
Die erhaltenen Terrakottafriese und -plastiken an der Johanniskirche in Tartu sind die<br />
ältesten bekannten Terrakotten im Norden Europas. Die erhabenen und strengen Züge der<br />
Portal-Skulpturen des Wimpergs sind ein ausdrucksstarkes Zeugnis mittelalterlicher<br />
Formgestaltung mit einfachen Hilfsmitteln (Schneiden des Tones). Ihre Entstehung wird,<br />
vorwiegend nach stilistischen Kriterien, in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert<br />
(Altoa 1994).
1. Problemstellung und Ziele 14<br />
Makroskopisch erkennbare Schäden und Fragestellungen an die analytische Mikroskopie<br />
Nach der starken Zerstörung im zweiten Weltkrieg stand die Kirche als Ruine. Während der<br />
Sowjetzeit wurden kaum Erhaltungsmaßnahmen am Kirchenbau durchgeführt. Die nahezu<br />
ungehinderte Einwirkung von Luftverschmutzung und Feuchtigkeit hat sowohl an den Ziegeln<br />
als auch an den Terrakotten zu neuen Schäden geführt bzw. die Ausbreitung älterer<br />
Schadensherde begünstigt.<br />
Die Untersuchungen von Pirii et al. (1996) zeigen, daß von einem komplexen Schadensprozeß<br />
aufgrund einer heterogenen Salzverteilung auszugehen ist. In verschiedenen<br />
Fassadenbereichen sind unterschiedliche bauschädliche Salze nachgewiesen worden.<br />
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die mittelalterlichen Terrakotta-Skulpturen am<br />
Ziergiebel des W-Portals, dem sogenannten Wimperg, mikroskopisch untersucht (Abb. 6).<br />
Typische Verwitterungsformen an diesen Figuren sind schwarze Krusten und Konturenverluste<br />
durch Schuppen- und Schalenablösung. Das Ziel der Untersuchungen, die im<br />
Vorfeld von Konservierungsarbeiten durchgeführt wurden, war die Zustandserfassung und<br />
die Klärung des Schadensprozesses.<br />
Abb. 5:<br />
W-Turm der Johanniskirche in Tartu (Republik<br />
Estland). Der Wimperg des W-Portals mit den<br />
Skulpturen befindet sich hinter der Brettereinhausung<br />
(Mitte des unteren Bildteils).<br />
Abb. 6:<br />
Typische Schäden an einer Terrakotta-Skulptur<br />
aus einer Nische des Wimpergs am Westportal<br />
der Johanniskirche.<br />
Schwarze Krusten und Konturenverluste durch<br />
Rückwitterung.
1. Problemstellung und Ziele 15<br />
Außerdem wurden Farbfassungsreste, die bei restauratorischen Befunduntersuchungen<br />
zutage traten, hinsichtlich Stratigraphie, Pigmentidentifizierung und Erhaltungszustand<br />
mikroskopisch untersucht.<br />
Tabelle 3 faßt die auftretenden Schäden und die Untersuchungsschwerpunkte zusammen.<br />
Tabelle 3: Terrakotta-Skulpturen am Wimperg der Johanniskirche Tartu: Auftretende<br />
Schäden, Inhalte der durchgeführten Untersuchungen und eingesetzte mikroskopische<br />
Methoden<br />
Material Makroskopische<br />
Schäden<br />
Terrakotta<br />
(14. Jh.)<br />
- Oberflächenschäden<br />
• Verschmutzungen<br />
• Krusten<br />
- Materialverlust / Rückwitterung<br />
durch<br />
• Absanden<br />
• Abschelbern<br />
1.2.4 Kampischer Hof in Stralsund<br />
Gegenstand der<br />
mikroskopischen<br />
Untersuchungen<br />
- Oberflächenveränderungen<br />
• Salzausblühungen<br />
• Krusten, Auflagerungen<br />
• Farbunterschiede der<br />
keramischen Oberflächen<br />
- Fassungsreste<br />
- Gefügeveränderungen im<br />
Tiefenprofil<br />
Mikroskopische<br />
Methoden<br />
-PolMi<br />
-REM/EDX<br />
Mit dem Bau des Kampischen Hofes in Stralsund wurde Ende des 13. Jahrhunderts begonnen.<br />
Der Ziegelbau diente als Wirtschaftshof des ca. 15 km von Stralsund gelegenen<br />
Zisterzienserklosters Neukamp (dem heutigen Franzburg).<br />
Die gegenwärtige Form des Objektes als zweiflügelige, U-förmige Anlage geht auf Umbauten<br />
im 14. Jahrhundert zurück. Dabei wurde die Westseite des S-Flügels bis zur Stadtmauer<br />
erweitert und der heutige Mittelbau errichtet. Der Bau des N-Flügels erfolgte gegen Mitte des<br />
14. Jahrhunderts (Holst 1999).<br />
Die Untersuchungen wurden am S-Flügel durchgeführt. Dieser Teil des Gebäudekomplexes<br />
ist ein viergeschossiges Speichergebäude, das vermutlich überwiegend für die Lagerhaltung<br />
wechselnder Güter genutzt wurde (Abb. 7).<br />
Makroskopisch erkennbare Schäden und Fragestellungen an die analytische Mikroskopie<br />
Am Kampischen Hof sind alle für mittelalterliche Ziegelmaterialien typischen Schadensbilder<br />
anzutreffen. Insbesondere am Außenmauerwerk treten sehr unterschiedliche Formen der<br />
Rückwitterung auf (Tabelle 4). Dabei ist eine starke Abhängigkeit der Schäden von der<br />
Exposition erkennbar. Während die Ziegel der N-Wand weitgehend intakt sind, zeigen sich<br />
insbesondere an der S- und der W-Wand fortgeschrittene Zerstörungen.<br />
Ausblühungen am Außenmauerwerk treten bevorzugt an der O- und S-Fassade des<br />
Gebäudes auf. Ihre Intensität unterliegt jahreszeitlichen bzw. klimatischen Schwankungen,<br />
sie treten verstärkt bei länger anhaltender trockener Witterung zutage (Abb. 7).<br />
Demgegenüber sind an den Innenwänden, insbesondere im S-Flügel, ganzjährig starke<br />
Salzausblühungen vorhanden (Abb. 8). Außerdem treten an einzelnen Ziegeln Rückwitterungen<br />
durch Schuppen- und Schalenbildung bzw. durch Absanden auf.
1. Problemstellung und Ziele 16<br />
Im Mauerwerk liegen hohe bis sehr hohe Salzgehalte vor. Hierbei handelt es sich überwiegend<br />
um NaCl, dessen Herkunft bislang nicht zufriedenstellend geklärt werden konnte.<br />
Nach Brockow (1998) finden sich in der Literatur Anhaltspunkte für eine umfangreiche<br />
Beteiligung der Zisterzienser an der Salzgewinnung und am Salzhandel. Das gibt Anlaß zur<br />
Vermutung, daß der Kampische Hof, insbesondere der Südflügel, vorübergehend als Salzspeicher<br />
genutzt wurde.<br />
Von Steiger (1998) wird die Möglichkeit eines Salzeintrages mit dem Regen und eine<br />
allmähliche Akkumulation im Mauerwerk diskutiert. Zu dieser Annahme geben die Höhenund<br />
Tiefenprofile der Salzverteilung und Korrelationen der Salzmaxima mit Gesimsen und<br />
Mauerwerksvorsprüngen Anlaß.<br />
Die bereichsweise starken Schäden an den Ziegeln stehen im Zusammenhang mit der<br />
Feuchte- und Salzbelastung des Mauerwerks.<br />
Maßgeblichen Einfluß auf die unterschiedliche Beständigkeit der Ziegel hat die Schwankungsbreite<br />
ihrer Eigenschaften (Freyburg 1993). Für sehr poröse Ziegel mit hoher<br />
Feuchtespeicherfähigkeit sind bereits Frost-Tau-Wechsel (ohne Salz) als Schadensursache<br />
in Betracht zu ziehen (Freyburg 1997).<br />
Abb. 7:<br />
SO-Ecke des S-Flügels des Kampischen Hofes<br />
in Stralsund. Die S-Wand des Gebäudes weist<br />
starke Schäden am Ziegelmauerwerk auf.<br />
An der O-Wand sind links oberhalb des unteren,<br />
linken Fensters starke Salzausblühungen zu<br />
erkennen (NaCl).<br />
Abb. 8:<br />
Kampischer Hof Stralsund, Detail des Mauerwerkes<br />
der südlichen Innenwand des S-Flügels.<br />
Starke Salzausblühungen (NaCl-Kruste) auf den<br />
Ziegeloberflächen (Pfeil).
1. Problemstellung und Ziele 17<br />
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden mikroskopische Untersuchungen an den Ziegeln<br />
des Außen- und Innenmauerwerkes des Südflügels zu folgenden Schwerpunkten<br />
durchgeführt:<br />
• Gefügebetrachtungen zum Scherbenaufbau der vorhandenen Ziegeltypen<br />
• Gefügeveränderungen / Verwitterungsprofile und deren Ursachen<br />
• Morphologie der Salzkristalle / Abbildung der Salzlösung<br />
• Einfluß unterschiedlicher Klimaverhältnisse auf die Salzkristallisation<br />
• Auswirkungen einer Kompressenentsalzung auf die vorhandenen Salze<br />
• Vergleich zwischen Kryo-REM-Untersuchungen und REM-Untersuchungen zur Klärung<br />
des Einflusses von Probentransport und -lagerung<br />
Aus der Abbildung und Beschreibung der Salzlösung im Porenraum des Ziegels, der<br />
Morphologien der Salzkristalle sowie deren Lösungsstadien unter dem Einfluß unterschiedlicher<br />
Salzkonzentrationen und Materialfeuchten sollen Rückschlüsse auf die Salztransportvorgänge<br />
und Schadensmechanismen gezogen werden.<br />
Tabelle 4 enthält eine Übersicht über die auftretenden Schäden, die durchgeführten<br />
mikroskopischen Untersuchungen und die eingesetzten Abbildungsverfahren.<br />
Tabelle 4: Kampischer Hof in Stralsund: Auftretende Schäden, Inhalte der durchgeführten<br />
Untersuchungen und eingesetzte mikroskopische Methoden<br />
Material Makroskopische<br />
Schäden<br />
Ziegel<br />
(außen)<br />
(Mittelalter)<br />
Ziegel<br />
(innen)<br />
(Mittelalter)<br />
- Rückwitterung<br />
a) Konvex (Randzonenverlust,<br />
teilweise Höckerbildung)<br />
b) Konkav (Kernverlust)<br />
durch<br />
• Absanden<br />
• Abschuppen<br />
• Schalenbildung<br />
- Salzausblühungen<br />
- Krusten / Auflagerungen<br />
- Rückwitterung (flächig) durch<br />
• Absanden<br />
• Abschuppen<br />
• Schalenbildung<br />
- Salzausblühungen<br />
Gegenstand der<br />
mikroskopischen<br />
Untersuchungen<br />
- Ausblühungen<br />
• Salzbestimmung<br />
• Morphologien<br />
- Gefüge der Ziegeltypen<br />
• Charakteristika<br />
- Gefügeveränderungen<br />
geschädigter Ziegel im<br />
Tiefenprofil<br />
• Entfestigungsformen<br />
• Neubildungen (Salze)<br />
• Salzverteilung<br />
- Leicht lösliche Salze /<br />
Salzlösung im Porenraum<br />
• Morphologien<br />
• Verteilung im Gefüge<br />
- Ausblühungen<br />
• Salzbestimmung<br />
• Morphologien<br />
- Leicht lösliche Salze /<br />
Salzlösung im Porenraum<br />
• Morphologien<br />
• Verteilung im Gefüge<br />
• Auswirkung einer Raumklimatisierung<br />
• Auswirkung einer Kompressenbehandlung<br />
Mikroskop.<br />
Methoden<br />
-PolMi<br />
-REM/EDX<br />
-Kryo-REM<br />
- PolMi<br />
- REM/EDX<br />
- Kryo-REM
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 18<br />
2 STAND DER FORSCHUNG - LITERATURAUSWERTUNG<br />
2.1 Zur Geschichte der Herstellung keramischer Baustoffe von den<br />
Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung<br />
Der folgende Abriß der Entwicklung der Ziegel- und Terrakottaherstellung entstand in<br />
Anlehnung an Stark und Wicht (1995).<br />
Die ältesten bekannten Ziegelfunde stammen aus dem Niltal. Dort wurden zur Herstellung<br />
frühzeitlicher, kleindimensionierter Wohnbauten ungebrannte, mit Strohhäcksel und Kamelmist<br />
vermischte Lehmziegel verwendet. Ihre Datierung wurde mit Hilfe der C 14 -Methode an<br />
überlagernden Schlammschichten vorgenommen und ergab ein Alter von etwa 15.000<br />
Jahren. Diese Funde gelten als der früheste Nachweis ziegeltechnischer Betätigung auf der<br />
Erde.<br />
Die Erfindung des gebrannten Ziegels erfolgte wahrscheinlich eher zufällig, denkbar sind<br />
beispielsweise Beobachtungen der hohen Festigkeiten von Lehmböden im Bereich von<br />
Feuerstellen. Eine gezielte Herstellung und Verwendung gebrannter Ziegel für Bauwerke ist<br />
in Mesopotamien bereits um 4000 v. Chr. belegt.<br />
Nachdem in der Antike der Ziegel als Werkstein deutlich hinter den Naturstein zurücktrat,<br />
erlangte der Ziegelbau in römischer Zeit, vorwiegend zu militärischen Zwecken, wieder<br />
größere Bedeutung. Aus den Schriften des Vitruv ist zu entnehmen, daß die Römer bereits<br />
über ausgereifte technologische Kenntnisse der Tonaufbereitung und der Magerung mit<br />
Sand verfügten. Mit den vorrückenden Legionen verbreitete sich auch die Ziegelherstellung<br />
und damit der Ziegelbau in Europa.<br />
Mit dem Abzug der Römer um 400 n. Chr. geriet das Bauen mit Ziegeln nördlich der Alpen<br />
weitgehend in Vergessenheit. Erst unter Karl dem Großen gab es eine in größerem Umfang<br />
betriebene Ziegelbautechnik.<br />
Im ausgehenden Mittelalter - 12. Jahrhundert - lebte der Ziegelsteinbau bei Kirchen wieder<br />
auf, der im Formenreichtum gotischer Backstein-Architektur seinen Höhepunkt erreichte.<br />
Aufbereitung und Formgebung<br />
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte die Aufbereitung des Tones oder Lehmes auf<br />
einfachste Weise durch Treten und Schlagen der Masse mit Muskelkraft von Mensch oder<br />
Tier. Ein Auswittern auf Halden (Wintern) und eine gezielte Magerung bei Bedarf sind etwa<br />
seit der Römerzeit belegt. Einen frühen Hinweis auf Schlämmen zur Homogenisierung und<br />
Entfernung schädlicher Nebenbestandteile liefert Alberti 1452 (Rupp und Friedrich 1993).<br />
Bestimmte Oberflächenstrukturen mittelalterlicher Terrakotten legen die Vermutung nahe,<br />
daß die Formgebung in dieser Zeit durch Schneiden des Tons erfolgte. Erst im 16. Jahrhundert<br />
wurde die Holzform als Negativ des Tonrohlings verstärkt genutzt, so daß erst mit<br />
dieser Entwicklung von der Bauterrakotta als Formstein im engeren Sinne gesprochen<br />
werden kann (Wallasch 1995).<br />
Für die Formgebung der Ziegel ist eine ähnliche Entwicklung belegt. Sie erfolgte anfänglich<br />
wahrscheinlich völlig ohne Hilfsmittel, zur Nachbehandlung der plastischen oder halbtrockenen<br />
Ziegelrohlinge waren einfache Kratz- und Zuschneidegeräte in Gebrauch. Eine<br />
wesentliche Verbesserung der Formgebung brachte der Einsatz von Holzrahmen, nachfolgend<br />
von Formkästen. Der aufbereitete Tonbatzen wird mit der Hand in eine Holzform<br />
geschlagen.
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 19<br />
Mittels eines Abschneiders - dem sogenannten Streichholz - wird der über den Rand der<br />
Form ragende Teil des Batzens abgestrichen. Um das Lösen des Tons aus der Form zu<br />
erleichtern, wird diese vor dem Füllen entweder in Wasser getaucht oder in Sand gerüttelt.<br />
Man unterscheidet danach zwischen Wasserstrich und Sandstrich. Auf diese Weise<br />
entstehen die traditionellen Handstrichziegel mit ihren formenreichen Faltenstrukturen an<br />
den Sichtflächen.<br />
Neben der Tonbeschaffenheit und der Art der Aufbereitung hat die bei der Handformgebung<br />
zugeführte Wurf- und Fallenergie starken Einfluß auf die Ausbildung der „inneren Struktur“<br />
des Ziegels.<br />
Im 19. Jahrhundert wurden durch einige grundlegende Entwicklungen die Voraussetzungen<br />
für eine Industrialisierung der Ziegelproduktion geschaffen. 1844 konstruierte Henry Clayton<br />
den stehenden Tonschneider und Carl Schlickeysen erfand 1854 die Schneckenpresse.<br />
Trocknung und Brennen<br />
Die Trocknung der Rohlinge erfolgte unter einfachen Regenschutzdächern durch Lagerung<br />
an der Luft. Erst durch die Verwendung der industriellen Ziegelöfen konnte deren warme<br />
Abluft zum Trocknen und Vorheizen verwendet werden.<br />
Über die Brenntechnologien aus den Anfängen der Ziegelherstellung liegen nur wenige<br />
gesicherte Erkenntnisse vor. Es wird angenommen, daß in babylonischer Zeit in Meilern<br />
gebrannt wurde, wobei lediglich Temperaturen von 550-600°C erreicht wurden.<br />
Zu römischen Ziegelöfen existieren verschiedene, teils umfangreiche Funde, die den hohen<br />
technologischen Stand dieser Zeit dokumentieren.<br />
Das Brennen der Ziegelrohlinge in mittelalterlicher und gotischer Zeit wurde anfänglich in<br />
Meilern, später überwiegend in Feldbrandöfen oder in aufwendiger konstruierten Ziegelöfen<br />
durchgeführt (Hennrich 1999).<br />
Die materialkundliche Auswertung eines 1996 durchgeführten Feldbrandes hat zu der Einschätzung<br />
geführt, daß die Ausbeute an verwertbaren Ziegeln bei dieser Brenntechnologie<br />
schätzungsweise 60 % betragen hat (Freyburg 1996b).<br />
Mit der Entwicklung eines kontinuierlich arbeitenden Brennofens im Jahre 1858 durch<br />
Friedrich Hoffmann waren schließlich die Voraussetzungen für die industrielle Massenproduktion<br />
geschaffen.<br />
2.2 Zusammensetzung und Gefüge grobkeramischer Materialien<br />
Das Gefüge eines grobkeramischen Körpers wird bestimmt durch Korngröße und Korngrößenverteilung<br />
der mineralischen Komponenten, ihre Anordnung im Raum und ihren<br />
Verbund, durch den Porengehalt sowie durch Größe, Gestalt und Verteilungsfunktion der<br />
Poren (Noll 1991).<br />
Im einzelnen können folgende stoffliche Bestandteile sowie Gefügecharakteristika unterschieden<br />
werden:<br />
Feinanteil (Matrix, Glasphase)<br />
In der Tonfraktion des Rohmaterials (Korngröße < 0,002 mm) finden oberhalb bestimmter<br />
Temperaturen chemische Umwandlungen statt. Die neugebildeten Phasen sind feinkristallin<br />
oder glasig. Bei höher gebrannter, versinterter und verglaster Keramik wird dieser Feinanteil<br />
mit dem Begriff „Matrix“ umschrieben (Noll 1991).
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 20<br />
Magerung (Mineralkörner)<br />
Die gröberen Kornanteile eines Scherbens (Mineralkörner: Quarz, Feldspäte, Glimmer)<br />
werden im keramischen Sprachgebrauch als Magerung bezeichnet. Die Größe der<br />
Magerungskomponenten liegt üblicherweise im Bereich Schluff und Sand (Korngröße 0,002<br />
bis 2 mm). An den chemischen Umwandlungen während des Brennprozesses sind die<br />
Mineralkörner nicht oder nur in beschränktem Umfang beteiligt (Noll 1991).<br />
Der Begriff Magerung läßt jedoch deren Herkunft offen. Möglich ist sowohl die Vermischung<br />
feinstkörniger Tone mit gröberem Material im Verlauf der geologischen Entstehungsgeschichte<br />
des Tons als auch die gezielte Magerung durch den Hersteller. Eine nachträgliche<br />
Unterscheidung ist im allgemeinen nicht möglich (Noll 1991).<br />
Porosität<br />
Kennzeichnend für die Porosität eines Scherbens sind Porengehalt, -form, -größe und<br />
-verteilung sowie das Verhältnis von offenen zu geschlossenen Poren.<br />
Meist ist die entstehende Porosität im Inneren des Scherbens höher als am Rand. Ursachen<br />
hierfür sind der höhere Formgebungsdruck am Rand (Salmang 1958) sowie eine etwas<br />
höhere Brenntemperatur durch den direkten Kontakt zum Feuer (Freyburg 1996b).<br />
Nach Robinson (1982) sowie Franke und Bentrup (1993) ist keine direkte Korrelation<br />
zwischen (Gesamt-)Porosität und Dauerhaftigkeit möglich. Entscheidend dafür sind die<br />
Porenstruktur bzw. die Porenradienverteilung.<br />
Texturen<br />
Unter Textur versteht man im deutschen Sprachgebrauch die räumlich gerichtete Anordnung<br />
von Teilchen oder Poren. Handgeformte Keramiken zeigen alle Übergangsformen vom<br />
ungeordneten Gefüge bis zur gerichteten Textur von Magerungskomponenten und/oder<br />
Matrix (Noll 1991).<br />
Eine ausführliche Beschreibung der Entstehung des keramischen Scherbens im Fertigungsprozeß<br />
und der dabei ablaufenden chemisch-mineralogischen Vorgänge wird beispielsweise<br />
von Salmang (1958) gegeben. Tabelle 5 faßt die wichtigsten Einflußfaktoren des Rohstoffs<br />
und der einzelnen Produktionsschritte auf das Gefüge und die Eigenschaften des<br />
Endproduktes zusammen.<br />
Tabelle 5: Einflußfaktoren des Rohstoffs und der Produktionsschritte der grobkeramischen<br />
Fertigung auf das Endprodukt<br />
Einflußfaktoren auf das Endprodukt<br />
Rohstoff - Tonzusammensetzung (Mineralbestand, Kalkgehalt)<br />
- Beimengungen (Gips, Sulfide, Alkalien)<br />
- Verunreinigungen (Schmiermittel)<br />
Aufbereitung - Durchmischung, Homogenität<br />
- Magerung (Gehalt an Magerungsbestandteilen, Korngrößenverteilung)<br />
- Wassergehalt<br />
Formgebung - Texturen (Handformgebung, Strangpresse, Drehtisch)<br />
Trocknung - Trocknungsgeschwindigkeit, Trocknungsgrad<br />
- Art der Trocknung (Freilufttrocknung, beschleunigte Trocknung)<br />
Brennprozeß - Brenntemperatur, Brenndauer<br />
- Brandführung (Aufheiz- und Abkühlgeschwindigkeit; oxidierende<br />
und/oder reduzierende Ofenatmosphäre)<br />
- Rauchgaseinwirkung
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 21<br />
Die Qualität der Rohstoffe und die Parameter bei der Herstellung bestimmen alle wesentlichen<br />
Eigenschaften des keramischen Materials. Vom Anwender wird die Güte einer Baukeramik<br />
mit „einfachen“ Begriffen wie Dauerhaftigkeit oder Beständigkeit beschrieben.<br />
Die wichtigsten physikalisch-technischen Meßgrößen hierzu sind:<br />
- Spezifisches Gewicht (Rohdichte, Reindichte)<br />
- Druckfestigkeit, Biegezugfestigkeit, Spaltzugfestigkeit<br />
- Elastizitätsmodul / Ultraschall-Laufzeit<br />
- Wärmeleitfähigkeit<br />
- Thermische und hygrische Dehnung<br />
- Offene und geschlossene Porosität<br />
- Porenradienverteilung<br />
- Permeabilität<br />
- Kapillare Wasseraufnahme<br />
- Wasseransaugvermögen<br />
- Wasserdampfdiffusion<br />
2.3 Schadensursachen an keramischen Baustoffen<br />
2.3.1 Rohstoff- und fertigungsseitige Schadensursachen<br />
In vorindustrieller Zeit hatten Schwankungen in der Rohstoffqualität sowie die einfache<br />
Fertigungstechnologie ein uneinheitliches Ziegelmaterial mit entsprechend unterschiedlicher<br />
Beständigkeit zur Folge. In Tabelle 6 sind die wichtigsten rohstoff- und fertigungsseitigen<br />
Schadensursachen und deren Auswirkungen (Schadensbild) zusammengestellt.<br />
Tabelle 6: Rohstoff- und fertigungsseitige Schadensursachen an keramischen Baustoffen<br />
und deren Auswirkungen (nach Ashurst 1988)<br />
Schadensursache Auswirkungen (Schäden)<br />
zu fette Tone Risse<br />
hohe Kalkanteile, insbesondere Knollen Abplatzungen nach Feuchtekontakt<br />
hohe Salzgehalte im Ton Krusten, Ausblühungen<br />
zu rasche Trocknung (evtl. Sonne und Wind) Risse<br />
zu hohe Restfeuchte (zu früh gebrannt) Risse<br />
zu geringe Brenntemperatur geringe Beständigkeit<br />
Formgebungstexturen Schalenbildung<br />
In der Auswertung eines Feldbrandversuches, der bezüglich der Brenntechnik einer der<br />
mittelalterlichen Fertigungstechniken entspricht, hat Freyburg (1996b) die signifikante<br />
Abhängigkeit der Ziegelgüte von der Brenntemperatur experimentell nachgewiesen.<br />
Von Freyburg (1997) wurden die Qualitätsparameter historischer Ziegel von vier zeitlich und<br />
regional unterschiedlich einzustufenden Gebäuden bestimmt. Dabei konnte der Einfluß der<br />
lokalen Rohstoffgegebenheiten, der Aufbereitung sowie des Brennprozesses auf die<br />
Dauerhaftigkeit der Ziegel nachgewiesen werden. Der Vergleich der ermittelten Kennwerte<br />
mit den Ergebnissen des o.g. Feldbrandversuches hat gezeigt, daß die Ziegelqualitäten an<br />
mittelalterlichen Bauwerken von einem Schwachbrandziegel bis zu einem optimal<br />
gebrannten Ziegel reichen.<br />
Durch diese vergleichenden Untersuchungen konnte geklärt werden, warum im Mauerwerksverband<br />
häufig einzelne Ziegel einer Bauphase versagen, während andere, scheinbar<br />
gleiche, keine oder nur geringe Schäden aufweisen.
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 22<br />
2.3.2 Bauwerkspezifische und anthropogene Schadensursachen<br />
Neben den rohstoff- und herstellungsbedingten Schadensursachen können durch die<br />
jeweiligen bauwerkspezifischen Gegebenheiten und menschliches Handeln Prozesse in<br />
Gang gesetzt werden, die zur Schädigung von keramischen Baustoffen beitragen.<br />
Tabelle 7 faßt diese Ursachen, das resultierende Schadenspotential und die Auswirkungen<br />
(Schadensbilder) zusammen.<br />
Tabelle 7: Bauwerkspezifische und anthropogene Einflußfaktoren, resultierende Schadenspotentiale<br />
und Auswirkungen auf die keramischen Baustoffe<br />
Ursache Schadenspotential Auswirkungen (Schäden)<br />
Wassereintrag - Hohe Materialfeuchte - Risse (bei Frosteinwirkung)<br />
- Mobilisierung salzbildender Ionen - Ausblühungen, Krusten<br />
durch Auswaschungen aus vorhande- - Salzsprengung<br />
nen Baustoffen (Ziegel, Mörtel) - Trocknungsbehinderung<br />
- Eintrag salzbildender Ionen<br />
(Niederschlag, aufsteigende Feuchte)<br />
- Erhöhte Ausgleichsfeuchte<br />
Klimawechsel<br />
(Schwankungen<br />
von Temperatur<br />
und Feuchte)<br />
Baustoffe<br />
Mikrobiologie<br />
Konservierungsfehler<br />
Nutzung<br />
- Hygrisches Quellen und Schwinden<br />
(bei zyklischer Befeuchtung)<br />
- Risse (durch hygrische<br />
Wechselbeanspruchung)<br />
- Thermisches Quellen und Schwinden - Risse (durch thermische<br />
Wechselbeanspruchung)<br />
- Zyklische Salzkristallisation - Salzsprengung<br />
- Mobilisierung salzbildender Ionen<br />
(z.B. aus Zement, Traß, Gips)<br />
- Zu große Differenzen in den<br />
Baustoffkennwerten (Ziegel / Mörtel)<br />
- Bewuchs mit Algen, Flechten und<br />
Moosen<br />
- Existenz von Biofilmen<br />
- Aggressive Stoffwechselprodukte der<br />
Organismen (Pilze, Bakterien)<br />
- Anwendung ungeeigneter bzw. nicht<br />
optimierter Reinigungsverfahren<br />
- Reinigung mit Säuren und Laugen<br />
(Ionenquellen)<br />
- direkte und indirekte<br />
Salzschäden<br />
- Risse durch Unterschiede<br />
im Verformungsverhalten<br />
- Erhöhung der Materialfeuchte<br />
- Osmotischer Druck<br />
- Lösungsangriff auf<br />
Materialkomponenten<br />
- Oberflächenschäden<br />
- Lösungsangriff auf<br />
Materialkomponenten<br />
- Salzbildung / Salzschäden<br />
- Fehlerhafte Hydrophobierungen - Hinterfeuchtungen<br />
- Frostschäden<br />
- Salzschäden<br />
- Verwendung ungeeigneter<br />
Festigungsmittel<br />
- Ungeeignetes Nutzungsklima (bzgl.<br />
Temperatur, rel. Luftfeuchte, Lüftung)<br />
- Zusätzlicher Feuchte- und<br />
Schadstoffeintrag in die Baustoffe<br />
- Überfestigung<br />
- Schalenbildung<br />
- Aktivierung bzw.<br />
Verstärkung von<br />
Schadensprozessen<br />
(Salzschäden,<br />
Mikrobiologische Prozesse)
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 23<br />
2.4 Mikroskopische Untersuchungen an Ziegeln und Terrakotten<br />
Die Auswertung der Literatur hat gezeigt, daß bis Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts<br />
die Naturwerksteine bzw. Natursteinbauwerke im Mittelpunkt des wissenschaftlichen<br />
Interesses standen. Den Verwitterungsprozessen, die zu Schädigungen an Ziegelbauwerken<br />
führen, wurde nur vereinzelt Beachtung geschenkt.<br />
Erst im Rahmen des im Zeitraum 1987-1993 durchgeführten Forschungsprojektes „NATO-<br />
CCMS Pilot Study - Conservation of Historic Brick Structures“ wurde den Ziegeln bzw. dem<br />
Ziegelmauerwerk größere wissenschaftliche Aufmerksamkeit entgegengebracht (NATO-<br />
CCMS Pilot Studies 1990-93).<br />
Hinsichtlich der mikroskopischen Untersuchungen an Ziegeln und Terrakotten wird die<br />
ausgewertete Literatur in vier Kapitel unterteilt. Zunächst werden im Gliederungspunkt 2.4.1<br />
die mikroskopischen Aspekte von Arbeiten vorgestellt, die an Laborserien ohne direkten<br />
Bauwerksbezug durchgeführt wurden. Im Gliederungspunkt 2.4.2 werden die mikroskopischen<br />
Ansätze und Ergebnisse ausgewertet, die im Rahmen von Bauwerksuntersuchungen<br />
erarbeitet wurden.<br />
Weitere Kapitel behandeln spezielle mikroskopische Untersuchungsmethoden, die zur<br />
Beantwortung spezieller konservatorischer Fragestellungen eingesetzt werden (Gliederungspunkt<br />
2.4.3: Kryo-REM; Gliederungspunkt 2.4.4: ESEM).<br />
2.4.1 Laborserien<br />
Im Rahmen von grundlegenden Betrachtungen zum Einfluß der Hohlraumverteilung von<br />
keramischen Erzeugnissen auf deren Frostbeständigkeit wurden von Bergmann (1956) die<br />
temperaturabhängigen Veränderungen des keramischen Gefüges mikroskopisch nachgewiesen.<br />
Durch Verwendung eines Polarisationsmikroskopes mit Heiztisch konnte der Einfluß<br />
der Sinterung auf die Ausbildung des Hohlraumgefüges in situ verfolgt werden. Beim<br />
Erreichen des Sinterpunktes schmelzen dünne Wandungen kleiner Poren unter Entstehung<br />
eines größeren Hohlraums. Weiterhin glätten sich die Wandungen und offene Kapillaren<br />
werden durch Verschmelzungen geschlossen.<br />
Von Voskuil (1958) werden am Beispiel von Labormischungen holländischer Tone die<br />
Vor- und Nachteile verschiedener lichtmikroskopischer Untersuchungsmethoden verglichen.<br />
Nach Einschätzung des Autors sind Dünnschliffe zur mikroskopischen Untersuchung an<br />
Ziegeln aufgrund folgender Nachteile weniger geeignet:<br />
- gegenseitige Überdeckung von Gefügebestandteilen<br />
- schlechtes Erkennen von Porengröße und -form sowie feiner, nadeliger Verwachsungen.<br />
Diesen Einschränkungen der Dünnschliffmikroskopie stehen wesentliche Vorteile der Auflichtmikroskopie<br />
gegenüber:<br />
- Erkennen von Reaktionen der Tonsubstanz mit Quarz, Hämatit, Feldspat, Kalk / Magnesia<br />
- Sintererscheinungen, Rekristallisationen sehr gut erkennbar<br />
- Form, Größe und Verteilung von Poren und feinen Haarrissen bis ins Detail gut erkennbar.<br />
Als Nachteile der Auflichtmikroskopie werden das sehr geringe Reflexionsvermögen der<br />
Ziegelbestandteile (5-10 bezogen auf 95 bei metallischem Silber) und die indirekte Mineralidentifizierung<br />
genannt.<br />
Die Bedeutung lichtmikroskopischer Untersuchungen an keramischen Materialien liegt nach<br />
Salmang (1958) in der Möglichkeit, Gefügefehler, wie z.B. Materialinhomogenitäten, Formgebungstexturen,<br />
Porositätsschwankungen und Risse zu erkennen.<br />
Seiner Einschätzung nach haben diese Grobstrukturen viel größeren Einfluß auf die<br />
Beständigkeit des keramischen Materials als die Feinstrukturen des Gefüges.
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 24<br />
Die Möglichkeiten von REM-Untersuchungen zur Visualisierung mittels Hg-Porosimetrie<br />
gemessener Porenradienverteilungen wurden von Schwiete und Ludwig (1969) untersucht.<br />
Im Vergrößerungsbereich zwischen 240x bis 1200x wurden für verschiedene Ziegel die<br />
mikroskopischen Porencharakteristika beschrieben: Porengehalt, Porenform, maximaler<br />
Porendurchmesser, Texturen. Aus den Untersuchungen ist der Einfluß unterschiedlicher<br />
Rohstoffe und Brenntemperaturen auf die Ausbildung des Porengefüges ersichtlich.<br />
An Ziegeln aus Schiefertonen und Geschiebelehm führen höhere Sintergrade (Brenntemperaturen<br />
1000-1040 °C) zu zahlreichen Poren > 10µm. Bei vergleichbaren Brenntemperaturen<br />
bilden andere Rohstoffe (z.B. Ton, Mergelton, Aluvialton) dichtere Gefüge mit<br />
relativ einheitlichen Porendurchmessern um 1 µm aus.<br />
Durch Zusatz von Polystyrol (Styropor) künstlich erzeugte Luftporen sind an ihrer runden<br />
Form und ihrer Größe um 1 mm zu identifizieren.<br />
Die mittels Hg-Porosimetrie ermittelten Unterschiede in den Porenvolumina und der Porenradienverteilung<br />
konnten von den Autoren im REM qualitativ nachvollzogen werden.<br />
In einer vergleichenden Betrachtung zu den Möglichkeiten der Erfassung der Porengrößenverteilung<br />
im Ziegelscherben und ihrer Bewertung hinsichtlich der Frostfestigkeit wurden von<br />
Piltz (1970) REM-Untersuchungen zum Porengefüge keramischer Scherben durchgeführt.<br />
Die Hohlraumverteilung wird als vielgestaltiges, labyrinthisches System bezeichnet. Für eine<br />
hinreichende Erfassung müssen neben Form und Verlauf der Poren auch deren<br />
Durchmesser und Größenverteilung ermittelt werden.<br />
Für die Frostfestigkeit sind die Poren im Radiusbereich 0,01 bis 5 µm entscheidend.<br />
Heimann (1978/9) stellt durch REM-Untersuchungen fest, daß die qualitativen Gefügeveränderungen<br />
des keramischen Scherbens in Abhängigkeit von der Brenntemperatur gut<br />
nachvollziehbar sind. Bei gleicher Tonmineralzusammensetzung sind bei 850°C noch<br />
deutlich Tonmineralformen erkennbar. Bei 1100°C liegt vollständige Verglasung vor.<br />
Zu vergleichbaren Aussagen haben Untersuchungen von Franke und Schoppe (1990)<br />
geführt. Der Sinterungsgrad und der Abbau der Tonminerale und Feldspäte wird mit Blick auf<br />
die Möglichkeiten einer nachträglichen Abschätzung der Brenntemperatur an Bruchflächen<br />
im REM verfolgt. Bei der gewählten Tonzusammensetzung sind an den bei 900°C<br />
gebrannten Ziegeln noch Schichtstrukturen der Tonminerale erhalten. Brenntemperaturen<br />
von 1040°C definieren den Beginn der Sinterreaktion, erkennbar durch das Auftreten von<br />
Schmelz- und Fließformen. Das Gefüge der Ziegel, die bei 1150°C gebrannt wurden, ist<br />
durch eine vollständige Verglasung gekennzeichnet.<br />
REM-Untersuchungen von Lewin und Charola (1979) hatten Veränderungen an den Tonmineralen<br />
sowie der Glasphase als Folge von Säureeinwirkungen zum Gegenstand<br />
(Simulation des Angriffs durch "sauren Regen"). Es wurde eine Auslaugung der Glasphase<br />
unter Bildung von Rissen nachgewiesen. Schließlich führt der Abtrag der Glasphase zur<br />
Freilegung darin eingeschlossener, weniger säurebeständiger Tonminerale. Im weiteren<br />
Verlauf führen diese Prozesse zur Lockerung des Ziegelgefüges.<br />
Mit 18molarer H2SO4 und einer Einwirkzeit von 3 Monaten wurden allerdings sehr aggressive<br />
Versuchsbedingungen gewählt.<br />
Von Lewin und Charola (1980) wird im Hinblick auf Schädigungsmechanismen durch<br />
Salzsprengung darauf hingewiesen, das REM-Untersuchungen die Möglichkeit bieten,<br />
Details zur Wechselwirkung der wachsenden Kristalle mit dem umgebenden Porenraum zu<br />
untersuchen. Die Methode kann nach Einschätzung der Autoren einen Beitrag zur Klärung<br />
der Vorgänge liefern, die zur Entstehung von Kristallisationsdrücken führen.
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 25<br />
An Werksproben schweizerischer Ziegeleien wurde das Mikrogefüge der grobkeramischen<br />
Scherben auf seine Abhängigkeit von den Brennbedingungen und dem Rohmaterial<br />
untersucht (Meyer et al. 1984). Neben der Dünnschliffmikroskopie und Rasterelektronenmikroskopie<br />
haben die Autoren mit Hilfe systematischer Bildanalysen mehrere Porenparameter<br />
ermittelt (Porengröße, Porenform, Porenorientierung). Die Erfassung größerer<br />
Poren erfolgte mit der Fluoreszenzmikroskopie an kunstharzgetränkten Proben. Der<br />
Feinporenanteil wurde über REM-Aufnahmen an Anschliffpräparaten bewertet.<br />
Aufgrund der Verschiedenheit von Rohmaterial, Aufbereitung, Verpressung, Trocknung und<br />
Brennprozeß konnten keine verallgemeinerbaren Zusammenhänge zwischen den verschiedenen<br />
Scherbenparametern abgeleitet werden.<br />
Binda und Baronio (1984) haben durch REM-Untersuchungen den Zusammenhang<br />
zwischen dem Sinterungsgrad von Ziegelmaterial und der Schadensanfälligkeit nachgewiesen.<br />
Ziegel mit hohen Glasanteilen im Scherben waren im Natriumsulfat-Sprengtest<br />
widerstandsfähiger als Ziegel mit erkennbaren Tonmineralstrukturen. Ungleichmäßige<br />
interne Strukturen (Inhomogenitäten) oder Laminierungen wurden als Merkmale schadensanfälliger<br />
Ziegel erkannt.<br />
Die Schädigung des Ziegelgefüges durch Na-Sulfat wurde von Caner-Saltik et al. (1992)<br />
lichtmikroskopisch an ungedeckten Dünnschliffen untersucht. Dabei wurde eine<br />
kontinuierliche Porenaufweitung mit steigender Zahl an Kristallisationszyklen festgestellt.<br />
Aus der Beobachtung, daß große Poren vollständig oder fast vollständig mit Salz gefüllt<br />
waren, wird geschlossen, daß die Salzkristallisation bevorzugt in großen Poren erfolgt. Es<br />
wird darauf hingewiesen, daß Porenkanäle bzw. kleine Poren, die mit größeren in<br />
Verbindung stehen, ebenfalls Salz enthalten.<br />
Von Sasse et al. (1992) wird am Beispiel getränkter Natursteine nachgewiesen, daß mittels<br />
REM-Untersuchungen sehr dünne Schutzstoff-Schichten (
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 26<br />
Hohe Kalkgehalte sind typisch für die in der Schweiz verwendeten Rohstoffe. Die<br />
Untersuchungen erfolgten an polierten, ungedeckten Dünnschliffen. Die vorgelegten Ergebnisse<br />
zeigen, daß mit den angewendeten Untersuchungsmethoden der Silikatisierungsvorgang<br />
von Calcit und Dolomit in Funktion der Brenntemperatur, der Korngröße sowie der<br />
Brennatmosphäre genau verfolgt werden kann. Hieraus wurden grundlegende Erkenntnisse<br />
zu den unterschiedlichen Diffusionsgeschwindigkeiten von CaO und MgO sowie zum<br />
reaktionsfördernden Einfluß der Zusammensetzung der Ofenatmosphäre (Fluor, Chlor,<br />
Schwefel, Wasserdampf) auf die Silikatisierung von groben Karbonatkörnern abgeleitet.<br />
REM-Untersuchungen zum Kristallisationsverhalten von Gips in porösen baukeramischen<br />
Materialien wurden von Franke und Kühne (1997) durchgeführt. Als Substrate dienten<br />
Metalloxidkeramiken sowie Ziegel mit unterschiedlichen Porenradienverteilungen.<br />
An nicht hydrophobierten Materialien mit Poren
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 27<br />
Im REM erfolgten Gefügeuntersuchungen geschädigter und ungeschädigter Terrakottaproben.<br />
Hierbei wurde festgestellt, daß die Einwirkung "saurer Atmosphärilien" zur Lösung<br />
und Umwandlung der Kalkbestandteile im Scherben sowie zu einer Ätzung bereits gebildeter<br />
Gipskristalle geführt hat. Dieser Prozeß wird als Hauptschadensursache angesehen.<br />
Weiterhin hat die Säureeinwirkung zu einer partiellen Zerstörung der Glasmatrix geführt. Die<br />
Folge sind Schuppenbildung im Bereich der Tonminerale und Lockerungen der<br />
Mineralkörner. Durch diese Schwächung der inneren Bindung sind die Terrakotten anfälliger<br />
gegen Frost, Salzkristallisation sowie thermische und hygrische Beanspruchungen.<br />
Geschädigte und ungeschädigte Renaissance-Terrakotten im Kreuzgang eines Klosters bei<br />
Pavia waren Gegenstand umfangreicher Untersuchungen, die von Abrate-Zohar et al. (1985)<br />
durchgeführt wurden (XRD, Hg-Porosimetrie, PolMi, REM, EDX, Wasseraufnahme und -<br />
abgabe).<br />
Obwohl Gips als Hauptneubildung erkannt wird, beziehen sich die lichtmikroskopischen<br />
Untersuchungen nur auf die Mineralzusammensetzung der Magerung, die Kornsortierung<br />
sowie auf Homogenität und Texturen. Das Gefüge wird als wellenförmig beschrieben, mit<br />
einer Vorzugsorientierung von Mikroporen, Hohlräumen und Mineralkörnern. Diese Gefügeanisotropien<br />
sind eine Folge der Herstellung (Handmischung) und werden als bestimmend<br />
für die auftretenden Schadensformen (Lockerungen, Absanden) angesehen.<br />
Über REM-Untersuchungen wurde festgestellt, daß Gips in Poren und Rissen vorhanden ist.<br />
Er weist plattig-tafelige Morphologien auf, die Kristalle sind senkrecht zu den Bruchflächen<br />
(Risse) orientiert.<br />
Die Bestimmung der Mineralphasen an geschädigten historischen Ziegeln im Polarisationsmikroskop<br />
liefert nach Erkenntnissen von Franke und Tubbesing (1989) Hinweise auf die<br />
Brennbedingungen. Indikatoren für niedrige Brenntemperaturen sind Tonminerale und<br />
Glimmer. Die Zerstörung der Kristallstruktur von Muskovit erfolgt, nach Angabe der Autoren,<br />
bei 800°C.<br />
Von den gleichen Autoren wurden polarisationsmikroskopische Untersuchungen an<br />
geschädigten Ziegeln historischer Backsteinbauten Norddeutschlands durchgeführt. Es<br />
handelte sich um Gebäude in Hamburg, Lübeck, Tönning, Garding und Süderende (Insel<br />
Föhr), deren Alter zwischen 80 und 700 Jahren lag (Franke und Tubbesing 1990). An allen<br />
Proben wurde Gipskristallisation unter den Ziegeloberflächen als charakteristisches<br />
Schadensbild beobachtet. Das Abblättern der betroffenen Ziegel wird auf den Kristallisationsdruck<br />
bei der Gipsbildung zurückgeführt.<br />
Die Eigenschaften historischer Ziegelmaterialien an Gebäuden unterschiedlicher regionaler<br />
Lage und zeitlicher Entstehung wurden von Freyburg (1997) untersucht.<br />
Neben der Bestimmung materialkundlicher Kennwerte erfolgten stereo- und dünnschliffmikroskopische<br />
Untersuchungen, aus denen sich folgende Erkenntnisse ableiten ließen:<br />
1) Rückschlüsse auf die verwendeten Rohstoffe (z.B. diatomeenhaltige Tone)<br />
2) Hinweise auf die Fertigungstechnik (Aufbereitung, Formgebung)<br />
Zum Beispiel kann fehlende Aufbereitung bei geringmächtigen, unterschiedlich zusammengesetzten<br />
Rohstoffhorizonten, die gemeinsam verarbeitet werden, die Ausbildung von<br />
magerungskornreichen Schlieren und Bändern sowie Tonlunkern bzw. Tonbändern zur<br />
Folge haben.
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 28<br />
3) Benennung von Gefügetypen nach den Kriterien: - Homogenität, Packungsdichte<br />
- Farbe<br />
- Porengröße und -verteilung<br />
- Größe und Verteilung der Mineralkomponenten<br />
Aus diesen Untersuchungen ist ersichtlich, daß der Einfluß unterschiedlicher Rohstoffe und<br />
die Art der Verarbeitung mikroskopisch an den Gefügen der Ziegel ablesbar ist.<br />
Das gilt auch für Bauterrakotta, die von der Autorin an verschiedenen Gebäuden Norddeutschlands<br />
untersucht wurde (FREYBURG 1995A). Die Scherbengefüge von Terrakotten<br />
des 16. Jahrhunderts (Schloß Gadebusch, Mecklenburg-Vorpommern) enthalten hellgelbe,<br />
feinsandige Schlieren sowie grobkörnigere Einschlüsse in einer hämatithaltigen, feinkörnigen<br />
Grundmasse. Diese Inhomogenitäten folgen den Formgebungsstrukturen. Ursache ist die<br />
Verarbeitung einer relativ steifplastischen, trockenen Masse, wobei wahrscheinlich auf eine<br />
vorherige Schlämmung verzichtet wurde.<br />
Demgegenüber weisen die Gefüge der Terrakotten des 19. und 20. Jahrhunderts (Schloß<br />
Schwerin und Schloß Gadebusch) aufgrund der verbesserten Fertigungstechnik eine<br />
vergleichsweise ausgewogene Korn- und Porenverteilung auf. In einer homogenen,<br />
hämatitreichen Matrix ist ein relativ gleichkörniger Mineralbestand enthalten.<br />
2.5 Spezielle mikroskopische Untersuchungen zu Schadensursachen und<br />
Konservierungsansätzen<br />
2.5.1 Kryo-REM-Untersuchungen<br />
Die Anwesenheit leicht löslicher Salze, insbesondere solcher, die verschiedene Hydratstufen<br />
bilden (z.B. Natriumsulfat oder Magnesiumsulfat), und/oder hohe Bauteilfeuchten stellen<br />
besondere Anforderungen an die mikroskopischen Untersuchungen. Blaschke und Juling<br />
(1990b) haben auf mögliche Folgen eines ungeeigneten Probentransports vom Entnahmeort<br />
ins Untersuchungslabor bzw. eine unsachgemäße Lagerung solcher Proben hingewiesen.<br />
Es können Umverteilungen der Salze im Probenvolumen und sogar die Zerstörung der<br />
Proben auftreten.<br />
Solche Veränderungen des Probenmaterials können durch eine Kryo-Präparation, die für<br />
das REM etwa seit dem Jahre 1975 verfügbar ist, vermieden werden (Blaschke 1975).<br />
Durch die Entwicklung einer mobilen Ausrüstung zur in situ Probenpräparation wurde eine<br />
Erweiterung des bisher auf den stationären Betrieb ausgelegten Kryo-REM-Verfahrens<br />
ermöglicht (Blaschke 1988, Blaschke und Juling 1990a). Damit bestand erstmals die<br />
Möglichkeit, natürliche oder im Labor geschaffene Feuchte- und Salzverhältnisse unmittelbar<br />
nach der Probenentnahme mittels Kryoschock zu fixieren und anschließend in der Kryo-<br />
Probenkammer des REM zu untersuchen.<br />
Von Burchhard et al. (1991) wird das Kryo-REM-Verfahren für Laboruntersuchungen mit dem<br />
Ziel eingesetzt, Wasser bzw. Feuchte im Porenraum von Natursteinen artefaktfrei zu<br />
visualisieren. Die Einwirkung von Wasser auf bestimmte Mineralien im Modalbestand<br />
ausgewählter Sandsteine wird abgebildet (Quellen von Chlorit).
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 29<br />
Weiss (1992) führte Kryo-REM-Untersuchungen zur Salz- und Eiskristallisation an<br />
Natursteinen durch. Diese Arbeit belegt die komplexen Zusammenhänge zwischen<br />
Porengrößen, Wassersättigungsgrad und Mineralphasenbestand bei der Eiskristallisation im<br />
Porenraum. Bei den untersuchten, teilgesättigten Sandsteinen (70-80% der kapillar<br />
aufnehmbaren Wassermenge) hatten sich in Makroporen Eisschichten auf den Porenwandungen<br />
gebildet. Demgegenüber waren die kleineren Kapillarporen häufig vollständig mit<br />
Eis gefüllt. Aus dieser Bevorzugung der kleineren Hohlräume bei der Wassereinlagerung und<br />
Eisbildung wird geschlossen, daß auch Sandsteine mit geringen Gesamtsättigungswerten<br />
Frostschäden erleiden können.<br />
Tonige Bindemittel werden vom Eis häufig vollständig eingeschlossen. Bei Frost- und<br />
Auftauvorgängen kann es zu irreversiblen Verformungen kommen, die sich im Laufe der Zeit<br />
zu Gefügeschädigungen aufsummieren können.<br />
Erstmals wurde auch der Versuch unternommen, Mirabilit im Kryo-REM abzubilden. Hierbei<br />
haben jedoch die gerätetechnischen Bedingungen (Detektorauswahl, Einschränkungen bei<br />
der EDX) und vor allem die Fixierung der salzbefrachteten Proben mit Wasser (!) deutliche<br />
Grenzen gesetzt.<br />
Die Wasser- und Feuchteverteilung in unbehandelten und imprägnierten Sandsteinen wurde<br />
von Clooth (1992) sowie von Clooth und Burchhard (1994) mit dem Kryo-REM-Verfahren<br />
untersucht. Der Erfolg von Imprägniermaßnahmen (Hydrophobierung) kann über die<br />
veränderten Filmbildungseigenschaften und die daraus resultierende charakteristische<br />
Tropfenform von Wasser auf den hydrophobierten Untergründen bewertet werden.<br />
Außerdem wurde mikroskopisch die Passivierung quellfähiger Gesteinskomponenten (Tonminerale)<br />
gegenüber Wasser als Folge der Imprägnierung nachgewiesen.<br />
Langenfeld et al. (1994) untersuchten im Kryo-REM kapillar getränkte Sandsteine und<br />
Sanierputze. Im unbehandelten Sandstein wurden geschlossene Wasserfilme bzw. Anreicherungen<br />
in Zwickeln festgestellt. An hydrophobierten Sanierputzen bilden sich keine<br />
geschlossenen Wasserfilme, sondern Tropfen in den Luftporen. Die Verbindungskanäle<br />
zwischen den Luftporen sind häufig mit Wasser gefüllt.<br />
Kryo-REM-Untersuchungen an Na-Sulfat haben gezeigt, daß die kristallwasserhaltige Form<br />
(Mirabilit: (Na2[SO4] • 10H2O)) unter Kryobedingungen stabil ist. Erst bei Anhebung der<br />
Probentemperatur auf +35°C erfolgt unter den Hochvakuumbedingungen im REM eine Entwässerung<br />
in die kristallwasserfreie Modifikation des Na-Sulfats. Der entstehende, kryptokristalline<br />
Thenardit (Na2[SO4]) zeigt Pseudomorphosen nach Mirabilit (Hoffmann 1994).<br />
Von Neisel und Burchhard (1994) wurden Kryo-REM-Untersuchungen zu Gefrierprozessen<br />
an feuchtekonditionierten Sandsteinprismen durchgeführt. Abhängig von der Sandsteinvarietät<br />
gefriert das Wasser im Temperaturbereich 0 bis -3°C.<br />
Für den Fall geringer, durch kapillares Saugen über Stirnflächen von Prismen aufgenommene<br />
Wassermengen wurden keine direkten Gefügeschädigungen beobachtet. Die<br />
Erklärung erfolgt über den zur Verfügung stehenden Porenraum, in den wachsende<br />
Eiskristalle ausweichen können. Erst bei hohen Feuchtegehalten (Sättigung nach Unterwasserlagerung)<br />
treten Risse im Natursteingefüge als Folge der Eiskristallisation auf.
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 30<br />
2.5.2 ESEM-Untersuchungen<br />
Doehne und Stulik (1990) vergleichen die Geräteparameter und präparativen Anforderungen<br />
herkömmlicher Rasterelektronenmikroskope mit denen des ESEM (Environmental Scanning<br />
Electron Microscope). Der Hauptunterschied besteht darin, daß im ESEM kein Hochvakuum<br />
im Probenraum erforderlich ist und trotzdem eine hochauflösende Abbildung feuchter Proben<br />
realisiert werden kann. Weitere wesentliche Vorteile, z.B. Verzicht auf eine leitfähige<br />
Beschichtung der Proben, Variation von Druck, Feuchte, Temperatur in der Probenkammer<br />
während der Untersuchung, werden anhand verschiedener Fallstudien aus der<br />
konservatorischen Praxis veranschaulicht. Unter anderem konnten Quellvorgänge an<br />
Tonmineralen, die bei der Befeuchtung von Lehmziegeln stattfinden, in situ beobachtet und<br />
abgebildet werden. Eine Behandlung mit Konservierungsmitteln führt zu einem anderen<br />
Benetzungsverhalten durch einwirkende Feuchtigkeit und damit zu einer Verringerung des<br />
Quellens.<br />
Das ESEM verfügt über alle Möglichkeiten eines herkömmlichen SEM und bietet zusätzlich<br />
den Vorteil, dynamische Prozesse direkt verfolgen bzw. Proben in ihrem natürlichen Zustand<br />
untersuchen zu können.<br />
Die Autoren vertreten die Auffassung, daß das Gebiet Konservierung in hohem Maße von<br />
den neuen bzw. erweiterten Möglichkeiten zur Untersuchung von Zerstörungsmechanismen<br />
profitieren wird.<br />
ESEM-Untersuchungen zur Dynamik der Na-Sulfat-Kristallisation unter Verwendung eines<br />
gekühlten Probentisches wurden von Doehne (1997) durchgeführt. Dabei konnte gezeigt<br />
werden, daß eine vollständige Hydratation großer, wasserfreier Thenarditkristalle (Na2[SO4])<br />
durch eine Umhüllung mit Mirabilit (Na2[SO4] • 10H2O) so lange behindert wird, bis ausreichend<br />
flüssiges Wasser zur Lösung des entstandenen Mirabilit zur Verfügung steht. Hierin<br />
wird die Ursache für die unter gleichen Feuchtewechselraten gegenüber der Dehydratation<br />
deutlich langsamere Hydratation gesehen.<br />
In umgekehrter Richtung, bei der Trocknung des Dekahydrats, bilden sich hoch poröse<br />
Aggregate aus sehr kleinen Thenarditkristallen. Die ESEM-Untersuchungen haben gezeigt,<br />
daß die Lösung solcher Strukturen (sehr feinkristalliner Thenardit mit großer spezifischer<br />
Oberfläche) durch flüssiges Wasser und anschließende Trocknung zu einer raschen<br />
Kristallisation großer Mirabilitkristalle führt.<br />
Hierin wird die wesentliche Ursache für die starken Schäden gesehen, die Na-Sulfat an<br />
porösen Materialien verursachen kann.<br />
Hinsichtlich ihrer Eignung zur Untersuchung früher Hydratationsvorgänge an Zementphasen<br />
vergleicht Möser (1997) verschiedene Typen von Rasterelektronenmikroskopen (REM, FE-<br />
REM, NV-REM, ESEM, ESEM-FEG).<br />
Die gewonnene Erkenntnis, daß ein ESEM mit Feldemissionskathode (ESEM-FEG) optimale<br />
Voraussetzungen für eine artefaktfreie Untersuchung und hochauflösende Abbildung von<br />
Hydratationsvorgängen bietet, ist zwangsläufig. Schließlich sind in diesem Gerätesystem die<br />
Hochauflösung der Feldemissionskathode und die Möglichkeit des ESEM, auf ein<br />
Unterbrechen des Hydratationsvorganges und auf eine leitfähige Beschichtung der Proben<br />
zu verzichten, kombiniert.<br />
Außerdem wird festgestellt, daß die wasserreiche Form des Na-Sulfats auch unter den<br />
Bedingungen eines geringen Vakuums im ESEM nicht stabil ist. Bereits bei einem Druck von<br />
6 Torr und einer relativen Feuchte von 75% geben die Mirabilitkristalle ihr Wasser ab und<br />
zerfallen zu pulverigem Thenardit.
2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 31<br />
Die Unterschiede im Schädigungsverhalten von Na-Sulfat und NaCl wurden von Rodriguez-<br />
Navarro et al. (1996) im ESEM untersucht. Unter gleichen experimentellen Bedingungen<br />
(25%ige und gesättigte Salzlösungen) führt Mirabilit-Kristallisation an Prismenprüfkörpern zu<br />
großen Schäden, während NaCl nur äußerst geringe Schäden verursacht.<br />
Kennzeichnend für Mirabilit war:<br />
• Ausblühungssaum oberhalb einer Zone starker Schädigung<br />
• sofortige Schädigung (erheblicher Materialverlust)<br />
• rascher Materialabtrag und große Gewichtsverluste<br />
Für NaCl war folgendes Verhalten charakteristisch:<br />
• Ausblühungssaum an der Oberfläche (idiomorphe Kristalle)<br />
• keine sichtbaren Schäden (kein Materialverlust)<br />
• NaCl im Porenraum (winzige NaCl-Kristalle füllen die Feinstporen ohne größere Poren zu<br />
beeinflussen)<br />
Außerdem wurde durch Beobachtungen an Salzlösung in Glaskapillaren, anhand<br />
lichtmikroskopischer Untersuchungen zur Kristallisation von Salzlösungen auf Objektträgern<br />
sowie über die ESEM-Untersuchungen im Porenraum übereinstimmend festgestellt, daß<br />
Mirabilit innerhalb der Salzlösung und NaCl stets an der Grenzfläche Salzlösung/Luft<br />
kristallisiert.<br />
Dieser grundlegende Unterschied, der über die existierenden Modelle nicht erklärt werden<br />
kann, wird als Ursache der stärkeren Schädigung poröser Materialien durch Na-Sulfat<br />
gegenüber NaCl, bei gleichen experimentellen Bedingungen, angesehen.<br />
Vertiefende ESEM-Untersuchungen zum Kristallisationsverhalten von Na-Sulfat und NaCl<br />
wurden von RODRIGUEZ-NAVARRO und DOEHNE (1999) durchgeführt.<br />
Für Na-Sulfat wurde hierbei festgestellt, daß Wasserkondensation auf Thenardit zu einer<br />
raschen Auflösung der Kristalle mit anschließender Bildung von Mirabilitkeimen aus der<br />
Lösung führt. Ursache entstehender Schäden ist damit der Kristallisationsdruck. Die Theorie<br />
eines „Hydratationsdruckes“ als maßgebliche Ursache der Materialzerstörung wird von den<br />
Autoren aufgrund fehlender Indizien in Frage gestellt.<br />
Auch bezüglich NaCl traten Widersprüche zu den Modellvorstellungen zur Salzkristallisation<br />
in porösen Systemen auf. In den ESEM-Untersuchungen wurde unter bestimmten Versuchsbedingungen<br />
(konstante rel. Feuchte von 50% und Raumtemperatur) festgestellt, daß<br />
kleine Poren mit kryptokristallinen NaCl-Aggregaten gefüllt sein können, während in<br />
größeren Poren keine NaCl-Kristallisation zu beobachten war. Gleichzeitig traten idiomorphe<br />
Ausblühungen an den Prüfkörperoberflächen auf. Hieraus wird, unter Bezug auf SUNAGAWA<br />
(1981), der kubische Kristallmorphologien auf geringe Übersättigungen zurückführt, ebenfalls<br />
auf geringe Übersättigungen geschlossen. Weiterhin wird ein kleiner Metastabilitätsbereich<br />
zwischen max. Übersättigung und Keimbildung, eine geringe Keimbildungsrate und ein<br />
geringes Wachstum angenommen. Als Konsequenz sollen niedrigere Kristallisationsdrücke<br />
als bei Na-Sulfat auftreten.<br />
Es wird auf die Bedeutung zyklischer Belastungen für das Verständnis der Zerstörungsmechanismen<br />
hingewiesen. Besonders den frühen Stadien des Schadensprozesses und<br />
Ermüdungseffekten soll in künftigen Experimenten nachgegangen werden.
3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 32<br />
3 ZUR METHODIK DER MIKROSKOPISCHEN BAUSTOFFANALYSE<br />
In der modernen Denkmalpflege gilt der Grundsatz: Keine zusätzlichen Objektverletzungen<br />
durch auffällige Beprobungen für die Schadensanalyse. Eine Beprobungsstelle darf dem<br />
Betrachter nicht auffallen.<br />
Diese für Wandmalereien selbstverständliche Forderung gilt heute auch für wertvolle<br />
Terrakotten.<br />
Für diese Situation empfiehlt sich die mikroskopische Baustoffanalyse vor Ort. Auf Anregung<br />
von Prof. Dr. R. Blaschke wurde 1989 vom damaligen Bundesministerium für Forschung und<br />
Technologie (BMFT) im Rahmen des Schwerpunktes „Denkmalpflegeforschung“ der Bau von<br />
Laborwagen genehmigt, die von der Abteilung Analytische Baustoffmikroskopie der MPA<br />
Bremen betrieben werden (Blaschke 1987, Blascke und Juling 1990a und 1990b, Juling<br />
1994).<br />
In den Laborwagen sind folgende Geräte einsatzbereit untergebracht:<br />
1. Stereomikroskop mit Videokamera und Videoprinter<br />
2. Sägemikrotom (Leitz) zur Herstellung von Dünnschliffen und Anschliffen<br />
3. Polarisationsmikroskop mit Videoanschluß<br />
4. Vakuumanlage mit Kohlenstoffverdampfungsquelle und Kathodenzerstäubungseinrichtung<br />
zur Erzeugung der Leitfähigkeitsschicht<br />
5. Rasterelektronenmikroskop mit energiedispersiver Röntgenmikroanalyse<br />
6. Transportable Vakuumeinrichtung für Kryo-Präparation in schmelzendem Stickstoff<br />
Die Vor-Ort-Analyse bietet den entscheidenden Vorteil einer sofortigen, komplexen<br />
mikroskopischen Bewertung 1-2 mm kleiner Proben in Gegenwart der Denkmalpfleger und<br />
Restauratoren. Nach der gemeinsamen Diskussion der ersten Erkenntnisse kann entschieden<br />
werden, wo und in welchem Umfang weitere Proben für vertiefende Untersuchungen<br />
entnommen werden müssen.<br />
Auch erfahrene Denkmalpfleger sind immer wieder überrascht von der Fülle von Erkenntnissen,<br />
die an kleinsten Proben mikroskopisch gewonnen werden können.<br />
Die in zahlreichen Laborwageneinsätzen auf den Gebieten Wandmalerei und Naturstein<br />
entwickelte Vorgehensweise (Blaschke 1989, Blaschke und Juling 1992) wurde im Rahmen<br />
der vorliegenden Arbeit konsequent auf Terrakotten und Ziegel übertragen.<br />
Zunächst wurden mit den verantwortlichen Denkmalpflegern und Restauratoren die Fragen<br />
an die mikroskopische Analytik festgelegt. Die Probennahme erfolgte im Beisein der<br />
Restauratoren, die Präparation und der überwiegende Teil der mikroskopischen Untersuchungen<br />
wurden im Laborwagen unmittelbar am Bauwerk durchgeführt.<br />
Die Anwesenheit am Objekt ermöglichte einen ständigen Bezug zur Probenentnahmestelle<br />
und der gesamten Bauwerkssituation (Erscheinungsbild und Verteilung der Schäden, Einfluß<br />
von Bauteilgeometrien, Wasserführung etc.).<br />
Dieser „Dialog mit dem Gebäude“ war für die Interpretation der mikroskopischen Untersuchungsergebnisse<br />
von ausschlaggebender Bedeutung.
3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 33<br />
3.1 Probennahme<br />
Eine Beschränkung auf möglichst unauffällige Beprobungspunkte setzte voraus, daß zur<br />
Entnahme der Proben eine Lupe oder Lupenbrille verwendet wurde.<br />
Die Fragestellungen bestimmten die Art der Probennahme. Hierzu folgende Beispiele:<br />
a) Zur Identifizierung von Salzausblühungen genügten einzelne kleine Kristalle, die sich mit<br />
sogenannten Leit-Tabs oder mit Leit-C-Plast vollkommen zerstörungsfrei direkt von den<br />
Materialoberflächen abtupfen ließen.<br />
b) Für die Untersuchung der Ursachen unterschiedlicher Farbigkeiten von Terrakotten oder<br />
von Auflagerungen und Krusten, war eine Entnahme wenige mm großer Oberflächenpartikel<br />
oder Schalenbruchstücke mit dem Skalpell ausreichend.<br />
c) An geschädigten und dadurch meist mechanisch empfindlichen Terrakotten und Ziegeln<br />
erfolgte die Probenentnahme mit Hilfe einer diamantbesetzten Minitrennscheibe. Mit<br />
diesem Gerät war es möglich, auch stark geschädigte Materialien aus ihrer Umgebung<br />
herauszulösen und in ihren Strukturen für die mikroskopischen Untersuchungen zu<br />
erhalten. Bei extremen Lockerungen konnten interessierende Teilbereiche vor der Entnahme<br />
einer Probe mit niedrigviskosem Sekundenkleber verfestigt werden.<br />
Die typische Größe der Terrakottaproben betrug im Durchmesser meist weniger als<br />
10 mm (Abb. 9).<br />
3.2 Präparationsschritte<br />
Abb. 9:<br />
Mit Minitrennscheibe<br />
für mikroskopische<br />
Untersuchungen<br />
herausgeschnittene<br />
Terrakottaprobe vom<br />
Schweriner Schloß<br />
(Oberfläche im Bild<br />
oben links, markiert<br />
durch Pfeil).<br />
Auf der Sägefläche<br />
sind Schneidriefen zu<br />
erkennen.<br />
Die Probe ist etwa<br />
10 mm lang (Abstand<br />
zwischen zwei Teilstrichen:<br />
1mm).<br />
Die entnommenen Terrakotten oder Ziegel wurden als erstes unter dem Stereomikroskop<br />
allseitig untersucht und photographisch dokumentiert.<br />
Wichtig war hierbei die Wahl einer zeckmäßigen Beleuchtung. Farbunterschiede ließen sich<br />
bei gleichmäßiger, koaxialer Beleuchtung besser erkennen. Zur Abbildung von Oberflächentopographien,<br />
z.B. erhöhter Rauhigkeiten als Folge einer Schädigung, eignete sich<br />
schräg einfallendes Licht.
3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 34<br />
Zur umfassenden mikroskopischen Analyse waren entsprechende Präparationsschritte<br />
erforderlich, die in den Abb. 10 und 11 schematisch dargestellt sind und in den folgenden<br />
Gliederungspunkten 3.2.1 bis 3.2.3 beschrieben werden.<br />
Die meist sehr kleinen Proben mußten schrittweise weiterbehandelt werden (durchgezogene<br />
Pfeile in Abb. 10). Nach einer Betrachtung der Oberflächen bzw. Bruchflächen im<br />
Stereomikroskop wurde das Probenstück im Rasterlektronenmikroskop (REM), einschließlich<br />
EDX-Analyse, untersucht. Anschließend konnte das gleiche Probenstück in niedrigviskosem<br />
Harz eingebettet und mit dem Sägemikrotom geschnitten werden. Damit standen sägerauhe<br />
Anschnitte für REM/EDX-Untersuchungen zur Verfügung, aus denen schließlich polierte,<br />
ungedeckte Dünnschliffe für Untersuchungen im Polarisationsmikroskop (PolMi) bzw. im<br />
REM angefertigt wurden.<br />
Bestand die Gefahr rascher Veränderungen im Probenmaterial aufgrund hoher Feuchtegehalte<br />
und/oder leicht löslicher Salze, wurde die Kryo-Technik eingesetzt. Die Kryo-<br />
Fixierung erforderte ein separates Probenstück (gestrichelter Pfeil in Abb. 10), das gesondert<br />
gelagert und transportiert werden muß.<br />
Oberfläche<br />
Bruchflächen<br />
Probennahme<br />
Eingangsinspektion im<br />
Stereomikroskop<br />
Kunstharzeinbettung Kryo-Fixierung<br />
Anschnitt Dünnschliff<br />
(ungedeckt)<br />
Oberfläche<br />
Bruchflächen<br />
REM-Präparat PolMi- und REM-Präparat REM-Präparat<br />
Abb. 10: Schematische Darstellung einer umfassenden Probenpräparation für kombinierte<br />
licht- und rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen (vgl. Abb. 11)<br />
3.2.1 REM-Präparation<br />
Die Präparation der Proben für Untersuchungen im REM erfolgte grundsätzlich unter einem<br />
Stereomikroskop mit Videokamera und Farbvideoprinter.<br />
Die Probenstücke wurden mit Leit-C oder Leit-C-Plast leitend auf einem dünnen Aluminiumblech<br />
befestigt.<br />
Durch Farbvideoprints der präparierten Proben konnten Details und Farbinformationen als<br />
Orientierungshilfen für die REM-Untersuchungen dokumentiert werden. Anhand charakteristischer<br />
Topographien war es möglich, interessierende Probenbereiche wiederzufinden und<br />
gezielt zu untersuchen.<br />
Zur Vermeidung elektrischer Aufladungen wurde als abschließender Präparationsschritt eine<br />
aus wenigen Atomlagen bestehende, leitfähige Schicht auf die Probenoberflächen<br />
aufgebracht. Hierfür kamen Ag- bzw. Pt-Beschichtungen mittels Kathodenzerstäubung<br />
(„Sputtering“) sowie Kohlenstoffbedampfung zum Einsatz.
3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 35<br />
3.2.2 Dünnschliff-Präparation<br />
Die Probenstücke wurden unter Vakuum getrocknet und orientiert in Kunstharz eingebettet.<br />
Kleinstproben mußten vorher auf einer Unterlage (Träger) fixiert werden. Hierzu eigneten<br />
sich dünne Aluminiumbleche und ein hochviskoser Klebstoff, z.B. Heißkleber (Temp-Fix). Für<br />
vergleichende Untersuchungen war es vorteilhaft, die betreffenden Proben nebeneinander<br />
auf einem Träger anzuordnen.<br />
Das Harz mußte unter Vakuumbedingungen in der Lage sein, die zugänglichen Wegsamkeiten<br />
der Ziegel oder Terrakotten vollständig zu füllen.<br />
Durch die Verwendung von blau eingefärbtem Harz konnten der Porenraum sowie Risse und<br />
Klüfte markiert und im lichtmikroskopischen Bild besser erkannt werden.<br />
Nach Aushärtung des Harzes wurde mit dem Sägemikrotom und unter Verwendung von<br />
Schneidöl (anstatt Wasser) der gewünschte Probenhorizont herausgeschnitten.<br />
Zur Fertigstellung des eigentlichen Dünnschliffes (erforderliche Dicke 20-25 µm) mußte von<br />
Hand nachgeschliffen werden. Die Verwendung von Standardobjektträgern ermöglichte<br />
Präparatgrößen bis 3,5 x 2,5 cm. Auf das Aufkleben von Deckgläsern wurde nach Möglichkeit<br />
verzichtet, um am gleichen Präparat sowohl lichtmikroskopische als auch rasterelektronenmikroskopische<br />
Untersuchungen durchführen zu können.<br />
Lediglich die Dünnschliffe der NaCl-haltigen Ziegel des Kampischen Hofes wurden durch<br />
Aufkleben eines Deckglases gegen Umverteilung der leicht löslichen Salze während der<br />
Aufbewahrung gesichert.<br />
3.2.3 Kryo-Präparation vor Ort<br />
Bei der Kryo-Fixation wird durch den sogenannten Kryoschock der Ausgangszustand<br />
eingefroren, d.h. sämtliche Probenbestandteile, einschließlich Feuchtigkeit, Salze bzw.<br />
Salzlösung, werden in ihrer Form und Lage fixiert („Einfrieren der Dynamik“).<br />
Hierzu wird flüssiger Stickstoff im Vakuum durch den Entzug von Verdampfungswärme<br />
eingefroren. Das Gemisch von festem und flüssigem Stickstoff, auch „slush“ genannt, besitzt<br />
die Temperatur von schmelzendem Stickstoff (-210,5°C).<br />
Die zu fixierenden Probenstücke (max. 0,5 cm 3 ) werden mit einem speziellen Kältekleber in<br />
einem napfartigen Kryo-Probenhalter befestigt und sofort nach der Öffnung des Rezipienten<br />
in den schmelzenden Stickstoff getaucht (Kryoschock). Die mit der Probe zugeführte Wärme<br />
wird zunächst zum Schmelzen der Stickstoffkristalle verbraucht, bevor die Temperatur des<br />
Stickstoffs wieder die Siedetemperatur des flüssigen Stickstoffs errreicht. Auf diese Weise<br />
wird das Leidenfrost´sche Phänomen (Bildung einer isolierenden Gashülle um die Probe)<br />
vermieden.<br />
Durch die Verwendung einer tragbaren Präparationsapparatur, bestehend aus Vakuumrezipienten<br />
und Rotationsvakuumpumpe, konnten am Bauwerk entnommene Proben sofort<br />
kryo-fixiert werden.<br />
Bis zur REM-Untersuchung verblieben die Präparate in flüssigem Stickstoff.<br />
3.3 Mikroskopische Analysemethoden<br />
Die schematische Darstellung in Abb. 11 zeigt beispielhaft die unterschiedlichen Präparate<br />
des gleichen Probenstückes und die mikroskopischen Analysemethoden.
3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 36<br />
Schrägbeleuchtung<br />
Stereomikroskop<br />
(SteMi)<br />
Bruchfläche<br />
Okulare<br />
Objektiv<br />
Koaxiale<br />
Beleuchtung<br />
SE-Detektor<br />
Rasterelektronenmikroskop (REM) und<br />
energiedispersive Röntgenmikroanalyse (EDX)<br />
Bruchfläche Anschnitt<br />
Keramischer Scherben mit Mineralkörnern (grau) und Poren/Hohlräumen (weiß)<br />
Elektronenquelle<br />
Elektronenlinsen<br />
Ablenkeinheit<br />
RE-Detektor<br />
EDX-Detektor<br />
Dünnschliff<br />
Eingefärbtes Kunstharz Verschmutzung oder Gipskruste Salz (hinter einer Schale)<br />
Abb. 11: Schematische Darstellung der schrittweisen Präparation eines Probenstückes und der mikroskopischen Analysemethoden<br />
(ohne Kryo-Techniken)<br />
Polarisationsmikroskop<br />
(PolMi)<br />
Okular<br />
Analysator<br />
Objektiv<br />
≈25 µm<br />
Kondensor<br />
Polarisator<br />
Lichtquelle
3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 37<br />
3.3.1 Polarisationsmikroskopie<br />
Im Polarisationsmikroskop (PolMi) wird das charakteristische optische Verhalten von<br />
Festkörpern im Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichtes zur qualitativen Unterscheidung<br />
von Mineralphasen und für Gefügeuntersuchungen ausgenutzt.<br />
Die physikalischen Grundlagen zur Bildentstehung sowie zur Wechselwirkung des Lichtes<br />
mit amorphen und kristallinen Festkörpern können der umfangreichen Spezialliteratur entnommen<br />
werden (Apelt 1959, Françon 1967, Rinne-Berek 1973, Beyer 1988).<br />
Durchlichtmikroskopie (Hellfeld)<br />
Im einfach polarisierten Licht (Polarisator im Strahlengang) sind die Eigenfarben der<br />
Bestandteile des Präparates zu erkennen. Durch Verwendung eingefärbten Einbettharzes<br />
können unter diesen Abbildungsbedingungen die Porosität, Risse sowie Verdichtungen<br />
optimal erkannt werden.<br />
Zwischen gekreuzten Polarisatoren (Polarisator und Analysator im Strahlengang) erscheinen<br />
amorphe und optisch isotrope, kristalline Materialien unabhängig von ihrer Orientierung<br />
(Drehen des Präparates) immer dunkel, d.h. sie haben in allen Raumrichtungen dieselben<br />
optischen Eigenschaften.<br />
Die Mehrzahl der kristallinen Stoffe in der Natur (z.B. Minerale) zeigt jedoch ein davon<br />
abweichendes, optisch anisotropes Verhalten. Sie weisen charakteristische Interferenzfarben<br />
auf, die von Dicke und Doppelbrechung des untersuchten Materials bestimmt werden<br />
und sich in Abhängigkeit von der Orientierung der Kristalle ändern. In Verbindung mit<br />
weiteren Kriterien wie Kristallform, Spaltebenen, Zwillingsbildungen etc. ist im<br />
Polarisationsmikroskop eine Mineralidentifizierung möglich.<br />
Die polarisationsmikroskopischen Untersuchungen wurden an einem Polarisationsmikroskop<br />
Axioskop der Fa. ZEISS im Vergrößerungsbereich 25 bis 200fach durchgeführt.<br />
3.3.2 Raster-Elektronenmikroskopie und Röntgenmikroanalyse<br />
3.3.2.1 Raster-Elektronenmikroskop und energiedispersive Röntgenmikroanalyse<br />
Im Rasterelektronenmikroskop (REM) befindet sich das Untersuchungsobjekt im<br />
Hochvakuum. Ein feingebündelter Primär-Elektronenstrahl (PE) tastet die Oberfläche der<br />
Probe zeilenweise ab. An jedem Auftreffpunkt des Elektronenstrahls werden unterschiedliche<br />
Signale erzeugt (s.u.), von entsprechenden Detektoren erfaßt, elektronisch weiterverarbeitet<br />
und auf dem Monitor zu Abbildungen der Probenoberfläche zusammengesetzt.<br />
Für eine detaillierte Darstellung der physikalischen Grundlagen und der Wechselwirkungen<br />
Elektronenstrahl / Probenmaterie sei auf Reimer und Pfefferkorn (1977), Blaschke (1976),<br />
Blaschke und Heywood (1977) sowie auf Schmidt (1993) verwiesen.<br />
Für das Verständnis und die Interpretation der REM-Abbildungen in der vorliegenden Arbeit<br />
werden im folgenden einige wesentlichen Begriffe näher erläutert:<br />
Die beschleunigten Primärelektronen (PE) dringen einige Mikrometer tief in die Probe ein<br />
und werden sowohl elastisch als auch unelastisch gestreut. Durch die Elektronenstrahl /<br />
Materie - Wechselwirkung werden u.a. folgende Signale bzw. Kontraste erzeugt:<br />
- Sekundärelektronen (SE) ⇒ Topographiekontrast<br />
- Rückstreuelektronen (RE) ⇒ Materialkontrast<br />
- Charakteristische Röntgenstrahlung ⇒ Röntgenmikroanalyse
3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 38<br />
Topographiekontrast (SE-Bild)<br />
Der Topographiekontrast beruht auf der Abhängigkeit der SE-Ausbeute von der Neigung der<br />
abzubildenden Fläche zum einfallenden Elektronenstrahl und eignet sich daher zur<br />
Abbildung von Objektoberflächen. Mit zunehmender Flächenneigung nimmt die SE-Ausbeute<br />
zu, wodurch die Flächen heller dargestellt werden. Diese flächenneigungsabhängige SE-<br />
Emission führt in der sogenannten Sekundärelektronenabbildung zu räumlich<br />
anschaulichen Bildern.<br />
Materialkontrast (RE-Bild)<br />
Optimaler Materialkontrast entsteht bei symmetrischer Rückstreuelektronenabbildung.<br />
Dabei ist die Helligkeit eines Materials proportional der mittleren Ordnungszahl. Diese kann<br />
bei Kenntnis der chemischen Zusammensetzung, z.B. für eine Mineralphase, als Quotient<br />
aus der Summe der Ordnungszahlen der enthaltenen Elemente (entsprechend der<br />
Stöchiometrie) und der Anzahl der Atome abgeschätzt werden:<br />
Mittlere Ordnungszahl = ΣOrdnungszahlen / ΣAtome<br />
Das bedeutet, die Helligkeit einer chemische Verbindung in der Rückstreuabbildung ist um<br />
so größer, je höher ihr Gehalt an schweren Elementen ist.<br />
Röntgenmikroanalyse (EDX)<br />
Man spricht von charakteristischer Röntgenstrahlung eines Elementes, da es sich um<br />
diskrete Energien handelt, die durch Rekombinationsvorgänge nach Ionisation innerer<br />
Elektronenschalen durch den e - -Beschuß des Primärstrahls erzeugt werden.<br />
E = h ⋅ ν E Energie der Röntgenquanten<br />
ν Frequenz der Röntgenstrahlung<br />
h Plancksches Wirkungsquantum<br />
Die Energien sind vom Atomaufbau (Elektronenschalen) vorgegeben, so daß durch Bestimmung<br />
der Energie der Röntgenquanten eine Elementanalyse möglich ist (energiedispersive<br />
Röntgenmikroanalyse, EDX).<br />
Durch Abbremsung der Primärelektronen im Coulombfeld der Kerne verlieren sie Energie<br />
und emittieren die kontinuierliche Röntgen-Bremsstrahlung. Sie verursacht den Untergrund<br />
in den EDX-Spektren.<br />
Im REM können Objekte mit einer förderlichen Vergrößerung von 10fach bis 150.000fach<br />
abgebildet werden. Der wesentliche Vorteil der rasterelektronenmikroskopischen Oberflächenabbildung<br />
gegenüber dem Lichtmikroskop liegt neben der höheren Auflösung in der<br />
etwa hundertfachen Schärfentiefe.<br />
Die REM-Untersuchungen wurden an einem Feldemissions-Rasterelektronenmikroskop<br />
HITACHI S 4004 durchgeführt. Das Gerät war mit einem SE-, einem RE- und einem EDX-<br />
Detektor (EDAX 9900) ausgerüstet.
3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 39<br />
3.3.2.2 Kryo-Einrichtung<br />
Das verwendete Kryo-System BALZERS SCU 020 ist eine Zusatzeinrichtung, die ans Feldemissions-Rasterelektronenmikroskop<br />
HITACHI S 4004 angeflanscht werden kann.<br />
Die Kryo-Einrichtung besitzt zwei getrennte Kühlkammern. In einer Präparationskammer, die<br />
durch ein Schiebeventil vom Vakuum des REM getrennt ist, befinden sich der Kühltisch I und<br />
die Beschichtungseinrichtung. Zusätzlich wurde in diese Kammer ein speziell konstruiertes<br />
Werkzeug zur Erzeugung frischer Bruchflächen integriert. Kühltisch II befindet sich anstelle<br />
des nicht kühlbaren Standardprobentisches in der Probenkammer des REM.<br />
Mit Hilfe einer Transfereinrichtung wird das Präparat unter Hochvakuumbedingungen und<br />
gleichen Tischtemperaturen von der Präparationskammer in die Probenkammer überführt.<br />
Um zu vermeiden, daß Wasser aus der Probe sublimiert, mußte während der Präparation<br />
(einschließlich leitfähiger Beschichtung) und bei der REM-Untersuchung eine Temperatur<br />
zwischen –130 und - 150°C eingehalten werden.<br />
Reichte die geringe Leitfähigkeit der Probenoberflächen für eine Untersuchung aus, wurde<br />
auf eine zusätzliche Beschichtung verzichtet. Anderenfalls wurde mittels Kathodenzerstäubung<br />
eine Pt-Schicht aufgebracht.<br />
3.3.3 Artefakte und deren Vermeidung<br />
Aufgrund des Anspruches, Mikrostrukturen in ihrem unveränderten Zustand abzubilden, sind<br />
für die mikroskopische Analytik bereits geringe, makroskopisch nicht sichtbare Veränderungen<br />
des Probenmaterials sehr störend. Das kann zu falschen Rückschlüssen und<br />
Fehlinterpretationen führen (Juling et al. 1994).<br />
In der folgenden Aufzählung wird auf Fehlerquellen bzw. Artefakte hingewiesen, die bei den<br />
durchgeführten mikroskopischen Untersuchungen erkannt wurden und in der Bewertung<br />
entsprechend Berücksichtigung fanden. Gleichzeitig werden Möglichkeiten ihrer Vermeidung<br />
aufgezeigt.<br />
Lichtmikroskopie:<br />
• In einigen Fällen waren die Poren und Hohlräume nach der Kunstharztränkung nur in<br />
einer schmalen Außenzone der Probe mit Harz getränkt. Für eine optimale Dünnschliffpolitur<br />
mußte von der Sägefläche nachgetränkt werden. Das erschwerte die Unterscheidung<br />
von kapillar zugänglichem Porenraum gegenüber nicht permeablen, erst durch<br />
das Anschneiden (Sägen) geöffneten Wegsamkeiten.<br />
Empfehlung: Die Tränkung der Probenstücke in der Vorbereitung der Dünnschliffpräparation<br />
muß unter ausreichend hohem Vakuum (etwa 1x10 -4 mbar) und<br />
mit einem sehr niedrigviskosen Harz erfolgen. Eingefärbtes Harz erleichtert<br />
das Erkennen einer ungenügenden Tränkung. Es ist vorteilhaft, die<br />
Präparation selbst durchzuführen.<br />
• Die Verwendung Pb-haltiger Platten als Unterlage bei der Dünnschliffpolitur führte unvermeidlich<br />
zu Pb-Rückständen in den Feinststrukturen der polierten Fläche. Diese<br />
Ablagerungen traten bei REM-Untersuchungen an Dünnschliffen, die in der RE-Abbildung<br />
(Materialkontrast) durchgeführt wurden, aufgrund ihrer hohen Ordnungszahl (ZPb=82) als<br />
helle, störende Punkte in Erscheinung.<br />
Empfehlung: Zur Anfertigung ungedeckter, polierter Dünnschliffe, die auch für REM-<br />
Untersuchungen genutzt werden sollen, sind Pb-haltige Platten als Unterlage<br />
zu vermeiden.
3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 40<br />
Raster-Elektronenmikroskopie:<br />
• Die bekanntlich geringe Langzeitstabilität von Silber-Beschichtungen verkürzte sich<br />
zusätzlich aufgrund ungünstiger chemischer Zusammensetzung bestimmter Proben. Es<br />
bildeten sich Inseln voneinander isolierter Ag-Anreicherungen, die entweder aus Ag-Sulfid<br />
oder aus Ag-Chlorid bestanden. In beiden Fällen war eine erhebliche Verschlechterung<br />
der elektrischen Leitfähigkeit der Schicht die Folge, die zu Aufladungen der Proben führte.<br />
Außerdem störten diese Ag-Inseln als „Sternenhimmel“ die RE-Abbildung.<br />
Empfehlung: Es ist ein flexibler Umgang mit den Beschichtungstechniken erforderlich.<br />
Metallschichten aus einer Kathodenzerstäubung, die Vorteile bei der SE-<br />
Abbildung bieten und auch an sehr unebenen Flächen aufladungsfreie<br />
Abbildungen ermöglichen, sind auf manchen Untergründen veränderungsanfällig.<br />
Kohlenstoffbedampfungen sind vorzuziehen.<br />
Metallschichten sollten grundsätzlich nur in Ausnahmefällen, z.B. an hoch<br />
porösen Materialien, zur Anwendung kommen. Pt ist der Vorzug zu geben,<br />
da es nicht zu Veränderungen neigt und aufgrund der günstigen Peaklagen<br />
im Spektrum der S-Nachweis mittels EDX nicht behindert wird.<br />
Kryo-Methoden:<br />
• Beim Transfer der Probe vom Transportbehälter in die Kryo-Einrichtung des REM hat der<br />
kurzzeitige Kontakt der sehr kalten Probe mit der Luft zu Reifbildung an den zu untersuchenden<br />
Probenflächen geführt.<br />
Empfehlung: Durch eine orientierende Untersuchung der unbedampften Probe können<br />
die Reifkristalle aufgrund ihrer charakteristischen Morphologie erkannt und<br />
durch kurzzeitige Erhöhung der Tischtemperatur von der Probe unter<br />
„REM-Kontrolle“ entfernt werden, so daß sich Veränderungen an den<br />
interessierenden Probenbestandteilen weitgehend vermeiden lassen.<br />
Anschließend kann, soweit erforderlich, eine leitfähige Beschichtung aufgebracht<br />
werden.<br />
• Für die Kryo-REM-Untersuchungen wurde anfänglich Pt als leitfähige Beschichtung der<br />
Proben gewählt. Das hatte den Nachteil, daß die Abbildung morphologischer<br />
Veränderungen, die durch gezielte Sublimation von Wasser (Porenfeuchtigkeit oder<br />
Bestandteil von Salzlösungen) erzeugt wurden, durch die Relikte der Pt-Hüllen gestört<br />
war. Außerdem war der Nachweis von Nitrat mittels EDX durch die Absorption von<br />
Stickstoff in der Pt-Besputterung praktisch nicht möglich.<br />
Empfehlung: Diese Nachteile können durch eine C-Bedampfung vermieden werden.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 41<br />
4 UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
4.1 Bauterrakotten im Fassadenbereich des Schweriner Schlosses, des<br />
Holstentores in Lübeck und der Johanniskirche in Tartu<br />
4.1.1 Thematische Schwerpunkte der durchgeführten mikroskopischen<br />
Untersuchungen<br />
Der Übersicht in Tabelle 8 ist zu entnehmen, welche Themenschwerpunkte an den Terrakotten<br />
des jeweiligen Objektes untersucht wurden. Außerdem wird auf die Gliederungspunkte<br />
verwiesen, in denen die mikroskopischen Untersuchungen detailliert beschrieben und diskutiert<br />
werden.<br />
Die makroskopischen und mikroskopischen Schäden an den Terrakotten der einzelnen<br />
Bauwerke werden bezüglich der Ursachen miteinander verglichen und zusammenfassend<br />
bewertet. Im Gliederungspunkt 4.1.8 wird ein Modell zum Schadensprozeß an Bauterrakotten<br />
im Fassadenbereich in Gegenwart schwer löslicher Salze abgeleitet.<br />
Die Möglichkeiten der mikroskopischen Analytik zur Bewertung einzelner Konservierungsschritte<br />
werden am Beispiel der Terrakotten des Schweriner Schlosses dargestellt (Gliederungspunkt<br />
4.1.9).<br />
Tabelle 8: Übersicht über die Themenschwerpunkte der mikroskopischen Untersuchungen an<br />
den Einzelobjekten und die zugehörigen Gliederungspunkte<br />
Themenschwerpunkte der<br />
mikroskopischen<br />
Untersuchungen<br />
Scherbeneigene Ursachen der<br />
Oberflächenfarbigkeit von Terrakotten<br />
Farbfassungsrelikte an<br />
Terrakottaoberflächen<br />
Oberflächenveränderungen<br />
(Auflagerungen und Krusten)<br />
Gefügeveränderungen und<br />
mikroskopische Schadensprofile<br />
Schadensprozeß an Bauterrakotten<br />
im Fassadenbereich in<br />
Gegenwart schwer löslicher Salze<br />
Mikroskopische Bewertung von<br />
Probekonservierungen an<br />
Testflächen<br />
Schweriner<br />
Schloß<br />
Holstentor<br />
Lübeck<br />
Johanniskirche<br />
Tartu<br />
x 4.1.3<br />
x 4.1.4<br />
x 4.1.5<br />
x 4.1.6<br />
x x 4.1.7<br />
x x x 4.1.8<br />
x 4.1.9<br />
Gliederungspunkt<br />
Die Darstellung der Ergebnisse und deren Diskussion ist in den jeweiligen Gliederungspunkten<br />
folgendermaßen strukturiert:<br />
- Mikroskopische Beschreibung<br />
- Abbildungen<br />
- Interpretation und Bewertung
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 42<br />
4.1.2 Definition der verwendeten Begriffe<br />
Zur Kennzeichnung der Schäden an den Terrakotten werden Begriffe verwendet, die sich am<br />
Klassifikationsschema von Rademacher und Seebach (1998) orientieren. Die dort vorgenommene<br />
Unterteilung der Verwitterungsformen wurde für die Schadbildkartierung von<br />
Ziegelmauerwerk erstellt, kann aber grundsätzlich auch auf Terrakotten übertragen werden. Die<br />
folgende Aufzählung umfaßt die Begriffe, die für die Beschreibung der im Rahmen der<br />
vorliegenden Arbeit untersuchten Terrakotten benötigt werden.<br />
Absanden: Ablösen kleiner, kompakter Ziegelpartikel vom Untergrund. Die Oberfläche<br />
ist mürbe, beim Darüberstreichen können die gelockerten Partikel<br />
abgerieben werden.<br />
Abschuppen: Ablösen dünner, flächiger Partikel in Form von Ziegelschuppen. Auch<br />
hier ist die Oberfläche mürbe und die Partikel lösen sich beim Darüberstreichen<br />
ab.<br />
Dünne Schalen: Ablösen größerer, flächiger Partikel mit einer Dicke von < 1mm bis<br />
mehrere Millimeter. Form und Flächengröße der Schalen können sehr<br />
stark variieren.<br />
Übergangsformen: - Absanden bis Abschuppen<br />
- Abschuppen bis Dünne Schalen<br />
Salzausblühungen: Lockere Aggregate kristalliner Salze auf der Ziegeloberfläche<br />
Für die Beschreibung der Oberflächenveränderungen wird auf die Definitionen von Zehnder<br />
(1982) zurückgegriffen:<br />
Auflagerung: Anlagerung einer dünnen, meist dunkel gefärbten Schicht auf der<br />
Oberfläche. Die Zusammensetzung unterscheidet sich von der des<br />
Gesteins. Es sind keine Salze enthalten.<br />
Kruste: Anlagerung einer kompakten Schicht auf der Oberfläche. Die Zusammensetzung<br />
unterscheidet sich von der des Gesteins. Hierbei handelt es<br />
sich meist um Gipskrusten, die durch eingelagerte Staubpartikel oftmals<br />
dunkel gefärbt sind.<br />
4.1.3 Scherbeneigene Ursachen der Oberflächenfarbigkeiten der Terrakotten des<br />
Holstentores in Lübeck<br />
Das farbige Erscheinungsbild von Terrakotten an Bauwerken ist häufig uneinheitlich. An der<br />
Fassade des Holstentores in Lübeck ist zu erkennen, daß benachbarte Platten desselben<br />
keramischen Materials sowohl rötliche als auch gelbliche Oberflächen aufweisen können.<br />
Aufgrund von Schädigungen durch Rückwitterung ist feststellbar, daß die Farben des keramischen<br />
Scherbens häufig von denen der Oberflächen abweichen (Abb. 12 und 18).<br />
Diese Beobachtungen führten seitens der Denkmalpflege zur Frage nach den Ursachen. Es ist<br />
von kunsthistorischem und materialkundlichem Interesse, ob engobierte Terrakotten verwendet<br />
wurden, nachträgliche Oberflächenbehandlungen erfolgten (z.B. Anstriche) oder andere<br />
Vorgänge zu diesen Farbunterschieden geführt haben.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 43<br />
An zwei Beispielen von Terrakotten des Holstentores Lübeck werden scherbeneigene Faktoren<br />
als Ursachen unterschiedlicher Oberflächenfarbigkeiten vorgestellt:<br />
4.1.3.1 Rote Oberfläche über ockerfarbenem Scherben<br />
An den betreffenden Platten zeigt die Terrakottaoberfläche eine rötliche Färbung, während der<br />
Scherben eine Ockerfärbung aufweist. Durch den Verlust dünner Schalen oder stärkere<br />
Rückwitterungen wird dieser Unterschied zwischen Oberflächenfarbigkeit und Scherbenfarbe<br />
an den betroffenen Terrakotten sichtbar (Abb. 12).<br />
Durch dunkle Auflagerungen und schwarze Krusten ist die ehemalige Farbigkeit der Original-<br />
Oberfläche stellenweise überdeckt.<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Die Dünnschliffuntersuchungen am Querschnitt haben gezeigt, daß die Rotfärbung durch eine<br />
schmale, rötliche Zone hervorgerufen wird (Breite ca. 50 µm), die sich unmittelbar unter der<br />
Oberfläche befindet (Abb. 13). Es sind keine Schichtgrenzen nachweisbar, so daß es sich um<br />
einen „Farbhorizont“ innerhalb des keramischen Scherbens handelt und nicht um eine farbgebende<br />
Beschichtung.<br />
Durch die Verwendung eines ungedeckten Dünnschliffes war es möglich, eine im Polarisationsmikroskop<br />
ausgewählte Stelle (Abb. 14) direkt im REM zu untersuchen (Abb. 15). Im<br />
Materialkontrast der Rückstreuelektronenabbildung ist der im PolMi rötliche Horizont als heller<br />
Streifen zu erkennen (Abb. 15 und 16).<br />
Eine vergleichende EDX-Analyse dieser stärker rückstreuenden Bereiche mit der angrenzenden<br />
Terrakottamatrix zeigt, daß in den hellen Bereichen höhere Eisen- und Kaliumgehalte sowie<br />
geringere Ca-Gehalte vorliegen (Abb. 17).<br />
Holstentor Lübeck<br />
Rote Terrakottaoberfläche<br />
über ockerfarbenem<br />
Scherben<br />
Abb. 12:<br />
In ungeschädigten<br />
Oberflächenpartien ist<br />
eine rote Färbung der<br />
Terrakotta zu erkennen<br />
(rechter Pfeil).<br />
Demgegenüber weist<br />
der keramische Scherben<br />
eine Ockerfärbung<br />
auf. Der linke Pfeil (mit<br />
Beschriftung) kennzeichnet<br />
die Probenentnahmestelle.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 44<br />
Holstentor Lübeck<br />
Rote Terrakottaoberfläche<br />
über ockerfarbenem<br />
Scherben<br />
Abb. 13:<br />
Die rote Färbung der<br />
Oberfläche in Abb. 12<br />
wird durch ein schmales,<br />
rötliches Band<br />
(Pfeil) hervorgerufen.<br />
Links davon, d.h. auf<br />
der Terrakottaoberfläche,<br />
befindet sich<br />
eine Gipskruste.<br />
[PolMi-Aufn., + Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]<br />
Abb. 14:<br />
Stufe mit teilweise<br />
erhaltener, rötlicher<br />
Oberfläche.<br />
In der rechten Bildhälfte<br />
ist das rötliche Band<br />
noch vorhanden (Pfeil),<br />
links davon durch<br />
Schuppenablösung<br />
entfernt.<br />
[PolMi-Aufn., + Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]<br />
Abb. 15:<br />
Gleiche Probenstelle<br />
wie Abb. 14 im REM.<br />
Das hohe Rückstreuvermögen<br />
in Oberflächennähe<br />
(helles<br />
Band, Pfeil) korreliert<br />
mit dem rötlichen Band<br />
in Abb. 14.<br />
[REM-RE-Abbildung,<br />
polierter Dünnschliff]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 45<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Holstentor Lübeck<br />
Rote Terrakottaoberfläche<br />
über ockerfarbenem<br />
Scherben<br />
Abb. 16:<br />
Detail aus Abb. 15.<br />
Das hohe Rückstreuvermögen<br />
(helle Bereiche)<br />
wird durch den<br />
gegenüber dem Scherben<br />
erhöhten Eisengehalt<br />
hervorgerufen<br />
(vgl. EDX-Analysen in<br />
Abb. 17).<br />
[REM-RE-Abbildung,<br />
polierter Dünnschliff]<br />
Abb. 17:<br />
Durch Vergleich der<br />
EDX-Spektren des<br />
hellen Bereiches in<br />
Abb. 16 (rote Kurve)<br />
und des angrenzenden<br />
keramischen Materials<br />
(blaue Kurve) wird<br />
deutlich, daß der hohe<br />
Materialkontrast (starke<br />
Helligkeit in Abb. 16)<br />
durch erhöhte Fe- und<br />
K-Gehalte verursacht<br />
wird.<br />
[EDX-Spektren]<br />
Auf der untersuchten Terrakotta waren keine Anstrichreste nachweisbar. Auch eine<br />
Engobierung, d.h. das Aufbringen eines dünnen, meist pigmentierten keramischen Überzuges,<br />
kann ausgeschlossen werden.<br />
Durch die Kombination licht- und rasterelektronenmikroskopischer Untersuchungsmethoden<br />
konnte der Nachweis erbracht werden, daß die Farbunterschiede zwischen Terrakottaoberfläche<br />
und keramischem Scherben die Folge von Materialinhomogenitäten sind. In einem<br />
50 µm schmalen, oberflächennahen Horizont liegt ein höherer Eisengehalt und ein geringerer<br />
Ca-Gehalt als in der angrenzenden Terrakotta vor.<br />
Dieses, gegenüber dem Kern lokal veränderte Ca/Fe-Verhältnis, führt im Ergebnis des<br />
Brennprozesses zu einem höheren Hämatitgehalt und damit zu einer oberflächlich stärkeren<br />
Rotfärbung des keramischen Materials.<br />
Auf die Zusammenhänge zwischen Ca-Gehalt, Brenntemperatur, Hämatitbildung und<br />
Scherbenfarbe einer Keramik wird in zahlreichen Arbeiten hingewiesen (Donath 1928, Schrader<br />
1997, Schumann 1997).
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 46<br />
4.1.3.2 Gelbliche Oberfläche über rotockerfarbenem Scherben<br />
Die Skulptur in Abb. 16 weist eine ungleichmäßige Färbung auf. Kopf, Blumenornament und<br />
Schulter fallen durch eine gelbliche Oberfläche auf, während andere Bereiche eine rötliche<br />
Färbung zeigen. Durch die vorhandenen Schäden an der Figur wird gleichzeitig deutlich, daß<br />
der keramische Scherben eine Rotockerfärbung aufweist (Abb. 18).<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Lichtmikroskopisch sind in Oberflächennähe gelbe bis gelb-grünliche, mineralkornarme,<br />
schwindrißreiche Schlieren in der Matrix zu erkennen (Abb. 19).<br />
Im REM konnte durch vergleichende EDX-Analysen dieser Inhomogenitäten mit der angrenzenden<br />
Terrakotta nachgewiesen werden, daß die gelben Zonen gegenüber der<br />
„normalen“, rötlichen Terrakotta deutlich höhere Ca-Gehalte und leicht erhöhte S-Gehalte<br />
aufweisen (Abb. 20).<br />
Aufgrund des geringen Mineralkorngehaltes, der Brennschwindrisse und der EDX-Analyse kann<br />
geschlossen werden, daß es sich um Ca-reiche Tonschlieren handelt. Diese Inhomogenitäten<br />
sind auch im Inneren der Terrakotta stellenweise vorhanden. Sichtbare Auswirkung auf die<br />
Farbe der Keramik haben diese Inhomogenitäten, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, bis an die<br />
Oberfläche reichen (Abb. 19).<br />
Holstentor Lübeck<br />
Gelbliche Terrakottaoberfläche<br />
über rotockerfarbenem<br />
Scherben<br />
Abb. 18:<br />
Kopf, Blumenornament<br />
und Schulter in den<br />
erhaltenen Partien der<br />
Figur zeigen eine auffällig<br />
gelbliche Färbung.<br />
Demgegenüber weisen<br />
andere Bereiche der<br />
Oberfläche und der in<br />
geschädigten Bereichen<br />
sichtbare keramische<br />
Scherben eine Rotockerfärbung<br />
auf.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 47<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Holstentor Lübeck<br />
Gelbliche Terrakottaoberfläche<br />
über rotockerfarbenem<br />
Scherben<br />
Abb. 19:<br />
Gelbliche Schlieren im<br />
keramischen Scherben.<br />
Reichen diese Materialinhomogenitäten<br />
bis<br />
zur Oberfläche (im<br />
linken unteren Teil des<br />
Bildes) zeigt die<br />
Terrakotta an der<br />
Oberfläche eine<br />
gelbliche Färbung.<br />
[PolMi-Aufn., + Pol.,<br />
Bildhöhe 1,3 mm]<br />
Abb. 20:<br />
Die gelben Schlieren<br />
des keramischen<br />
Materials in Abb. 19<br />
weisen hohe Ca- und<br />
S-Gehalte auf (rote<br />
Kurve). Der S und ein<br />
Teil des Ca sind auf<br />
eine Gipsbelastung<br />
zurückzuführen. Die<br />
rotockerfarbenen<br />
Bereiche in Abb. 19<br />
enthalten deutlich<br />
weniger Ca und S<br />
(blaue Kurve).<br />
[EDX-Spektren]<br />
In der Terrakotta sind Ca-reiche Tonschlieren vorhanden. An einigen Stellen der Skulptur<br />
reichen diese Materialinhomogenitäten bis zur Oberfläche. Die betroffenen Partien weisen eine<br />
gelbliche Färbung auf.<br />
Die Zusammenhänge zwischen Ca/Fe-Verhältnis und resultierender Brennfarbe wurden bereits<br />
im Gliederungspunkt 4.1.3.1 für eine rote Oberfläche über ockerfarbenem Scherben aufgezeigt.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 48<br />
Im vorliegenden Beispiel wurde der umgekehrte Fall untersucht: Gelbliche Oberfläche über<br />
rotockerfarbenem Scherben. Der hohe Kalkgehalt der Tonschlieren führt zu einer gelblichen<br />
Brennfarbe gegenüber einer Rotockerfärbung in den Ca-ärmeren Bereichen des Scherbens.<br />
Anstriche oder eine Engobierung als Ursache der Oberflächenfärbung konnten durch die<br />
mikroskopischen Untersuchungen wiederum ausgeschlossen werden.<br />
4.1.4 Farbfassungsrelikte an den Oberflächen der Terrakotten der Johanniskirche in<br />
Tartu<br />
Bei restauratorischen Untersuchungen an den Portalskulpturen des Wimpergs (Abb. 21)<br />
wurden Reste von Malschichten auf den Terrakotten entdeckt, deren ursprüngliche Farbigkeit<br />
durch dunkle Schmutzauflagerungen nicht mehr erkennbar war.<br />
Diese Befunde waren die einzige Möglichkeit, eine ehemalige Farbigkeit nachzuweisen und<br />
daher kunsthistorisch äußerst wertvolle Zeugen der historischen Gestaltung.<br />
Aufgrund der Bedeutung dieser Fassungsreste und der Tatsache, daß sie nur noch in äußerst<br />
spärlichen Relikten vorlagen, standen für die Untersuchungen nur winzige Proben zur<br />
Verfügung. Die wenige mm-großen Splitter wurden mit einem Skalpell von den Oberflächen der<br />
Skulpturen entnommen.<br />
Zielvorgaben der mikroskopischen Untersuchungen waren zunächst:<br />
- Identifizierung als Farbfassung<br />
- Ermittlung des stratigraphischen Aufbaus (Abfolge von Grundierungen und Farbschichten)<br />
- Pigmentbestimmung<br />
4.1.4.1 Gelbockerfassung<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
An der Außenseite der Probe ist eine ocker pigmentierte Schicht nachweisbar (Abb. 22). Die<br />
Pigmente der Farbschicht sind von einer dünnen, verschmutzen Gipsschicht überzogen<br />
(Schichtdicke 0,1 mm). Hieraus ist zunächst ersichtlich, daß es sich tatsächlich um eine<br />
Fassung handelt. Gleichzeitig ist auch die stratigraphische Abfolge erkennbar. Unter der<br />
Farbschicht (3) befinden sich zwei weitere, jedoch nicht pigmentierte Schichten (1 und 2), deren<br />
Schichtdicken jeweils ca. 0,5 mm betragen.<br />
Eine REM-Untersuchung der in Abb. 22 dargestellten Probenstelle (am ungedeckten Dünnschliff)<br />
liefert zusätzliche Informationen (Abb. 23): Die Schichten (1) und (2) unter der<br />
Farbschicht sind unterschiedlich dicht. In der äußeren Schicht (2) ist die Porosität stark<br />
eingeschränkt. Aus EDX-Analysen ist ersichtlich, daß dichte und poröse Bereiche unterschiedliche<br />
Elementzusammensetzungen aufweisen (Abb. 24). In der Schicht 1 und in porösen<br />
Teilbereichen der Schicht 2 sind Ca, Mg und O nachweisbar, während in den dichten Bereichen<br />
der Schicht 2 kein Mg vorhanden ist.<br />
Durch die Kombination von PolMi und REM ist zu erkennen, daß die Pigmente in einer<br />
schmalen Oberflächenschicht eingeschlossen sind, die sich von den Grundierungen<br />
unterscheidet. Das EDX-Spektrum der Malschicht zeigt einen komplexen Elementbestand (Abb.<br />
25), der wie folgt differenziert werden kann: Ca und S stammen vom Gips. Fe, Si und Al in den<br />
vorliegenden Peakverhältnissen sind charakteristisch für Ockerpigmente.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 49<br />
3 2 1<br />
Johanniskirche Tartu<br />
Terrakotta-Skulptur vom<br />
Wimperg des Westportals<br />
Abb. 21:<br />
Die Oberfläche der<br />
Skulptur ist insbesondere<br />
in Vertiefungen (Gewandfalten<br />
etc.) durch StaubundSchmutzablagerungen<br />
sowie durch Gipskrusten<br />
geschwärzt.<br />
Restauratorische Befunduntersuchungen<br />
lieferten<br />
Hinweise auf Farbfassungsreste<br />
an der Terrakottaoberfläche.<br />
Johanniskirche Tartu<br />
Gelbockerfassung auf<br />
Terrakotta-Skulptur<br />
Abb. 22:<br />
Fassungsrest im PolMi<br />
(Oberfläche links im Bild).<br />
Auf zwei Grundierungsschichten<br />
(1 und 2) ist<br />
eine schmale, ockerpigmentierte<br />
Farbschicht (3)<br />
zu erkennen, die ihrerseits<br />
von einer dünnen Gipsschicht<br />
überdeckt ist<br />
(Pfeile).<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 50<br />
3 2 1<br />
Johanniskirche Tartu<br />
Gelbockerfassung auf<br />
Terrakotta-Skulptur<br />
Abb. 23:<br />
Gleiche Probenstelle wie<br />
Abb. 22 im REM.<br />
Schicht 1 der Grundierung<br />
ist porös, die Schicht 2<br />
durch Rekristallisationen<br />
von Calcit verdichtet.<br />
Das helle Band am linken<br />
Bildrand (3) ist die oberflächliche<br />
Gipsschicht, in<br />
der die Pigmente eingeschlossen<br />
sind.<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
mikrorauhen Dünnschliff]<br />
Abb.24:<br />
EDX-Spektrum der<br />
Grundierungsschicht 1<br />
bzw. poröser Teilbereiche<br />
der Grundierungsschicht 2<br />
in Abb. 23).<br />
Aufgrund der Elementzusammensetzung<br />
(Ca und<br />
Mg) kann die Grundierung<br />
als Kreidegrund identifiziert<br />
werden. Im Bindemittel<br />
sind Mg-Anteile<br />
enthalten.<br />
[EDX-Spektrum]<br />
Abb. 25:<br />
EDX-Spektrum des hellen<br />
Bandes (Schicht 3) am<br />
linken Rand von Abb. 23.<br />
Ca und S identifizieren<br />
den Gips. Fe, Si und Al<br />
stammen vom Pigment<br />
(Ocker).<br />
[EDX-Spektrum]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 51<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Die historische Farbfassung der Terrakotta war nur noch als Relikt erhalten und durch dunkle<br />
Staub- und Schmutzschichten sowie Gipskrusten verdeckt.<br />
Erst lichtmikroskopische Untersuchungen der winzigen, meist schwarzen Splitter ermöglichten<br />
durch den Nachweis pigmentierter Schichten eine Identifizierung als Farbfassung. Gleichzeitig<br />
konnte die Schichtenfolge (Stratigraphie) ermittelt werden.<br />
Die Probe wurde als ungedeckter Dünnschliff präpariert, so daß sie nach der Betrachtung im<br />
Polarisationsmikroskop auch im REM untersucht werden konnte. Erst durch diese Kombination<br />
war es möglich, die Probe umfassend zu charakterisieren. Durch EDX-Analysen wurde<br />
festgestellt, daß im Bindemittel der Grundierung Mg-Anteile enthalten sind, wobei nicht unterschieden<br />
werden kann, ob Dolomit oder Mg-reicher Calcit als Ausgangsmaterial verwendet<br />
wurde.<br />
In den Grundierungen konnten lokale Verdichtungen nachgewiesen werden, die auf Lösungs-,<br />
Transport- und Fällungsprozesse calcitischer Bindemittelbestandteile schließen lassen.<br />
Auch die Bedeutung der gipsreichen Schicht an der Oberfläche des Fassungsrestes erschloß<br />
sich erst durch die mikroskopischen Untersuchungen. Die Pigmente sind zum heutigen Zeitpunkt<br />
vollständig in einer schmalen, dunklen Gipsschicht eingeschlossen. Diese Vergipsung ist<br />
durch Umwandlung carbonatischer Bestandteile der Farbschicht entstanden. Eine Entfernung<br />
dieser vermeintlichen "Gipskruste" durch eine Oberflächenreinigung hätte den vollständigen<br />
Verlust der Fassungsreste und damit der historischen Informationen zur Folge.<br />
Damit konnte mikroskopisch nachgewiesen werden, daß in Gegenwart einer Farbfassung oder<br />
einer Tünche die Verwitterungsprozesse aus der Terrakotta in diese Anstrichschichten verlagert<br />
werden. Das bedeutet, daß sie nicht nur der Gestaltung dienten, sondern zusätzlich eine<br />
Schutzfunktion für das keramische Material erfüllt haben.<br />
4.1.4.2 Rotfassung<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
In der lichtmikroskopischen Darstellung (Abb. 26) ist zu erkennen, daß unmittelbar an der<br />
Außenseite eine etwa 200 µm dicke, rot pigmentierte Schicht (2) vorhanden ist, die stellenweise<br />
von einer dünnen, hellen Schicht (3) überdeckt wird.<br />
Unter der Farbschicht ist eine nicht pigmentierte Schicht (1) vorhanden, die im Lichtmikroskop<br />
nur ungenügend charakterisiert werden kann.<br />
Bei der Untersuchung des ungedeckten Schliffes im REM (Abb. 27) stellt sich heraus, daß sich<br />
unterhalb der Farbschicht (2) eine inhomogene Kalkschicht befindet (1). Es handelt sich sehr<br />
wahrscheinlich um eine Grundierung. Teilbereiche zeigen Verdichtungen, denen im Ergebnis<br />
der EDX-Analysen unterschiedliche, stets sekundäre Ursachen zuzuordnen sind. Sie sind<br />
entweder die Folge von Umkristallisation des carbonatischen Bindemittels (Lösung und Fällung)<br />
oder durch lokale Vergipsung entstanden (Abb. 28).<br />
Auch die pigmentierte Schicht an der Probenoberfläche weist Merkmale auf, die auf sekundäre<br />
Veränderungen schließen lassen. Im Materialkontrast der Rückstreuabbildung sind die<br />
Pigmentkörner als helle Punkte in einer dichten Schicht lokalisierbar (Abb. 29). Aus dem<br />
Materialkontrast und dem hohen Fe-Gehalt im Elementspektrum der EDX-Analyse (Abb. 30)<br />
kann auf Eisenoxidrot oder Roten Ocker als Pigment geschlossen werden. Gleichzeitig wird<br />
ersichtlich, daß die Pigmente in einer schmalen Gipsschicht eingeschlossen sind.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 52<br />
3<br />
2<br />
1<br />
2<br />
1<br />
Johanniskirche Tartu<br />
Rotfassung auf<br />
Terrakotta-Skulptur<br />
Abb. 26:<br />
Fassungsrest im PolMi.<br />
Über der Grundierung<br />
(1) ist eine schmale,<br />
rotpigmentierte Schicht<br />
(2) zu erkennen, die<br />
ihrerseits von einer<br />
dünnen Gipsschicht<br />
überdeckt wird (3 und<br />
Pfeilmarkierung).<br />
[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />
Bildbreite 0,7 mm]<br />
Abb. 27:<br />
Fassungsrest im REM.<br />
Vergipste Farbschicht<br />
(2, zwischen den Pfeilen)<br />
auf Grundierung<br />
(1). Der helle, etwa 200<br />
µm breite oberflächenparallele<br />
Streifen und<br />
die dichten Bereiche in<br />
der Grundierung sind<br />
Kalk- oder Gipsnester<br />
infolge Umkristallisation<br />
bzw. Gipsbildung<br />
(Rahmen s. Abb. 28).<br />
[REM-RE-Aufn. am mikrorauhen<br />
Dünnschliff]<br />
Abb. 28:<br />
Detail (Rahmen) aus<br />
der unteren, rechten<br />
Ecke in Abb. 27.<br />
Die hellen, dichten<br />
Calcitsäume in der<br />
Kontaktzone zum<br />
Quarzkorn sind durch<br />
Umkristallisation<br />
entstanden.<br />
[REM-RE-Aufn. am mikrorauhen<br />
Dünnschliff]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 53<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Johanniskirche Tartu<br />
Rotfassung auf<br />
Terrakotta-Skulptur<br />
Abb. 29:<br />
Detail aus Abb. 27.<br />
In der oberflächennah<br />
gebildeten Gipsschicht<br />
sind die Pigmentkörner<br />
(helle Punkte) eingeschlossen.<br />
[REM-RE-Aufn. am mikrorauhen<br />
Dünnschliff]<br />
Abb. 30:<br />
EDX-Spektrum der hellen<br />
Körner in Abb. 29.<br />
Ca und S identifizieren<br />
den Gips. Fe stammt<br />
vom Pigment (Eisenoxidrot<br />
oder Roter<br />
Ocker).<br />
[EDX-Spektrum]<br />
Die Probe wurde als ungedeckter Dünnschliff zunächst im Polarisationsmikroskop und<br />
anschließend im REM untersucht. Erst durch diese Kombination war es möglich, die<br />
Farbfassung umfassend mikroskopisch zu charakterisieren. Die Umwandlungs- und<br />
Umkristallisationsprozesse in den Grundierungen und der Farbschicht waren nur im REM<br />
erkennbar. Durch sie konnte nachgewiesen werden, daß in Gegenwart einer Farbfassung oder<br />
einer Tünche die Verwitterungsprozesse aus der Terrakotta in die Anstrichschichten verlagert<br />
werden. Das bedeutet, daß sie nicht nur der Gestaltung dienten, sondern gleichzeitig eine<br />
Schutzfunktion für das keramische Material erfüllt haben.<br />
Die Pigmente sind zum heutigen Zeitpunkt vollständig in Gipsschichten eingeschlossen, die<br />
durch Schmutzpartikel dunkel gefärbt sind. Eine Entfernung dieser vermeintlichen "Gipskruste"<br />
durch eine Oberflächenreinigung hätte den vollständigen Verlust der Fassungsreste und damit<br />
der historischen Informationen zur Folge.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 54<br />
4.1.5 Veränderungen der Oberflächen an den Terrakotten des Schweriner<br />
Schlosses - Auflagerungen und Krusten<br />
Fast alle Terrakotta-Medaillonplatten und die Platteneinfassungen (Formsteine) im Fassadenbereich<br />
des Schweriner Schlosses zeigen Schwärzungen der Oberflächen, die an den<br />
gewölbten, vorstehenden Bereichen der Porträts und Blattkränze besonders stark ausgeprägt<br />
sind (Abb. 31).<br />
An den ebenen Oberflächen des Plattenfonds treten zusätzlich gelb-schwarze, beige bzw.<br />
rötlich-beige Färbungen auf. Diese Oberflächenveränderungen gehen häufig mit der Ablösung<br />
etwa 1 mm dünner Schalen einher.<br />
Ziel der mikroskopischen Untersuchungen war es, die Entstehungsursachen der oberflächlichen<br />
Veränderungen der Terrakotten zu ermitteln und mögliche Zusammenhänge mit den<br />
vorliegenden Schäden nachzuweisen.<br />
4.1.5.1 Schwarze und graue Oberflächen<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Schweriner Schloß<br />
Schwarze Oberflächen<br />
und Schalenbildung an<br />
Terrakotten<br />
Abb. 31:<br />
Auffallend am Schadensbild<br />
ist, daß an<br />
gewölbten, vorstehenden<br />
Ornamenten der<br />
Terrakotta-Medaillonplatten<br />
häufig Schwärzungen<br />
auftreten.<br />
In diesen dunklen Bereichen<br />
ist die Brennhaut<br />
noch erhalten,<br />
während sie an den<br />
hellen Stellen durch<br />
Schalenablösung bereits<br />
verlorengegangen<br />
ist.<br />
Die Schwärzungen der Oberflächen der Terrakotten bzw. der umgebenden Formsteine werden<br />
durch Auflagerungen verursacht, die unterschiedliche Morphologien und Elementzusammensetzungen<br />
aufweisen:
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 55<br />
I. Mikrokristalline Auflagerungen mit organischen Bestandteilen (Abb. 32):<br />
Am Querschnitt ist im Polarisationsmikroskop die Spur einer dünnen, die Oberflächentopographie<br />
nachzeichnenden Schicht zu erkennen, die eine Dicke von 2-5 µm aufweist<br />
(Abb. 33). Die Oberfläche stellt sich im REM als eine geschlossene, mikrokristalline Schicht<br />
dar (Abb. 34). Bei höherer Vergrößerung sind stellenweise Mikroorganismen<br />
(Stabbakterienkolonien) nachweisbar (Abb. 35). Schwermetallpartikel (Pb und Fe) sind in<br />
diesen Auflagerungen nur in sehr geringem Umfang vorhanden.<br />
II. Gipskrusten (Abb. 36):<br />
Vereinzelt sind in dunkelgrau bis schwarz verfärbten Bereichen Gipsschichten auf der<br />
Terrakottaoberfläche vorhanden. Die Gipskristalle sind miteinander zu einer dichten Schicht<br />
verwachsen und weisen starke Anlösungen auf (Abb. 37 und 38). Die Schwärzung der<br />
Gipsschichten wird durch eingelagerte Staubpartikel hervorgerufen.<br />
III. Auflagerungen aus Eisenverbindungen (Abb. 39 und 42):<br />
Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden:<br />
a) An der Oberfläche der Terrakotta ist eine etwa 10 µm dicke, amorphe und homogene<br />
Schicht vorhanden (Abb. 40). Durch die Morphologie und ihre Helligkeit im Materialkontrast<br />
der RE-Abbildung kann die Auflagerung gut von der Terrakotta unterschieden<br />
werden. Der Elementbestand ist grundlegend verschieden von dem der Terrakotta. Im<br />
EDX-Spektrum der auflagernden Schicht dominieren Eisen und Schwefel (Abb. 41).<br />
b) Die Auflagerungen, die an anderen Stellen zu makroskopisch ähnlichen Schwärzungen<br />
der Terrakotten und Formsteine geführt haben, unterscheiden sich mikroskopisch<br />
grundlegend von den unter a) charakterisierten amorphen Schichten.<br />
Es handelt sich um mikrokristalline Schichten (Abb. 43), in denen zahlreiche, in der RE-<br />
Abbildung hell erscheinende Partikel eingeschlossen sind. Mittels EDX-Analysen ist ein<br />
hoher Eisengehalt nachweisbar (Abb. 44).<br />
Schweriner Schloß<br />
Schwarze Oberfläche<br />
an Terrakotten<br />
Abb. 32:<br />
Terrakotta mit schwarzer<br />
Oberfläche und<br />
Schalenbildung. Die<br />
Gipsausblühungen<br />
(weiße Bereiche) treten<br />
an den Öffnungen von<br />
Rissen auf, die senkrecht<br />
zur Oberfläche<br />
verlaufen.<br />
[Stemi-Aufnahme,<br />
Probenlänge ca. 8 mm]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 56<br />
Schweriner Schloß<br />
Schwarze Oberfläche an<br />
Terrakotten<br />
Abb. 33:<br />
Probe aus Abb. 32 im<br />
PolMi (Querschnitt senkrecht<br />
zur Oberfläche).<br />
An der Oberfläche (im Bild<br />
oben) ist die Spur der<br />
dünnen schwarzen<br />
Auflagerung zu erkennen.<br />
[PolMi-Aufn., + Pol.,<br />
Bildbreite ca. 0,7 mm]<br />
Abb. 34:<br />
Schwarze Oberfläche aus<br />
Abb. 32 im REM.<br />
Es liegt eine geschlossene,<br />
mikrokristalline<br />
Schicht auf der<br />
Terrakotta. Die<br />
Auflagerungen überdecken<br />
die Brennhaut der<br />
Keramik.<br />
[REM-SE-Aufnahme<br />
an der Oberfläche]<br />
Abb. 35:<br />
Detail der Oberfläche aus<br />
Abb. 34.<br />
Neben anorganischen<br />
Bestandteilen sind auch<br />
Mikroorganismen (Stabbakterien)<br />
Bestandteil der<br />
Auflagerungen.<br />
[REM-SE-Aufnahme<br />
an der Oberfläche]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 57<br />
Schweriner Schloß<br />
Grauschwarze Oberfläche<br />
an Terrakotten<br />
Abb. 36:<br />
Formstein aus der Umrahmung<br />
der Porträtmedaillons.<br />
In den grauschwarzen<br />
Bereichen ist die Originaloberfläche<br />
noch erhalten.<br />
Der Pfeil kennzeichnet die<br />
Probenentnahmestelle<br />
(oberhalb der gelben<br />
Markierung).<br />
Abb. 37:<br />
Grauschwarze Oberfläche<br />
aus Abb. 36 im REM.<br />
Es handelt sich um eine<br />
Gipsschicht aus eng<br />
verwachsenen, stark<br />
angelösten Kristallen.<br />
[REM-SE-Aufnahme<br />
an der Oberfläche]<br />
Abb. 38:<br />
EDX-Spektrum der<br />
Kristalle in Abb. 37.<br />
Der Elementbestand<br />
(Ca und S) und die<br />
Morphologie sind<br />
charakteristisch für Gips.<br />
[EDX-Spektrum]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 58<br />
Schweriner Schloß<br />
Schwarze Oberfläche an<br />
Terrakotten<br />
Abb. 39:<br />
Formstein aus der Umrahmung<br />
der Porträt-<br />
Terrakotten mit typischen<br />
Schäden (Schwärzung<br />
und Schalenbildung).<br />
Der Pfeil kennzeichnet die<br />
Entnahmestelle eines<br />
Schalenstückes mit<br />
schwarzer Oberfläche.<br />
Abb. 40:<br />
Schwarze Oberfläche der<br />
Schale aus Abb. 39 im<br />
REM (Querbruch).<br />
Es befindet sich eine<br />
homogene, stark<br />
rückstreuende (helle),<br />
amorphe Schicht auf der<br />
Terrakotta-Oberfläche<br />
(Dicke ca. 10µm).<br />
[REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfl.]<br />
Abb. 41:<br />
Die EDX-Analyse zeigt,<br />
daß die Schicht in Abb. 40<br />
fast ausschließlich aus Fe<br />
bzw. Fe-Verbindungen<br />
besteht (Eisenoxide<br />
und/oder Eisensulfide).<br />
[EDX-Spektrum]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 59<br />
Schweriner Schloß<br />
Schwarze Oberfläche an<br />
Terrakotten<br />
Abb. 42:<br />
Schwarze Oberfläche im<br />
Porträtbereich und am<br />
Blattkranz einer Porträt-<br />
Terrakotta.<br />
Der Pfeil kennzeichnet die<br />
Probenentnahmestelle.<br />
Abb. 43:<br />
Schwarze Oberfläche aus<br />
Abb. 42 im REM.<br />
In einer mikrokristallinen<br />
Schicht sind zahlreiche<br />
Fe-haltige Partikel (hell)<br />
eingeschlossen.<br />
[REM-RE-Aufnahme<br />
an der Oberfläche]<br />
Abb. 44:<br />
EDX-Spektrum der Oberfläche<br />
in Abb. 43 (integral<br />
über den gesamten Bildbereich<br />
gemessen).<br />
Auffällig ist der hohe<br />
Eisengehalt. Die große<br />
Helligkeit bestimmter<br />
Teilbereiche oder Partikel<br />
in Abb. 43 wird durch<br />
ihren Eisengehalt hervorgerufen<br />
[EDX-Spektrum]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 60<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Die Schwärzungen der Terrakottaoberflächen an der Fassade des Schweriner Schlosses<br />
werden durch dünne auflagernde Schichten hervorgerufen. Die durchgeführten mikroskopischen<br />
Untersuchungen ermöglichen hinsichtlich Zusammensetzung und Entstehungsursachen<br />
folgende Differenzierung:<br />
I. Ein Teil der Schwärzungen wird durch feinkristalline Auflagerungen hervorgerufen, in<br />
denen hohe Gehalte organischer Bestandteile und teilweise auch Mikroorganismen nachgewiesen<br />
wurden.<br />
Nach Wolf (1992) und Wilimzig et al. (1993) kann die mikrobiologische Besiedlung an<br />
Gesteinsoberflächen zu Verschwärzungen beitragen. Beide Autoren weisen darauf hin, daß<br />
biogene Filme die Eigenschaft haben, Ruß und Staubpartikel aus der Luft aufzunehmen.<br />
Über längere Zeiträume können sie damit zur Entstehung von Auflagerungen beitragen.<br />
Durch IR-Untersuchungen konnten in den schwarzen Schichten aliphatische Kohlenwasserstoffe<br />
nachgewiesen werden (Schunke 1992). Mögliche Quellen hierfür sind Kfz-<br />
Abgase sowie die ehemaligen Kohleheizungen des Schlosses. Mit den Abgasen bzw.<br />
Rauchgasrückständen werden kleinste Schmutzpartikel und Ruß in die organischen Filme<br />
eingelagert und führen zu Schwärzungen der Terrakottaoberflächen.<br />
Ein Nachweis möglicher Trennmittel, mit denen die Formen vor dem Einpressen des Tones<br />
eventuell ausgestrichen wurden (Silikonharze, Wachse, Öle) war weder mikroskopisch<br />
noch durch IR-Untersuchungen möglich.<br />
II. Gipsbildung ist bezüglich der Schwärzung der Terrakotta-Oberflächen von untergeordneter<br />
Bedeutung. Lediglich in einem Fall war eine Gipskruste und darin eingelagerte<br />
Schmutzpartikel die Ursache einer grau-schwarzen Oberfläche.<br />
III. Für bestimmte Expositionen am Bauwerk waren Pb- und Fe-haltige Auflagerungen typisch.<br />
Das betrifft z.B. die Terrakotta-Formsteine der Einrahmungen der Medaillonplattenfelder,<br />
die sich unterhalb von Blechabdeckungen der Giebel befinden.<br />
Im REM wird deutlich, daß die Schwermetallpartikel in den Auflagerungen eingeschlossen<br />
sind, d.h. sie wurden als Fremdpartikel während der Krustengenese eingelagert. Es ist<br />
davon auszugehen, daß sie überwiegend aus den Blechabdeckungen stammen und mit<br />
ablaufendem Wasser an die Terrakottaoberflächen transportiert wurden. Hinzu kommt die<br />
Deposition partikelförmiger Bestandteile der Luftverschmutzung.<br />
Aus den Untersuchungen von Neumann (1994) ist bekannt, daß bestimmte Verbindungen<br />
der Elemente Pb bzw. Fe (z.B. Oxide und/oder Sulfide), die häufig in dünnen Schmutzschichten<br />
oder Krusten an Bauwerksoberflächen auftreten, Schwärzungen verursachen.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 61<br />
4.1.5.2 Gelbschwarze Oberflächen<br />
Abb. 45 zeigt eine geschädigte Terrakottaoberfläche. Neben der Ablösung einer dünnen Schale<br />
fällt die gelb-schwarze Verfärbung der Terrakottaoberfläche auf.<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Im REM ist ersichtlich, daß die gelbschwarzen Oberflächen ebenfalls durch Auflagerungen<br />
hervorgerufen werden (Abb. 46). Sie sind morphologisch als dünne, amorphe, teilweise mikrokristalline<br />
Schichten zu charakterisieren. Es sind Partikel enthalten, die in der Rückstreuelektronenabbildung<br />
als helle Bereiche zu erkennen sind (Abb. 46). EDX-Analysen zeigen, daß<br />
in diesen Partikeln die Elemente Pb, Fe und V angereichert sind (Abb. 47).<br />
In der Sekundärelektronenabbildung wird bei höherer Vergrößerung deutlich, daß der überwiegende<br />
Teil der Partikel in einer kompakten Schicht eingeschlossen ist (Abb. 48).<br />
Schweriner Schloß<br />
Gelbschwarze Oberfläche<br />
an Terrakotten<br />
Abb. 45:<br />
Formstein aus der Umrahmung<br />
der Porträt-<br />
Terrakotten. Ablösung<br />
einer Schale mit gelbschwarzer<br />
Oberfläche.<br />
Der Pfeil kennzeichnet<br />
die Probenentnahmestelle.<br />
Abb. 46:<br />
Gelb-schwarze Oberfläche<br />
aus Abb. 45 im<br />
REM.<br />
In einer amorphen, teilweise<br />
feinkristallinen<br />
Schicht sind Pb-, Feund<br />
V-Verbindungen<br />
enthalten, die im Materialkontrast<br />
aufgrund<br />
ihrer hohen mittleren<br />
Ordnungszahl hell<br />
erscheinen.<br />
Detail s. Abb. 48.<br />
[REM-RE-Aufnahme<br />
an der Oberfläche]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 62<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Schweriner Schloß<br />
Gelbschwarze Oberfläche<br />
an Terrakotten<br />
Abb. 47:<br />
EDX-Spektrum der<br />
stark rückstreuenden<br />
Bereiche in Abb. 46<br />
(Spotmessung).<br />
Die große Helligkeit in<br />
der REM-RE-Abbildung<br />
wird durch den Pb-, Vund<br />
Fe-Gehalt hervorgerufen.<br />
[EDX-Spektrum]<br />
Abb. 48:<br />
Detail (Rahmen) aus<br />
Abb. 46 im SE-Bild.<br />
Die in Abb. 46 stark<br />
rückstreuenden, d.h.<br />
hellen Bereiche, sind<br />
keine auflagernden<br />
Einzelpartikel, sondern<br />
sie sind in der Schicht<br />
eingeschlossen.<br />
[REM-SE-Aufnahme<br />
an der Oberfläche]<br />
Die gelbschwarzen Auflagerungen zeigen bezüglich ihrer Morphologie Ähnlichkeit mit den<br />
amorphen bis mikrokristallinen Schichten der schwarzen Auflagerungen (vgl. Gliederungspunkt<br />
4.1.5.1).<br />
Unterschiede bestehen vor allem hinsichtlich der Elementzusammensetzung. Sowohl in den<br />
schwarzen als auch in den gelbschwarzen Auflagerungen treten Pb- und Fe-Verbindungen auf<br />
(Oxide und/oder Sulfide), die als Ursache der Schwärzungen anzusehen sind.<br />
An den gelb-schwarzen Oberflächen wurde zusätzlich Vanadium nachgewiesen. Es ist davon<br />
auszugehen, daß der gelbliche Farbanteil in den Auflagerungen durch Vanadiumverbindungen<br />
hervorgerufen wird. Die chemischen Zusammenhänge werden bei der Interpretation der<br />
beigefarbenen Krusten detailliert besprochen (s. Gliederungspunkt 4.1.5.3).
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 63<br />
4.1.5.3 Beige Oberflächen<br />
Im Fond der Terrakotta-Medaillonplatten lösen sich über größere Bereiche dünne Schalen vom<br />
Untergrund, deren Oberflächen im vorliegenden Fall eine beige Färbung aufweisen (Abb. 49).<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Im REM sind an den Oberflächen der Schalen dünne, kristalline Krusten nachweisbar. Im<br />
Gegensatz zu den dichten, amorphen bis feinkristallinen Schichten der schwarzen oder gelbschwarzen<br />
Auflagerungen handelt es sich im Fall der beigen Auflagerungen um poröse,<br />
feinkristalline Aggregate (Abb. 50 und 52).<br />
Der Materialkontrast der RE-Abbildung sowie die EDX-Analyse ermöglichen eine Differenzierung<br />
der Bestandteile. In den stark rückstreuenden Bereichen der Auflagerungen (Abb. 50)<br />
sind Pb und V angereichert (Abb. 51).<br />
Vergleicht man die Elementanalysen der gelbschwarzen Oberflächen (Abb. 47) mit denen der<br />
beigen Oberflächen (Abb. 51) wird ersichtlich, daß die beigen Krusten neben etwas höheren<br />
Vanadiumgehalten auch höhere Ca- und S-Gehalte aufweisen, die wahrscheinlich auf feinverteilten<br />
Gips zurückzuführen sind.<br />
Schweriner Schloß<br />
Beige Oberfläche an<br />
Terrakotten<br />
Abb. 49:<br />
Beigefarbene Schale im<br />
Fond einer Terrakotta-<br />
Medaillonplatte.<br />
Der Pfeil kennzeichnet<br />
die Probenentnahmestelle.<br />
Durch die Schalenablösung<br />
ist die Originaloberfläche<br />
bereits fast<br />
vollständig verloren<br />
gegangen.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 64<br />
Schweriner Schloß<br />
Beige Oberfläche an<br />
Terrakotten<br />
Abb. 50:<br />
Beige Oberfläche aus<br />
Abb. 49 im REM (Rahmen<br />
s. Abb. 52).<br />
In einer feinkristallinen<br />
Schicht sind helle Bereiche<br />
vorhanden, die auf<br />
Pb- und V-<br />
Anreicherungen<br />
zurückzuführen sind (EDX<br />
s. Abb. 51).<br />
[REM-RE-Aufnahme<br />
an der Oberfläche]<br />
Abb. 51:<br />
EDX-Spektrum der stark<br />
rückstreuenden Bereiche<br />
in Abb. 50.<br />
In den analysierten, hellen<br />
Strukturen sind Pb und V<br />
gegenüber der Umgebung<br />
angereichert. S und ein<br />
Teil des Ca stammen vom<br />
Gips, der fein verteilt in<br />
der auflagernden Schicht<br />
enthalten ist.<br />
[EDX-Spektrum]<br />
Abb. 52:<br />
Detail (Rahmen) aus Abb.<br />
50 in der SE-Darstellung.<br />
Die in Abb. 50 stark<br />
rückstreuenden, d.h.<br />
hellen Bereiche, bestehen<br />
aus feinkristallinen<br />
Aggregaten.<br />
[REM-SE-Aufnahme<br />
an der Oberfläche]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 65<br />
Interpretation und Bewertung<br />
An den beigefarbenen Oberflächen wurden Krusten nachgewiesen, die aus feinkristallinkörnigen<br />
Strukturen und Aggregaten bestehen, wie sie für Ausblühungen typisch sind.<br />
Aus der kristallinen Morphologie und dem V-Gehalt kann geschlossen werden, daß es sich um<br />
Vanadium-Salze handelt, die wahrscheinlich aus den Terrakotten stammen.<br />
Alviset (1963) beschreibt Vanadiumausblühungen auf Ziegeleierzeugnissen als gelb-grüne bis<br />
braune, fest an den Oberflächen haftende Schichten, die nicht durch Abbürsten entfernt werden<br />
können. Vanadium ist häufig in geringen Mengen in Tonen enthalten und wird beim Brennen in<br />
lösliche Vanadiumsalze überführt, die durch Kapillartransport an die Oberfläche gelangen<br />
können.<br />
Untergeordnet ist in den beigefarbenen Krusten auch feinverteilter Gips enthalten, dessen<br />
möglicher Einfluß auf die Färbung aus früheren Untersuchungen bekannt ist. Feinkristalline,<br />
schmutzarme Gipsschichten an Terrakotta- und Ziegeloberflächen können zu optischen<br />
Aufhellungen der rötlichen Scherbenfarbe führen.<br />
4.1.5.4 Rötlich-beige Oberfläche<br />
Untersucht wurde die rötlich-beige Oberfläche eines Terrakotta-Formsteines (Abb. 53).<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Bei der REM-Untersuchung einer Bruchfläche wird deutlich, daß die Terrakotta von einer<br />
dünnen, die Oberfläche nachzeichnenden Schicht überzogen ist (Abb. 54). Innerhalb dieser<br />
amorphen, filmartigen Kruste sind keine kristallinen Strukturen oder eingeschlossene Partikel zu<br />
erkennen. Die Schichtdicke beträgt 3-5 µm (Abb. 54). Craquelé-Risse innerhalb der Schicht<br />
sind nicht vorhanden.<br />
Der Vergleich der EDX-Analysen zwischen Kruste und darunter befindlicher Terrakotta zeigt,<br />
daß die filmartige Kruste fast nur Silizium enthält (Abb. 55). Das bedeutet, daß es sich um eine<br />
silikatische Auflagerung handelt. Alkalien, die für bestimmte Gläser typisch wären, sind nicht<br />
enthalten.<br />
Schweriner Schloß<br />
Rötlich-beige Oberfläche<br />
an Terrakotten<br />
Abb. 53:<br />
Terrakotta-Formstein<br />
aus der Umrahmung<br />
der Porträtmedaillons.<br />
Der Pfeil kennzeichnet<br />
die Entnahmestelle<br />
einer rötlich-beigen<br />
Oberfläche.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 66<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Schweriner Schloß<br />
Rötlich-beige Oberfläche<br />
an Terrakotten<br />
Abb. 54:<br />
Rötlich-beige Oberfläche<br />
aus Abb. 53 im<br />
REM (Blick schräg auf<br />
die Oberfläche und<br />
einen Teil der Bruchfläche).<br />
Dichte, amorphe<br />
Schicht auf der Terrakotta<br />
(EDX s. Abb. 55).<br />
[REM-SE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfl.]<br />
Abb. 55:<br />
Gegenüberstellung der<br />
EDX-Analysen der<br />
amorphen Schicht und<br />
der darunter befindlichen<br />
Terrakotta (vgl.<br />
Abb. 54).<br />
Die amorphe Schicht<br />
(rote Kurve) enthält fast<br />
ausschließlich Si. Das<br />
deutet auf einen hohen<br />
Glasanteil. Alkalien<br />
oder Ca sind jedoch<br />
nicht nachweisbar.<br />
[EDX-Spektrum]<br />
Die rötlich-beige Auflagerung stellt einen Einzelfall dar. In der EDX-Analyse zeigt diese dichte,<br />
die Terrakottaoberfläche nachzeichnende Schicht nur einen Si-Peak. Wahrscheinlich handelt es<br />
sich um amorphes SiO2. Die rötlich-beige Färbung der Oberfläche ist auf das Durchschimmern<br />
der rötlichen Scherbenfarbe durch die sehr dünne, transparente Kruste zurückzuführen.<br />
Trotz morphologischer und mikroanalytischer Ähnlichkeiten mit Wasserglas ist dieser singuläre<br />
Befund an einem Formstein nicht ausreichend, um auf eine Wasserglasapplikation und damit<br />
auf eine zurückliegende konservatorische Behandlung zu schließen.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 67<br />
4.1.6 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile an den<br />
Terrakotten des Schweriner Schlosses<br />
Die Untersuchungen zu den Schadensursachen an den Terrakotten des Schweriner Schlosses<br />
wurden am NW-Giebel über dem Kirchenchor durchgeführt.<br />
Im Untersuchungsbereich waren an den Terrakotta-Medaillonplatten bereits makroskopisch<br />
(visuell) sehr unterschiedliche Erhaltungszustände erkennbar (Abb. 56). Intakte und verschieden<br />
stark geschädigte Platten befanden sich in unmittelbarer Nachbarschaft. Dadurch war<br />
es auf engstem Raum möglich, intakte sowie unterschiedlich stark geschädigte Terrakotten<br />
vergleichend zu untersuchen.<br />
Schweriner Schloß<br />
Terrakotten am<br />
NW-Giebel<br />
Abb. 56:<br />
Terrakotta-Medaillonplatten<br />
am NW-Giebel<br />
des Schweriner Schlosses.<br />
Die Platten im<br />
linken oberen Teil des<br />
Bildes zeigen die<br />
stärksten Schäden (vgl.<br />
Graphik in Abb. 57).<br />
Aufgrund des unterschiedlichen<br />
Grades<br />
der Schädigung war es<br />
möglich, intakte, mäßig<br />
sowie stark<br />
geschädigte<br />
Terrakotten vergleichend<br />
zu untersuchen.<br />
Abb. 57 zeigt die Gradienten der Schädigung innerhalb des untersuchten Giebelbereiches (vgl.<br />
Abb. 56). In der schematischen Darstellung sind die in den einzelnen Platten quantitativ<br />
ermittelten Feuchtegehalte (Freyburg 1995a) sowie die Tendenzen der Gipsgehalte (Wittenburg<br />
1995) berücksichtigt.<br />
Aus der Graphik ergeben sich erste Anhaltspunkte auf Zusammenhänge zwischen Schadensausmaß,<br />
Gipsbelastung und Feuchtegehalt. Es ist ersichtlich, daß an den Platten mit den<br />
stärksten Schäden (51, 52 und 54) auch die höchsten Gipsgehalte sowie hohe Materialfeuchten<br />
vorliegen.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 68<br />
gering<br />
stark<br />
S<br />
c<br />
h<br />
ä<br />
d<br />
i<br />
g<br />
u<br />
n<br />
g<br />
Schädigung<br />
Platte 51<br />
Feuchte: 12,5 %<br />
Gipsgehalt: +++<br />
Platte 52<br />
Feuchte: n.b.<br />
Gipsgehalt: ++<br />
Platte 53<br />
Feuchte: n.b.<br />
Gipsgehalt: -<br />
Gipsgehalt (0-5 mm Tiefe): +++ sehr hoch<br />
++ hoch<br />
+ gering<br />
- sehr gering<br />
Platte 54<br />
Feuchtegehalte: ermittelt am Bohrkern in 7 cm Tiefe<br />
gering<br />
Feuchte: 17,4 %<br />
Gipsgehalt: +++<br />
Platte 55<br />
Feuchte: n.b.<br />
Gipsgehalt: +<br />
Platte 56<br />
Feuchte: 7,1 %<br />
mikroskopisch<br />
nicht untersucht<br />
Abb. 57: Graphische Darstellung der Schadensverteilung an den Platten in Abb. 56 unter<br />
Berücksichtigung der Gipsbelastung und der Feuchtegehalte.<br />
Zur Differenzierung der Schädigungen des Terrakottamaterials wurde nach visueller Einschätzung<br />
folgende Einteilung vorgenommen:<br />
Stadium Erscheinungsbild am Bauwerk Gliederungspunkt<br />
I Keine Schäden erkennbar (makroskopisch intakt) 4.1.6.1<br />
II Erste sichtbare Schäden (Original-Oberfläche teilweise erhalten) 4.1.6.2<br />
III Starke sichtbare Schäden (vollständiger Verlust der Original-Oberfläche) 4.1.6.3
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 69<br />
Entsprechend dieser Unterscheidung wurden an den Porträt-Terrakotten mit einer Minitrennscheibe<br />
1-2 cm 3 kleine Proben entnommen (vgl. Abb. 9).<br />
Ziel der mikroskopischen Untersuchungen war es, durch Beschreibung der verwitterungsbedingten<br />
Gefügeveränderungen in unterschiedlichen Schädigungsstadien Rückschlüsse auf<br />
die Schadensprozesse zu ziehen. Zur Bewertung wurden folgende Kriterien herangezogen:<br />
- Nachweis von Rissen, Schalen, Lockerungszonen<br />
- Nachweis von Gefügeverdichtungen und Analyse der Ursachen<br />
- Identifikation von Mineralneubildungen (Salze)<br />
- Verteilung der Salze im Gefüge der Terrakotten, Morphologie der Salzkristalle<br />
- Reichweite der Schädigung (Verwitterungstiefe)<br />
4.1.6.1 Stadium I: Keine Schäden erkennbar<br />
An äußerlich intakten Terrakottaplatten treten im Bereich der vorgewölbten Porträts und<br />
Blattkränze die im Gliederungspunkt 4.1.5.1 beschriebenen schwarzen Auflagerungen und<br />
Krusten auf (Abb. 58).<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Mikroskopisch können zwei Zustände unterschieden werden:<br />
Ia Am Querschnitt senkrecht zur Oberfläche sind sowohl im lichtmikroskopischen Bild als<br />
auch im REM keine Gefügeveränderungen erkennbar (Abb. 59 und 60). Die Terrakotta ist<br />
durch eine hohe Porosität gekennzeichnet, wobei die meist länglichen Poren Breiten von<br />
10 µm und Längen bis 100 µm erreichen und eine deutliche oberflächenparallele Textur<br />
aufweisen.<br />
Verwitterungsbedingte Gefügeschäden (Risse, Schalenbildung etc.) liegen nicht vor. Salze<br />
sind ebenfalls nicht vorhanden, d.h. die Wegsamkeiten des oberflächennahen<br />
Porenraumes sind nicht eingeengt oder verstopft.<br />
Ib An anderen, äußerlich ebenfalls intakten Platten (Abb. 61) sind mikroskopisch bereits<br />
Veränderungen der Gefüge nachweisbar. Unmittelbar unter der Brennhaut ist ein<br />
Ausscheidungshorizont feinkristallinen Gipses vorhanden (Abb. 62 bis 65).<br />
Lichtmikroskopisch kann lediglich ein ockerfarbener Horizont erkannt werden (Abb. 62).<br />
Durch die REM-Untersuchung am gleichen Präparat (ungedeckter Dünnschliff) können die<br />
Veränderungen im oberflächennahen Porenraum als Gipsausscheidung identifiziert werden<br />
(Abb. 63). Die gipshaltigen Gefügeabschnitte erscheinen aufgrund der höheren mittleren<br />
Ordnungszahl von Terrakotta + Gips in der Rückstreuelektronenabbildung heller als die<br />
unveränderte Terrakotta. Der harzgefüllte Porenraum wird in der RE-Abbildung aufgrund<br />
der sehr niedrigen mittleren Ordnungszahl des organischen Einbettungsmittels schwarz<br />
wiedergegeben.<br />
Bei höheren Vergrößerungen ist in der Darstellung eines Übergangsbereiches (Abb. 64)<br />
deutlich zu erkennen, daß die Gipskristallisation in den betroffenen Gefügeabschnitten eine<br />
erhebliche Reduzierung des oberflächennahen Porenraumes bzw. eine Verengung<br />
vorhandener Poren zur Folge hat. Durch EDX-Analysen unveränderter und verdichteter<br />
Bereiche kann Gips als Ursache der Verdichtung nachgewiesen werden (Abb. 65).<br />
Gefügeschäden (Risse oder Gefügeaufweitungen) treten in diesem frühen Stadium nicht<br />
auf.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 70<br />
Schloß Schwerin<br />
Keine Schäden an den<br />
Terrakotten erkennbar<br />
(Stadium Ia)<br />
Abb. 58:<br />
Die Porträt-Terrakotta ist<br />
visuell intakt.<br />
In den vorstehenden Bereichen<br />
des Blattkranzes<br />
sind Schwärzungen der<br />
Oberfläche vorhanden.<br />
Der Pfeil kennzeichnet die<br />
Probenentnahmestelle.<br />
Abb. 59:<br />
Probe aus Abb. 58 im<br />
PolMi.<br />
Querschnitt des intakten,<br />
porösen Gefüges der<br />
Terrakotta. Der Porenraum<br />
ist blau eingefärbt.<br />
Die Oberfläche befindet<br />
sich am linken Bildrand.<br />
Es ist eine oberflächenparallele<br />
Porentextur<br />
vorhanden.<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]<br />
Abb. 60:<br />
Intaktes Gefüge im REM<br />
(Gleiche Probenorientierung<br />
wie in Abb. 59).<br />
Die Poren (schwarz) sind<br />
gipsfrei. Die Oberfläche<br />
befindet sich am linken<br />
Bildrand.<br />
[REM-RE-Abbildung am<br />
mikrorauhen Dünnschliff]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 71<br />
Schloß Schwerin<br />
Keine Schäden an den<br />
Terrakotten erkennbar<br />
(Stadium Ib)<br />
Abb. 61:<br />
Die Porträt-Terrakotta ist<br />
visuell intakt (äußerlich<br />
identisch Abb. 58).<br />
In den vorstehenden Bereichen<br />
des Blattkranzes<br />
sind Schwärzungen der<br />
Oberfläche vorhanden.<br />
Der Pfeil kennzeichnet die<br />
Probenentnahmestelle.<br />
Abb. 62:<br />
Probe aus Abb. 61 im<br />
PolMi (Querschnitt).<br />
Die Oberfläche befindet<br />
sich am linken Bildrand.<br />
Bis in etwa 1 mm Tiefe<br />
(zwischen den Pfeilen) ist<br />
eine Ockerfärbung und<br />
Verdichtung zu erkennen,<br />
deren Identifizierung im<br />
PolMi nicht zweifelsfrei<br />
möglich ist (vgl. Abb. 63).<br />
[PolMi-Aufnahme, + Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]<br />
Abb. 63:<br />
Probe aus Abb. 62 im<br />
REM (gleiche Probenorientierung).<br />
Die größere Helligkeit des<br />
linken Gefügeabschnittes<br />
wird durch die<br />
Verdichtung des<br />
Porenraumes infolge<br />
Gipsausscheidung hervorgerufen<br />
(Detailaufnahme<br />
s. Abb. 64).<br />
[REM-RE-Abbildung am<br />
mikrorauhen Dünnschliff]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 72<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Schloß Schwerin<br />
Keine Schäden an den<br />
Terrakotten erkennbar<br />
(Stadium Ib)<br />
Abb. 64:<br />
Detail aus Abb. 63.<br />
Durch Gipskristallisation<br />
verdichtetes Terrakottagefüge<br />
(linke Bildhälfte)<br />
neben unverändertemTerrakottagefüge<br />
(rechte Bildhälfte).<br />
[REM-RE-Aufn. am mikrorauhen<br />
Dünnschliff]<br />
Abb. 65:<br />
Gegenüberstellung der<br />
Elementzusammensetzungen<br />
der hellen<br />
Gefügeabschnitte (linke<br />
Bildhälfte in Abb. 64,<br />
rote Kurve) und der unveränderten<br />
Terrakotta<br />
(rechte Bildhälfte in<br />
Abb. 64, blaue Kurve).<br />
Die Ca- und S-Gehalte<br />
werden durch den im<br />
Porenraum befindlichen<br />
Gips hervorgerufen.<br />
[EDX-Spektren]<br />
Die Verdichtung des Porengefüges in einem schmalen, oberflächennahen Horizont durch<br />
Abscheidung feinkristallinen Gipses ist als erste Stufe im Schädigungsprozeß anzusehen.<br />
Auf die Folgen wird bereits in der älteren Naturstein- und Ziegelliteratur hingewiesen. Kieslinger<br />
(1932) hat für Porenraumverdichtungen an Natursteinen den Begriff „Innenkruste“ eingeführt.<br />
Nach seiner Auffassung ist damit ein Wasser- und Lösungsstau sowie eine Zunahme der<br />
Schwefelsulfataufnahme verbunden.<br />
Honeyborne und Harris (1958) haben die Konsequenzen hinsichtlich der Frostbeständigkeit<br />
aufgezeigt. Die Entstehung einer „Mikroporosität“ kann zu einer Frostanfälligkeit eines<br />
ursprünglich frostbeständigen Natursteins führen (in Niesel 1979).
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 73<br />
Für Ziegel wird der Mikroaufbau des Scherbengefüges bzw. die Kapillar- und Porenverteilung<br />
von Bergmann (1955) als einer der wichtigsten Faktoren für die Frostbeständigkeit angesehen.<br />
Eine oberflächennahe Verdichtung führt zu einer Feinkapillarität in der Außenschale. Befindet<br />
sich diese Zone über einem porösen Scherben, ist mit einer Verminderung der Frostbeständigkeit<br />
und dem Abplatzen von Schalen im Übergangsbereich zu rechnen (Bergmann<br />
1956).<br />
Bezüglich der als kritisch einzuschätzenden Porengrößen differieren die in der Literatur<br />
angegebenen Radien deutlich:<br />
Von Rosenthal (1964) werden folgende Werte zitiert: < 0,5 µm (Butterworth) und 0,7 µm (Alviset<br />
und Liger).<br />
Nach Robinson (1984) ist ein hoher Anteil an Poren < 1 µm als charakteristisch für Ziegel mit<br />
geringer Dauerhaftigkeit anzusehen.<br />
Maage (1990) hat festgestellt, daß Poren mit einem Durchmesser < 3 µm bei Frosteinwirkung<br />
ein größeres Risiko darstellen.<br />
Der Einfluß der Porenradienverteilung auf die Dauerhaftigkeit hat inzwischen Eingang in die<br />
modernen Prüfverfahren gefunden. Von Franke und Bentrup (1993) wird die Bewertung der<br />
Porenradienverteilung als aussagefähiger als eine Befrostung angesehen. Hierfür wurde ein<br />
mittlerer Porenradius r50% definiert, der einer 50%igen Füllung des Porenvolumens (bei der Hg-<br />
Druckporosimetrie) entspricht. Ein Ziegel sollte als nicht frostbeständig eingestuft werden, wenn<br />
mindestens 50 % der Poren < 1µm sind.<br />
Dem Einfluß oberflächennaher Salzhorizonte auf die Frostbeständigkeit wurde bisher wenig<br />
Beachtung geschenkt. Watson (1957) hat jedoch festgestellt, daß ein höherer Anteil feiner<br />
Poren infolge Salzausscheidung in Oberflächennähe zu einer erhöhten Frostanfälligkeit der<br />
Ziegel führt. Diese Einschätzung bestätigt die Ergebnisse der Untersuchungen von Thomas<br />
(1938).<br />
Aus Laboruntersuchungen von Franke und Grabau (1995) an Ziegeln geht hervor, daß<br />
innenliegende Gipshorizonte eine erhebliche Trocknungsblockade darstellen. Die Wasserabgabe<br />
wird auf die Größenordnung eines durch Wasserdampfdiffusion bestimmten Transports<br />
reduziert.<br />
Auch die im Gliederungspunkt 4.1.5 nachgewiesenen Auflagerungen und Krusten haben<br />
erhebliche Auswirkungen auf das Wassertransportverhalten über die Oberflächen. Die Wasseraufnahmemessungen<br />
von Wendler (1994) und (1995) haben gezeigt, daß geschwärzte<br />
Terrakottaoberflächen meist ein wasserabweisendes Verhalten aufweisen. Umgekehrt ist damit<br />
auch die kapillare Wasserabgabe behindert. In extremen Fällen sind die Oberflächen dicht.<br />
Das unveränderte keramische Material der Terrakotten des Schweriner Schlosses wird nach<br />
den Untersuchungen von Freyburg (1995b) als nur bedingt frostbeständig eingestuft.<br />
Durch die Trocknungsbehinderungen an der Oberfläche (Brennhaut und Verschmutzungen)<br />
und durch die Veränderung der Porenradienverteilung infolge Gipskristallisation im Porenraum<br />
sind unmittelbar unter der Oberfläche kritische Bedingungen entstanden, denen die Terrakotta<br />
bei Hinterfeuchtung und anschließender Befrostung nicht mehr gewachsen ist.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 74<br />
4.1.6.2 Stadium II: Erste sichtbare Schäden<br />
Als erster sichtbarer Schaden an den Terrakotten tritt Schalenbildung auf, wobei die dünnen<br />
Schalen stellenweise noch mit dem Untergrund verbunden sind (Abb. 66).<br />
Das Schadensbild „Flächige Ablösung dünner Schalen“ war zu Beginn der Untersuchungen<br />
Anlaß für die Vermutung, daß zur Herstellung der Terrakotta-Medaillonplatten die Formen mit<br />
einer keramischen Masse ausgestrichen wurden, bevor der Ton eingepreßt wurde. Auch eine<br />
Engobierung wurde diskutiert. Hierunter versteht man eine dünnflüssige, keramische Masse,<br />
die durch Streichen, Spritzen oder Tauchen auf den getrockneten Rohling aufgebracht wird.<br />
Beim anschließenden Brennen entsteht eine dünne, mit dem Scherben innig verbundene,<br />
keramische Oberflächenschicht. Engoben enthalten meist weiß oder farbig aufbrennende<br />
Zusätze.<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Der Zustand einer „beginnenden Schalenablösung“ wurde zunächst im Lichtmikroskop<br />
untersucht (Abb. 67). Dabei wurde festgestellt, daß bezüglich des keramischen Materials keine<br />
grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Schalen und der dahinter befindlichen Terrakotta<br />
vorliegen. Scherbenfarbe sowie Art und Größe der Mineralkörner sind praktisch identisch.<br />
Es ist weiterhin zu erkennen, daß 0,4 bis 0,6 mm unter der Terrakottaoberfläche ein Riß vorliegt<br />
(Rißbreite ca. 50 µm). Die sich ablösende Schale besteht aus schmalen Terrakottalamellen,<br />
deren feine, oberflächenparallele Risse durch Gips sekundär stabilisiert sind. Innerhalb dieses<br />
„Blätterteigs“ ist ein feinkristalliner Habitus des Gipses kennzeichnend. Demgegenüber sind in<br />
breiteren Rissen häufig größere, leistenförmige, senkrecht zum Riß und zur Plattenoberfläche<br />
orientierte Gipskristalle zwischen den Terrakottalamellen zu erkennen.<br />
In der REM-Abbildung des ungedeckten Dünnschliffes (Abb. 68) sind im anschließenden, noch<br />
weitgehend ungeschädigten Gefüge bereits Gipseinlagerungen im Randbereich des Risses<br />
nachweisbar.<br />
Nach mikroskopischer Bewertung reicht die Schädigungstiefe an vorstehenden Teilen der<br />
Reliefplatten, z.B. den Blattkränzen, bis 1,7 mm unter die Oberfläche, während im glatten<br />
Plattenfond mit 0,5 mm eine deutlich geringere Schädigungstiefe vorliegt.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 75<br />
Schloß Schwerin<br />
Erste sichtbare Schäden<br />
an den Terrakotten<br />
(Stadium II)<br />
Abb. 66:<br />
Geschädigte Porträt-<br />
Terrakotta. Die Originaloberfläche<br />
hat sich an<br />
mehreren Stellen in Form<br />
dünner Schalen vom<br />
Untergrund abgelöst und<br />
ist teilweise bereits abgeplatzt.<br />
Der Pfeil kennzeichnet die<br />
Probenentnahmestelle.<br />
Abb. 67:<br />
Probe aus Abb. 66 im<br />
PolMi (Querschnitt,<br />
Oberfläche am linken<br />
Bildrand). Zwischen<br />
schmalen Terrakottalamellen<br />
befindet sich<br />
Gips (hell). Es hat sich<br />
eine etwa 0,6 mm dicke<br />
Schale gebildet. Auch<br />
rechts des Risses ist Gips<br />
im Terrakottagefüge vorhanden.<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]<br />
Abb. 68:<br />
Probe aus Abb. 67 im<br />
REM (gleiche Probenorientierung).<br />
Dichte, durch Gips<br />
sekundär stabilisierte<br />
Schale (linke Bildhälfte)<br />
neben kapillar gängigem<br />
Rißsystem (Bildmitte).<br />
Die helle Färbung der<br />
Matrix wird durch den<br />
ausgeschiedenen Gips<br />
hervorgerufen.<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
mikrorauhen Dünnschliff]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 76<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Durch die mikroskopischen Untersuchungen konnte eindeutig nachgewiesen werden, daß die<br />
Zusammensetzung der Keramik bis unmittelbar an die Oberfläche homogen ist. Materialunterschiede<br />
oder Schichtgrenzen sind nicht vorhanden. Damit können sowohl das Ausstreichen<br />
der Formen mit einer keramischen Masse als auch eine Engobierung für die<br />
Herstellung der Terrakotten des Schweriner Schlosses ausgeschlossen werden.<br />
In der zweiten Stufe des Schädigungsprozesses treten erste oberflächenparallele Risse auf,<br />
die am hinteren Rand des Gipshorizontes verlaufen und eine 0,5 bis 1 mm dünne Schale von<br />
der übrigen Terrakotta trennen.<br />
Im frühen Stadium ist eine Verdichtung des Porenraumes der Schale durch feinkristallinen Gips<br />
charakteristisch. Mit fortschreitender Schädigung treten weitere Gefügeveränderungen<br />
innerhalb der Schale auf. Die Terrakotta fächert in schmale Lamellen auf, die sekundär durch<br />
feinkristallinen Gips stabilisiert werden. Es ist davon auszugehen, daß diese Terrakotta/Gips-<br />
Schale andere physikalisch-mechanische Eigenschaften aufweist als die unveränderte<br />
Terrakotta.<br />
Vereinzelt treten zwischen den Terrakottalamellen, bevorzugt jedoch in breiteren Rissen hinter<br />
der Schale, größere, leistenförmige Gipskristalle auf. Sie wirken als Abstandshalter und<br />
erzeugen eine erhöhte Porosität zwischen der relativ dichten Schale und der unveränderten<br />
Terrakotta.<br />
Das hat zur Folge, daß Wasser bzw. Gipslösung verstärkt auf das geschädigte Gefüge<br />
einwirken können. Bedingt durch die unterschiedlichen Materialeigenschaften von Schale und<br />
Terrakotta treten bei Feuchte- und Frosteinwirkung Scherspannungen auf, die schließlich zur<br />
Abplatzung der Original-Oberfläche in Form einer dünnen Schale führen.<br />
4.1.6.3 Stadium III: Starke sichtbare Schäden<br />
Nach dem Verlust der Original-Oberfläche gehen die Konturen und plastische Details der<br />
Terrakottaplatten zunehmend verloren (Abb. 69).<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
In der lichtmikroskopischen Abbildung (Abb. 70) werden die extremen Veränderungen des<br />
Terrakottagefüges im Finalstadium deutlich. Im Verlauf der Schädigung ist eine stark<br />
aufgefächerte Paralleltextur aus Terrakottalamellen und Gips entstanden, deren Poren,<br />
Hohlräume und Risse durch die Verwendung blau eingefärbten Kunstharzes als Einbettungsmittel<br />
eindrucksvoll zu erkennen sind. Weiteres wesentliches Kennzeichen ist der sehr<br />
hohe Gipsgehalt (weiße Kristalle in Abb. 70).<br />
Es sind zahlreiche oberflächenparallele Risse mit Rißweiten bis 150 µm vorhanden. Häufig<br />
befinden sich zwischen den Terrakottalamellen leistenförmige, teilweise idiomorphe Gipskristalle<br />
(Abb. 71). Einzelne Kristalle erreichen Größen von 50-100 µm.<br />
Es ist eine erhebliche Gefügeaufweitung in Richtung Plattenoberfläche nachweisbar. Die<br />
aufgefächerte Terrakotta nimmt das Dreifache ihres ursprünglichen Volumens ein. Mikroskopisch<br />
wurden Schädigungstiefen bis 3 mm ermittelt.<br />
Ergänzend zu den Gefügeuntersuchungen am Querschnitt wurden die stark geschädigten<br />
Oberflächen im REM untersucht. Es ist festzustellen, daß sich im Finalstadium zahlreiche kleine<br />
Terrakotta/Gips-Partikel lösen, die Plattenoberflächen „sanden“ ab (Abb. 72).
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 77<br />
Schloß Schwerin<br />
Starke sichtbare Schäden<br />
an den Terrakotten<br />
(Stadium III)<br />
Abb. 69:<br />
Stark geschädigte Porträt-Terrakotta.<br />
Durch Rückwitterung (Absanden)<br />
gehen die Strukturen des Blattkranzes<br />
verloren. Der Pfeil kennzeichnet die<br />
Probenentnahmestelle.<br />
Abb. 70:<br />
Gefüge der stark geschädigten<br />
Terrakotta aus Abb. 69.<br />
Die Original-Oberfläche mit<br />
Brennhaut ist nicht mehr vorhanden.<br />
Das fortgeschrittene Stadium<br />
der Schädigung ist durch eine<br />
aufgefächerte, offenporige<br />
Paralleltextur mit zahlreichen<br />
kapillaren Wegsamkeiten<br />
gekennzeichnet.<br />
Zusätzlich sind einzelne,<br />
breite, oberflächenparallele<br />
Risse entstanden.<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildhöhe 2,5 mm]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 78<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Schloß Schwerin<br />
Starke sichtbare Schäden<br />
an den Terrakotten<br />
(Stadium III)<br />
Abb. 71:<br />
Detail aus Abb. 70.<br />
Einzelne, sperrende Gipskristalle<br />
zwischen den<br />
Terrakottalamellen (Pfeile)<br />
verusachen eine hohe<br />
sekundäre „Porosität“<br />
(kapillare Wegsamkeiten).<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 0,7 mm]<br />
Abb. 72:<br />
Terrakotta/Gips-Partikel<br />
an der stark<br />
geschädigten,<br />
absandenden Oberfläche<br />
einer Terrakotta.<br />
[REM-RE-Aufnahme an<br />
der Oberfläche]<br />
In der dritten Stufe des Schädigungsprozesses ist die Brennhaut und damit die Originaloberfläche<br />
bereits nicht mehr vorhanden. Es sind verstärkt Konturenverluste durch abblätternde<br />
und absandende Oberflächen zu verzeichnen.<br />
Mikroskopisch sind eine drastische Zunahme der Verwitterungstiefe und eine massive<br />
Vergipsung nachweisbar.<br />
Während in makroskopisch intakten Terrakotten des Schweriner Schlosses die Gipsgehalte im<br />
Tiefensegment 0-6 mm etwa 2 M% betragen, weisen stark geschädigte Bereiche im gleichen<br />
Abschnitt Gipsgehalte zwischen 3 und 9 M% auf (Wittenburg, 1995).<br />
In Untersuchungen, die Franke et al. (1992) an Ziegelbauwerken Norddeutschlands durchgeführt<br />
haben, wurden in geschädigten Bereichen von Ziegeln 2-15 mal höhere Gipsgehalte als<br />
in ungeschädigten Abschnitten festgestellt.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 79<br />
Aus den mikroskopischen Untersuchungen ist ersichtlich, daß im fortgeschrittenen Stadium der<br />
Schädigung eine hoch poröse, aufgefächerte Paralleltextur aus Gips und Terrakottalamellen<br />
entsteht. Stellenweise sind in den Rissen 50-100 µm große, teilweise idiomorphe Gipskristalle<br />
vorhanden. Aus Größe und Morphologie der Kristalle ist zu schließen, daß lokal Bedingungen<br />
für eine langsame Kristallisation aus der Lösung gegeben sind. In der Konsequenz halten diese<br />
Kristallindividuen die Risse offen und schaffen dadurch bis in einige mm Tiefe ein Gefüge mit<br />
hoher Sekundärporosität.<br />
Das bedeutet, die hohe Porosität des geschädigten Gefüges wird maßgeblich durch den<br />
sekundär gebildeten Gips aufrecht erhalten.<br />
Abrate-Zohar et al. (1985) haben an geschädigten, stark vergipsten Terrakotten im Kloster<br />
Pavia in Italien längere Durchfeuchtungszeiten und höhere Wassersättigungsgrade nachgewiesen.<br />
Einer raschen Wasseraufnahme (nach 100 Sekunden waren 2/3 der effektiven<br />
Porosität gefüllt) stand eine sehr langsame Wasserabgabe gegenüber. Nach 2,5 Stunden war<br />
noch 50 % der aufgenommenen Wassermenge vorhanden, die vollständige Abgabe benötigte<br />
10-12 Stunden.<br />
Die Gefüge der stark geschädigten Terrakotten des Schweriner Schlosses begünstigen<br />
aufgrund der hohen sekundären Porosität den Wasser- und Schadstoffeintrag über die<br />
Außenseite. Dabei findet ein kapillarer Feuchtigkeitstransport bis in die ungeschädigte<br />
Terrakotta statt.<br />
Für die Trocknung der durchfeuchteten Keramik ist anzunehmen, daß nur unmittelbar zu<br />
Beginn der Wasserabgabe der Porenfüllgrad der Schadenszone für einen kapillaren Transport<br />
zur Oberfläche ausreicht. Bereits nach kurzer Zeit wird die Trocknung der stark geschädigten<br />
Platten durch das orthogonal zum Feuchtestrom orientierte Rißsystem erheblich behindert. Der<br />
Flüssigkeitstransport erfolgt im weiteren Verlauf über die wesentlich langsamere Wasserdampfdiffusion.<br />
Aufgrund des hohen Feuchtigkeitsreservoirs im Inneren der Platten sind die<br />
Risse über einen längeren Zeitraum wasserdampfgesättigt. Nächtliche Abkühlungen führen zu<br />
Kondensation innerhalb des geschädigten Gefügeabschnittes.<br />
Das ermöglicht einerseits Rekristallisationen bzw. das Wachstum größerer, sperrender<br />
Gipskristalle (Abstandshalter). Andererseits hat Frosteinwirkung auf die gestaute Feuchte<br />
weitere Schäden durch Eissprengung zur Folge.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 80<br />
4.1.7 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile an den<br />
Terrakotten des Holstentores Lübeck und der Johanniskirche Tartu<br />
Die Terrakotten des Holstentores in Lübeck und der Johanniskirche in Tartu wurden in die<br />
Untersuchungen einbezogen, um einen Vergleich der makroskopischen und mikroskopischen<br />
Schadensbilder an Terrakotten im Fassadenbereich unterschiedlicher Bauwerke durchführen zu<br />
können.<br />
Auch an den Terrakotten des Holstentores in Lübeck und der Johanniskirche in Tartu sind<br />
verwitterungsbedingte Schäden vorhanden. Die makroskopischen Schadensbilder ähneln in<br />
vielen Fällen denen, die am Schweriner Schloß auftreten. An den Oberflächen sind Veränderungen<br />
durch Auflagerungen und Krusten zu erkennen. Materialverluste sind die Folge von<br />
Rückwitterungen durch Absanden, Abschuppen und die Ablösung dünner Schalen.<br />
Die Probenentnahmetechnik, die Probengröße und der methodische Ansatz entsprachen dem<br />
am Schweriner Schloß umgesetzten Konzept (Gliederungspunkt 4.1.6). Durch die Untersuchung<br />
intakter und unterschiedlich stark geschädigter Terrakotten wurden die verschiedenen<br />
Stadien im Schadensprozeß berücksichtigt.<br />
4.1.7.1 Holstentor Lübeck - Stadium II: Erste sichtbare Schäden<br />
Größere Teilbereiche der untersuchten Terrakotta weisen bereits sehr starke Schädigungen<br />
und erhebliche Materialverluste auf (Abb. 73). Die Probe wurde jedoch in einem gering<br />
geschädigten Randbereich entnommen, wo die Original-Oberfläche noch erhalten war, so daß<br />
die Einstufung der Probe als Stadium II gerechtfertigt ist.<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
An einem Querschnitt senkrecht zur Oberfläche (Abb. 74) ist im Polarisationsmikroskop die<br />
hellere Färbung eines oberflächennahen Gefügeabschnittes zu erkennen. Im hinteren Randbereich<br />
des hellen, bis in etwa 1 mm Tiefe reichenden Horizontes, sind Risse vorhanden.<br />
Durch Untersuchung des ungedeckten Dünnschliffes im REM kann der im PolMi auffällige<br />
Gefügeabschnitt näher charakterisiert werden (Abb. 75). Der oberflächennahe Horizont weist<br />
ein sehr dichtes Gefüge und eine große Helligkeit im Materialkontrast der RE-Abbildung auf.<br />
Eine vergleichende Betrachtung mit benachbarten, unveränderten Gefügeabschnitten bei<br />
höherer Vergrößerung zeigt deutlich, daß Salzkristallisation im Porenraum zu einer erheblichen<br />
Reduzierung der Porosität geführt hat (Abb. 76 und 77).<br />
Durch EDX-Analysen (ohne Abbildungen) wurde nachgewiesen, daß diese Unterschiede auf<br />
Gipsausscheidung im Porenraum zurückzuführen sind.<br />
Unmittelbar hinter dem verdichteten Gefügeabschnitt (0,8 bis 1 mm unter der Oberfläche) treten<br />
zahlreiche Risse auf. Im Gipshorizont selbst sind nur vereinzelt Risse vorhanden.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 81<br />
Holstentor Lübeck<br />
Erste sichtbare Schäden<br />
an den Terrakotten<br />
(Stadium II)<br />
Abb. 73:<br />
Typische Verwitterungsschäden<br />
an den Terrakotten<br />
des Holstentores in<br />
Lübeck.<br />
Der Pfeil kennzeichnet die<br />
Entnahmestelle einer<br />
Probe mit erhaltener<br />
Oberfläche vom Rand des<br />
stark geschädigten<br />
Bereiches.<br />
Abb. 74:<br />
Probe aus Abb. 73 im<br />
PolMi (Querschnitt, Oberfläche<br />
im Bild links).<br />
Es sind oberflächenparallele<br />
Risse vorhanden. Die<br />
hellere Färbung der Terrakotta<br />
zwischen der Oberfläche<br />
und den Rissen<br />
wird durch Gipskristallisation<br />
im Porenraum hervorgerufen<br />
(s. Abb. 75).<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 2,6 mm]<br />
Abb. 75:<br />
Probe aus Abb. 73 im<br />
REM (Querschnitt).<br />
Im hellen Streifen am<br />
linken Bildrand (oberflächennaher<br />
Bereich) ist<br />
der Porenraum der<br />
Terrakotta durch Gipsausscheidung<br />
verdichtet<br />
(Details s. Abb. 76 und<br />
77).<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
polierten Dünnschliff]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 82<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Holstentor Lübeck<br />
Erste sichtbare Schäden<br />
an den Terrakotten<br />
(Stadium II)<br />
Abb. 76:<br />
Detail aus dem linken<br />
Bilddrittel in Abb. 75.<br />
Verdichtung des Porenraumes<br />
durch Gipsausscheidung.<br />
Erste Risse<br />
durchziehen das Gefüge.<br />
(vgl. Abb. 77)<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
polierten Dünnschliff]<br />
Abb. 77:<br />
Detail des unveränderten<br />
Terrakottagefüges aus der<br />
Bildmitte in Abb. 75.<br />
Im Gegensatz zu Abb. 76<br />
(bei gleicher Vergrößerung)<br />
wird deutlich, daß<br />
hier keine Verdichtung<br />
des Porenraumes vorliegt<br />
(offenporiges Gefüge).<br />
Die vereinzelten, weißen<br />
Punkte sind Artefakte aus<br />
der Dünnschliffherstellung<br />
(Pb-Partikel).<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
polierten Dünnschliff]<br />
Die vorliegenden Gefügeveränderungen entsprechen denen, die im vergleichbaren Stadium der<br />
Schädigung auch am Schweriner Schloß vorgefunden wurden (vgl. Gliederungspunkt 4.1.6.2).<br />
Charakteristisch ist ein schmaler, durch Gipskristallisation im oberflächennahen Porenraum<br />
verdichteter Gefügeabschnitt. Es liegen bereits Schäden in Form von Rissen vor, die sich<br />
mehrheitlich am hinteren Rand des gipsverdichteten Gefügeabschnittes bzw. in der angrenzenden,<br />
gipsfreien Terrakotta befinden.<br />
Aus den mikroskopisch nachgewiesenen Gefügeveränderungen können Rückschlüsse auf den<br />
Schädigungsprozeß gezogen werden. Aufgrund der Lage der Risse (mehrheitlich außerhalb<br />
des Gipshorizontes) ist Gipskristallisation sehr wahrscheinlich nicht die direkte Ursache der<br />
Rißbildung. Es ist anzunehmen, daß Frosteinwirkung auf hinter dem Gipshorizont gestaute<br />
Feuchte zu den Rissen geführt hat.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 83<br />
4.1.7.2 Holstentor Lübeck - Stadium III: Starke sichtbare Schäden<br />
Die untersuchte Probe wurde im stark geschädigten Bereich einer Terrakottaplatte entnommen.<br />
Die Original-Oberfläche war nicht mehr vorhanden. Weitere makroskopische Merkmale waren<br />
Schalen- und Schuppenbildung sowie das Auftreten einer schwarzen Kruste (Abb. 78).<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Im vorliegenden, fortgeschrittenen Stadium der Schädigung ist am Querschnitt senkrecht zur<br />
Oberfläche (Dünnschliff) eine stark aufgefächerte Paralleltextur des Gefüges zu erkennen (Abb.<br />
79). Dabei sind Terrakottalamellen unterschiedlicher Breite entstanden (25-50 µm, teilweise bis<br />
100 µm), die sekundär durch Gips verbunden (stabilisiert) sind.<br />
Aus den oben beschriebenen Terrakotta/Gips-Lamellen haben sich größere Schuppenpakete<br />
formiert (Dicke bis 1 mm, Länge bis 3 mm). Sie bilden hoch poröse Abfolgen parallel zur<br />
Oberfläche. Die Spaltweiten zwischen den Schuppenpaketen betragen 50 und 200 µm,<br />
stellenweise bis 1 mm (Abb. 79).<br />
An der Oberfläche der Schuppenpakete sind Gipskrusten vorhanden, die bezüglich ihrer Dicke<br />
und der Morphologie der Gipskristalle unterschiedlich aufgebaut sein können. Der in Abb. 79<br />
dargestellte Probenabschnitt zeigt eine sogenannte Blumenkohlkruste mit einer Dicke von 1-2<br />
mm. Sie besteht aus feinkristallinen Gipskristallen und ist durch Schmutzpartikel dunkel gefärbt.<br />
An anderer Stelle der gleichen Probe liegt eine faserige Gipskruste vor (Abb. 80).<br />
Stellenweise sind hinter den Terrakottaschalen sparitische Kalksteinpartikel nachweisbar, die<br />
nicht zum Mineralbestand der Terrakotten gehören und sekundär mit ablaufendem Wasser in<br />
die Verwitterungshorizonte eingetragen wurden (Abb. 80).<br />
Die an der Terrakotta mikroskopisch ermittelte Schädigungstiefe beträgt teilweise 6 mm.<br />
Holstentor Lübeck<br />
Starke sichtbare Schäden<br />
an den Terrakotten<br />
(Stadium III)<br />
Abb. 78:<br />
Stark geschädigte Terrakotta.<br />
Schuppenbildung und<br />
Schalenablösung sowie<br />
schwarze Kruste an der<br />
rückgewitterten Oberfläche.<br />
Der Pfeil kennzeichnet die<br />
Entnahmestelle.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 84<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Holstentor Lübeck<br />
Starke sichtbare Schäden<br />
an den Terrakotten<br />
(Stadium III)<br />
Abb. 79:<br />
Probe aus Abb. 78 im<br />
PolMi (Querschnitt).<br />
Auffächerung des Gefüges<br />
in Schuppenpakete<br />
aus Terrakottalamellen<br />
(dunkel) und Gips (hell).<br />
Links im Bild befindet sich<br />
die Oberfläche mit einer<br />
porösen Gipskruste.<br />
[PolMi-Aufnahme I Pol.;<br />
Bildbreite 5,2 mm].<br />
Abb. 80:<br />
Faserige Gipskruste an<br />
der Oberfläche einer<br />
Terrakottaschale.<br />
Hinter der Schale sind<br />
Kalksteinpartikel zu<br />
erkennen, die aus den<br />
Kalksteingesimsen oberhalb<br />
der Terrakottaplatte<br />
ausgewaschen und in die<br />
Verwitterungshorizonte<br />
gespült wurden.<br />
[PolMi-Aufnahme, + Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]<br />
Die vorliegenden Gefügeveränderungen entsprechen weitgehend denen, die im vergleichbaren<br />
Stadium der Schädigung auch am Schweriner Schloß vorzufinden sind: Gipsstabilisierte<br />
Schuppenpakete (Terrakotta/Gips-Lamellen), die durch oberflächenparallele Risse voneinander<br />
getrennt sind (vgl. Gliederungspunkt 4.1.6.3).<br />
Die Schädigung der Terrakotten des Holstentores im Stadium III ist jedoch wesentlich stärker<br />
als am Schweriner Schloß und weist folgende zusätzliche Merkmale auf:<br />
1. An den Oberflächen treten zum Teil erhebliche Gipskrusten auf.<br />
2. Die mikroskopisch nachweisbare Verwitterungstiefe beträgt 6 mm und ist damit etwa<br />
doppelt so groß.<br />
3. Es liegen um den Faktor 10 größere Rißweiten vor, die teilweise kapillar brechend sind. Die<br />
Folge ist eine verstärkte Trocknungsbehinderung.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 85<br />
Hieraus ist zu schließen, daß sich mit zunehmender Schädigung des keramischen Materials die<br />
Gefahr von Gefügezerstörungen durch Eissprengung bei Frosteinwirkung weiter erhöht.<br />
Ansammlungen von Kalksteinpartikeln hinter den Terrakotta/Gips-Schuppen belegen den<br />
Feuchte- und Schadstoffeintrag in die stark geschädigten Gefüge der Terrakotten. Aus der<br />
Form und Kristallgröße (Sparit) der Kalksteinpartikel kann geschlossen werden, daß sie aus<br />
den Kalksteingesimsen über den Terrakottafriesen stammen und durch an der Fassade<br />
ablaufendes Wasser in die Terrakotten verfrachtet wurden.<br />
4.1.7.3 Johanniskirche Tartu - Stadium III: Starke sichtbare Schäden<br />
Aufgrund der kunsthistorischen Bedeutung der Skulpturen war eine Probenentnahme an visuell<br />
intakten Terrakotten nicht möglich, so daß die frühen Stadien der Schädigung nicht erfaßt<br />
werden konnten. Einer Probenentnahme wurde lediglich in Bereichen zugestimmt, in denen<br />
bereits Materialverluste zu verzeichnen waren.<br />
Die Abb. 81 zeigt die Skulptur, an der mikroskopische Untersuchungen zu den Schadensursachen<br />
durchgeführt wurden. An der Oberfläche der Terrakotta sind Konturenverluste und<br />
dunkelgraue bis schwarze Krusten zu erkennen.<br />
In der Abb. 82 sind die Entnahmestellen der beiden Proben in den Gewandfalten der Skulptur<br />
gekennzeichnet.<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Abb. 83 zeigt die typische Größe einer der Proben (8 mm) vor der Dünnschliffherstellung in<br />
einer Aufnahme unter dem Stereomikroskop.<br />
Im Stemi konnten erste, makroskopisch nicht differenzierbare Unterschiede im Grad der<br />
Schädigung festgestellt werden.<br />
Bei den nachfolgenden Untersuchungen im PolMi sowie mittels REM/EDX (am gleichen<br />
Präparat) wurden folgende Schädigungen nachgewiesen:<br />
1) An der vergleichsweise gering geschädigten Probe ist im Polarisationsmikroskop ein<br />
oberflächenparalleler Riß zu erkennen (Abb. 84). In diesem Riß und an der Außenseite der<br />
Probe sind Salze vorhanden. Weiterhin ist ersichtlich, daß einzelne, von der Oberfläche<br />
gelöste Terrakottapartikel in einer dünnen Salzkruste eingeschlossen sind.<br />
Im REM ist eine Verdichtung des oberflächennahen Porenraumes festzustellen (Abb. 85 und<br />
86). Aus dem Vergleich der EDX-Spektren, die in den verdichteten und unveränderten<br />
Bereichen des Gefüges aufgenommen wurden, wird ersichtlich, daß die Porenraumverdichtung<br />
durch Gipskristallisation hervorgerufen wird (Abb. 87). Die Breite des<br />
Kristallisationshorizontes beträgt etwa 0,3 mm. Es treten auch Unterschiede im Fe-Gehalt<br />
auf, die auf Schwankungen in der Materialzusammensetzung zurückzuführen sind, aber<br />
nicht im Zusammenhang mit den Verdichtungen stehen.<br />
2) Die stärker geschädigte Probe weist über die gesamte Probenbreite erhebliche Lockerungen<br />
des Gefüges durch Risse unterschiedlicher Breite auf (Abb. 88). In einem Großteil der Risse<br />
sind keine Salze vorhanden. Salzanreicherungen sind ausschließlich in den breiten Rissen<br />
im hinteren Teil der Probe nachweisbar. Durch REM/EDX-Untersuchungen (ohne<br />
Abbildungen) konnte nachgewiesen werden, daß es sich um Gips handelt.<br />
Die Schädigungstiefe beträgt in diesem fortgeschrittenen Stadium 3-4 mm, die Rißweiten<br />
erreichen dabei Werte von 200-300 µm (Abb. 88).
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 86<br />
Johanniskirche Tartu<br />
Starke sichtbare Schäden<br />
an den Terrakotten<br />
(Stadium III)<br />
Abb. 81:<br />
Terrakottaskulptur vom<br />
Wimperg der Kirche.<br />
Insbesondere im Brustund<br />
Gesichtsbereich sind<br />
die Konturenverluste<br />
durch Rückwitterung<br />
deutlich. Teilbereiche der<br />
Oberfläche sind mit<br />
dunkelgrauen bis<br />
schwarzen Krusten<br />
bedeckt.<br />
Zur mikroskopischen<br />
Untersuchung der Schädigung<br />
wurden kleine<br />
Terrakottastücke aus den<br />
Gewandfalten entnommen<br />
(Rahmen s. Abb. 82).<br />
Abb. 82:<br />
Detail aus Abb. 81.<br />
Dargestellt ist der durch<br />
einen Rahmen gekennzeichnete<br />
Teilbereich.<br />
Die Pfeile markieren die<br />
Probenentnahmestellen in<br />
den Gewandfalten der<br />
Skulptur.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 87<br />
Johanniskirche Tartu<br />
Starke sichtbare Schäden<br />
an den Terrakotten<br />
(Stadium III)<br />
Abb. 83:<br />
Typische Terrakottaprobe<br />
aus den Gewandfalten der<br />
Skulpturen (linker Pfeil in<br />
Abb. 82) auf Millimeterpapier.<br />
Länge der Probe 8 mm,<br />
Breite etwa 4 mm, Dicke<br />
etwa 3 mm.<br />
[Stemi-Aufnahme]<br />
Abb. 84:<br />
Probe aus Abb. 83 im<br />
PolMi (Querschnitt).<br />
An der Oberfläche (im Bild<br />
oben) ist eine dünne<br />
Salzkruste (weiß) mit<br />
darin eingeschlossenen<br />
Terrakottapartikeln zu<br />
erkennen. Der horizontale<br />
Riß in der Bildmitte ist<br />
durch Salz verfüllt.<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]<br />
Abb. 85:<br />
Gefüge aus Abb. 84 im<br />
REM (Querschnitt):<br />
Innerhalb des hellen<br />
Bereiches in der linken<br />
Bildhälfte ist der oberflächennahe<br />
Porenraum<br />
durch feinkristallinen Gips<br />
verdichtet.<br />
Detailaufnahnahme und<br />
vergleichende EDX-Analysen<br />
s. Abb. 86 und 87.<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
mikrorauhen Dünnschliff]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 88<br />
Johanniskirche Tartu<br />
Starke sichtbare Schäden<br />
an den Terrakotten<br />
(Stadium III)<br />
Abb. 86:<br />
Übergangsbereich<br />
verdichteter / „normaler“<br />
Porenraum.<br />
Die Verdichtung in der<br />
linken Bildhälfte wird<br />
durch die Abscheidung<br />
von Gips verursacht<br />
(vergleichende EDX-<br />
Analyse s. Abb. 87).<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
mikrorauhen Dünnschliff]<br />
Abb. 87:<br />
Die rote Kurve wurde im<br />
verdichteten Gefügebereich<br />
(linke Bildhälfte in<br />
Abb. 86 ) und die blaue<br />
Kurve in der unveränderten<br />
Terrakotta (rechte<br />
Bildhälfte in Abb. 86)<br />
aufgenommen.<br />
Ca und S gehören nicht<br />
zum Elementspektrum der<br />
Terrakotta, sondern sind<br />
dem Gips im Porenraum<br />
zuzuordnen.<br />
[EDX-Analyse]<br />
Abb. 88:<br />
Gefüge einer stark geschädigtenTerrakottaprobe<br />
(rechter Pfeil in<br />
Abb. 82).<br />
Die Oberfläche befindet<br />
sich links im Bild. Die<br />
Gefügelockerungen<br />
reichen über die gesamte<br />
Probenbreite. Die hellen<br />
Bereiche (markiert durch<br />
Pfeile) sind breite Risse,<br />
die mit Gips gefüllt sind.<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 2,6 mm]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 89<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Durch die licht- und rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen an den Portalskulpturen<br />
des Wimpergs der Johanniskirche in Tartu konnte nachgewiesen werden, daß sich<br />
geschädigte, makroskopisch jedoch nicht differenzierbare Terrakotten von ein und derselben<br />
Skulptur in ihrem mikroskopischen Erhaltungszustand erheblich unterscheiden können.<br />
Das Gefüge der vergleichsweise gering geschädigten Probe zeigt verschiedene Merkmale, die<br />
dem Stadium II zuzuordnen sind. Ein oberflächennaher Gefügeabschnitt ist durch Gipskristallisation<br />
im Porenraum verdichtet und wird von einem Riß durchzogen. Untypisch ist eine<br />
dünne Gipsschicht an der Außenseite, in der gelockerte Ziegelpartikel eingeschlossen sind.<br />
Bei der Bewertung ist jedoch zu beachten, daß die Originaloberfläche nicht mehr vorhanden ist<br />
und die mikroskopisch nachweisbare Schädigungstiefe unter einem Millimeter liegt. Damit<br />
entsprechen die nachgewiesenen Gefügeveränderungen dem Stadium II nach Ablösung einer<br />
dünnen Schale (vgl. Gliederungspunkt 4.1.6.2).<br />
An der stärker geschädigten Probe wurden über den gesamten Probenquerschnitt Risse<br />
nachgewiesen. Damit begrenzt die Probengröße die exakte Feststellung der Schädigungstiefe.<br />
Sie beträgt mindestens 4 mm.<br />
In breiteren Rissen, insbesondere im hinteren Teil des entfestigten Gefüges, ist Gips<br />
angereichert. Die zahlreichen feinen Risse im oberflächennahen Teil der Probe sind überwiegend<br />
gipsfrei. Diese relativ untypische Gipsverteilung ist möglicherweise auf eine sehr hohe<br />
Porosität bzw. eine starke Vorschädigung zurückzuführen, die eine Verlagerung der<br />
Kristallisationsfront des Gipses zur Folge hat. Ferner ist auf Frostschäden als Hauptschadensursache<br />
zu schließen.<br />
Trotz der Unterschiede in der Gipsverteilung können die vorliegenden Gefügeveränderungen<br />
dem Stadium III zugeordnet werden (vgl. Gliederungspunkt 4.1.6.3).<br />
Aus den durchgeführten mikroskopischen Untersuchungen ergaben sich keine Hinweise auf<br />
leicht lösliche Salze.<br />
Quantitative Salzanalysen an den Terrakotta-Skulpturen des Wimpergs wurden im Rahmen der<br />
keramtechnologischen Untersuchungen von Freyburg (1996a) durchgeführt. Hierbei wurden nur<br />
geringe Gehalte leicht löslicher Salze ermittelt. An den untersuchten Skulpturen trat in<br />
schadensrelevanten Mengen nur Gips, stellenweise in Verbindung mit Syngenit, auf.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 90<br />
4.1.8 Modell zum Schadensprozeß an Bauterrakotten im Fassadenbereich in<br />
Gegenwart von Gips<br />
Im Ergebnis der vergleichenden mikroskopischen Untersuchungen unterschiedlich verwitterter<br />
Terrakotten des Schweriner Schlosses, des Holstentores in Lübeck und der Johanniskirche in<br />
Tartu können 3 Stadien der Schädigung definiert werden. In Tabelle 9 sind die charakteristischen<br />
makroskopischen Erscheinungsformen und die zugehörigen mikroskopischen<br />
Gefügezustände gegenübergestellt.<br />
Tabelle 9: Gegenüberstellung makroskopischer und mikroskopischer Beobachtungen in den<br />
unterschiedlichen Stadien der Schädigung der Terrakotten im Außenbereich des<br />
Schweriner Schlosses, des Holstentores in Lübeck und der Johanniskirche in<br />
Tartu<br />
Stadium Makroskopischer Zustand Mikroskopischer Zustand<br />
I Keine Schäden erkennbar<br />
- Oberflächenveränderungen möglich<br />
(Krusten und Auflagerungen<br />
unterschiedlicher Färbung)<br />
II Erste sichtbare Schäden<br />
- Oberfläche mit Brennhaut nur noch<br />
teilweise vorhanden<br />
- Partielle Ablösung dünner Schalen<br />
III Starke sichtbare Schäden<br />
- Oberfläche mit Brennhaut nicht<br />
mehr vorhanden<br />
- Rückwitterung / Konturenverlust<br />
- Materialverlust durch:<br />
• Absanden<br />
• Schuppen- und Schalenbildung<br />
- Dünne Auflagerungen oder Krusten<br />
an der Oberfläche (Dicke < 10µm)<br />
- Ia) Keine Gefügeveränderungen<br />
(Porenraum gipsfrei, keine Risse)<br />
Ib) Verdichtung des oberflächennahen<br />
Porenraumes bis in 1 mm<br />
Tiefe durch Kristallisation schwer<br />
löslicher Salze (Gips, Syngenit)<br />
- Schalenbildung durch oberflächenparallele<br />
Risse (Rißweiten < 50 µm)<br />
- Schalendicke 0,5 bis 1 mm<br />
- Innerhalb der Schale Aufblättern des<br />
Gefüges in schmale Terrakottalamellen,<br />
die sekundär durch feinkristallinen<br />
Gips stabilisiert werden<br />
- Nebeneinander dichter und kapillargängiger<br />
Gefügeabschnitte<br />
- Entstehung einer aufgefächerten,<br />
offenporigen Paralleltextur<br />
- Durch Aufblättern des Gefüges in<br />
schmale, gipsstabilisierte Terrakottalamellen<br />
erhebliche Gefügeaufweitung<br />
- Hoher Gipsgehalt<br />
- Hohe Sekundärporosität<br />
- Einzelne breite, oberflächenparallele<br />
Risse (Rißweiten > 100 µm)<br />
- Einzelne idiomorphe Gipskristalle<br />
(Größe 50-100 µm) halten die Risse<br />
geöffnet<br />
Abb. 89 zeigt in einer schematischen Darstellung die in Tabelle 9 beschriebenen mikroskopischen<br />
Veränderungen der Terrakottagefüge im Verlauf der Schadensentwicklung.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 91<br />
Abb. 89:<br />
Schadensentwicklung an Terrakotta<br />
im Fassadenbereich in Gegenwart<br />
von Gips.<br />
Gipsausscheidung im Porenraum<br />
(Ib), Hinterfeuchtung und Frosteinwirkung<br />
auf gestaute Feuchte<br />
führen zu Rißbildungen und<br />
Schalenablösung (II). Durch zunehmende<br />
thermisch-hygrische<br />
Wechselbeanspruchung (als Folge<br />
einer Trocknungsbehinderung) und<br />
verstärkte Gipskristallisation entsteht<br />
eine poröse, aufgefächerte<br />
Pararalleltextur aus vergipster<br />
Terrakotta, Rissen und Hohlräumen<br />
(III).<br />
Dieser Vorgang führt zu einer<br />
erheblichen Gefügeaufweitung.<br />
III<br />
Legende: c Intakte Terrakotta<br />
Vergipste Terrakotta<br />
Ia<br />
Gipsfreie Poren, Hohlräume und Risse<br />
Originaloberfläche (Brennhaut mit Verschmutzung / Kruste)<br />
I Keine äußerlich sichtbaren Schäden<br />
II Partieller Verlust der Originaloberfläche<br />
III Vollständiger Verlust der Originaloberfläche<br />
I<br />
II<br />
Ib<br />
1 mm<br />
Abb.<br />
59-60<br />
Abb.<br />
62-65<br />
Abb.<br />
67-68<br />
Abb.<br />
70-72
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 92<br />
Modell zum Schadensprozeß<br />
An den untersuchten Terrakotten treten leicht lösliche Salze nicht oder nur in sehr geringen<br />
Mengen auf, so daß ihre Rolle im Schadensprozeß vernachlässigt werden kann.<br />
Demgegenüber sind schwer lösliche Salze, v.a. Gips, an der Entstehung der Schäden<br />
maßgeblich beteiligt. Unter diesen Randbedingungen kann aus den Ergebnissen der<br />
kombinierten licht- und rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen an Bauwerksproben<br />
folgendes Modell zum Schädigungsprozeß an Bauterrakotten im Fassadenbereich abgeleitet<br />
werden:<br />
Terrakotten weisen häufig eine relativ dichte Brennhaut auf. Sie entsteht durch Feinstbestandteile<br />
des Tons, die bei der Herstellung (Schlämmen und Trocknen) an der Oberfläche<br />
abgelagert werden und im Ergebnis des Brennens eine wenige µm dünne, aber relativ dichte<br />
Haut bilden.<br />
Unter Bauwerksbedingungen bilden sich durch Depositionsvorgänge an der Terrakottaoberfläche<br />
zusätzlich dünne Auflagerungen und Krusten unterschiedlicher Zusammensetzung<br />
(Schichtdicken meist
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 93<br />
Nach dem Verlust einer Schale können Frost und Gipskristallisation verstärkt auf das<br />
geschädigte Gefüge einwirken. Im Ergebnis nehmen die Verwitterungstiefe und der Gipsgehalt<br />
rasch zu. Für das fortgeschrittene Stadium der Schädigung ist eine aufgefächerte Paralleltextur<br />
charakteristisch. Die Rißweiten innerhalb dieser „Blätterteig“-Gefüge erreichen z.T. 150 µm. In<br />
den Rissen treten einzelne leistenförmige, hypidiomorphe bis idiomorphe Gipskristalle auf.<br />
Diese 50-100 µm großen Kristallindividuen wirken aufgrund ihrer Vorzugsorientierung senkrecht<br />
zur oberflächenparallelen Rißtextur als Abstandshalter zwischen den Terrakottalamellen und<br />
verursachen damit eine hohe sekundäre Porosität. Aus Größe und Morphologie der<br />
Gipskristalle kann auf länger anhaltende bzw. zyklische Wassersättigungen in den<br />
geschädigten Bereichen der Terrakotten geschlossen werden.<br />
Die Gefügeschäden im Finalstadium begünstigen eine rasche kapillare Wasser- und<br />
Schadstoffaufnahme bis ins ungeschädigte keramische Material.<br />
Die Trocknung hingegen wird nachhaltig durch das oberflächenparallele Rißsystem behindert.<br />
Aufgrund der geringen Saugspannung des hoch porösen Schadenshorizontes erfolgt eine sehr<br />
langsame Wasserabgabe aus dem Kern der Platten. Bestimmender Transportprozeß ist die<br />
Wasserdampfdiffusion.<br />
Wesentlich ist, daß die Risse über der kapillar durchfeuchteten Terrakotta längere Zeit<br />
wasserdampfgesättigt sind. Nächtliche Abkühlungen führen zu Kondensation innerhalb des<br />
geschädigten Gefügeabschnittes. Das hat weitere Gipskristallisation bzw. Rekristallisationen<br />
zur Folge. Im Falle von Frosteinwirkung auf die kondensierte Feuchte entstehen Schäden durch<br />
Eissprengung.<br />
Unterschiedliche Erhaltungszustände in unmittelbarer Nachbarschaft. sind besonders problematisch,<br />
weil sie zu einer Asymmetrie im Feuchtehaushalt führen. In Bereichen mit dauerhaft<br />
erhöhter Feuchte ist mit einer raschen Schadensentwicklung zu rechnen.<br />
Der Schadensprozeß an vergipsten Terrakotten entspricht grundsätzlich dem Mechanismus, der<br />
von Franke et al. (1992) bzw. Franke und Schumann (1994) für die Ziegelschädigung in<br />
Gegenwart von Gips angegeben wird.<br />
Es ergeben sich jedoch neue Aspekte hinsichtlich der Wirkungsweise des Gipses. Die<br />
mikroskopischen Untersuchungen weisen darauf hin, daß die Gipskristallisation unter Bauwerksbedingungen<br />
sehr wahrscheinlich nicht direkt zu Gefügeschädigungen führt. Der Kristallisationsdruck<br />
oder lineare Wachstumsdruck des Gipses ist für den dargestellten Schadensprozeß<br />
von untergeordneter Bedeutung.<br />
Die entscheidenden Vorgänge, die zu den an den Terrakotten vorgefundenen Gefügeschädigungen<br />
geführt haben, waren Frosteinwirkung auf gestaute Feuchte bzw. thermischhygrische<br />
Wechselbeanspruchungen in Terrakotta-Gips-Horizonten.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 94<br />
4.1.9 Mikroskopische Bewertung von Probekonservierungen an den Terrakotten des<br />
Schweriner Schlosses<br />
Die bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, daß sich der Schädigungsgrad der Terrakotten nur<br />
bedingt aus äußeren Merkmalen abschätzen läßt.<br />
Zur Erstellung eines Konservierungskonzeptes werden gefügekundliche Parameter benötigt,<br />
aus denen Anforderungen an die Konservierungsmittel und die Applikationstechniken abgeleitet<br />
werden können.<br />
Die notwendigen Informationen liefert eine exakte mikroskopische Untersuchung hinsichtlich<br />
folgender Gefügeparameter (vgl. Gliederungspunkt 4.1.6):<br />
- Oberflächenveränderungen (Krusten) - Schalen- und Rißbildung<br />
- Verdichtungs- und Lockerungszonen - Rißbreiten und -längen<br />
- Entfestigungstiefe - Salzidentifizierung / Salzverteilung<br />
Für die Terrakotten des Schweriner Schlosses wurden sehr unterschiedliche konservierungsbedürftige<br />
Gefügezustände ermittelt, denen nur durch die Kombination angepaßter Konservierungsschritte<br />
und optimierter Schutzstoffe entsprochen werden konnte.<br />
Am NW-Giebel wurden modellhafte Konservierungen der Terrakotten durchgeführt. Tabelle 10<br />
faßt die einzelnen konservatorischen Maßnahmen, die verwendeten Materialien sowie die Ziele<br />
der mikroskopischen Untersuchungen zusammen und verweist auf die Gliederungspunkte, in<br />
denen die Ergebnisse detailliert dargestellt sind.<br />
Tabelle 10: Übersicht über die modellhaften Konservierungen der Terrakotten am NW-Giebel<br />
des Schweriner Schlosses (Testflächen)<br />
Konservatorische<br />
Maßnahme<br />
Vorfestigung Weichsegmentmodifizierte<br />
Kieselsäureester<br />
1) VP9-50 A<br />
2) VP9-66 Ace<br />
Festigung 1) Kieselsäureester (KSE)<br />
2) Polyurethan (PU)<br />
Kompressenbehandlung<br />
zur<br />
Gipsmobilisierung<br />
und Salzminderung<br />
Schalenhaft- /<br />
Hinterfüllmörtel<br />
Glättmörtel /<br />
Feinschlämmen<br />
Materialien Gegenstand der<br />
mikroskopischen<br />
Untersuchungen<br />
Zellulosekompressen mit Zusätzen<br />
(Bentonit; Vollglaskugeln,<br />
Quarz)<br />
1. Wasserkompresse +<br />
Verdunstungskompresse<br />
2. Ammoniumcarbonatkompresse<br />
+ Verdunstungskompresse<br />
BM: Hüttensand, Gips, Zement<br />
BM-Typ 1: Hüttensand, Gips,<br />
Zement<br />
BM-Typ 2: Hochofenzement,<br />
Hydraulischer Kalk<br />
BM-Typ 3: Silikasol + amorphe<br />
Kieselsäure<br />
- Identifizierung der<br />
Festigungsmittel<br />
- Verteilung an der<br />
Oberfläche und im<br />
Gefüge<br />
- Salzausblühungen<br />
1) Identifizierung<br />
2) Ursachen<br />
- Gefügebeschreibung<br />
- Haftung / Anbindung<br />
Gliederungspunkt<br />
4.1.9.1<br />
4.1.9.2<br />
4.1.9.3
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 95<br />
Die Konservierungsschritte in Tabelle 10 stellen keine einheitliche Bearbeitungsfolge dar. Ihre<br />
Anwendung erfolgte in Abhängigkeit von den konkreten Gegebenheiten der einzelnen<br />
Terrakotta-Medaillonplatten am Schweriner Schloß. Die verschiedenen konservatorischen<br />
Eingriffe wurden an Testflächen (Teilbereiche der Platten) modellhaft erprobt.<br />
Nach Abschluß dieser Konservierungen wurden die Wirksamkeit der einzelnen Technologien<br />
sowie an den Plattenoberflächen aufgetretene Veränderungen mikroskopisch untersucht.<br />
4.1.9.1 Strukturelle Festigung<br />
1) Vorfestigung<br />
Das Ziel einer sogenannten Vorfestigung war, gelockerte Partien der Oberflächen soweit zu<br />
stabilisieren, daß mechanische Beanspruchungen während nachfolgender Konservierungsschritte<br />
(Reinigung, Applikation von Schalenhaftmörtel und Schlämmen) nicht zu weiteren<br />
Materialverlusten führen.<br />
Die eingesetzten Festigungs- und Verdünnungsmittel, die Applikationszeiten und verbrauchten<br />
Mengen sowie die zugehörigen Abbildungen sind Tabelle 11 zu entnehmen.<br />
Tabelle 11: Übersicht über die zur Vorfestigung eingesetzten Mittel sowie deren Eigenschaften<br />
und Applikationsbedingungen<br />
Lösungsmittel<br />
Konzentration<br />
des KSE<br />
Vorbehandlung<br />
VP9-66 Ace Aceton 66 % ohne<br />
Vornässen<br />
VP9-50 A Ethanol 50 % Vornässen mit<br />
Ethanol<br />
Applikationszeit<br />
Mittelaufnahme<br />
[kg/m 2 ]<br />
Abb.<br />
5 min 0,17 91-93<br />
5 min 0,3 94-98<br />
Eingesetzt wurden zwei Festigungsmittel auf der Basis von Kieselsäureester, die sich in ihren<br />
Konzentrationen bzw. Gelabscheidungsraten unterscheiden. Weiterhin sollte durch Variation<br />
der Untergrundvorbehandlung herausgefunden werden, ob auf ein Vornässen mit Lösungsmittel<br />
verzichtet werden kann.<br />
Appliziert wurden ein Festigungsmittel mit hoher Gelabscheidungsrate auf einem nicht<br />
vorgenäßten Untergrund sowie ein geringer konzentrierter Festiger auf vorgenäßtem Untergrund.<br />
Gegenstand der vergleichenden mikroskopischen Untersuchungen war die Klärung des<br />
Einflusses der unterschiedlichen Parameter auf die Filmbildung und auf die Verteilung des<br />
Festigungsmittels im Gefüge.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 96<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Abb. 90 zeigt als Vergleichsaufnahme zu den nachfolgenden Abbildungen eine nicht mit<br />
Festigungsmittel behandelte Terrakottaoberfläche. Im REM ist eine mikrokristalline Schmutzschicht<br />
zu erkennen.<br />
Im direkten Vergleich der Oberflächen in den Abb. 90 und 91, die bei gleicher Vergrößerung<br />
aufgenommen wurden, sind die Unterschiede in der Topographie der unbehandelten und der<br />
gefestigten Oberfläche deutlich zu erkennen. Die mit VP9-66 Ace (Wirkstoffgehalt 66%, ohne<br />
Vornässen) gefestigte Platte zeigt zahlreiche rundlich-plattige Strukturen an der Oberfläche<br />
(Abb. 91).<br />
Bei höherer Vergrößerung wird deutlich, daß das Festigungsmittel einen filmartigen Überzug<br />
über den Strukturen der geschädigten Terrakotta gebildet hat (Abb. 92). Die ausgeprägten<br />
Fließformen und die Menisken lassen vermuten, daß ein relativ dicker Film an der<br />
Terrakottaoberfläche abgeschieden wurde. Wahrscheinlich handelt es sich bei den rundlichplattigen<br />
Strukturen um Terrakotta-Gips-Partikel (vgl. Abb. 72), die mit Festigungsmittel überzogen<br />
sind. Eine exakte Bestimmung der Filmdicke war aufgrund des Fehlens von<br />
Bruchflächen, senkrecht zum Film, nicht möglich. Sie dürfte an der Oberfläche jedoch im µm-<br />
Bereich liegen.<br />
Die für KSE-Systeme typischen Schwindrisse treten nicht auf. Ursache hierfür ist sehr<br />
wahrscheinlich die Modifizierung, d.h. die Zugabe eines Weichsegmentes.<br />
Die EDX-Analyse des siliziumorganischen Festigers liefert einen charakteristischen Si-Peak. Im<br />
Spektrum sind zusätzlich geringe Mengen Al und Fe vorhanden, die wahrscheinlich auf<br />
Untergrundanregung zurückzuführen sind (Abb. 93).<br />
An einer Bruchfläche senkrecht zur Oberfläche wurde festgestellt, daß das Festigungsmittel nur<br />
stellenweise und unmittelbar unter der Oberfläche im Porenraum bzw. Rißsystem der<br />
Schadenszone eingedrungen ist.<br />
Das Festigungsmittel VP9-50 A (geringerer Wirkstoffgehalt, Vornässen mit Alkohol) ist<br />
morphologisch als Film an der Oberfläche und analytisch durch die charakteristische<br />
Elementzusammensetzung nachweisbar (Abb. 94 bis 96). Schwindrisse treten an der Oberfläche<br />
nicht auf. Gegenüber der Vergleichsprobe liegen dünnere Filme vor.<br />
Im oberflächennahen Porenraum bzw. Rißsystem der Schadenszone war das Festigungsmittel<br />
schwieriger nachweisbar als an der Oberfläche. Bei der Identifizierung einer siliziumorganischen<br />
Verbindung, die als dünner Film auf einem silikatischen Untergrund liegt, sind<br />
EDX-Elementanalysen häufig nicht ausreichend spezifisch für den Nachweis.<br />
Hilfreich für die Identifizierung waren die für erhärtete Kieselsäureester charakteristischen<br />
Schwindrisse, die aufgrund der Weichsegmentmodifizierung jedoch nur sehr vereinzelt<br />
auftraten (Abb. 97).<br />
Günstige Bedingungen für einen morphologischen Nachweis des Festigungsmittels lagen an<br />
den Stellen vor, wo Gefügebestandteile (Mineralkörner oder Gipskristalle) bei der Probenpräparation<br />
(Erzeugen einer Bruchfläche) ausgebrochen waren. Das Festigungsmittel hinterließ<br />
dabei typische Menisken (Abb. 98). An diesen Strukturen konnte ein Nachweis mittels EDX<br />
erfolgen und die Filmdicke ließ sich bestimmen. Sie lag meist unter 10 nm.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 97<br />
2) Festigung<br />
An der betreffenden Terrakotta-Medaillonplatte wurde eine vollflächige Festigung mit dem<br />
Schutzstoff 219 (modifiziertes Polyurethan, Feststoffgehalt 30 %) durchgeführt. Bereits während<br />
der Applikation traten Probleme auf. Das Festigungsmittel wurde nur äußerst langsam und in<br />
geringer Menge von der Terrakotta aufgenommen. Nach Abschluß der Festigung wiesen die<br />
Plattenoberflächen einen unakzeptablen seidigen Glanz auf.<br />
Ziel der mikroskopischen Untersuchungen hierzu war es, die Ursachen für die mißlungene<br />
Festigung zu ermitteln.<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Im Gegensatz zu den siliziumorganischen Festigern erscheint das überwiegend organische<br />
Festigungsmittel auf PU-Basis im Materialkontrast deutlich dunkler als die Terrakotta. Damit<br />
lagen günstige Bedingungen für den mikroskopischen Nachweis und die Lokalisierung vor.<br />
Die mikroskopischen Untersuchungen von Bruchflächen im REM zeigten erhebliche Anreicherungen<br />
des Festigungsmittels an der Oberfläche sowie in der oberflächennahen<br />
Schädigungszone der Terrakotta (Abb. 99 und 100).<br />
Die größten Filmdicken an den Terrakottaoberflächen betrugen 50-100 µm. Solche massiven<br />
Abscheidungen traten über dichten, vergipsten Gefügeabschnitten auf (Abb. 99). In diesen<br />
Bereichen war ein Eindringen des Festigungsmittels in die Terrakotta offenbar nicht möglich.<br />
Demgegenüber sind in den oberflächennahen Lockerungszonen die vorhandenen Wegsamkeiten<br />
häufig vollständig mit Festigungsmittel gefüllt (Abb. 100 bis 102).<br />
Selbst in einigen mm Tiefe ist der morphologische Nachweis an den Flanken breiterer Risse<br />
zweifelsfrei möglich (Abb. 103).<br />
Im Porenraum der Terrakotta hinter dem geschädigten Gefügeabschnitt war ein Eindringen des<br />
Festigungsmittels mikroskopisch nicht nachweisbar. Die vorhandenen Wegsamkeiten waren<br />
frei.<br />
Schweriner Schloß<br />
Unbehandelte Terrakotta<br />
Abb. 90:<br />
Unbehandelte Plattenoberfläche<br />
(gleiche Vergrößerung<br />
wie Abb. 91).<br />
Mikrokristalline Schmutzschicht<br />
auf der Terrakotta.<br />
[REM-RE-Aufnahme an<br />
der Oberfläche]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 98<br />
Schweriner Schloß<br />
Terrakotta-Vorfestigung<br />
Abb. 91:<br />
Vergleichsaufnahme zur<br />
unbehandelten Plattenoberfläche<br />
in Abb 90.<br />
Festigungsmittel VP9-66<br />
Ace (KSE-Konzentration<br />
66 %) an nicht vorgenäßter<br />
Terrakottaoberfläche.<br />
Es sind rundlich-plattige<br />
Strukturen zu erkennen.<br />
Detail s. Abb. 92<br />
[REM-SE-Aufnahme an<br />
der Oberfläche]<br />
Abb. 92:<br />
Detail aus Abb. 91.<br />
Bei den rundlich-plattigen<br />
Strukturen handelt es sich<br />
wahrscheinlich um Terrakotta/Gips-Partikel,<br />
die<br />
von Festigungsmittel<br />
überzogen sind.<br />
Aufgrund der Weichsegmentmodifizierung<br />
treten<br />
keine Schwindrisse im<br />
Festigungsmittelfilm auf.<br />
[REM-SE-Aufnahme an<br />
der Oberfläche]<br />
Abb. 93:<br />
EDX-Spektrum des<br />
Festigers VP9-66 Ace,<br />
(integrale Messung über<br />
den gesamten Bildbereich<br />
von Abb. 92).<br />
Für die siliziumorganische<br />
Verbindung ist ein Si-<br />
Peak charakteristisch.<br />
[EDX-Spektrum]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 99<br />
Schweriner Schloß<br />
Terrakotta-Vorfestigung<br />
Abb. 94:<br />
Festigungsmittel VP9-50A<br />
(KSE-Konzentration 50%)<br />
an Terrakottaoberfläche.<br />
Im Gegensatz zu den<br />
Strukturen in Abb. 91 hat<br />
das KSE an der vorliegenden<br />
Probe einen gleichmäßigen<br />
Film gebildet.<br />
Vor der Applikation wurde<br />
die Oberfläche mit Alkohol<br />
vorgenäßt.<br />
[REM-SE-Aufnahme an<br />
der Oberfläche]<br />
Abb. 95:<br />
Vorfestigungsmittel aus<br />
Abb. 94 bei höherer<br />
Vergrößerung.<br />
Es sind Fließstrukturen<br />
und eine gleichmäßige<br />
Filmbildung zu erkennen.<br />
Es sind keine Schwindrisse<br />
vorhanden.<br />
[REM-SE-Aufnahme an<br />
der Oberfläche]<br />
Abb. 96:<br />
EDX-Spektrum des Festigungsmittels<br />
VP9-50A,<br />
(integrale Messung über<br />
den gesamten Bildbereich<br />
von Abb. 95).<br />
Die Elementzusammensetzung<br />
(dominierender<br />
Si-Peak) ist charakteristisch<br />
für einen Kieselsäureester<br />
und identisch<br />
der des VP9-66Ace (vgl.<br />
Abb. 93).
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 100<br />
Schweriner Schloß<br />
Terrakotta-Vorfestigung<br />
Abb. 97:<br />
Vorfestigungsmittel VP9-<br />
50A im oberflächennahen<br />
Porenraum derTerrakotta.<br />
Über die vereinzelt auftretenden<br />
feinen Schwindrisse<br />
(Pfeile) im erhärteten<br />
KSE können die Festigungsmittel<br />
im Porenraum<br />
morphologisch nachgewiesen<br />
werden.<br />
[REM-SE-Aufnahme an<br />
einer Bruchfläche]<br />
Abb. 98:<br />
Menisken des Vorfestigungsmittels<br />
VP9-50A<br />
(Pfeile) im Porenraum der<br />
Terrakotta.<br />
Diese Menisken<br />
entstehen durch das<br />
Ausbrechen von Partikeln<br />
bei der Präparation<br />
(Erzeugen einer<br />
Bruchfläche senkrecht zur<br />
Oberfläche).<br />
An diesen Strukturen<br />
kann die Filmdicke<br />
abgeschätzt werden.<br />
[REM-SE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfl.]<br />
Schweriner Schloß<br />
Terrakotta-Festigung<br />
Abb. 99:<br />
Das Festigungsmittel<br />
(PUR) ist als dunkle<br />
Schicht (zwischen den<br />
Pfeilen) über einem durch<br />
Gips verdichteten Gefügeabschnitt<br />
nachweisbar.<br />
Die Verdichtung ist die<br />
Folge von Gipskristallisation<br />
im oberflächennahen<br />
Porenraum der<br />
Terrakotta.<br />
[REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfl.]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 101<br />
Schweriner Schloß<br />
Terrakotta-Festigung<br />
Abb. 100:<br />
Festigungsmittel (PUR) in<br />
oberflächennaher<br />
Lockerungszone.<br />
Im Gegensatz zu Abb. 99<br />
waren hier aufgrund der<br />
Gefügeschäden Wegsamkeiten<br />
vorhanden, in<br />
die das Festigungsmittel<br />
eingedrungen ist (Pfeile).<br />
[REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfl.]<br />
Abb. 101:<br />
Detail aus Abb. 100:<br />
Die ehemals vorhandenen<br />
Wegsamkeiten und Poren<br />
sind vollständig mit<br />
Festigungsmittel gefüllt<br />
(dunkle Bereiche).<br />
[REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfl.]<br />
Abb. 102:<br />
Vollständig mit Festigungsmittel<br />
(PUR) gefüllter<br />
Riß unmittelbar hinter<br />
der Oberfläche (Pfeil).<br />
Die Rißweite beträgt etwa<br />
100 µm. Aufgrund des<br />
überwiegend organischen<br />
Charakters des Festigungsmittels<br />
erscheint es<br />
im Materialkontrast dunkler<br />
als die Terrakotta.<br />
[REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfl.]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 102<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Schweriner Schloß<br />
Terrakotta-Festigung<br />
Abb. 103:<br />
Das Festigungsmittel<br />
(PUR) ist auch einige mm<br />
unter der Oberfläche auf<br />
Rißflanken nachweisbar<br />
(Pfeil) . Im Gegensatz<br />
zum oberflächennahen<br />
Bereich ist der Riß hier<br />
nicht vollständig gefüllt<br />
(Rißweite > 100 µm).<br />
[REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfl.]<br />
1) Vorfestigung<br />
An den Oberflächen der Platten, an denen eine Vorfestigung mit modifiziertem Kieselsäureester<br />
durchgeführt wurde, ist das Festigungsmittel als filmartiger Überzug nachweisbar. Die<br />
elastifizierende Wirkung der Weichsegmentmodifizierung auf die Filmbildung war deutlich<br />
erkennbar. Die für Kieselsäureester typischen Schwindrisse traten auch bei großen Filmdicken<br />
praktisch nicht auf.<br />
Die mikroskopisch nachgewiesenen Unterschiede in der Filmdicke sind auf die unterschiedlichen<br />
Wirkstoffkonzentrationen und den Einfluß des Vornässens der Plattenoberflächen<br />
zurückzuführen. Hohe KSE-Wirkstoffkonzentrationen und der Verzicht auf Vornässen führen zu<br />
starken Gelabscheidungen an den Oberflächen. Die dabei entstandenen dicken Filme hatten<br />
eine Verringerung der kapillaren Wasseraufnahme und eine Überfestigung zur Folge (Wendler<br />
1995).<br />
Durch den Einsatz geringerer Wirkstoffkonzentrationen und Vornässen der Plattenoberflächen<br />
mit Ethanol konnte die Filmdicke reduziert werden. Die Behinderung der Wasseraufnahme war<br />
entsprechend geringer.<br />
Es ist davon auszugehen, daß die Aufnahme eines Festigungsmittels mit hoher Gelabscheidungsrate<br />
durch oberflächliche Verschmutzungen und/oder oberflächennahe Gipshorizonte<br />
stärker behindert wird als die Aufnahme eines Festigers mit niedrigerer Gelabscheidungsrate.<br />
Die Festigungsmittel auf KSE-Basis konnten im REM insbesondere an den Oberflächen und in<br />
oberflächennahen Schädigungshorizonten der Terrakotten nachgewiesen werden. Zur<br />
Identifizierung sind die filmartige Morphologie, Schwindrisse sowie in Zwickeln auftretende<br />
Menisken geeignet. Im Porenraum der intakten Terrakotta erschweren die Sinterformen des<br />
Scherbens den morphologischen Nachweis dünner Filme erheblich. Aufgrund der geringen<br />
Filmdicken sind die Unterschiede im Materialkontrast zwischen siliziumorganischem Festigungsmittel<br />
und Terrakotta für eine Unterscheidung im mikroskopischen Bild zu gering.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 103<br />
Ein EDX-Nachweis der Kieselsäureester auf silikatischen Untergründen ist nur bei größeren<br />
Filmdicken aussagekräftig. Bei geringen Filmstärken erschweren Überlagerungen im Elementbestand<br />
(Si ist Hauptelement im Terrakottaspektrum und im Festigungsmittel) den Nachweis.<br />
Das bedeutet, daß an Terrakotta die Eindringtiefe des Festigungsmittels im REM nicht sicher<br />
bestimmt werden kann.<br />
2) Festigung<br />
Die Festigung erfolgte mit einem Schutzstoff auf Polyurethanbasis. Durch den hohen Gehalt an<br />
organischen Bestandteilen erscheint dieses Festigungsmittel im Materialkontrast dunkel und<br />
kann im mikroskopischen Bild gut von der Terrakotta bzw. vom Gips unterschieden werden.<br />
Damit konnte die Eindringtiefe besser bewertet werden als bei Kieselsäureestern.<br />
An der gefestigten Terrakottaplatte wurden erhebliche Anreicherungen des Festigungsmittels<br />
an der Oberfläche sowie in oberflächennahen Schadenshorizonten nachgewiesen. Hierbei war<br />
ersichtlich, daß die Gefügebestandteile nicht wie angestrebt mit einem Film überzogen sind,<br />
sondern alle vorhandenen Wegsamkeiten bis in einige mm Tiefe mit Festigungsmittel verfüllt<br />
sind.<br />
Die negativen Folgen sind eine Überfestigung, der fast vollständige Verschluß der Wegsamkeiten<br />
innerhalb des geschädigten Gefüges sowie eine Glanzbildung an den Plattenoberflächen.<br />
Die REM-Untersuchungen belegen eine sehr begrenzte Eindringtiefe von einigen mm.<br />
Morphologische Hinweise auf eine vorzeitige Erstarrung des Wirkstoffsystems PUR gibt es nicht.<br />
Daher ist anzunehmen, daß das Eindringen des Festigungsmittels zum Zeitpunkt der Applikation<br />
durch eine Wassersättigung des Porenraumes unmittelbar hinter dem geschädigten<br />
Gefügeabschnitt großflächig blockiert war.<br />
Dafür sprechen auch die Ergebnisse von Materialfeuchte- und Temperaturmessungen am<br />
Objekt (Wendler 1995) und vor allem Laboruntersuchungen von Riecken (1995) an<br />
geschädigten Terrakotten. Hierbei wurde nachgewiesen, daß die wärmere Außenzone der<br />
Platten im Tagesverlauf Feuchte aus einem offensichtlich großen Reservoir im Inneren<br />
aufnimmt. Der Temperaturanstieg an der Außenseite der Platten führt jedoch nicht zu einer<br />
nennenswerten Austrocknung des Materials. Diese Feststellung wird zunächst über regelmäßige<br />
Taupunktunterschreitungen als Folge nächtlicher Abkühlung erklärt. Gleichzeitig sollen niedrige<br />
Tagesmittelwerte zu einem raschen und dauerhaften Anstieg der relativen Feuchte in den<br />
überhygroskopischen Bereich und damit zu einer raschen Wassersättigung im Porenraum bei<br />
scheinbar trockener Oberfläche geführt haben.<br />
Im Gliederungspunkt 4.1.6 wurde die Wirkung von Auflagerungen und Krusten, oberflächennahen<br />
Gipshorizonten und aufgefächerten Paralleltexturen als Trocknungsblockade detailliert<br />
dargelegt. Die mißglückte Festigung ist der „experimentelle Beweis“ für die Trocknungsbehinderung<br />
und den Feuchtestau hinter geschädigten Gefügeabschnitten und einer direkten,<br />
für die Konservierung schwerwiegenden Folge.<br />
Durch die mikroskopischen Untersuchungen konnte der ursächliche Zusammenhang zwischen<br />
den Gefügestrukturen stark geschädigter Terrakotten und den daraus resultierenden bauphysikalischen<br />
Eigenschaften geklärt werden.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 104<br />
4.1.9.2 Kompressenbehandlung zur Gipsminderung<br />
Ziel der Kompressenbehandlung war es, den im oberflächennahen Porenraum der Terrakotten<br />
angereicherten Gips soweit zu mobilisieren, daß die kapillare Saugfähigkeit deutlich angehoben<br />
wird. Damit sollten die Erfolgsaussichten einer Schutzstoffaufnahme verbessert werden. Hierzu<br />
wurden zwei Ansätze verfolgt:<br />
1) Wasserkompressen<br />
2) Ammoniumkarbonat-Kompressen<br />
Nach Abnahme der Kompressen zeigten sich auf einigen Platten teils lockere, teils fest<br />
haftende Ausblühungen bzw. dünne, weiße Beläge (Abb. 104).<br />
Ziel der mikroskopischen Untersuchungen war es, die Ausblühungen zu charakterisieren und<br />
die Ursachen ihrer Entstehung zu klären.<br />
1) Wasserkompressen<br />
Technologie<br />
Schweriner Schloß<br />
Kompressenbehandlun<br />
g der Terrakotta<br />
(Wasser)<br />
Abb. 104:<br />
Plattenoberfläche mit<br />
weißen Ausblühungen<br />
nach Abnahme der<br />
Kompressen.<br />
Die Pfeile kennzeichnen<br />
Probenentnahmestellen<br />
.<br />
Auf die Terrakottaoberflächen wurde eine Lage Japanpapier aufgelegt. Dadurch sollte sichergestellt<br />
werden, daß die eigentliche Kompressenschicht nach der Anwendung rückstandsfrei<br />
entfernt werden kann (Krause 1995).<br />
Die Vornäßkompressen (650 g Arbocel pur 200 auf 4 Liter Wasser) dienten dem Wassereintrag<br />
in die Platten. Hierzu wurden sie über einen Zeitraum von einer Woche regelmäßig nachgenäßt.<br />
Als Schutz gegen Verdunstung des Wassers war es erforderlich, die Außenseite mit einer Folie<br />
zu bedecken.<br />
Nach Abschluß der Vornäßzeit sollten das eingetragene Wasser und die darin gelösten Salze<br />
über verdunstungsaktive Kompressen aus den Porträtterrakotten entfernt werden. Um die<br />
Verdunstung zu beschleunigen wurde die Porosität des Kompressenmaterials (Arbocel<br />
Compound AB) durch Zugabe von Vollglaskugeln und Quarzsand (Körnung 0,2 bis 0,4 mm)<br />
erhöht und auf eine Abdeckung verzichtet.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 105<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Auf den Oberflächen der mit Wasserkompressen behandelten Terrakotten waren Ausblühungen<br />
vorhanden, die als Tupfproben ohne zusätzliche Schädigung der Terrakottaoberflächen<br />
entnommen wurden.<br />
Bei der anschließenden Untersuchung im REM stellte sich heraus, daß es sich um Gips<br />
handelt. Die Identifizierung erfolgte mittels EDX-Analyse (ohne Abb.). Auffällig waren die<br />
kurzsäulige Morphologie und die stellenweise vorhandenen Anlösungsformen (Abb. 105).<br />
Häufig haben sich Gipsaggregate gebildet, die sich aus einzelnen, etwa 5 µm großen<br />
Kristalliten zusammensetzen.<br />
In den Gipsablagerungen sind häufig Papierfasern vorhanden, die von stark angelösten<br />
Gipskristallen umhüllt sind (Abb. 106).<br />
2) Ammoniumcarbonat-Kompressen<br />
Technologie<br />
Parallel zu den Wasserkompressen (s.o.) kam eine chemische Gipsumwandlung zur Anwendung,<br />
die für stark vergipste Wandmalereien entwickelt wurde. Die als Matteini-Verfahren<br />
bekannte Behandlung oberflächlicher Vergipsungen basiert auf der Umsetzung des Gipses mit<br />
Ammoniumcarbonat unter Bildung von Calcit und Ammoniumsulfat (Matteini 1994). Dabei<br />
entsteht leicht lösliches Ammoniumsulfat, das im vorliegenden Fall über eine Verdunstungskompresse<br />
aus den Platten entfernt werden sollte.<br />
Auf die übliche Nachbehandlung mit Bariumhydroxid, die zur Bildung von schwer löslichem<br />
Bariumsulfat führt, wurde verzichtet.<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
In den Ausblühungen, die an den Oberflächen der Platten auftraten, waren zwei Salze<br />
nachweisbar.<br />
Hauptbestandteil war - analog zu den Wasserkompressen - Gips, jedoch mit einer signifikant<br />
abweichenden Morphologie. Im Ergebnis der Ammoniumcarbonatbehandlung traten nadelige<br />
bis leistenförmige Gipsformen auf. Die Länge der einzelnen Kristalle betrug meist < 10 µm<br />
(Abb. 107).<br />
Weiterhin war an den Plattenoberflächen ein Salz nachweisbar, daß morphologisch, durch den<br />
Materialkontrast und über die EDX-Analyse vom Gips unterschieden werden konnte (Abb. 108).<br />
Im Elementspektrum tritt nur ein S-Peak auf (Abb. 109), sehr wahrscheinlich handelt es sich um<br />
Ammonium-Sulfat: (NH4)2[SO4].<br />
Mit dem Ziel, die chemische Umsetzung Gips → Calcit mikroskopisch nachzuweisen, wurden<br />
zusätzlich REM-Untersuchungen an Bruchflächen senkrecht zur Oberfläche durchgeführt.<br />
Dabei konnten im oberflächennahen Porenraum sehr vereinzelt Gips- und Calcitkristalle<br />
nachgewiesen werden. Die Gipskristalle zeigen sehr starke Lösungsformen, während die<br />
feinkristalline Calcitmorphologie typisch für Neubildungen ist (Abb. 110).
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 106<br />
Schweriner Schloß<br />
Kompressenbehandlung<br />
der Terrakotta (Wasser)<br />
Abb. 105:<br />
Gipsausblühungen als<br />
Folge der Wassereinwirkung<br />
während der Kompressenbehandlung.<br />
Kurzsäulige Kristallite mit<br />
Anlösungen<br />
(vgl. Abb. 107: Gipsmorphologien<br />
als Folge<br />
von Ammoniumcarbonateinwirkung).<br />
[REM-SE-Aufnahme an<br />
der Oberfläche]<br />
Abb. 106:<br />
Die Ausblühungen enthalten<br />
häufig Japanpapierfasern,<br />
die von einer<br />
feinkristallinen<br />
Gipsschicht umhüllt sind.<br />
Hieraus kann geschlossen<br />
werden, daß die<br />
Gipskristallisation<br />
während der<br />
Kompressenbehandlung<br />
erfolgte.<br />
[REM-SE-Aufnahme an<br />
der Oberfläche]<br />
Schweriner Schloß<br />
Kompressenbehandlung<br />
der Terrakotta (Ammoniumcarbonatlösung)<br />
Abb. 107:<br />
Gipsausblühungen als<br />
Folge der Ammoniumcarbonatbehandlung.<br />
Charakteristisch ist eine<br />
faserige Morphologie des<br />
Gipses.<br />
(vgl. Abb. 105: Gipsmorphologien<br />
als Folge<br />
von Wassereinwirkung)<br />
[REM-RE-Aufnahme an<br />
der Oberfläche]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 107<br />
Schweriner Schloß<br />
Kompressenbehandlung<br />
der Terrakotta (Ammoniumcarbonatlösung)<br />
Abb. 108:<br />
Ammoniumsulfatkristalle.<br />
Diese Ausblühungen sind<br />
die Folge unvollständiger<br />
Entfernung der Ammoniumsulfatlösung<br />
aus dem<br />
Porenraum der Terrakotta.<br />
[REM-RE-Aufnahme an<br />
der Oberfläche]<br />
Abb. 109:<br />
EDX-Spektrum der<br />
Kristalle in Abb. 108.<br />
Der S-Peak stammt vom<br />
Sulfat, Ammonium bzw.<br />
Stickstoff (N) war mit der<br />
EDX nicht nachweisbar.<br />
Alle weiteren Elemente im<br />
Spektrum sind auf die<br />
Anregung der Umgebung<br />
zurückzuführen.<br />
Abb. 110:<br />
Veränderungen im oberflächennahen<br />
Porenraum<br />
der Terrakotta.<br />
Im Ergebnis der Ammoniumcarbonatbehandlung<br />
hat eine Calcitneubildung<br />
stattgefunden (rechter<br />
Pfeil). Der linke Pfeil<br />
markiert einen stark<br />
angelösten Gipskristall.<br />
[REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfl.]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 108<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Ausblühungen gehören nicht zum eigentlichen Schadensbild der untersuchten Terrakotten, so<br />
daß ihre Entstehung spezielle Ursachen haben muß. Aus den mikroskopischen Analysen der<br />
Ausblühungen auf den Plattenoberflächen können die ursächlichen Zusammenhänge ihrer<br />
Entstehung mit den durchgeführten Kompressenbehandlungen zur Salzminderung nachgewiesen<br />
werden.<br />
1) Wasserkompressen<br />
Die Wasserkompressen-Anwendung hat zu einem Transport gelösten Gipses aus den<br />
Terrakotten geführt. In der Dokumentation zur Kompressenentsalzung (Krause 1995) wird<br />
darauf hingewiesen, daß während der Trocknungszeit der Verdunstungskompressen neben<br />
Rissen im Kompressenmaterial auch partielle Ablösungen vom Untergrund auftraten. Hierdurch<br />
wurde der kapillare Transport des gelösten Gipses aus der Terrakotta in die verdunstungsaktive<br />
Kompresse unterbrochen, was zu Gipskristallisation innerhalb dieses Luftspaltes zwischen<br />
Terrakotta und Kompresse geführt hat.<br />
Gipsumschlossene Japanpapierfasern in den Ausblühungen beweisen, daß die Gipskristallisation<br />
während der Kompressenbehandlung erfolgt sein muß.<br />
Im oberflächennahen Porenraum waren im REM keine signifikanten Veränderungen der<br />
Morphologie der Gipskristalle erkennbar. Damit konnte ein mikroskopischer Nachweis für die<br />
Öffnung von Wegsamkeiten in den Gipshorizonten als Folge der Wassereinwirkung nicht<br />
erbracht werden.<br />
2) Ammoniumcarbonat-Kompressen<br />
Die Applikation von Ammoniumcarbonatlösung mittels Kompressen hat ebenfalls zu Gipsausblühungen<br />
geführt, deren Auftreten wiederum eine Gipsmobilisierung und gleichzeitig einen<br />
stellenweise unzureichenden kapillaren Kontakt der Kompressen mit den sehr unregelmäßigen<br />
Oberflächenstrukturen der geschädigten Terrakotten beweist.<br />
Aufgrund der Unterschiede in den Kristallformen (faserige Kristalle bei Einwirkung von<br />
Ammoniumcarbonat gegenüber kurzsäuligen Gipskristallen bei Wassereinwirkung), wird ein<br />
Einfluß des Ammoniumcarbonats auf die entstehenden Gipsmorphologien angenommen.<br />
Das Auftreten von Ammonium-Sulfat-Ausblühungen belegt eine unvollständige Entfernung<br />
dieses stark hygroskopischen Zwischenproduktes aus dem Porenraum der behandelten Platten,<br />
was später zu großen Problemen führen kann.<br />
Im Ergebnis der REM-Untersuchungen konnte festgestellt werden, daß die chemische<br />
Umsetzung Gips → Calcit nur in geringem Umfang stattgefunden hat. Nach chemischen<br />
Analysen kam Wittenburg (1995) zu einer vergleichbaren Einschätzung.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 109<br />
4.1.9.3 Oberflächenkonsolidierung durch Schalenhaftmörtel und Schlämmen<br />
Eine erste Stabilisierung der mürben Gefüge stark geschädigter Terrakotten erfolgte über eine<br />
strukturelle Festigung (Gliederungspunkt 4.1.9.1).<br />
Es war jedoch zusätzlich erforderlich, das sehr uneinheitliche Saugverhalten über die Oberflächen<br />
möglichst anzugleichen. Das betraf insbesondere die Terrakotten, an denen noch<br />
größere Teile der Originaloberflächen erhalten waren. Hierbei war außerdem das Problem der<br />
auffächernden Randbereiche von Schalen zu lösen.<br />
Zur konservatorischen Behandlung dieser Zustände wurden von Mitarbeitern des Fachbereiches<br />
Chemie der Uni GH Siegen (BCS) ein Schalenhaftmörtel und zwei Glättmörtel<br />
entwickelt und an den Testflächen des Schweriner Schlosses appliziert.<br />
Der Schalenhaftmörtel soll einerseits lockere Schalen am Untergrund befestigen und<br />
andererseits als Anböschmörtel deren Randbereiche schließen.<br />
Aufgabe eines Glättmörtels ist es, als dünne, struktursichtige Schicht die Oberflächen zu<br />
konsolidieren und hinsichtlich ihrer hygrischen Eigenschaften zu homogenisieren.<br />
Die wesentlichen Bestandteile dieser Systeme (Schalenhaftmörtel, Glättmörtel Typ I und II) sind<br />
der Tabelle 12 zu entnehmen, die genauen Rezepturen, technologischen Eigenschaften und<br />
Kennwerte sind in Böttger (1995a) und (1995b) enthalten.<br />
Zusätzlich wurde eine Schlämme getestet, die auf der Basis eines wässrig-kolloidalen Silikasols<br />
hergestellt wurde (Typ III in Tabelle 12). Zur Erhöhung der Steifigkeit wurde amorphe<br />
Kieselsäure zugegeben (Wendler 1997).<br />
Die Applikation der Schlämme erfolgte in zwei Schritten. Zunächst wurde ein Grundanstrich mit<br />
dem reinen Bindemittel aufgetragen. Der anschließende Deckanstrich mit dem gleichen System<br />
enthielt zusätzlich Ziegelmehl als Füllstoff und Pigment.<br />
Tabelle 12: Bindemittel, Zuschläge und Zusätze der mineralischen Mörtel für die Oberflächenkonsolidierung<br />
von Terrakotten<br />
Bindemittel Hüttensand<br />
Gips<br />
PZ 45 F HS NA<br />
Füllstoffe Quarzmehl<br />
Glaskugeln<br />
Zusätze Stabilisator<br />
Verflüssiger<br />
Kunststoffdispersion<br />
Pigmente<br />
u.a.<br />
Schalenhaftmörtel / Glättmörtel / Schlämmen<br />
Anböschmörtel Typ I Typ II Typ III<br />
HOZ 35 I NW/HS NA<br />
Hydraulischer Kalk<br />
Hüttensand<br />
Gips<br />
PZ 45 F HS NA<br />
Silikasol<br />
X30/5<br />
W30/5<br />
Glaskugeln Glaskugeln Ziegelmehl<br />
Verflüssiger<br />
Pigmente<br />
u.a.<br />
Verflüssiger<br />
Pigmente<br />
u.a.<br />
amorphe<br />
Kieselsäure<br />
Abbildungen 111 112 und 113 114 bis 117<br />
An den genannten Systemen wurden lichtmikroskopische Untersuchungen zur Gefügebeurteilung<br />
(Homogenität, Risse etc.) sowie zur Bewertung der Haftung an den Terrakotten<br />
durchgeführt.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 110<br />
1) Schalenhaftmörtel / Anböschmörtel<br />
Mikroskopische Untersuchungen<br />
Der Schalenhaftmörtel ist in die seitlich zugänglichen Risse eingedrungen und haftet gut am<br />
aufgefächerten Gefüge aus Terrakotta und Gips (Abb. 111). Die maximal erreichte seitliche<br />
Eindringtiefe beträgt 1,2 mm, wobei der Aufbau der Lockerungszone diese Grenze gesetzt hat.<br />
Die innerhalb der geschädigten Gefüge vorhandenen Wegsamkeiten sind für die hoch viskosen<br />
Mörtelsysteme nicht erreichbar.<br />
Die Homogenität ist stellenweise nicht optimal. Lagenweise sind füllstoffarme Anreicherungen<br />
von Bindemittel und Pigment zu erkennen. Ursache hierfür ist wahrscheinlich die Auftragstechnik<br />
mit Feinspachtel und Pinsel in mehreren Arbeitsschritten.<br />
2) Glättmörtel / Schlämmen<br />
Mikroskopische Untersuchungen<br />
Die beiden Mörtelsysteme (Typ I und Typ II in Tabelle 12) weisen ein homogenes Gefüge auf<br />
und sind rißfrei erhärtet. Die Schichtdicken liegen zwischen 30 µm und 1,5 mm. Die<br />
mikroskopisch erkennbaren Unterschiede zwischen beiden Systemen sind vernachlässigbar.<br />
Aus diesem Grund erfolgt die Beschreibung beispielhaft am Typ I:<br />
In Abb. 112 ist das homogene Gefüge des Mörtels zu erkennen. Die Füllstoffe (Glaskugeln)<br />
und die Poren sind gleichmäßig verteilt. Die Haftung an den geschädigten Oberflächen ist sehr<br />
gut.<br />
Selbst bei der schwierigen Untergrundsituation eines aufblätternden Randbereiches aus<br />
Schalen und Schuppen ist die Haftung ohne Beanstandungen (Abb. 112 und 113).<br />
Die mikroskopischen Untersuchungen der Silikasolschlämme (Typ III in Tabelle 12) zeigen<br />
grundlegende Unterschiede in der Gefügeausbildung gegenüber den Mörtelsystemen.<br />
Charakteristisch für das kieselige Bindemittel sind breite, meist senkrecht zur Oberfläche<br />
orientierte Schwindrisse zwischen den Gelplatten (Abb. 114 und 115). Mikroskopisch ist ein<br />
zweischichtiger Auftrag nachweisbar. In der Grundierungsschicht sind keine Füllstoffe oder<br />
Pigmente vorhanden, während in der zweiten Schicht Ziegelmehl als Pigment enthalten ist.<br />
Die Gesamtschichtdicke schwankt zwischen 0,2 und 0,4 mm. Die Haftung an der geschädigten<br />
Terrakottaoberfläche ist gut.<br />
Das Ziegelmehl ist weitgehend homogen im Deckanstrich der Schlämme verteilt.<br />
Stellenweise sind bereits kurze Zeit nach Applikation der Silikasolschlämme Abplatzungen an<br />
den Terrakottaoberflächen aufgetreten (Abb. 116).<br />
Die lichtmikroskopische Untersuchung der abgeplatzten dünnen Schale zeigt, daß der Abriß<br />
nicht innerhalb der Schlämme, sondern in der geschädigten Terrakotta erfolgte (Abb. 117).<br />
Weiterhin ist zu erkennen, daß die Grundierung eine relativ dicke, schwindrißreiche Schicht auf<br />
der Terrakottaoberfläche gebildet hat. Hierauf befindet sich der pigmentierte Deckanstrich.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 111<br />
Schweriner Schloß<br />
Schalenhaftmörtel /<br />
Anböschmörtel<br />
Abb. 111:<br />
Anböschmörtel am stark<br />
geschädigten Gefüge der<br />
Terrakotta.<br />
Der Mörtel wurde seitlich<br />
an die aufgefächerte<br />
Terrakotta angetragen<br />
(rechter Bildteil, Pfeile).<br />
Die Haftung ist ohne<br />
Beanstandungen.<br />
Innerhalb des Anböschmörtels<br />
sind jedoch Inhomogenitäten<br />
durch lagenweise,<br />
zuschlagarme<br />
Anreicherungen von<br />
Bindemittel und Pigment<br />
zu erkennen.<br />
[PolMi-Aufnahme, + Pol.,<br />
Bildhöhe ca.1,7 mm]<br />
Schweriner Schloß<br />
Glättmörtel / Schlämme<br />
(Typ I)<br />
Abb. 112:<br />
Glättmörtel (Pfeile) über<br />
dem aufgefächerten<br />
Randbereich einer<br />
Schale.<br />
Das Gefüge ist homogen<br />
und die Haftung an der<br />
geschädigten Terrakotta<br />
ist ohne Beanstandungen.<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite ca.1,3 mm]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 112<br />
Schweriner Schloß<br />
Glättmörtel / Schlämme<br />
(System I)<br />
Abb. 113:<br />
Glättmörtel (System I) an<br />
der Oberfläche einer<br />
geschädigten Terrakotta.<br />
Die Pfeile markieren den<br />
Glättmörtel, dessen<br />
Schichtdicke etwa 0,25<br />
mm beträgt.<br />
Die Haftung ist ohne<br />
Beanstandungen.<br />
[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />
Bildbreite ca. 1,3 mm]<br />
Schweriner Schloß<br />
Glättmörtel / Schlämme<br />
(Typ III)<br />
Abb. 114:<br />
Silikasolschlämme an<br />
stark geschädigter Oberfläche<br />
(Pfeile). Charakteristisch<br />
für dieses Bindemittel<br />
sind Schwindrisse<br />
zwischen den<br />
„Gelplatten“.<br />
Als Pigment und Füllstoff<br />
wurde Ziegelmehl<br />
verwendet.<br />
[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />
Bildbreite ca. 1,3 mm]<br />
Abb. 115:<br />
Detail aus Abb. 114<br />
(90° gedreht):<br />
Die Grundierung ist nicht<br />
überall vorhanden. Stellenweise<br />
befindet sich der<br />
Deckanstrich unmittelbar<br />
auf der Terrakotta.<br />
Die Gesamtschichtdicke<br />
schwankt zwischen 0,2<br />
und 0,4 mm. Die Pfeile<br />
markieren den Deckanstrich.<br />
[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />
Bildbreite ca. 0,7 mm]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 113<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Schweriner Schloß<br />
Glättmörtel / Schlämme<br />
(Typ III)<br />
Abb. 116:<br />
Detail der Oberfläche<br />
einer Terrakottaplatte<br />
nach Applikation der<br />
Silikasolschlämme. An<br />
mehreren Stellen sind<br />
Abplatzungen festzustellen.<br />
Abb. 117:<br />
Abgeplatzte Schlämme<br />
aus Abb. 116 als Querschnitt<br />
im Lichtmikroskop.<br />
Die Grundierung (helle,<br />
rissige Schicht ohne<br />
Ziegelmehl) ist nicht<br />
eingedrungen.<br />
Der helle Saum an der<br />
Unterseite der Terrakotta<br />
wird durch Klebstoffreste<br />
aus der Präparation hervorgerufen.<br />
[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />
Bildbreite ca. 0,7 mm]<br />
Die mikroskopischen Untersuchungen der Schalenhaft- bzw. Anböschmörtel sowie der<br />
mineralischen Glättmörtel haben gezeigt, daß diese Materialien eine sehr gute Haftung, rißfreie<br />
Erhärtung und ein überwiegend gleichmäßiges Gefüge aufwiesen.<br />
Die in den Anwendungsbereichen dieser Systeme besonders ausgeprägten Oberflächen- und<br />
Gefügeschäden bilden einen komplizierten Untergrund, der aus Terrakotta, Gips sowie<br />
Schmutzfilmen oder -krusten bestehen kann. Nach mikroskopischen Bewertungskriterien sind<br />
die untersuchten Stoffsysteme sowohl für die Anböschung von Schalen als auch für die<br />
Behandlung rückgewitterter Oberflächen geeignet.<br />
Geringfügige Inhomogenitäten in den Anböschmörteln sind auf Entmischungen zurückzuführen,<br />
die durch die Applikationstechnik hervorgerufen werden (mehrlagiger Auftrag mit Spatel und<br />
Pinsel).
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 114<br />
Bei den Schlämmen auf Silikasolbasis sind stellenweise bereits nach kurzer Zeit Schäden<br />
aufgetreten. Aus den mikroskopischen Untersuchungen können Hinweise auf einen Einfluß der<br />
Schichtdicke der Grundierung auf die Schadensentstehung abgeleitet werden.<br />
An der abgeplatzten Schale war nachweisbar, daß die Vorbehandlung der Oberflächen mit<br />
reinem Bindemittel (ohne Füllstoffe und Pigmente) zur Ablagerung dieser Grundierungsschicht<br />
auf der Terrakotta geführt hat. Ursache hierfür war möglicherweise eine eingeschränkte<br />
Saugfähigkeit des Untergrundes. Die große Schichtdicke hat wahrscheinlich zu Spannungen<br />
während der Erhärtung geführt.<br />
Die dabei auftretenden Scherkräfte hatten die Ablösung dünner Schalen zur Folge, wobei der<br />
Abriß in der geschädigten Terrakotta erfolgte. Damit war eine der grundlegenden Forderungen<br />
an die Glättmörtel oder Schlämmen, im Falle fortschreitender Schäden als Opferschicht zu<br />
dienen, nicht erfüllt.<br />
An den geschädigten Terrakotta-Medaillonplatten ist stets mit sehr unterschiedlichen Zuständen<br />
des Untergrundes zu rechnen. Ein System, daß empfindlich auf die Beschaffenheit des<br />
Untergrundes reagiert, ist für die Konsolidierung nicht geeignet.<br />
Die mikroskopischen Untersuchungen belegen diese Beeinträchtigung für die Silikasolschlämme.<br />
Daher ist dieses Material für den vorliegenden Anwendungsfall nicht zu empfehlen.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 115<br />
4.2 Ziegelmauerwerk des Kampischen Hofes in Stralsund<br />
4.2.1 Thematische Schwerpunkte der durchgeführten mikroskopischen<br />
Untersuchungen<br />
Die Übersicht in Tabelle 13 zeigt, zu welchen Themenschwerpunkten am Ziegelmauerwerk<br />
des Kampischen Hofes mikroskopische Untersuchungen durchgeführt wurden. Außerdem<br />
wird auf die Gliederungspunkte verwiesen, in denen die Ergebnisse detailliert dargestellt und<br />
bewertet werden.<br />
Tabelle 13: Übersicht über die Themenschwerpunkte der mikroskopischen Untersuchungen<br />
am Ziegelmauerwerk des Kampischen Hofes in Stralsund<br />
Bauwerksbereich<br />
Themenschwerpunkte der<br />
mikroskopischen<br />
Untersuchungen<br />
Teilaspekt Gliederungspunkt<br />
Mikroskopische Charakterisierung des Ziegelmaterials 4.2.2<br />
Außenmauerwerk<br />
Innenmauerwerk<br />
Gefügeveränderungen und<br />
mikroskopische Schädigungsprofile<br />
(4.2.3)<br />
Auswirkungen der Witterung<br />
auf die NaCl-Kristallisation<br />
(4.2.4)<br />
Gefügeveränderungen und<br />
mikroskopische Schädigungsprofile<br />
(4.2.5)<br />
Auswirkungen einer Raumklimatisierung<br />
auf die NaCl-<br />
Kristallisation (4.2.6)<br />
- Intakte mittelalterliche Ziegel mit<br />
Ausblühungen<br />
- Schädigung mittelalterlicher<br />
Ziegel durch Gips<br />
- Schädigung mittelalterlicher<br />
Ziegel durch NaCl<br />
- Schädigung der Reparaturziegel<br />
des 19. Jh. durch NaCl<br />
- Feuchte Witterung und ergänzende<br />
Laborversuche<br />
4.2.3.1<br />
4.2.3.2<br />
4.2.3.3<br />
4.2.3.4<br />
4.2.4.1<br />
- Trockene Witterung 4.2.4.2<br />
- Gips im Schadensbild der<br />
mittelalterlichen Ziegel<br />
- NaCl im Schadensbild der<br />
mittelalterlichen Ziegel<br />
4.2.5.1<br />
4.2.5.2<br />
- Ausgangszustand 4.2.6.1<br />
- Zustand nach viermonatiger<br />
Klimatisierung<br />
Auswirkungen einer Kompressenbehandlung auf die Salze im<br />
oberflächennahen Porenraum<br />
Vergleich von Kryo-REM- und<br />
REM-Untersuchungen zur<br />
NaCl-Kristallisation (4.2.8)<br />
4.2.6.2<br />
4.2.7<br />
- Kryo-REM-Untersuchung 4.2.8.1<br />
- REM-Untersuchung 4.2.8.2<br />
Modell zum Schadensprozeß am Ziegelmauerwerk des Kampischen Hofes 4.2.9
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 116<br />
4.2.2 Mikroskopische Charakterisierung des Ziegelmaterials<br />
Nach den von Heinecke (1993) und Holst (1995) durchgeführten bauhistorischen Untersuchungen<br />
und Kartierungen können am S-Flügel des Kampischen Hofes anhand visueller<br />
Kriterien verschiedene Bau- und Reparaturphasen unterschieden werden, denen jeweils<br />
bestimmte Ziegelvarietäten zuzuordnen sind. Die flächenmäßig größten Anteile nehmen<br />
mittelalterliche Ziegel und Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts ein.<br />
Zur Gefügecharakterisierung wurden visuell unterschiedliche Ziegel der wesentlichen Baubzw.<br />
Reparaturphasen (Mittelalter, 19. Jh.) im Polarisationsmikroskop untersucht.<br />
Mittelalterliche Ziegel<br />
In einer glasig-amorphen Grundmasse sind die mineralischen Komponenten eingebettet. Die<br />
Farben der Ziegelmatrix im mikroskopischen Präparat unterschieden sich trotz gleicher<br />
Schliffdicke. Sie variieren, auch innerhalb eines Präparates, von gelblich/grünlich über hellbraun<br />
bis dunkelbraun. Ursache hierfür sind wahrscheinlich Schwankungen im Erdalkaligehalt.<br />
Höhere Ca-Gehalte führen zu helleren, gelblichen Ziegelfarben.<br />
Hauptbestandteil der mineralischen Komponenten ist Quarz. Untergeordnet sind auch Feldspäte<br />
(Plagioklas, Mikroklin), Glimmer (überwiegend Muskovit, vereinzelt Biotit), Gesteinsbruchstücke<br />
und Hämatitknollen enthalten. Das Größtkorn dieser Magerungsbestandteile<br />
beträgt etwa 1 mm. Größere Mineralkörner sind meist gerundet, kleinere häufig kantig.<br />
Glimmer ist nur in einzelnen Proben mikroskopisch nachzuweisen. Franke und Tubbesing<br />
(1989) nehmen an, daß sich Glimmerbestandteile in Ziegeln bei Brenntemperaturen über<br />
850° C zersetzen. Ihre Anwesenheit könnte damit als Hinweis auf entsprechend niedrige<br />
Brenntemperaturen gewertet werden.<br />
Folgende Gesteinsbruchstücke waren in den untersuchten Ziegeln enthalten: Granit,<br />
Magmatit, Tonstein, Quarzit, Sandstein, carbonatische Gesteinsbruchstücke.<br />
Die mittelalterlichen Ziegel weisen charakteristische Gefügeinhomogenitäten auf. Der<br />
mikroskopisch erkennbare Porenanteil ist stark schwankend und besteht aus sehr unterschiedlichen<br />
Hohlraum- bzw. Porenformen variierender Größe. Poröse Bereiche mit höheren<br />
Anteilen grober Mineralkörner können unmittelbar neben dichten Gefügeabschnitten mit<br />
wenigen, meist kleinen Mineralkörnern vorliegen (Abb. 118).<br />
Stellenweise treten gerichtete Gefügemerkmale (Quetschstrukturen und Falten im Ton sowie<br />
Texturen aus länglichen Poren und eingeregelten Mineralkörnern) auf. Sie sind auf das<br />
Kneten bzw. Einschlagen des Tones während der Handformgebung zurückzuführen.<br />
Ein weiteres Merkmal der mittelalterlichen Ziegel sind Toneinschlüsse, sogenannte<br />
Tonlunker. Sie sind rotbraun bis schwarz gefärbt, rundlich bzw. unregelmäßig geformt und<br />
weisen häufig nur punktuelle Kontakte mit der umgebenden Ziegelmatrix auf (Abb. 119).<br />
Offenbar tritt an diesen mineralkornarmen Inhomogenitäten während des Ziegelbrandes eine<br />
starke Volumenkontraktion ein. Durch diese Brennschwindung der Tonlunker entstehen<br />
zusätzliche Hohlräume im Scherbengefüge.<br />
Ziegel des 19. Jahrhunderts<br />
Diese Ziegel, die für Ausbesserungen in geschädigten Partien des Außenmauerwerkes<br />
verwendet wurden, können mikroskopisch aufgrund ihres höheren Mineralkorngehaltes, der<br />
erheblich größeren Porosität und des gleichmäßigeren Gefüges von den mittelalterlichen<br />
Ziegeln unterschieden werden (Abb. 120).<br />
Der Mineralbestand der Magerungskomponenten ist mit dem der mittelalterlichen Ziegel<br />
weitgehend identisch.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 117<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund<br />
Ziegelvarietäten<br />
Abb. 118:<br />
Mittelalterlicher Ziegel<br />
Poröses, inhomogenes<br />
Gefüge. Im rechten Teil<br />
des Bildes ist der Mineralkorngehalt<br />
geringer<br />
als in der linken Hälfte.<br />
[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />
Bildbreite ca.2,6 mm]<br />
Abb. 119:<br />
Mittelalterlicher Ziegel<br />
Beispiel für ein relativ<br />
dichtes Gefüge mit<br />
einzelnen, größeren<br />
Hohlräumen. Sie sind<br />
die Folge des starken<br />
Schwindens von Toneinschlüssen<br />
(im Bild<br />
dunkel) während des<br />
Ziegelbrandes.<br />
[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />
Bildbreite ca.2,6 mm]<br />
Abb. 120:<br />
Ziegel einer Reparatur<br />
des 19. Jahrhunderts<br />
Im Vergleich mit den<br />
mittelalterlichen Ziegeln<br />
(Abb. 118 und 119)<br />
wird der höhere<br />
Mineralkorngehalt und<br />
die erheblich größere<br />
Porosität deutlich.<br />
[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />
Bildbreite ca. 2,6 mm]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 118<br />
4.2.3 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile am<br />
Außenmauerwerk<br />
Am Mauerwerk des Kampischen Hofes in Stralsund sind alle für Ziegelbauten des<br />
Mittelalters typischen Schadensbilder anzutreffen. Die auftretenden Formen wurden in<br />
speziellen Schadenskartierungen erfaßt (Seebach 1993). Die folgende Beschreibung der<br />
Schadensbilder an den Ziegeln basiert auf der Terminologie eines Kataloges von Rademacher<br />
und Seebach (1998), der speziell zur Kartierung von Ziegelmauerwerk erarbeitet<br />
wurde:<br />
Schadensform Kurzbeschreibung<br />
Konvexe Rückwitterung Randzonenverlust, teilweise mit Höckerbildung<br />
Konkave Rückwitterung Kernverlust<br />
Innerhalb dieser Hauptformen werden weitere Kriterien unterschieden:<br />
Abschuppen Ablösung kleiner Ziegelpartikel (Fläche < 1cm 2 )<br />
Schalenbildung Ablösung dünner Schalen (Dicke < 1mm bis wenige mm)<br />
Ablösung dicker Schalen (Dicke mehrere mm bis cm)<br />
Absanden Ablösung kleiner, kompakter Ziegelpartikel<br />
Ausblühungen Lockere Aggregate kristalliner Salze<br />
Krusten Fest anhaftende Schicht an der Ziegeloberfläche<br />
- Schwarze Gipskrusten in geschützten Bereichen des<br />
Außenmauerwerkes<br />
- Salzkrusten am Innenmauerwerk<br />
Für die mikroskopischen Untersuchungen wurden kleine Stücke intakter sowie geschädigter<br />
Ziegel des Außenmauerwerks entnommen. Aus dem Probenmaterial wurden Dünnschliffe<br />
hergestellt und im Polarisationsmikroskop betrachtet. Außerdem erfolgte eine REM/EDX-<br />
Untersuchung an den mikrorauhen Sägeflächen der eingebetteten Ziegelstücke. An den<br />
stark geschädigten Reparaturziegeln des 19. Jh. wurden zusätzlich Kryo-REM-Untersuchungen<br />
nach vor Ort Kryo-Präparation durchgeführt.<br />
Die Erkenntnisse aus den umfassenden mikroskopischen Untersuchungen haben zu<br />
folgender Gliederung der Ergebnisse geführt:<br />
Intakte mittelalterliche Ziegel mit Ausblühungen (4.2.3.1)<br />
Schädigung mittelalterlicher Ziegel durch Gips (4.2.3.2)<br />
Schädigung mittelalterlicher Ziegel durch NaCl (4.2.3.3)<br />
Schädigung der Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts durch NaCl (4.2.3.4)<br />
4.2.3.1 Intakte mittelalterliche Ziegel mit Ausblühungen<br />
Diese Ziegel zeigen visuell keine Schäden. Die Oberflächen sind fest. Bei längerer Trockenheit<br />
im Sommer treten jedoch Salzausblühungen zutage. Dieser Zeitpunkt wurde mit den<br />
untersuchten Proben erfaßt.<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Im Polarisationsmikroskop ist eine etwa 50-100 µm dicke und kompakte Salzschicht an der<br />
Ziegeloberfläche nachweisbar (Abb. 121). Die Salzkruste verhält sich optisch isotrop, d.h. sie<br />
erscheint im einfach polarisierten Licht weiß (Abb. 121) und unter gekreuzten Polarisatoren<br />
einheitlich grau (Abb. 122). Die Polarisatoren sind in Abb. 122 nicht vollständig gekreuzt.<br />
Dadurch wird die Salzkruste nicht schwarz, sondern hellgrau wiedergegeben.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 119<br />
Diese Darstellung bietet den Vorteil, daß wichtige Details, z.B. die Unterscheidung der Salze<br />
vom Einbettungsmittel, besser erkannt werden können.<br />
In der REM-Untersuchung am Anschnitt zeigt die Salzkruste gegenüber der Ziegelmatrix<br />
einen sehr hellen Materialkontrast (Abb. 123). Die EDX-Analyse identifiziert das Salz als<br />
NaCl (Abb. 124).<br />
Bei den hellen Punkten im Ziegelgefüge handelt es sich nicht um Salz, sondern um<br />
Ziegelbestandteile (überwiegend Hämatit).<br />
Bei höherer Vergrößerung kann außerdem nachgewiesen werden, daß der oberflächennahe<br />
Porenraum salzfrei ist. Die harzgefüllten Poren erscheinen im Materialkontrast schwarz und<br />
können von den grauen bzw. weißen mineralischen Ziegelbestandteilen unterschieden<br />
werden (Abb. 125).<br />
In der PolMi-Aufnahme in Abb. 121 ist ein gelblicher Horizont unter der Oberfläche zu<br />
erkennen. Durch die REM/EDX-Untersuchung am Anschnitt wird ersichtlich, daß es sich<br />
hierbei nicht um einen (verdichteten) Salzhorizont handelt. Ursache der Farbunterschiede<br />
sind wahrscheinlich lokale Schwankungen im Erdalkaligehalt des Ziegels.<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Außenwand)<br />
Intakter mittelalterlicher<br />
Ziegel mit Ausblühungen<br />
Abb. 121:<br />
Kompakte NaCl-Kruste<br />
(weiße Schicht) auf intaktem<br />
Ziegel. Die gelbliche<br />
Färbung der Ziegelmatrix<br />
in Oberflächennähe wird<br />
durch Materialinhomogenitäten<br />
und nicht durch<br />
einen Salzhorizont hervorgerufen.<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]<br />
Abb. 122:<br />
Gleiche Probenstelle wie<br />
Abb. 121.<br />
Salzkruste unter nicht<br />
vollständig gekreuzten<br />
Polarisatoren. Das Salz<br />
erscheint einheitlich grau.<br />
Dieses optisch isotrope<br />
Verhalten ist ein<br />
deutlicher Hinweis auf<br />
NaCl.<br />
[PolMi-Aufnahme, + Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 120<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Außenwand)<br />
Intakter mittelalterlicher<br />
Ziegel mit Ausblühungen<br />
Abb. 123:<br />
Die NaCl-Kruste zeigt im<br />
Unterschied zur Ziegelmatrix<br />
einen sehr hohen<br />
Materialkontrast (ersichtlich<br />
als heller Saum am<br />
linken Bildrand). Der<br />
oberflächennahe Porenraum<br />
ist nicht durch Salzkristallisation<br />
verdichtet.<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
sägerauhen Anschnitt]<br />
Abb. 124:<br />
Elementspektrum der<br />
hellen Kruste in Abb. 123:<br />
Es sind nur Na und Cl<br />
nachweisbar. Dieser<br />
Elementbestand ist<br />
charakteristisch für NaCl.<br />
[EDX-Spektrum]<br />
Abb. 125:<br />
Detail aus Abb. 123.<br />
Oberflächennaher Porenraum<br />
bei höherer Vergrößerung.<br />
Die Wegsamkeiten<br />
sind offen, die<br />
Poren (im Bild dunkel<br />
aufgrund des geringen<br />
Materialkontrastes des<br />
Einbettungsmittels) sind<br />
nicht durch Salze<br />
verstopft.<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
sägerauhen Anschnitt]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 121<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Für die intakten mittelalterlichen Ziegel ist charakteristisch, daß bei trockener Witterung<br />
Salzausblühungen an den Ziegeloberflächen auftreten. Die Salzkrusten konnten im PolMi<br />
sowie mittels REM/EDX zweifelsfrei als NaCl identifiziert werden.<br />
Die Ziegelgefüge sind intakt und der Porenraum ist nicht durch Salze verdichtet. Es sind<br />
Wegsamkeiten bis zur Oberfläche vorhanden. Gips konnte in den untersuchten Proben<br />
mikroskopisch nicht nachgewiesen werden.<br />
Mit diesen Kenntnissen können die vorliegenden chemischen Salzanalysen interpretiert<br />
werden. Von Neumann (1993) wurde ein hoher Gehalt an leicht löslichen Salzen nachgewiesen,<br />
der im gesamten untersuchten Tiefenprofil (10 cm) etwa gleichbleibend hoch ist<br />
(Chlorid 1,3 M%, Nitrat: 0,3 M%). Der Gipsgehalt im oberflächennahen Tiefensegment<br />
(0-1,5 mm) ist sehr gering (
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 122<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Außenwand)<br />
Schädigung mittelalterlicher<br />
Ziegel durch Gips<br />
Abb. 126:<br />
Schalenbildung an einem<br />
mittelalterlichen Ziegel.<br />
Das Schadensbild zeigt<br />
starke Analogien zum<br />
Stadium II der Terrakottaverwitterung<br />
(vgl. Abb. 67).<br />
In der abgelösten Schale im<br />
oberen Teil des Bildes sind<br />
zahlreiche helle Gipsbänder<br />
(markiert durch Pfeile)<br />
zwischen Ziegellamellen zu<br />
erkennen.<br />
Auch im Randbereich hinter<br />
der Schale ist bereits Gips<br />
im Ziegelgefüge vorhanden<br />
(kurze, helle Bänder,<br />
markiert durch Pfeile).<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildhöhe ca. 2,5 mm]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 123<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Außenwand)<br />
Schädigung mittelalterlicher<br />
Ziegel durch Gips<br />
Abb. 127:<br />
Schalenbildung in der<br />
REM-RE-Darstellung.<br />
Das Ziegelgefüge ist an<br />
zahlreichen Stellen innerhalb<br />
der Schale sowie im<br />
Ziegel hinter der Schale<br />
verdichtet. Diese Bereiche<br />
weisen eine hohe<br />
Rückstreuintensität auf<br />
(hell).<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
sägerauhen Anschnitt]<br />
Abb. 128:<br />
Detail eines dichten<br />
Gefügebereiches aus<br />
Abb. 127.<br />
Die Verdichtung des<br />
Porenraumes wird durch<br />
Gipsabscheidung hervorgerufen<br />
(EDX-Analyse s.<br />
Abb. 130).<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
sägerauhen Anschnitt]<br />
Abb. 129:<br />
Detail eines unveränderten<br />
Gefügebereiches<br />
aus Abb. 127 (gleiche<br />
Abbildungsbedingungen<br />
wie Abb. 128).<br />
Im Materialkontrast erscheinen<br />
die vorhandenen<br />
Poren aufgrund der Tränkung<br />
mit organischem<br />
Harz schwarz.<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
sägerauhen Anschnitt]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 124<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Außenwand)<br />
Schädigung mittelalterlicher<br />
Ziegel durch Gips<br />
Abb. 130:<br />
Vergleich der integralen<br />
Elementspektren der Abb.<br />
128 (rote Kurve) und Abb.<br />
129 (blaue Kurve).<br />
Ca und S treten nur im<br />
Bildbereich von Abb. 128<br />
auf. Die Verdichtung des<br />
Porenraumes wird folglich<br />
durch Gips hervorgerufen.<br />
[EDX-Spektren]<br />
Abb. 131:<br />
Ziegelgefüge 2 cm<br />
unterhalb der Oberfläche<br />
(hinter der Schale). Es<br />
sind zahlreiche salzfreie<br />
Risse vorhanden, die<br />
wahrscheinlich durch<br />
Frosteinwirkung auf<br />
gestaute Feuchte entstanden<br />
sind.<br />
Durch die Schädigung ist<br />
eine Sekundärporosität<br />
entstanden (vgl. Abb. 129,<br />
gleiche Vergrößerung).<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
sägerauhen Anschnitt]<br />
Das vorgefundene mikroskopische Schadensbild ist durch die Ablösung einer dünnen,<br />
vergipsten Ziegelschale und erste Gefügeschäden durch Risse im Ziegel hinter der Schale<br />
gekennzeichnet. Derartige Profile wurden bereits an geschädigten Terrakotten im Fassadenbereich<br />
beobachtet und beschrieben (vgl. Gliederungspunkt 4.1.6.2).<br />
Die Gipsanreicherung im geschädigten Gefügeabschnitt wird durch die chemischen Salzanalysen<br />
von Neumann (1993) bestätigt. Im Tiefensegment 0-1,5 mm, also unmittelbar an<br />
der Oberfläche, beträgt der Gipsgehalt 9,5 M%. In 4,5 mm Tiefe liegt der Gipsgehalt bereits<br />
unter 0,1 M% und bleibt im Tiefenprofil auf diesem niedrigen Niveau.<br />
Der Gehalt an löslichen Salzen ist ebenfalls erhöht (Chlorid 0,5 M%, Nitrat 0,3 M%), zeigt<br />
aber eine fast gleichmäßige Verteilung über die gesamte analysierte Tiefe von etwa 12 cm.<br />
Aus den vorliegenden Gefügeschäden und der Gipsverteilung kann geschlossen werden,<br />
daß Frosteinwirkung auf hinter dem Gipshorizont gestaute Feuchte als Schadensursache<br />
anzusehen ist (vgl. hierzu Gliederungspunkt 4.1.8: Modell zum Schadensprozeß an Bauterrakotten<br />
im Fassadenbereich in Gegenwart von Gips).
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 125<br />
4.2.3.3 Schädigung mittelalterlicher Ziegel durch NaCl<br />
Das visuelle Schadensbild der betroffenen Ziegel wird durch Absanden sowie durch die<br />
Ablösung feiner Schuppen bestimmt (Abb. 132).<br />
Ausblühungen treten an diesen Ziegeloberflächen auch bei länger anhaltender, trockener<br />
Witterung nicht auf.<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
In der geschädigten Außenzone des Ziegels ist ein oberflächenparalleles Rißsystem vorhanden<br />
(Abb. 133). Der überwiegende Teil der Risse ist salzfrei. Bei höherer Vergrößerung<br />
ist jedoch zu erkennen, daß einzelne, schmale Teilbereiche der Risse am oberflächenabgewandten<br />
Ende des Rißsystems Salz enthalten (Abb. 134). Aufgrund seines optisch<br />
isotropen Verhaltens im PolMi kann das Salz als NaCl identifiziert werden.<br />
Gips war mikroskopisch nicht nachweisbar.<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Außenwand)<br />
Schädigung mittelalterlicher<br />
Ziegel durch NaCl<br />
Abb. 132:<br />
Schalen- und Schuppenablösung<br />
an einem mittelalterlichen<br />
Ziegel.<br />
Die mikroskopischen Untersuchungen<br />
wurden an einer<br />
Probe durchgeführt, die in<br />
der erkennbar geschädigten<br />
linken, unteren Ecke<br />
entnommen wurde.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 126<br />
Interpretation und Bewertung:<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Außenwand)<br />
Schädigung mittelalterlicher<br />
Ziegel durch NaCl<br />
Abb. 133:<br />
In der geschädigten<br />
Außenzone des Ziegels<br />
sind zahlreiche oberflächenparallele<br />
Risse<br />
vorhanden. Am linken<br />
Bildrand ist NaCl (weiß,<br />
markiert durch Pfeil) in<br />
einem Riß zu erkennen.<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 5,2 mm]<br />
Abb. 134:<br />
Oberflächenparallele<br />
Risse bei höherer<br />
Vergrößerung. Der durch<br />
die Bildmitte verlaufende<br />
Riß ist fast vollständig mit<br />
NaCl verfüllt (weißes<br />
Band, markiert durch<br />
Pfeile).<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]<br />
Im Gegensatz zu intakten mittelalterlichen Ziegeln mit witterungsabhängigen Ausblühungen<br />
treten an den erkennbar geschädigten Ziegeln auch im Sommer meist keine Salze an den<br />
Ziegeloberflächen zutage. Die Salzgehalte sind jedoch in beiden Fällen etwa gleich hoch. An<br />
den intakten mittelalterlichen Ziegeln mit zyklischen Ausblühungen wurden Werte von<br />
1,6 M% und an den geschädigten mittelalterlichen Ziegeln Salzgehalte bis 1,5 M% (jeweils<br />
Chlorid + Nitrat) ermittelt (Neumann 1993 bzw. Freyburg 1996c). Die Gipsgehalte liegen in<br />
beiden Fällen unter 0,1 M%.<br />
Die Ursachen der unterschiedlichen Erhaltungszustände bei vergleichbaren Salzgehalten<br />
werden durch die mikroskopischen Untersuchungen deutlich: Der geschädigte Ziegel weist<br />
ein oberflächenparalleles Rißsystem auf, in dem NaCl kristallisiert.<br />
Damit konnte nachgewiesen werden, daß sich die Kristallisationsfront im geschädigten<br />
Abschnitt des Ziegelgefüges befindet. Zyklische NaCl-Kristallisation führt zu einem allmählichen<br />
Verlust von Ziegelschuppen bzw. dünnen Schalen.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 127<br />
4.2.3.4 Schädigung der Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts durch NaCl<br />
Diese Ziegel sind in einer größeren Teilfläche der S-Wand wahrscheinlich im Zuge von<br />
Reparaturarbeiten vermauert worden und zeigen als charakteristisches Schadensbild eine<br />
konvexe Rückwitterung durch Absanden und Abschuppen (Abb. 135).<br />
Salzausblühungen treten an den Oberflächen dieser Ziegelvarietät auch bei länger anhaltender,<br />
trockener Witterung nicht auf.<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Im Gliederungspunkt 4.2.2 wurde bereits gezeigt, daß diese Ziegel einen deutlich höheren<br />
Anteil an mineralischen Komponenten und eine höhere Porosität als die mittelalterlichen<br />
Ziegel aufweisen (Abb. 120).<br />
Erste Hinweise auf die Ursachen der dominierenden Schadensform Absanden liefern die<br />
Untersuchungen im Polarisationsmikroskop. Der oberflächennahe Gefügeabschnitt ist bis in<br />
eine Tiefe von etwa 1 mm durch eine starke Auflockerung gekennzeichnet (Abb. 136). Der<br />
Ziegel zerfällt in einzelne, sehr kleine Partikel, die untereinander kaum in Verbindung stehen.<br />
Salze sind in der stark zerstörten Außenzone jedoch nur sehr vereinzelt vorhanden.<br />
Im vergleichsweise intakten Gefüge hinter der stark gelockerten Außenzone ist in 2-3 mm<br />
Tiefe ein Salzhorizont nachweisbar (Abb. 137). Ein Großteil des Porenraums des Ziegels ist<br />
mit NaCl gefüllt.<br />
Gips war mikroskopisch nicht nachweisbar.<br />
Durch die Untersuchung des Anschnittes im REM wird neben den Gefügeschäden auch die<br />
Salzverteilung im Ziegel deutlich. Die vorgefundenen Verhältnisse sind durch 3 Abbildungen<br />
dokumentiert, die in unterschiedlicher Entfernung von der Oberfläche aufgenommen wurden.<br />
Im oberflächennahen Gefügeabschnitt (bis in 1 mm Tiefe) ist die Auflösung des Gefüges in<br />
einzelne Partikel zu erkennen (Abb. 138). Die Zwischenräume sind salzfrei. Hinter der stark<br />
geschädigten Außenzone ist in etwa 2 mm Tiefe ein NaCl-Kristallisationshorizont im noch<br />
überwiegend ungeschädigten Gefüge vorhanden (Abb. 139). Hieran schließt sich das<br />
intakte, salzfreie Gefüge an (Abb. 140).<br />
Schließlich wurde eine Kryo-REM-Untersuchung an einem vor Ort kryo-präparierten Ziegelstück<br />
durchgeführt. Der NaCl-Kristallisationshorizont ist deutlich erkennbar (Abb. 141). Er<br />
befindet sich unterhalb der Oberfläche in etwa 1 bis 2 mm Tiefe.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 128<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Außenwand)<br />
Schädigung der Rep.ziegel<br />
des 19. Jh. durch NaCl<br />
Abb. 135:<br />
Charakteristisches Schadensbild<br />
an den<br />
Reparaturziegeln einer<br />
Mauerwerksausbesserung<br />
um 1850: Konvexe<br />
Rückwitterung durch<br />
Absanden, stellenweise<br />
Schuppenbildung.<br />
Abb. 136:<br />
Mikroskopisches Schadensbild<br />
des sandenden<br />
Ziegels in Abb. 135.<br />
Das Ziegelgefüge zerfällt<br />
in der Außenzone in sehr<br />
kleine Partikel (Oberfläche<br />
links im Bild). Kristalline<br />
Salze sind nicht vorhanden.<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]<br />
Abb. 137:<br />
Weitgehend intaktes<br />
Ziegelgefüge in etwa 2 mm<br />
Tiefe.<br />
Im Porenraum des gelbbraunen<br />
Bereiches im<br />
Zentrum des Bildes ist<br />
kristallines NaCl als weiße<br />
Zwickelfüllung erkennbar.<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 129<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Außenwand)<br />
Schädigung der Rep.ziegel<br />
des 19. Jh. durch NaCl<br />
Abb. 138:<br />
Stark gelockertes Gefüge<br />
in der sandenden Außenzone.<br />
Zwischen den<br />
Ziegelpartikeln sind keine<br />
Salze vorhanden (vgl. Abb.<br />
139 und 140).<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
sägerauhen Anschnitt]<br />
Abb. 139:<br />
Ziegelgefüge hinter der<br />
stark gelockerten Außenzone<br />
(Tiefe etwa 2 mm).<br />
Es befinden sich erhebliche<br />
Mengen kristallines<br />
NaCl im Porenraum des<br />
noch intakten Gefüges<br />
(weiße Bereiche).<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
sägerauhen Anschnitt]<br />
Abb. 140:<br />
Intaktes, salzfreies Gefüge<br />
in 2 cm Tiefe.<br />
Der helle Bereich in der<br />
Nähe der Bildmitte ist ein<br />
Hämatitkorn.<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
sägerauhen Anschnitt]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 130<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Außenwand)<br />
Schädigung der Rep.ziegel<br />
des 19. Jh. durch NaCl<br />
Abb. 141:<br />
Kryo-REM-Serie,<br />
aufgenommen an einer vor<br />
Ort kryo-präparierten<br />
Bruchfläche (Bildhöhe<br />
etwa 2,5 mm).<br />
Unmittelbar an der Oberfläche<br />
(im Bild oben) ist ein<br />
einzelnes NaCl-Aggregat<br />
vorhanden. Der größte Teil<br />
des NaCl kristallisiert<br />
jedoch im Inneren des<br />
Ziegels (Pfeile).<br />
Durch die Unterschiede im<br />
Materialkontrast kann das<br />
hell erscheinende NaCl gut<br />
vom dunkleren Ziegel<br />
unterschieden werden.<br />
Damit ist es möglich, die<br />
Lage der Kristallisationsfront<br />
im Inneren des<br />
Ziegels zu lokalisieren.<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfl.]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 131<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Die größten Schäden des gesamten Außenmauerwerkes treten im Bereich einer Reparatur<br />
des 19. Jahrhunderts auf.<br />
Das hierfür verwendete Ziegelmaterial weist eine hohe Porosität und Wasseraufnahme,<br />
einen hohen w-Wert (10-25 kg/m 2 h 0,5 ) sowie niedrige Festigkeiten auf und ist als nicht frostbeständig<br />
einzustufen (Freyburg 1997).<br />
In den chemischen Salzanalysen wurden in der Schadenszone sehr hohe NaCl-Konzentrationen<br />
bis 4,7 M% ermittelt (Neumann 1993). Der Feuchtegehalt zum Beprobungszeitpunkt<br />
betrug etwa 1,5 Gew.% und lag damit auf einem niedrigen Niveau.<br />
Durch die mikroskopischen Untersuchungen konnte die starke Rückwitterung dieser Ziegel<br />
auf folgende Ursachen zurückgeführt werden:<br />
Aus der hohen Porosität resultiert die Eigenschaft, rasch große Mengen Wasser bzw. Salzlösung<br />
aufzunehmen und zu transportieren. In umgekehrter Richtung kann eine Salzlösung<br />
rasch Wasser abgeben und damit übersättigen.<br />
Dieses spezifische Verhalten hat Einfluß auf die Lage der Kristallisationsfront. Ein Gleichgewicht<br />
zwischen der Verdunstungsrate der Salzlösung und dem Lösungstransport über das<br />
Kapillarsystem des Ziegels stellt sich bereits unterhalb der Ziegeloberfläche ein. Das hat zur<br />
Folge, daß NaCl nicht als Ausblühung an der Oberfläche, sondern im Porenraum des Ziegels<br />
kristallisiert.<br />
Wesentlich ist, daß die Kristallisation überwiegend hinter der stark geschädigten, sandenden<br />
Außenzone im noch weitgehend intakten Gefüge erfolgt. Unter den Bedingungen am<br />
Außenmauerwerk wird die Gleichgewichtsfeuchte von NaCl (75 %) vor allem im Sommer<br />
mehrfach durchlaufen. Bei der Überschreitung geht zuvor ausgeschiedenes NaCl in Lösung,<br />
bei Unterschreitung erfolgt NaCl-Kristallisation. Dabei entstehen zyklisch Drücke, die<br />
Gefügelockerungen und irreversible Dehnungen hervorrufen. Durch das sukzessive<br />
Absanden gelockerter Ziegelpartikel wandert die Kristallisationsfront kontinuierlich nach<br />
innen. Die vorliegenden Rückwitterungstiefen von über 9 cm belegen den sehr dynamischen<br />
Verlauf dieses Prozesses.<br />
Die vorliegende Schadensform Absanden ist das charakteristische Erscheinungsbild einer<br />
Schädigung durch leicht lösliche Salze.<br />
Frost ist aufgrund der hohen Salzgehalte und der damit verbundenen Gefrierpunkterniedrigung<br />
als Schadensursache wahrscheinlich von untergeordneter Bedeutung.<br />
Der Gipsgehalt beträgt 0,3 M% und spielt im Schadensprozeß keine Rolle.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 132<br />
4.2.4 Einfluß der Witterung auf die NaCl-Kristallisation am Außenmauerwerk<br />
Für diese Untersuchungen wurden an der S-Wand des Kampischen Hofes Ziegelstücke der<br />
verschiedenen Varietäten bei unterschiedlichen Witterungsverhältnissen entnommen und<br />
nach vor Ort Kryo-Präparation im REM untersucht.<br />
Die Proben repräsentieren typische klimatische Verhältnisse am Bauwerk, deren Einfluß auf<br />
die Feuchte- und Salzverteilung in den Ziegeln zu bewerten war.<br />
Zusätzlich wurden an Teilstücken im Labor bestimmte Feuchtezustände erzeugt und anschließend<br />
mikroskopisch untersucht.<br />
Feuchte Witterung und ergänzende Laborversuche (4.2.4.1)<br />
• Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts (Salz- und Feuchtegehalt nicht bestimmt)<br />
Kryo-REM-Untersuchung nach vor Ort Kryo-Präparation<br />
• Mittelalterliche Ziegel (Salz- und Feuchtegehalt nicht bestimmt)<br />
Kryo-REM-Untersuchung nach<br />
- vor Ort Kryo-Präparation<br />
- Lagerung und damit Trocknung im Labor<br />
- Entsalzung und Einwirkung von Kondensationsfeuchte<br />
Trockene Witterung (4.2.4.2)<br />
• Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts (Chlorid 2,9 M%, Nitrat: 0,3 M%)<br />
Kryo-REM-Untersuchung nach vor Ort Kryo-Präparation<br />
• Mittelalterliche Ziegel (Chlorid 0,5 M%, Nitrat: 0,3 M%)<br />
Kryo-REM-Untersuchung nach vor Ort Kryo-Präparation<br />
4.2.4.1 Feuchte Witterung und ergänzende Laborversuche<br />
Die Probenentnahme erfolgte am zweiten Tag einer länger anhaltenden Niederschlagsperiode<br />
im Spätherbst bei einer Außentemperatur von etwa +3°C. Während der Beprobung<br />
fiel Regen, die Entnahmestellen waren jedoch nicht der direkten Beregnung ausgesetzt.<br />
Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts - Mikroskopische Beschreibung<br />
Im Porenraum der Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts, die während einer Regenperiode<br />
entnommen, vor Ort kryo-präpariert und anschließend im Kryo-REM untersucht wurden,<br />
traten zahlreiche wabenförmige Strukturen auf (Abb. 142). Neben dieser auffälligen Form<br />
war die hohe Rückstreuintensität (Helligkeit) in der RE-Abbildung charakteristisch. Durch die<br />
EDX-Analyse konnten in den Waben hohe Na- und Cl-Gehalte nachgewiesen werden (Abb.<br />
143). NaCl-Formen mit erkennbaren Kristallflächen traten nicht auf.<br />
Mittelalterliche Ziegel - Mikroskopische Beschreibung<br />
Unmittelbar nach der Entnahme wurden die Ziegelproben in 3 Teile geteilt.<br />
Am ersten Teilstück erfolgte, nach Kryo-Präparation vor Ort, die Untersuchung im Kryo-<br />
REM:
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 133<br />
Im Porenraum der mittelalterlichen Ziegel traten ähnliche Strukturen auf, die bereits an den<br />
Reparaturziegeln des 19. Jh. festgestellt wurden (Abb. 144).<br />
Kennzeichnend waren Menisken und schmale Stege, in denen erhöhte Na- und Cl-Gehalte<br />
nachweisbar waren.<br />
Ein zweites Teilstück wurde an der Laborluft gelagert und nach 7 Tagen auf herkömmliche<br />
Weise im REM untersucht:<br />
Im Porenraum dieses Ziegelstückes war an zahlreichen Stellen kristallines NaCl vorhanden<br />
(Abb. 145). Die hypidiomorphen Kristallformen näherten sich den Gleichgewichtsformen.<br />
Außerdem wiesen die Porenwandungen rauhere Oberflächen als die kryo-präparierten Teilstücke<br />
auf. Salzfilme waren fast nicht mehr vorhanden.<br />
Das dritte Teilstück wurde viermal 1,5 Stunden in 100 ml deionisiertem Wasser entsalzen<br />
und anschließend in einer teilweise wassergefüllten Box auf einem Gitter oberhalb des<br />
Wasserspiegels gelagert. Nachdem Kondenswasserbildung an der Ziegeloberfläche zu<br />
erkennen war, erfolgte nach Kryo-Präparation die Untersuchung einer frischen Bruchfläche<br />
im Kryo-REM.<br />
Auf den Wandungen größerer Poren konnten Wasserfilme erkannt und abgebildet werden<br />
(Abb. 146). Aufgrund ihrer geringen Rückstreuintensität erscheinen sie dunkler als der<br />
Ziegel. Charakteristisch ist auch der Elementbestand. In der EDX-Analyse zeigen Wasserfilme<br />
nur einen O-Peak (Abb. 147).<br />
Bei den gegebenen Feuchteverhältnissen waren größere Poren durch Wasserfilme ausgekleidet,<br />
d.h. oberflächlich benetzt. Kleinere Kapillarporen und feine Risse waren meist<br />
wassergefüllt.<br />
4.2.4.2 Trockene Witterung<br />
Die Probenentnahme erfolgte während einer längeren Trockenperiode im Sommer an den<br />
gleichen Ziegeln, die bereits bei regnerischem Wetter untersucht wurden.<br />
Mittelalterliche Ziegel mit geringerem Salzgehalt - Mikroskopische Beschreibung<br />
Bereits visuell waren an den Ziegeloberflächen starke Ausblühungen zu erkennen, die in der<br />
Regenperiode nicht vorhanden waren.<br />
Abb. 148 zeigt die Kryo-REM-Aufnahme einer Bruchfläche senkrecht zur Oberfläche. Die<br />
Ausblühungen liegen als kompakte, etwa 100 µm dicke Salzschicht auf dem Ziegel. Über die<br />
hohe Rückstreuintensität und die EDX-Analyse konnte nachgewiesen werden, daß es sich<br />
um eine NaCl-Kruste handelt.<br />
Im Gegensatz zur Feuchtperiode sind im Porenraum keine Salzwaben oder -stege<br />
vorhanden. Na und Cl sind mit der EDX praktisch überall nachweisbar, aber nicht lokalisierbar.<br />
Reparaturziegel 19. Jh. mit hohem Salzgehalt - Mikroskopische Beschreibung<br />
Dieses Ziegelmaterial zeigt trotz hoher Gehalte leicht löslicher Salze auch in Trockenperioden<br />
keine Ausblühungen.<br />
Im Unterschied zu den mittelalterlichen Ziegeln ist im Porenraum der Reparaturziegel des<br />
19. Jahrhunderts unter gleichen Beprobungs- und Untersuchungsbedingungen kristallines<br />
NaCl nachweisbar (vgl. Abb. 141).
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 134<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Außenwand)<br />
Feuchte Witterung<br />
Abb. 142:<br />
Reparaturziegel 19. Jh.<br />
Charakteristisch sind<br />
wabenförmige Salzstrukturen<br />
im Porenraum<br />
des Ziegels (EDX-Analyse<br />
s. Abb. 143)<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 143:<br />
Reparaturziegel 19. Jh.<br />
EDX-Spotmessung in den<br />
Waben in Abb. 142.<br />
Es sind hohe Na- und Cl-<br />
Gehalte nachweisbar.<br />
Folglich handelt es sich um<br />
NaCl-Strukturen.<br />
[EDX-Spektrum]<br />
Abb. 144:<br />
Mittelalterlicher Ziegel<br />
Stege und Menisken<br />
(markiert durch Pfeile) im<br />
Porenraum.<br />
Auch in diesen, gegenüber<br />
Abb. 142 weniger<br />
ausgeprägten Strukturen,<br />
sind die Na- und Cl-<br />
Gehalte erhöht.<br />
[Kryo-REM-SE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 135<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Außenwand)<br />
Probenlagerung im Labor<br />
und herkömml. REM-Unt.<br />
Abb. 145:<br />
Mittelalterlicher Ziegel<br />
NaCl-Kristalle im Porenraum.<br />
Die Porenwandungen<br />
sind rauh, Salzfilme<br />
oder Salzwaben treten<br />
nicht auf (vgl. Abb.144,<br />
gleiches Probenmaterial im<br />
Kryo-REM).<br />
[REM-SE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund<br />
Kondensationsfeuchte<br />
Abb. 146:<br />
Mittelalterlicher Ziegel<br />
Wasserfilme am Boden<br />
einer aufgebrochenen,<br />
länglichen Pore. Aufgrund<br />
der geringen Rückstreuintensität<br />
unterscheiden<br />
sich die dunklen Strukturen<br />
des Wassers gut von der<br />
Ziegelmatrix (EDX-Analyse<br />
s. Abb. 147).<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 147:<br />
Mittelalterlicher Ziegel<br />
EDX-Spotmessung der<br />
dunklen Strukturen am<br />
Boden der Pore in Abb.<br />
146.<br />
In der EDX-Analyse zeigen<br />
Wasserfilme lediglich einen<br />
O-Peak.<br />
[EDX-Spektrum]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 136<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Außenwand)<br />
Trockene Witterung<br />
Abb. 148:<br />
Mittelalterlicher Ziegel<br />
Salzkruste an der Außenseite<br />
des Ziegels. Die<br />
kompakte NaCl-Kruste ist<br />
als helle Auflagerung an<br />
der Ziegeloberfläche zu<br />
erkennen.<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Länger anhaltende hohe Luftfeuchtigkeiten, die für Schlechtwetterperioden typisch sind,<br />
führen auch an nicht schlagregenexponierten Ziegeloberflächen zu einem Verschwinden der<br />
NaCl-Ausblühungen.<br />
Die Kryo-REM-Untersuchungen haben gezeigt, daß sich die leicht löslichen Salze bei hohen<br />
Luftfeuchtigkeiten ins Innere der Ziegel zurückziehen. Im Porenraum treten Salzwaben bzw.<br />
Salzstege auf, deren Entstehung noch nicht geklärt ist. Möglicherweise handelt es sich um<br />
Entmischungsartefakte, die während des Einfriervorganges an gering gesättigten<br />
Salzlösungen entstanden sind. Aufgrund einer zu geringen Abkühlgeschwindigkeit konnte<br />
die Salzlösung nicht in situ fixiert werden. An einigen Stellen deuten Negativabdrücke von<br />
(Eis?)-Kristallen als Wabenformen darauf hin, daß Wasser aus der Lösung abgegeben<br />
wurde und zwischen den Salzstegen gefroren ist.<br />
Es bleibt die Frage offen, warum diese Eiskristalle in den Waben nicht vorgefunden wurden.<br />
Trotz hoher Luftfeuchtigkeit und hoher Salzgehalte war keine Salzlösung im Porenraum der<br />
Ziegel nachweisbar. Als Erklärung kann folgende Beobachtung während der vor Ort Kryo-<br />
Präparation herangezogen werden: Die ersten 2-3 mm der mittelalterlichen Ziegel wiesen ein<br />
hellere Färbung als der dahinter befindliche Scherben auf. Bei Raumtemperatur nahmen die<br />
Ziegel nach kurzer Zeit eine gleichmäßig helle Färbung an. Das bedeutet, daß die<br />
oberflächennahe Schicht bei der Probenentnahme trockener war als tiefere Materialabschnitte.<br />
Diese Vermutung wird durch die Untersuchungen von Neumann (1993) zur Salzverteilung<br />
gestützt, aus denen sich Anhaltspunkte für einen Rückzug der Salzlösung bei feuchter<br />
Witterung ins Innere der Ziegel ergaben. An einigen Proben traten im zweiten untersuchten<br />
Tiefensegment (5-10 mm) höhere Gehalte an leicht löslichen Salzen als im ersten Segment<br />
(0-5 mm) auf.<br />
Die Kryo-REM-Untersuchungen wurden jedoch stets im vordersten, trockeneren Ziegelstück<br />
durchgeführt (Segment 0-5 mm).<br />
Während der Trockenperioden führen die höheren Tagestemperaturen und die geringere<br />
Luftfeuchtigkeit zu NaCl-Ausblühungen an den Ziegeloberflächen. Bei diesen Witterungsverhältnissen<br />
treten im Porenraum keine Entmischungsartefakte in Form von Salzwaben<br />
oder -stegen auf. Na und Cl sind mit der EDX in geringen Mengen nachweisbar, aber nicht<br />
lokalisierbar.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 137<br />
Die Lagerung einer bei feuchter Witterung entnommenen Ziegelprobe im Labor hat zur<br />
NaCl-Kristallisation im Porenraum geführt. Die hypidiomorphen Formen der NaCl-Kristalle<br />
nähern sich den Gleichgewichtsformen und sind charakteristisch für Trocknungsartefakte.<br />
Damit unterscheiden sich die Ergebnisse dieser herkömmlichen REM-Untersuchung<br />
grundlegend von denen der Kryo-REM-Untersuchung. In Gegenwart leicht löslicher Salze<br />
und hoher Materialfeuchte führen Transport und Lagerung zu Veränderungen im Probenmaterial.<br />
Eine herkömmliche Probenbehandlung und REM-Untersuchung erfaßt bezüglich<br />
Salzmorphologien und Salzverteilung nicht die Verhältnisse, die zum Beprobungszeitpunkt<br />
im Porenraum des Ziegels vorgelegen haben. Die Folgen sind Fehlinterpretationen.<br />
Feuchtigkeit, die an der Ziegeloberfläche kondensiert und Wassertropfen bildet, wird vom<br />
porösen Ziegel kapillar aufgenommen und kann als Wasserfilm auf Porenwandungen sowohl<br />
morphologisch (SE-Abbildung) als auch durch den Materialkontrast (RE-Abbildung) und über<br />
das charakteristische EDX-Spektrum sicher nachgewiesen und von Ziegelbestandteilen oder<br />
Salzlösung unterschieden werden.<br />
An den Wandungen größerer Poren bilden sich Wasserfilme. Kleinere Kapillarporen und<br />
feine Risse sind meist wassergefüllt.<br />
4.2.5 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile am Innenmauerwerk<br />
Nicht nur an den Ziegeln des Außenmauerwerkes treten Schäden auf, sondern auch an<br />
denen der Innenwände. Es können folgende Hauptschadensbilder am Innenmauerwerk<br />
unterschieden werden:<br />
• Oberflächenparallele bis konkave Rückwitterungen durch Absanden, teilweise in Verbindung<br />
mit Schalen- oder Schuppenbildung. Im fortgeschrittenen Stadium betragen die<br />
Rückwitterungstiefen bis 5 cm.<br />
• Salzausblühungen (NaCl). Ziegel mit sehr geringen Ausblühungen und Ziegel mit<br />
flächendeckenden Salzkrusten befinden sich in umittelbarer Nachbarschaft.<br />
Zur Differenzierung dieser Schadensbilder wurden folgende Kriterien definiert, statistisch<br />
erfaßt und in Kartierungen dokumentiert:<br />
Nomenklatur Kriterium<br />
h bzw. d Einteilung der „Ziegelvarietäten“ in helle und dunkle Ziegel<br />
M bzw. O Unterscheidung von Ziegeln mit und ohne Materialverlust<br />
30, 30-70, 70 Grad der Salzausblühungen (prozentualer Anteil auf den Oberflächen;<br />
30: gering (< 30%); 30-70: mittel (30-70%); 70: stark (>70%)<br />
S Schalenbildung<br />
K Krusten<br />
T Texturen<br />
Damit war es möglich, ungeschädigte und geschädigte Ziegel unter Berücksichtigung<br />
vorhandener Ausblühungen nicht nur visuell zu unterscheiden, sondern auch quantitativ zu<br />
erfassen und gezielt zu untersuchen:<br />
O / x / h oder d bzw. M / x / h oder d (x : 30; 30-70, 70)<br />
Die detaillierte Darstellung der mikroskopischen Untersuchungsergebnisse zu den Schädigungsprozessen<br />
am Innenmauerwerk wird nach folgender Gliederung vorgenommen:<br />
Gips im Schadensbild der mittelalterlichen Ziegel (4.2.5.1)<br />
NaCl im Schadensbild der mittelalterlichen Ziegel (4.2.5.2)
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 138<br />
Alle untersuchten Proben stammen von der südlichen, fensterlosen Innenwand des<br />
S-Flügels des Kampischen Hofes (1. und 2. OG). Dieser unbeheizte Gebäudeteil wurde in<br />
der Vergangenheit überwiegend als Speicher genutzt. Die Fensteröffnungen im Mauerwerk<br />
(N- und O-Wand) sind meist nicht verglast. Aufgrund des ungehinderten Zutritts der Außenluft<br />
ist im Winter also auch im Innenraum mit Frost zu rechnen.<br />
Durch mikroskopische Untersuchungen sollten Gefügeveränderungen festgestellt und<br />
beschrieben und hinsichtlich der Ursachen interpretiert werden.<br />
Aufgrund der Erfahrungen am Außenmauerwerk standen Kryo-REM-Untersuchungen nach<br />
vor Ort Kryo-Präparation im Vordergrund. Außerdem wurden von allen Proben Dünnschliffe<br />
angefertigt und im Polarisationsmikroskop untersucht. Die zugehörigen Anschnitte standen<br />
für REM/EDX-Untersuchungen zur Verfügung.<br />
4.2.5.1 Gips im Schadensbild der mittelalterlichen Ziegel<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Gipses und deren Auswirkungen werden an<br />
den folgenden 3 Beispielen dargestellt:<br />
1. Abb. 149 zeigt einen mittelalterlichen Ziegel, an dessen Oberfläche stellenweise Salzausblühungen<br />
vorhanden sind. Bei der Untersuchung im Polarisationsmikroskop stellte<br />
sich heraus, daß hier eine zweischichtige Kruste vorliegt (Abb. 150 und 151). Unmittelbar<br />
auf dem Ziegel befinden sich leistenförmige, idiomorphe Gipskristalle (Kristallitgröße bis<br />
0,1 mm), die von einer NaCl-Schicht überlagert werden. Durch die charakteristischen<br />
morphologischen und kristalloptischen Eigenschaften der beiden Salze ist die Identifizierung<br />
und Unterscheidung bereits im PolMi möglich. NaCl ist optisch isotrop und<br />
erscheint unter gekreuzten Polarisatoren einheitlich grau, während der doppelbrechende<br />
Gips aufgrund der verschiedenen Orientierungen der Kristallindividuen Färbungen<br />
zwischen weiß und dunkelgrau aufweist (Abb. 151).<br />
Durch die Untersuchung des Anschnittes im REM wird deutlich, daß im Porenraum des<br />
Ziegels unter der Salzkruste keine Salzanreicherungen vorliegen (Abb. 152).<br />
2. Gipsanreicherungen treten auch in Gefügeinhomogenitäten auf. Dabei ist Gips überwiegend<br />
in Rissen, größeren Poren und Hohlräumen lokalisiert (Abb. 153). Charakteristische<br />
Morphologien sind leistenförmige, hypidiomorphe bis idiomorphe Kristalle. Die<br />
Porosität der umgebenden Ziegelmatrix ist nicht reduziert.<br />
Häufig ist in den betreffenden Hohlräumen neben Gips auch kristallines NaCl vorhanden<br />
(Abb. 153).<br />
3. Grundlegend andere Verhältnisse bezüglich der Lokalisierung des Gipses und seiner<br />
Auswirkungen zeigt das folgende Beispiel:<br />
Im Polarisationsmikroskop ist kein Gips an der Ziegeloberfläche nachweisbar (Abb. 154).<br />
Die Helligkeitsunterschiede der Ziegelmatrix sind angesichts der häufig auftretenden<br />
Farbschwankungen der mittelalterlichen Ziegel kein spezifischer Nachweis für Gips.<br />
Durch die Untersuchung des zugehörigen Anschnittes im REM kann, aufgrund des<br />
Materialkontrastes in der RE-Abbildung, eine Verdichtung des oberflächennahen Porenraumes<br />
erkannt werden (Abb. 155 und 156). Aus der EDX-Analyse ist ersichtlich, daß in<br />
den Poren des Ziegels feinkristalliner Gips abgeschieden wurde (Abb. 157). Der betroffene<br />
Gefügeabschnitt beginnt 0,5 mm unter der Oberfläche und ist 2-3 mm breit.<br />
Weder innerhalb des gipsverdichteten Abschnittes noch in den angrenzenden Ziegelbereichen<br />
liegen Gefügeschäden vor (Abb. 158).
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 139<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
Gips im Schadensbild der<br />
mittelalterlichen Ziegel<br />
Abb. 149:<br />
Mittelalterliche Ziegeloberfläche<br />
mit einzelnen<br />
Salzausblühungen. Der<br />
Pfeil kennzeichnet die<br />
Probenentnahmestelle.<br />
In der Umgebung des<br />
Bohrloches (Trockenbohrung)<br />
sind eventuell<br />
vorhandene Ausblühungen<br />
durch Bohrmehl verdeckt.<br />
Abb. 150:<br />
Salzkruste (weiß) auf<br />
Ziegel.<br />
Bereits im einfach polarisierten<br />
Licht sind morphologische<br />
Unterschiede<br />
innerhalb der Salzkruste zu<br />
erkennen. Der Porenraum<br />
des Ziegels und der<br />
ziegelnahe Teil der Kruste<br />
sind porös (eingefärbt<br />
durch blaues Harz).<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 0,7 mm]<br />
Abb. 151:<br />
Bildbereich aus Abb. 150<br />
unter (nicht vollständig)<br />
gekreuzten Polarisatoren:<br />
Über den leistenförmigen<br />
Gipskristallen unmittelbar<br />
an der Ziegeloberfläche<br />
(weiß bis grau) befindet<br />
sich eine einheitlich graue<br />
NaCl-Schicht.<br />
[PolMi-Aufnahme, + Pol.,<br />
Bildbreite 0,7 mm]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 140<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
Gips im Schadensbild der<br />
mittelalterlichen Ziegel<br />
Abb. 152:<br />
Abfolge von links: NaCl-<br />
Kruste (hell) / Gipskruste<br />
(dunkel, mit markiertem<br />
Feld) / Ziegel.<br />
Das Gefüge hinter der<br />
Kruste zeigt keine Schäden.<br />
Der Porenraum des<br />
Ziegels ist frei, es liegen<br />
keine Salzhorizonte vor.<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
sägerauhen Anschnitt]<br />
Abb. 153:<br />
Im linken oberen Teil des<br />
Bildes sind leistenförmige<br />
Gipskristalle in einer<br />
großen Pore zu erkennen<br />
(weiß-grau, linker Pfeil).<br />
Der übrige Teil dieser Pore<br />
ist mit NaCl gefüllt<br />
(gleichmäßig graue Fläche,<br />
rechter Pfeil).<br />
[PolMi-Aufnahme, + Pol.,<br />
Bildbreite 0,7 mm]<br />
Abb. 154:<br />
Querschnitt eines stark<br />
gipsbelasteten Ziegels<br />
(Oberfläche im Bild links):<br />
Der Gips ist im PolMi nicht<br />
erkennbar. Der farbliche<br />
Unterschied zwischen<br />
linker und rechter Bildhälfte<br />
ist ein Indiz für eine<br />
mögliche Vergipsung, aber<br />
kein spezifischer<br />
Nachweis.<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 141<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
Gips im Schadensbild der<br />
mittelalterlichen Ziegel<br />
Abb. 155:<br />
Gleiche Probe und gleiche<br />
Orientierung wie Abb. 154:<br />
In der rechten Bildhälfte<br />
(heller Bereich) ist der<br />
Porenraum durch Abscheidung<br />
feinkristallinen<br />
Gipses stark verdichtet<br />
(Detail s. Abb. 156).<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
sägerauhen Anschnitt]<br />
Abb. 156:<br />
Detail aus Abb. 155.<br />
Übergangsbereich<br />
zwischen unverdichtetem<br />
und durch Gips verdichtetem<br />
Ziegelgefüge. Der<br />
Rahmen kennzeichnet das<br />
Meßfeld einer EDX-<br />
Analyse (vgl. Abb. 157).<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
sägerauhen Anschnitt]<br />
Abb. 157:<br />
Vergleich des integralen<br />
Elementbestandes eines<br />
unvergipsten Gefügeabschnittes<br />
(blaue Kurve) und<br />
eines vergipsten Bereiches<br />
(rote Kurve) in Abb. 155<br />
bzw. 156.<br />
Durch die erhöhten Caund<br />
S-Gehalte kann Gips<br />
als Ursache der Verdichtung<br />
des Porenraumes<br />
ermittelt werden.<br />
[EDX-Analyse]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 142<br />
Bewertung und Interpretation<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
Gips im Schadensbild der<br />
mittelalterlichen Ziegel<br />
Abb. 158:<br />
Auslaufender<br />
Gipshorizont etwa 3 mm<br />
unter der Oberfläche. Im<br />
Ziegel (rechte Bildhälfte)<br />
sind keine<br />
Gefügeschäden<br />
vorhanden.<br />
[REM-RE-Aufnahme am<br />
sägerauhen Anschnitt]<br />
Gips wurde mikroskopisch in allen Proben der Innenwand nachgewiesen. Bezüglich der<br />
Menge und der Lokalisierung im Gefüge traten jedoch erhebliche Unterschiede auf.<br />
Folgende Fälle konnten unterschieden werden:<br />
1. Dünne Gipssäume an den Ziegeloberflächen<br />
Die Schichtdicken können bis 0,1 mm betragen. Charakteristisch sind die hypidiomorphen<br />
bis idiomorphen Kristallformen. Häufig werden die dünnen Gipssäume von NaCl-Krusten<br />
überlagert.<br />
Geschlossene, größere Flächen bedeckende Gipskrusten, sind auf den Ziegeln des<br />
Innenmauerwerkes nicht vorhanden.<br />
2. In Rissen, größeren Poren und Hohlräumen<br />
In größeren Poren und Hohlräumen oder auf den Flanken von Rissen sind hypidiomorphe,<br />
teilweise idiomorphe Gipskristalle nachweisbar. Es handelt sich um sekundär<br />
gebildete Gipsnester, die vor allem in oberflächennahen Inhomogenitäten der mittelalterlichen<br />
Ziegel auftreten.<br />
In einigen Fällen sind die Hohlräume vollständig salzgefüllt. In diesen Fällen ist neben<br />
Gips fast immer auch NaCl vorhanden.<br />
3. Im oberflächennahen Porenraum<br />
Der Gips befindet sich als feinkristalline Ausscheidung im oberflächennahen Porenraum<br />
des Ziegelgefüges. Dieser Gipsanreicherungshorizont ist 2-3 mm breit und hat eine<br />
Reduzierung der Porosität zur Folge. Diese Verdichtungen haben Auswirkungen auf die<br />
Tiefenprofile der leicht löslichen Salze (Tabelle 14).
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 143<br />
Tabelle 14: Ausgewählte Ergebnisse der chemischen Salzanalysen an Ziegeln des<br />
Innenmauerwerks des Kampischen Hofes in Stralsund (aus Steiger und<br />
Neumann 1995)<br />
Nomenklatur<br />
Tiefensegment 0-5 mm Tiefensegment 5-10mm<br />
Gips [M%] ΣNitrat+Clorid [M%] Gips [M%] ΣNitrat+Clorid [M%]<br />
1 M / 30 / h 5,7 2,3 0,7 8,0<br />
2 M / 30-70 / h 11,0 3,7 2,3 15,0<br />
3 M / 70 / d 0,2 4,7 0,1 4,5<br />
Aus den chemischen Analysen in Tabelle 14 kann zunächst entnommen werden, daß die<br />
höchsten Gipsgehalte immer im oberflächennahen Tiefensegment 0-5 mm vorliegen. Die<br />
stark schwankenden Gipsmengen (errechnet aus dem Sulfatgehalt) liegen zwischen 0,2<br />
und 11 M%.<br />
Die Werte in Zeile 3 repräsentieren eine Salzverteilung, die nicht durch einen<br />
Gipshorizont beeinflußt wird. Der Gipsgehalt ist sowohl im oberflächennahen Segment<br />
(Tiefe 0-5 mm) als auch im Abschnitt 5-10 mm gering (0,2 bzw. 0,1 M%). Auch die<br />
Gehalte an leicht löslichen Salzen sind in beiden Tiefensegmenten etwa gleich hoch (4,7<br />
bzw. 4,5 M%).<br />
Demgegenüber ist aus den Werten der Zeilen 1 und 2 ersichtlich, daß sehr hohe Gipsgehalte<br />
in Oberflächennähe (5,7 bzw. 11 M%) zu einem signifikanten Anstieg der leicht<br />
löslichen Salze (ΣNitrat+Clorid = 8,0 bzw. 15,0 M%) im zweiten Tiefensegment (5-10 mm)<br />
führen.<br />
Durch den mikroskopischen Nachweis des oberflächennahen Gipshorizontes kann die<br />
Ursache der hohen Gehalte an leicht löslichen Salzen im Tiefensegment 5-10 mm geklärt<br />
werden. Die Gefügeverdichtungen behindern den Transport der Salzlösung in Richtung<br />
Ziegeloberfläche. Diese Transportblockade hat stark erhöhte Salzkonzentrationen hinter<br />
dem Gipshorizont zur Folge.<br />
Dieser „Stau“ von leicht löslichen Salzen im Inneren hat nicht zu stärkeren Schäden an<br />
den betreffenden Ziegeln geführt. Auch eine Korrelation zwischen hohen Gipsgehalten<br />
und starker Schädigung läßt sich am Innenmauerwerk nicht nachweisen.<br />
Verdichtungen des oberflächennahen Porenraumes durch Gipsausscheidungen wurden<br />
bereits am Außenmauerwerk des Kampischen Hofes nachgewiesen (vgl. Gliederungspunkt<br />
4.2.3.2). An der Fassade haben diese Gefügeveränderungen bei Gipsgehalten um<br />
10 M% Schäden in Form von Schalenbildung aufgrund thermisch-hygrischer Beanspruchungen<br />
des Ziegel-Gips-Gefüges zur Folge.<br />
Demgegenüber sind am Innenmauerwerk des Kampischen Hofes bei vergleichbar hohen<br />
Gipsgehalten keine Gefügeschäden vorhanden, die direkt oder indirekt auf Gipskristallisation<br />
zurückzuführen sind.<br />
Diese Feststellung ist ein Hinweis, daß wesentliche Faktoren, die an der Fassade zu einer<br />
Schädigung in Gegenwart von Gips führen, im Innenraum nicht vorhanden sind. Das<br />
betrifft vor allem Frostsprengung als Schadensursache. Obwohl aufgrund der baulichen<br />
Situation bei entsprechender Witterung auch im Innenraum Frost auftritt, wird durch die<br />
Gefrierpunkterniedrigung aufgrund der hohen Gehalte an leicht löslichen Salzen keine<br />
Eiskristallisation stattfinden (vgl. Gliederungspunkt 4.2.5.2).
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 144<br />
4.2.5.2 NaCl im Schadensbild der mittelalterlichen Ziegel<br />
Die starken Salzausblühungen sind eines der wesentlichen Probleme am Innenmauerwerk<br />
des S-Flügels des Kampischen Hofes. Die Oberfläche des Ziegels in Abb. 159 ist fast vollständig<br />
von einer weißen Salzschicht bedeckt.<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
NaCl im Schadensbild der<br />
mittelalterlichen Ziegel<br />
Abb. 159:<br />
Starke Salzausblühungen<br />
auf dem Mauerwerk der<br />
südlichen Innenwand des<br />
S-Flügels des<br />
Kampischen Hofes. Die<br />
Ziegeloberfläche ist<br />
vollständig von einer<br />
NaCl-Kruste bedeckt.<br />
An verschiedenen Stellen der Innenwand wurden kleine Ziegelproben entnommen und nach<br />
vor Ort Kryo-Präparation im Kryo-REM untersucht. Zusätzlich erfolgten Dünnschliffuntersuchungen<br />
im Polarisationsmikroskop.<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
In den Kryo-REM-Untersuchungen wurde übereinstimmend nachgewiesen, daß die Salzausblühungen<br />
und -krusten ausschließlich aus NaCl bestehen. Auffällig sind die vielfältigen<br />
Morphologien, wobei folgende, häufig auftretende Formen zu unterscheiden waren:<br />
Ansprache Charakteristika der NaCl-Formen<br />
Salzpusteln Salzaggregate aus gedrungenen, überwiegend hypidiomorphen<br />
oder xenomorphen Kristallen<br />
Lockere Krusten lockere Verwachsungen xenomorpher Kristalle unterschiedlicher<br />
Form und Größe, nur sehr vereinzelt Whisker.<br />
Kompakte Krusten eng verwachsene, xenomorphe Kristalle (Krustendicke bis 100 µm),<br />
stellenweise aufgewölbte Salzplatten (Krustendicke bis 500 µm)<br />
Faserkrusten überwiegend parallele, senkrecht zur Ziegeloberfläche orientierte<br />
kurzstengelige bis gedrungene Kristalle (Palisadenkrusten, Dicke<br />
100-400 µm)<br />
Mehrlagige Krusten feinkristalline Schichten aus kleinen, eng verwachsenen Kristallen<br />
wechseln lagenweise mit freistehenden, stengeligen bis säuligen<br />
Kristallen (Gesamtkrustendicke bis 2 mm)
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 145<br />
Abb. 160 zeigt eine kompakte NaCl-Kruste auf einem Ziegel. Die Salzschicht an der Oberfläche<br />
ist etwa 100 µm dick. Einzelne Kristallindividuen sind kaum zu unterscheiden.<br />
Eine mehrlagige NaCl-Ausblühung ist in den Abb. 161 und 162 dargestellt. Die NaCl-<br />
Morphologien wechseln innerhalb der Kruste mehrfach. Im Verlauf des Krustenwachstums<br />
sind dünne, kompakte NaCl-Schichten entstanden, die durch einzeln stehende, stengelige<br />
Kristalle miteinander verbunden sind.<br />
Die Präparation von Salzkrusten einschließlich angrenzendem Ziegel ermöglichte neben den<br />
Krustenbetrachtungen auch Untersuchungen der Kontaktzone Salzkruste / Ziegel sowie des<br />
Porenraumes unter der Salzschicht.<br />
Der Querschnitt der Grenzfläche einer mehrlagigen NaCl-Kruste mit dem Ziegel ist in Abb.<br />
162 zu sehen. In dieser Aufnahme wird deutlich, daß sich die Kruste zum Zeitpunkt der<br />
Probenentnahme in engem Kontakt mit dem Ziegel befindet. Weiterhin fällt auf, daß<br />
unmittelbar unter der Kruste keine oder nur eine sehr eingeschränkte Porosität im Ziegel<br />
vorhanden war.<br />
Im Porenraum unter der Salzschicht dominieren glatte, filmartige Strukturen (Abb. 163). Nur<br />
sehr vereinzelt sind innerhalb dieser Filme 500 nm- bis 1 µm-kleine Kristalle erkennbar (Abb.<br />
164). Die EDX-Analysen dieser Filme bzw. Kristalle zeigen gegenüber dem Ziegel erhöhte<br />
Na- und Cl-Gehalte (Abb. 165). Der würfelförmige Habitus der kleinen Kristalle entspricht<br />
weitgehend der Gleichgewichtsform des NaCl. Daher ist es wahrscheinlich, daß es sich um<br />
NaCl handelt.<br />
Eine Erhöhung der Tischtemperatur im Kryo-REM bis zum Sublimationspunkt des Wassers<br />
unter Hochvakuumbedingungen (-130°C → -80°C) hat nur vereinzelt zu morphologischen<br />
Veränderungen der überwiegend filmartigen Strukturen im Porenraum geführt, wobei<br />
einzelne, feine Risse in den Salzfilmen entstanden.<br />
Die Untersuchungsfläche einer Kryo-REM-Probe ist auf etwa 5x5 mm beschränkt. Ziegel mit<br />
Schalen- und Schuppenbildung können mit dieser Methode kaum untersucht werden, da<br />
lockere Teile bei der Dimensionierung der Probe durch den Brechvorgang meist abplatzen.<br />
Um Aussagen zu Gefügeveränderungen und -schäden bis in größere Tiefen treffen zu<br />
können, wurden aus größeren Teilstücken der Ziegel Dünnschliffe hergestellt und im Polarisationsmikroskop<br />
untersucht.<br />
Hierbei wurde festgestellt, daß selbst an Ziegeln, die bereits einige cm abgewittert waren,<br />
keine tiefgreifenden Gefügelockerungen vorhanden waren. Erst in unmittelbarer Oberflächennähe<br />
treten Risse auf, die teilweise oder vollständig mit NaCl gefüllt sind (Abb. 166).<br />
In Gegenwart von Salzkrusten sind aus dem Gefügeverband gelöste Ziegelpartikel von den<br />
Salzkristallen der Kruste umschlossen (Abb. 167).<br />
Ein fortgeschrittenes Stadium einer Schädigung in Gegenwart von NaCl zeigt die Abb. 168.<br />
Mehrere Ziegelpartikel werden abgedrückt. Bei höherer Vergrößerung ist in einem Riß hinter<br />
der Ziegelschuppe zu erkennen, daß eine schmale NaCl-Schicht von stengeligen NaCl-<br />
Kristallen angehoben wird (Abb. 169). Im dahinter liegenden Gefüge sind noch keine<br />
Schäden erkennbar.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 146<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
NaCl im Schadensbild der<br />
mittelalterlichen Ziegel<br />
Abb. 160:<br />
Ziegel mit kompakter NaCl-<br />
Kruste (hellgrau). Die<br />
Salzschicht befindet sich in<br />
engem Kontakt mit dem<br />
Ziegel. Einzelne<br />
Kristallindividuen können<br />
innerhalb der Kruste nicht<br />
unterschieden werden.<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 161:<br />
Mehrlagige NaCl-Kruste<br />
mit wechselnden Kristallmorphologien<br />
von einer<br />
Ziegeloberfläche (gleiche<br />
Vergrößerung wie Abb.<br />
160).<br />
Dünne, feinkristalline<br />
Salzschichten werden von<br />
stengeligen Kristallindividuen<br />
angehoben<br />
(Übersicht s. Abb. 162).<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 162:<br />
Gleiche Probe wie in Abb.<br />
161 in der Übersicht.<br />
Die Kruste befindet sich in<br />
engem Kontakt mit der<br />
Ziegeloberfläche. Der<br />
Porenraum unter der<br />
Kruste wirkt dicht.<br />
Durch die Präparation von<br />
Kruste und Ziegel können<br />
sowohl der Ziegel als auch<br />
die Salzschicht untersucht<br />
werden.<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 147<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
NaCl im Schadensbild der<br />
mittelalterlichen Ziegel<br />
Abb. 163:<br />
Porenraum unterhalb der<br />
NaCl-Kruste in Abb. 162.<br />
Es ist keine Porosität<br />
erkennbar. Die Gefügebestandteile<br />
sind von einem<br />
Salzfilm überdeckt (vgl.<br />
Abb. 164 und 165)<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 164:<br />
Salzfilme im oberflächennahen<br />
Porenraum unterhalb<br />
einer NaCl-Kruste. In<br />
den Filmen am Boden<br />
einer Pore sind 500 nm bis<br />
1 µm kleine, idiomorphe<br />
NaCl-Kristalle zu erkennen<br />
(Pfeile). Das zugehörige<br />
EDX-Spektrum zeigt Abb.<br />
165.<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 165:<br />
Elementspektrum einer<br />
Spotmessung im Bereich<br />
der idiomorphen Kristalle in<br />
Abb. 164. Es handelt sich<br />
sehr wahrscheinlich um<br />
NaCl-Kristalle. Die<br />
Elementanalyse dieser<br />
kleinen Strukturen wird<br />
durch die Ziegelmatrix<br />
überlagert.<br />
[EDX-Spektrum]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 148<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
NaCl im Schadensbild der<br />
mittelalterlichen Ziegel<br />
Abb. 166:<br />
Querschnitt eines rückgewitterten<br />
Ziegels (Oberfläche<br />
im Bild links).<br />
In der NaCl-Kruste (weiß)<br />
ist ein brauner Ziegelpartikel<br />
eingeschlossen.<br />
Etwa parallel zur Oberfläche<br />
ist ein NaCl-gefüllter<br />
Riß zu erkennen (Pfeile).<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]<br />
Abb. 167:<br />
Querschnitt eines rückgewitterten<br />
Ziegels (Oberfläche<br />
im Bild links).<br />
Lockere, teilweise hohl<br />
liegende NaCl-Kruste auf<br />
Ziegel. Innerhalb der<br />
Kruste sind Ziegelpartikel<br />
eingeschlossen, die seit<br />
ihrer Absprengung vom<br />
Ziegel mit der Kruste<br />
transportiert werden.<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 2,6 mm]<br />
Abb. 168:<br />
Ecke eines rückgewitterten<br />
Ziegels im Querschnitt<br />
(Oberfläche im Bild oben<br />
und links).<br />
Lockere Ziegelpartikel an<br />
der Oberfläche. In den<br />
Rissen hinter den Partikeln<br />
sind stengelige NaCl-<br />
Kristalle zu erkennen<br />
(Detail s. Abb. 169).<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 5,2 mm]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 149<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
NaCl im Schadensbild der<br />
mittelalterlichen Ziegel<br />
Abb. 169:<br />
Detail aus Abb. 168.<br />
Absprengung einer<br />
Ziegelschuppe durch<br />
NaCl.<br />
Eine dünne NaCl-Schicht<br />
wird von stengeligen<br />
NaCl-Kristallen angehoben.<br />
Durch das Kristallwachstum<br />
wird Druck auf<br />
die Ziegelschuppe ausgeübt.<br />
[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />
Bildbreite 1,3 mm]<br />
Nach REM-Untersuchungen an Ausblühungen auf Bauwerksoberflächen gelangen Charola<br />
und Lewin (1979) zu der Einschätzung, daß aus der Zusammensetzung von Ausblühungen<br />
und deren Morphologie Schlußfolgerungen zu den chemischen Wechselwirkungsprozessen<br />
und kristallographischen Vorgängen gezogen werden können, die zu ihrer Entstehung<br />
geführt haben.<br />
Die südliche Innenwand des S-Flügels des Kampischen Hofes ist im Gegensatz zur<br />
Außenwand ganzjährig von starken Salzausblühungen bedeckt. Die hieran durchgeführten<br />
Kryo-REM-Untersuchungen haben eine trocknungsartefaktfreie Abbildung der Salze auf den<br />
Ziegeloberflächen ermöglicht. Es handelt sich ausschließlich um NaCl, wobei sehr<br />
unterschiedliche Morphologien auftreten.<br />
Basierend auf den Modellvorstellungen von Arnold und Zehnder (1989) kann aus den<br />
vorgefundenen Salzmorphologien auf unterschiedliche, aber durchweg niedrige Substratfeuchten<br />
geschlossen werden.<br />
Kompakte Salzschichten bzw. Faserkrusten sind aus einem dünnen Salzlösungsfilm an der<br />
Ziegeloberfläche nach außen gewachsen.<br />
Das Auftreten mehrlagiger Krusten deutet auf Schwankungen der Substratfeuchte. Die<br />
lagenweise wechselnden Salzmorphologien sind die Folge zyklischer Änderungen der<br />
Kristallisationsbedingungen. Dabei ist für das Wachstum der stengeligen NaCl-Kristalle eine<br />
geringere Substratfeuchte anzunehmen, wobei nur punktuell ein ausreichendes Angebot an<br />
Salzlösung für das Kristallwachstum vorhanden ist.<br />
Die am Innenmauerwerk des Kampischen Hofes mikroskopisch nachgewiesenen Formen<br />
der NaCl-Ausblühungen und die Salzfilme im Porenraum zeigen Analogien zu Ergebnissen<br />
von REM-Untersuchungen, die Eswaran et al. (1980) an NaCl-Krusten von ariden Böden<br />
durchgeführt haben. Die Autoren treffen folgende Unterscheidungen und Bewertung:<br />
1) Faserkrusten sind typisch für Ausblühungen auf ariden Böden. Durch röntgenographische<br />
Einkristall-Untersuchungen (Gandolfi-Kamera) wurde nachgewiesen, daß die<br />
Kristalle in [110]-Richtung wachsen.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 150<br />
2) Feinstkristalline Aggregate<br />
3) Dünne amorphe Salzfilme werden als Hauptform in den Salzhorizonten arider Böden<br />
bezeichnet. Die Filme umhüllen dabei Bodenbestandteile, Halitaggregate oder kleine<br />
würfelförmige NaCl-Kristalle.<br />
Die Ursachen dieser unterschiedlichen Morphologien werden in der Zusammensetzung der<br />
Salzlösung, vor allem aber in den mikroklimatischen Verhältnissen gesehen.<br />
Durch Kryo-REM-Untersuchungen konnten Salzlösungsfilme im Porenraum der Ziegel des<br />
Innenmauerwerkes des Kampischen Hofes nachgewiesen werden. Die Intensität dieser<br />
Filme auf den Porenwandungen korreliert mit dem Grad der Ausblühungen, d.h. sie treten<br />
verstärkt im oberflächennahen Porenraum von Ziegeln mit starken bis flächendeckenden<br />
Ausblühungen auf. Häufig sind feine Poren vollständig gefüllt.<br />
Die EDX-Analysen der Salzfilme deuten auf Na und Cl als Hauptbestandteile. Chemische<br />
Salzanalysen, die parallel zu den mikroskopischen Untersuchungen durchgeführt wurden,<br />
ergaben jedoch, daß neben hohen Chloridgehalten (2,0 bis 7,5 M%) auch hohe Nitratgehalte<br />
vorliegen (0,3 und 1,7 M%).<br />
Tabelle 15 zeigt zwei Analysebeispiele aus dem oberflächennahen Tiefensegment (0-5 mm).<br />
In diesem Ziegelabschnitt wurden auch die Kryo-REM-Untersuchungen durchgeführt.<br />
Tabelle 15: Beispiele der Zusammensetzung des Salzgemisches im Innenmauerwerk des<br />
Kampischen Hofes (aus Steiger und Neumann 1995)<br />
SO4 2-<br />
Zusammensetzung des Salzgemisches [mg/kg]<br />
Anionen Kationen<br />
NO3 -<br />
Cl -<br />
Na +<br />
K +<br />
Mg 2+<br />
Ca 2+<br />
1 2.451 5.884 30.209 17.620 1.936 1.131 3.320<br />
2 1.339 14.373 75.050 40.090 5.777 876 5.727<br />
Aus Tabelle 15 ist ersichtlich, daß im Innenmauerwerk des Kampischen Hofes ein<br />
Salzgemisch komplexer Zusammensetzung vorliegt. Hauptbestandteile auf der Anionenseite<br />
sind Chlorid und Nitrat, als Kationen sind Natrium, Kalium und Calcium enthalten.<br />
Feuchtemessungen am Ziegelmauerwerk ergaben Werte zwischen 3,2 und 7,7 Gew.%<br />
(Ganß 1994 und Freyburg 1996c). Diese mäßig erhöhten Feuchtegehalte sind aufgrund<br />
der hohen Salzgehalte und der Salzzusammensetzung (Nitrate und Chloride) sehr<br />
wahrscheinlich zum überwiegenden Teil auf eine hygroskopische Wasseraufnahme des<br />
Salzgemisches zurückzuführen.<br />
Die Kryo-REM-Untersuchungen bestätigen diese Annahme. In den Salzfilmen sind nur sehr<br />
geringe Wassergehalte nachweisbar. Einzelne, idiomorphe NaCl-Kristalle, die von Salzfilmen<br />
umgeben sind, deuten auf eine Sättigung der Salzlösung.<br />
Zur Überprüfung dieser Beobachtungen wurden zwei Modellrechnungen durchgeführt.<br />
Nach Steiger und Zeunert (1996) kann das Verhalten eines Salzgemisches auf der Basis der<br />
thermodynamischen Eigenschaften der wässrigen Elektrolytlösungen analysiert werden.<br />
Diese Berechnung der Phasengleichgewichte basiert auf dem Modell von Pitzer (1991), in<br />
dem das thermodynamische Verhalten von Lösungen beschrieben wird.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 151<br />
Den thermodynamischen Berechnungen, die von Steiger (2001) durchgeführt wurden, liegen<br />
folgende Annahmen zugrunde:<br />
1. Aufgrund der größeren Wahrscheinlichkeit, gelöstes Salz im Porenraum vorzufinden,<br />
wurde die niedrigere Salzkonzentration (Zeile 1 in Tabelle 15) mit dem höchsten am<br />
Innenmauerwerk gemessenen Feuchtewert (7,7 Gew.%) kombiniert.<br />
Diese Annahme ist erforderlich, weil aufgrund abweichender Meßstellen die genauen<br />
Ziegelfeuchten, die zu den Salzanalysen in Tabelle 15 gehören, nicht bekannt sind.<br />
2. Der in den Ionenbilanzen (Angabe in meq/kg, nicht dargestellt) auftretende Calciumüberschuß<br />
wird als Calcit betrachtet.<br />
3. Die gesamte Sulfatmenge liegt als Gips vor.<br />
4. Calcit und Gips können aufgrund ihrer geringen Löslichkeit unberücksichtigt bleiben.<br />
5. Es wird eine Raumtemperatur von 20°C angenommen.<br />
Zunächst wurde das theoretische Kristallisationsverhalten des Salzgemisches ermittelt. Im<br />
Ergebnis ist festzustellen, daß ein Salzgemisch der angenommenen Zusammensetzung mit<br />
einer relativen Luftfeuchtigkeit von 73,1% im Gleichgewicht steht. Bei Unterschreitung dieses<br />
Wertes beginnt NaCl zu kristallisieren.<br />
Aus der Berechnung geht weiterhin hervor, daß unterhalb 61,3% r.F. die Kristallisation von<br />
KNO3 beginnt.<br />
Wird zusätzlich die Materialfeuchte berücksichtigt, ergeben die Berechnungen, daß sich das<br />
Salzgemisch im oberflächennahen Porenraum des Ziegels mit einer Luftfeuchtigkeit von<br />
71,3% im Gleichgewicht befindet. Dieser Wert ist niedriger als die Gleichgewichtsfeuchte.<br />
Das bedeutet, daß bereits ein Teil des NaCl in kristalliner Form vorliegen müßte.<br />
75<br />
73,1<br />
71,3<br />
70<br />
NaCl<br />
Na+ (Lsg.)<br />
65<br />
Relative Luftfeuchte [%]<br />
693,0<br />
377,3<br />
Abb. 170: Gehalt an Salzlösung sowie kristallinem NaCl in Abhängigkeit von der relativen<br />
Luftfeuchtigkeit (im Intervall 75% bis 60%)<br />
60<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
Gehalte [mmol/kg]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 152<br />
Der Darstellung in Abb. 170 ist sowohl der Anteil an Na-Ionen in der Salzlösung (blaue<br />
Kurve) als auch der Anteil an kristallinem NaCl (rote Kurve) im Luftfeuchtebereich zwischen<br />
75% und 60% zu entnehmen.<br />
Aus dem Verlauf der roten Kurve ist ersichtlich, daß bei 73,1% r.F. die NaCl-Kristallisation<br />
beginnt. Weiterhin wird deutlich, daß bei der Luftfeuchte, die sich über dem Salzgemisch im<br />
Porenraum eingestellt hat (71,3% r.F.), bereits 377,3 mmol/kg (= 54%) des enthaltenen<br />
Natriums als kristallines NaCl neben einer NaCl-gesättigten Lösung vorliegen müßten.<br />
In den Kryo-REM-Untersuchungen sind jedoch fast ausschließlich Salzfilme nachweisbar.<br />
Hieraus muß geschlossen werden, daß im Porenraum der Ziegel eine übersättigte Salzlösung<br />
vorliegt. NaCl wird in amorpher oder kryptokristalliner Form aus der Salzlösung<br />
ausgeschieden. Das bedeutet, daß ein großer Metastabilitätsbereich zwischen Übersättigung<br />
und Keimbildung existieren muß und eine geringe Keimbildungsrate und ein geringes<br />
Kristallwachstum anzunehmen sind. Wahrscheinlich werden die Keimbildung und das<br />
Kristallwachstum sowohl durch die Lösungsgenossen als auch durch die hohe spezifische<br />
Oberfläche der Porenwandungen behindert.<br />
Kristallines NaCl ist – abgesehen von Ausblühungen - nur in den sichtbar geschädigten<br />
Ziegeln nachweisbar. Die NaCl-Kristalle befinden sich in rohstoff- und fertigungsbedingten<br />
Inhomogenitäten (Brennschwindsäume, Hohlräume und größere Poren) bzw. in Rissen.<br />
Trotz erheblicher Rückwitterungen (bis 5 cm) sind mikroskopisch keine tiefgreifenden<br />
Gefügeschäden nachweisbar.<br />
Arnold und Zehnder (1989) haben in Laborversuchen an keramischem Material festgestellt,<br />
daß die Salzkristallisation in größeren Poren beginnt. Im nächsten Schritt entstehen feine<br />
Risse, die sich mit Salzlösung bzw. Salzkristallen füllen und dabei allmählich erweitert<br />
werden. Dieser Prozeß setzt sich fort und führt zu einer kontinuierlichen Rißverbreiterung<br />
und zu einer signifikanten Morphologieänderung der kristallisierenden Salze. Es treten<br />
zunehmend stengelige Formen auf.<br />
Dieses Modell kann grundsätzlich auf die Erklärung der Ziegelschädigung am Innenmauerwerk<br />
des Kampischen Hofes übertragen werden. Durch das Wachstum von NaCl-<br />
Kristallen aus einem Salzlösungsfilm werden Ziegelpartikel zunehmend gelockert und<br />
schließlich vom Restmaterial abgetrennt. Aufgrund der geringen Kristallisationsneigung der<br />
Salzlösung sind für das Kristallwachstum jedoch sehr hohe Übersättigungen erforderlich, die<br />
nur in oberflächennahen Hohlräumen und Rissen einzelner Ziegel geringer Festigkeit und<br />
wahrscheinlich ungünstiger Porositätseigenschaften erreicht werden.<br />
Eine weitere thermodynamische Berechnung wurde zur Bestimmung der Gefrierpunkterniedrigung<br />
durchgeführt. Hierfür wurden die Annahmen 1. bis 4. unverändert zugrunde<br />
gelegt (s.o.), die Temperatur (5.) jedoch variiert. Die Berechnungen haben ergeben, daß bei<br />
sinkenden Raumtemperaturen folgende Stufen durchlaufen werden:<br />
-5°C Umwandlung des NaCl in Hydrohalit (NaCl • 2 H2O)<br />
-19,3°C Beginn der Kristallisation von KNO3<br />
-25,8°C Beginn der Kristallisation des Wassers<br />
Es ist davon auszugehen, daß Temperaturen von -20°C auch in strengen Wintern in den<br />
Innenräumen des Kampischen Hofes nicht erreicht werden.<br />
Damit kann Frost als Schadensursache am Innenmauerwerk ausgeschlossen werden.<br />
Mit KNO3-Kristallisation ist bei konstanten oder sinkenden Temperaturen nicht zu rechnen,<br />
solange die relative Luftfeuchte konstant bleibt oder steigt. Bei Werten unter 61,3%, beginnt<br />
KNO3 aus dem Salzgemisch zu kristallisieren. Bei häufigen Luftfeuchteschwankungen um<br />
diesen Wert ist mit einer verstärkten Schädigung des Ziegelmauerwerkes zu rechnen.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 153<br />
4.2.6 Auswirkungen einer Raumklimatisierung auf die NaCl-Kristallisation am<br />
Innenmauerwerk<br />
Zur Überprüfung der Auswirkungen eines veränderten Raumklimas auf das stark salzbelastete<br />
Mauerwerk erfolgte die Simulation eines möglichen Nutzungsklimas (KIEßL 1998).<br />
Hierzu wurden vom Institut für Bauphysik Holzkirchen (IBP) und dem Wilhelm-Klauditz-<br />
Institut für Holzforschung (WKI) begehbare, hoch wärmegedämmte und diffusionsdichte<br />
Klimakammern entwickelt, die an drei verschiedenen Stellen vor jeweils etwa 12 m 2 große<br />
Teilflächen der Innenwände montiert wurden. Über spezielle Regel- und Meßeinrichtungen<br />
wurde in den Kammern eine konstante Lufttemperatur von 22°C realisiert. Einmal pro Stunde<br />
erfolgte ein Luftwechsel.<br />
Damit bestand die Möglichkeit, die Auswirkungen einer gegenüber der bisherigen<br />
Nutzungssituation (ungeheiztes Speichergebäude) erhöhten Raumtemperatur auf die<br />
vorhandenen Salze mikroskopisch zu untersuchen. Hierzu wurden an ausgewählten Ziegeln<br />
wiederholt Proben entnommen. Die ersten Untersuchungen zur Erfassung des<br />
Ausgangszustandes erfolgten wenige Tage nach der Inbetriebnahme. Eine weitere<br />
Probenentnahme fand nach viermonatiger Betriebszeit der Klimakammer statt.<br />
Alle Proben wurden vor Ort kryo-präpariert und anschließend im Kryo-REM untersucht.<br />
4.2.6.1 Ausgangszustand<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Im Ausgangszustand waren an den Ziegeloberflächen etwa 100 µm starke NaCl-Ausblühungen<br />
vorhanden. Abb. 171 zeigt eine kompakte, palisadenartige NaCl-Kruste.<br />
Im Materialkontrast der Rückstreuabbildung sind an den Oberflächen der Salzschicht dunkle<br />
Flächen erkennbar, aus denen punktuell NaCl-Kristalle als helle Spitzen herausragen (Abb.<br />
172). Eine Erhöhung der Tischtemperatur im Kryo-REM bis zum Sublimationspunkt des<br />
Wassers (-130°C → -80°C) führt zu starken morphologischen Veränderungen (Risse an der<br />
Oberfläche der Salzschicht) und zu geringeren Helligkeitsunterschieden im Rückstreubild<br />
(Abb. 173). Ein Vergleich der EDX-Spektren, die vor und nach der Sublimation<br />
aufgenommen wurden (Abb. 174), zeigt einen deutlich geringeren O-Gehalt nach erfolgter<br />
Sublimation. Es handelt sich um dünne Salzlösungsfilme im Bereich der NaCl-Krusten. Im<br />
Porenraum der Ziegel unter den Krusten sind nur die in 4.2.5.2 detailliert beschriebenen<br />
Salzfilme nachweisbar.<br />
4.2.6.2 Zustand nach viermonatiger Klimatisierung<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Nach viermonatiger Betriebszeit der Klimakammer hatten die Salzausblühungen an der<br />
Wandfläche deutlich zugenommen.<br />
Mikroskopisch waren verschiedene Veränderungen feststellbar. Die Dicke der Krusten hat<br />
sich auf 300 µm erhöht und damit etwa verdreifacht (vgl. Abb. 171 und 175). Außerdem sind<br />
an den Krusten auch morphologische Veränderungen festzustellen. Es treten zunehmend<br />
stengelige Kristalle auf, die sich zwischen der Kruste und dem Ziegel befinden (Abb. 175).<br />
An den Oberflächen der NaCl-Krusten ist keine Salzlösung vorhanden.<br />
Die Salzfilme auf den Porenwandungen treten gegenüber dem Ausgangszustand wesentlich<br />
stärker in Erscheinung (Abb. 176). Feinporen sind nicht mehr zu erkennen.<br />
Mit Hilfe der EDX können im Bereich der Filme Na und Cl als ziegelfremde Bestandteile<br />
ermittelt werden (Abb. 177). Der Feuchtegehalt der Filme ist gering, eine Anhebung der<br />
Kryo-REM-Tischtemperatur von -130°C auf -80°C führt nicht zu morphologischen Veränderungen.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 154<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
Raumklimatisierung<br />
(Ausgangszustand)<br />
Abb. 171:<br />
Krustenmorphologie im<br />
Ausgangszustand (vgl.<br />
Abb. 175).<br />
Kompakte NaCl-Kruste auf<br />
Ziegel. Auf der Krustenoberfläche<br />
sind dunkle<br />
Strukturen zu erkennen<br />
(Pfeil, Detail s. Abb. 172).<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 172:<br />
Die Krustenoberfläche ist<br />
fast vollständig mit einem<br />
Salzlösungsfilm bedeckt<br />
(dunkle Bereiche). Nur die<br />
Kanten einiger NaCl-<br />
Kristalle ragen als helle<br />
Spitzen heraus (Tischtemperatur<br />
-130°C).<br />
EDX-Spektrum s. Abb.<br />
174.<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 173:<br />
Gleicher Bildausschnitt wie<br />
Abb.172 nach Sublimation<br />
des Wassers (Tischtemperatur<br />
-80°C). Die starken<br />
Veränderungen sind die<br />
Folge der Sublimation des<br />
Wassers aus der Salzlösung.<br />
EDX-Spektrum s.<br />
Abb. 174.<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 155<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
Raumklimatisierung (nach<br />
4 Monaten Betriebszeit)<br />
Abb.174:<br />
Vergleich des integralen<br />
Elementbestandes in den<br />
Abb. 172 (rote Kurve) und<br />
Abb. 173 (blaue Kurve).<br />
Der signifikante O-Peak<br />
wird durch den hohen<br />
Wassergehalt der Salzlösungsfilme<br />
in Abb. 172<br />
hervorgerufen.<br />
[EDX-Spektren]<br />
Abb. 175:<br />
Krustenmorphologie nach 4<br />
Monaten Klimatisierung<br />
(vgl. Abb. 171):<br />
Die Krustendicke hat sich<br />
verdreifacht und morphologisch<br />
verändert: Sie ist<br />
porös und nur noch punktuell<br />
mit der Ziegeloberfläche<br />
im Kontakt. Im<br />
entstandenen Hohlraum<br />
dominieren stengelige<br />
NaCl-Kristalle.<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 176:<br />
Oberflächennaher Porenraum<br />
eines Ziegels nach<br />
viermonatiger Betriebszeit<br />
der Klimakammer:<br />
Gesättigte Salzfilme auf<br />
den Porenwandungen.<br />
Kantige Strukturen sind<br />
durch den Filmüberzug<br />
„geglättet“. EDX-Spektrum<br />
s. Abb. 177.<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 156<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
Raumklimatisierung (nach<br />
4 Monaten Betriebszeit)<br />
Abb. 177:<br />
EDX-Spektrum der<br />
Salzfilme in Abb. 176:<br />
Angesichts der morphologischen<br />
Dominanz<br />
dieser Strukturen in der<br />
REM-Aufnahme ist der<br />
Na- und Cl-Gehalt sehr<br />
gering.<br />
[EDX-Spektrum]<br />
Durch die Kryo-REM-Untersuchungen wurde nachgewiesen, daß in der Klimakammer zu<br />
Beginn der Betriebszeit erhebliche Mengen Feuchtigkeit an der Oberfläche des Ziegelmauerwerks<br />
vorhanden waren. Auf den NaCl-Krusten bzw. auf Kluftflächen zwischen NaCl-<br />
Kristallen war sowohl morphologisch als auch mittels EDX-Analyse Salzlösung nachweisbar,<br />
die, im Gegensatz zu den übersättigten Filmen im Porenraum, hohe Wassergehalte aufwies.<br />
Im Porenraum war diese gering konzentrierte Salzlösung nicht nachweisbar. Hieraus kann<br />
geschlossen werden, daß es sich um Kondensationsfeuchte an den Ziegeloberflächen<br />
handelt. Diese Wassereinwirkung auf die NaCl-Krusten hat zu oberflächlichen Anlösungen<br />
der Salzkristalle geführt.<br />
Nach viermonatiger Betriebszeit der Klimakammer sind mikroskopisch erhebliche Unterschiede<br />
gegenüber dem Ausgangszustand nachweisbar.<br />
Aus der Zunahme der Salzkrusten auf den Ziegeln kann geschlossen werden, daß die<br />
Temperierung des Innenraumes der Klimakammer auf 22°C einen verstärkten Transport von<br />
Salzen aus der Wand an die Oberfläche zur Folge hat.<br />
Im Rahmen des interdisziplinären Untersuchungsprogrammes wurden vor und während der<br />
Betriebszeit der Klimakammer Gammasondenmessungen im Mauerwerk durchgeführt<br />
(Hoyer 1996). Mit diesem Verfahren können durch Verwendung einer Gabelsonde, die<br />
schrittweise in zwei parallele Mauerwerksbohrungen eingeführt wird, Dichteänderungen<br />
entlang der Meßstrecke zwischen den Bohrungen nachgewiesen werden. Die Messungen<br />
können beliebig oft wiederholt werden. Eine Trennung zwischen Feuchteänderungen und<br />
anderen die Dichte beeinflussenden Stoffänderungen, z.B. verstärkten Salzkristallisationen,<br />
ist mit diesem Meßverfahren jedoch nicht möglich.<br />
In Abb. 178 ist auf der x-Achse die Meßtiefe im Mauerwerk dargestellt. Der Punkt 0 entspricht<br />
der Ziegeloberfläche. Die Kurven setzen bei 5 mm Tiefe ein, d.h. das Meßverfahren<br />
liefert keine Informationen zum oberflächennahen Ziegelsegment 0-5 mm.<br />
Der Nullpunkt der y-Achse entspricht der Materialdichte zum Ausgangszeitpunkt der<br />
Messungen, im vorliegenden Fall der Inbetriebnahme der Klimakammern.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 157<br />
Dargestellt ist der Verlauf der Dichteänderung über einen Meßzeitraum von einem Jahr.<br />
Nach einem Monat wurde eine Abnahme der Dichte festgestellt, die mit einer Trocknung des<br />
Mauerwerks erklärt wird (Hoyer 1996). Für alle folgenden Meßzeitpunkte ist eine kontinuierliche<br />
Erhöhung der Dichte in Oberflächennähe ersichtlich.<br />
Abb. 178: Auswirkungen einer Raumklimatisierung (konstante Temperierung auf 22°C) auf die<br />
Ziegeldichte über einen Meßzeitraum von 12 Monaten (Gammasondenmessung des WKI<br />
Braunschweig in einer Klimakammer des Kampischen Hofes in Stralsund; aus Hoyer<br />
1996)<br />
Im Ergebnis der Gammasondenmessung ist die Dichteerhöhung nach viermonatiger<br />
Betriebszeit der Klimakammer noch relativ gering. Trotz des geringen Meßeffektes kann<br />
mikroskopisch bereits nachgewiesen werden, daß die Intensität der Salzfilme im<br />
oberflächennahen Porenraum gegenüber dem Ausgangszustand erheblich zugenommen<br />
hat. Die Dichteänderung kann folglich mit einer Verlagerung von Salzen erklärt werden.<br />
Angesichts der starken Filmbildung kann davon ausgegangen werden, daß Feinporen<br />
wahrscheinlich vollständig mit Salzlösung gefüllt sind. Auch bei Untersuchungsbedingungen<br />
im Kryo-REM, die zur Sublimation von Wasser führen würden, zeigen die Salzfilme keine<br />
morphologischen Veränderungen. Das bedeutet, daß der Wassergehalt sehr gering ist. Es<br />
handelt sich folglich um hoch konzentrierte Salzlösung.<br />
Aufgrund der mikroskopischen Beobachtungen ist für den untersuchten oberflächennahen<br />
Bereich (0-5 mm) Grenzflächendiffusion (Kriechen) einer hoch konzentrierten Salzlösung als<br />
maßgeblicher Transportprozeß anzunehmen.<br />
Die Na- und Cl-Gehalte in den EDX-Analysen der Salzfilme sind auffällig niedrig. Aufgrund<br />
der chemisch ermittelten hohen Nitratgehalte (0,3 bis 1,7 M%; Steiger und Neumann 1995)<br />
ist davon auszugehen, daß in den Salzfilmen auch Nitrat in nennenswerten Mengen<br />
enthalten ist.<br />
Die Pt-Bedampfung der Proben hat sich bezüglich der EDX-Analysen der Salzfilme als<br />
nachteilig erwiesen. Durch die Absorption der leichten Elemente in der Pt-Schicht wird die<br />
Detektion von NaCl behindert und der Nachweis von Nitrat vollständig unterbunden.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 158<br />
4.2.7 Auswirkungen einer Kompressenbehandlung auf die Salze im<br />
oberflächennahen Porenraum<br />
Es erfolgte eine zweistufige Kompressenbehandlung der Wandoberfläche in einer Klimakammer.<br />
Zunächst diente eine sogenannte Befeuchtungskompresse dazu, Wasser in das<br />
versalzene Mauerwerk einzubringen. Im zweiten Schritt wurde versucht, über eine verdunstungsaktive<br />
Kompresse möglichst viel Salzlösung aus dem Mauerwerk zu entfernen.<br />
Das Ziel war, den Salzgehalt im Bereich der Ziegeloberfläche kurzzeitig soweit zu verringern,<br />
daß konservatorische Arbeiten durchgeführt werden konnten (Strukturelle Festigung der<br />
Ziegel und Anlegen von Putztestflächen).<br />
Die sichtbare Folge der Kompressenbehandlung war das vollständige Verschwinden von<br />
Salzausblühungen von den Ziegeloberflächen und eine Farbsättigung der Ziegel.<br />
2 Tage nach Abnahme der zweiten Kompresse wurden kleine Ziegelproben entnommen, vor<br />
Ort kryo-präpariert und anschließend im Kryo-REM untersucht.<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Im oberflächennahen Porenraum der Ziegel konnten zwei Zustände unterschieden werden:<br />
1) Es traten zahlreiche Salzwaben auf (Abb. 179). Diese Strukturen wurden bereits bei<br />
feuchter Witterung an hoch NaCl-belasteten Proben des Außenmauerwerkes beobachtet<br />
(vgl. Abb. 142). Die Stege der Waben bestehen aus NaCl.<br />
2) Es konnte Salzlösung im Porenraum des Ziegels nachgewiesen werden, die sich von den<br />
hoch konzentrierten Salzfilmen (vgl. Abb. 176) unterscheidet.<br />
Die Salzlösung weist eine geringe Filmbildung und eine größere Rauhigkeit auf (Abb.<br />
180). Im Materialkontrast der RE-Abbildung erscheint sie dunkler als der Ziegel. Bei<br />
Erhöhung der Kryo-REM-Tischtemperatur in den Bereich des Sublimationspunktes des<br />
Wassers (von -130°C auf -80°C) traten für Salzfilme ungewöhnlich starke morphologische<br />
Veränderungen auf (Abb. 181). Deutliche Unterschiede sind auch in den EDX-Spektren<br />
vorhanden. Der Vergleich in Abb. 182 zeigt einen hohen O-Peak, der für gering<br />
konzentrierte Salzlösungen typisch ist. Die Sublimation führt zu einer signifikanten<br />
Verringerung des O-Peaks. Die Na- und Cl-Gehalte hingegen bleiben unverändert.<br />
Stellenweise waren in feinporigen Bereichen des Ziegelgefüges auch hoch konzentrierte<br />
Salzfilme vorhanden.<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
Kompressenentsalzung<br />
Abb. 179:<br />
Wabenförmige Salzstrukturen<br />
im Porenraum<br />
eines Ziegels nach der<br />
Kompressenentsalzung der<br />
Innenwand. In den Waben<br />
sind Na und Cl<br />
angereichert (vgl. auch<br />
Abb.142).<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 159<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
Kompressenentsalzung<br />
Abb. 180:<br />
Salzlösung (Pfeile) auf den<br />
Wandungen größerer<br />
Poren (Tischtemperatur<br />
-130°C).<br />
Die dunklen Strukturen<br />
können im Materialkontrast<br />
gut vom Ziegel<br />
unterschieden werden.<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 181:<br />
Gleicher Bildausschnitt wie<br />
Abb. 180 nach der<br />
Sublimation des Wassers<br />
(Tischtemperatur -80°C).<br />
Die Helligkeitsunterschiede<br />
im Materialkontrast sind<br />
geringer. Am Boden der<br />
Poren sind rissige<br />
Salzformen mit Relikten<br />
der Pt-Besputterung<br />
erkennbar.<br />
(EDX s. Abb. 182)<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 182:<br />
Vergleich der EDX-<br />
Spektren, aufgenommen<br />
im Bereich der Salzlösung<br />
in den Abb. 180 (rote<br />
Kurve) und 181 (blaue<br />
Kurve). Durch die Sublimation<br />
verringert sich nur<br />
der Wassergehalt in der<br />
Salzlösung. Die beiden<br />
Spektren unterscheiden<br />
sich deutlich in der Höhe<br />
des O-Peaks.<br />
[EDX-Spektren]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 160<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Die Kryo-REM-Untersuchungen wurden an Ziegelproben durchgeführt, die zwei Tage nach<br />
Entfernung der verdunstungsaktiven Kompressen aus dem Mauerwerk entnommen wurden.<br />
Im oberflächennahen Porenraum der Ziegel waren Salzwaben vorhanden, wie sie bereits bei<br />
Untersuchungen am Außenmauerwerk nach Beprobung hoch NaCl-belasteter Ziegel bei<br />
feuchter Witterung auftraten (vgl. Gliederungspunkt 4.2.4.1). Die Wabenwandungen<br />
bestehen aus NaCl.<br />
Es ist ein ursächlicher Einfluß hoher Feuchtigkeit im Porenraum auf die Entstehung dieser<br />
Strukturen anzunehmen. Durch den hohen Wassereintrag mit der ersten Kompresse kommt<br />
es zu Konzentrationserniedrigungen der Salzlösung im Porenraum. Möglicherweise ist die<br />
Abkühlgeschwindigkeit bei der Kryo-Präparation in Teilbereichen der Proben nicht ausreichend<br />
gewesen, um ein „Ausfrieren“ des Wassers aus der Salzlösung zu verhindern. Es<br />
wird angenommen, daß hierbei die wabenförmigen Salzstrukturen entstehen.<br />
Andererseits konnten wasserreiche Salzlösungen weitgehend artefaktfrei abgebildet werden.<br />
Im Porenraum waren Übergänge von Salzlösung zu Salzfilmen im Ergebnis zunehmender<br />
Trocknung der Ziegel zu beobachten.<br />
Die vor und nach der Kompressenbehandlung an einzelnen Steinen durchgeführten<br />
Salzanalysen (Steiger und Neumann 1996) belegen eine Verringerung des Gehaltes an<br />
leicht löslichen Salzen um etwa 75 %.<br />
Ein Abbau der Salzanreicherungen ist auch aus den Dichteveränderungen abzulesen, die<br />
durch Gammasondenmessung ermittelt wurden (Abb. 183). Vor der Entsalzung lag eine<br />
Dichteerhöhung im Ziegel von über 20% vor, die auf Salzanreicherung im Porenraum als<br />
Folge der Klimatisierung zurückzuführen ist (vgl. Gliederungspunkt 4.2.6). Zum Ende der<br />
Kompressenbehandlung ist der Ausgangswert „Null“ wieder erreicht.<br />
Abb. 183: Auswirkungen der Kompressenentsalzung auf die Ziegeldichte (Gammasondenmessung<br />
des WKI Braunschweig in einer Klimakammer des Kampischen Hofes in Stralsund; aus<br />
Hoyer 1996)<br />
Im Ergebnis der mikroskopischen Untersuchungen muß die Salzbelastung im Hinblick auf<br />
konservatorische Maßnahmen trotz Kompressenbehandlung als hoch eingeschätzt werden.<br />
Im oberflächennahen Porenraum und teilweise auch an der Oberfläche sind nach wie vor<br />
erhebliche Salzmengen, insbesondere NaCl, vorhanden. Die Belegung der Porenwandungen<br />
mit Salzlösung oder -filmen verändert die Grenzflächeneigenschaften des Ziegels und hat<br />
damit möglicherweise negative Auswirkungen auf die Anbindung und Haftung von<br />
Konservierungsmaterialien oder Putzen.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 161<br />
4.2.8 Vergleich von Kryo-REM- und REM-Untersuchungen zur NaCl-<br />
Kristallisation am Innenmauerwerk<br />
Durch vergleichende mikroskopische Untersuchungen sollte überprüft werden, inwieweit<br />
herkömmliche Probenentnahme, Transport und REM-Untersuchung, also der Verzicht auf<br />
die aufwendige Kryo-Technik, ausreichen, um Morphologie und Verteilung der Salze im<br />
Porenraum der Ziegel artefaktfrei zu erfassen.<br />
Die Ergebnisse werden an einer repräsentativen Probe beschrieben, die unmittelbar nach<br />
der Entnahme geteilt wurde. An einem Stück erfolgte die sofortige Kryo-Präparation (Bruchfläche<br />
senkrecht zur Oberfläche einschließlich Grenzfläche Ziegel / Salzkruste) und spätere<br />
Kryo-REM-Untersuchung (4.2.8.1). Ein anderer Teil der Probe wurde, wie allgemein üblich,<br />
in eine Kunststoffschachtel verpackt und einige Tage später im Labor präpariert und danach<br />
auf herkömmliche Weise im REM untersucht (4.2.8.2).<br />
4.2.8.1 Kryo-REM-Untersuchung<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Die Bruchfläche des mittels Kryo-Methoden untersuchten Ziegelteilstückes ist in Abb. 184<br />
dargestellt. Es ist praktisch keine Porosität erkennbar. Der Porenraum ist fast vollständig mit<br />
hoch konzentrierter Salzlösung gefüllt. Die zugehörige EDX-Analyse zeigt die bekannten<br />
Peakverhältnisse (Abb. 185). Neben den für Ziegel charakteristischen Elementen sind<br />
zusätzlich Na und Cl nachweisbar. In den Salzfilmen wahrscheinlich vorhandenes Nitrat wird<br />
aufgrund der Absorption durch die Pt-Bedampfung mit der EDX nicht erfaßt.<br />
Die Salzkruste war zum Zeitpunkt der Probenentnahme mit Salzlösungsfilm bedeckt. Im<br />
Materialkontrast der RE-Aufnahme (Abb. 186) ist dieser Film als dunkler Belag auf den<br />
hellen Kluftflächen der Salzkristalle zu erkennen.<br />
4.2.8.2 REM-Untersuchung<br />
Mikroskopische Beschreibung<br />
Abb. 187 zeigt den oberflächennahen Porenraum des auf herkömmliche Weise untersuchten<br />
Ziegelteilstückes der gleichen Probe. Vergrößerung und Abbildungsbedingungen in Abb. 184<br />
und 187 sind identisch. Es ist deutlich zu erkennen, daß der Porenraum des nicht kryobehandelten<br />
Teilstückes dünnere Salzfilme und eine wesentlich höhere Porosität aufweist.<br />
Die bei der Präparation gezielt erzeugte „frische“ Bruchfläche ist von Salzkristallen übersät<br />
(Abb. 188). Bei höherer Vergrößerung wird ersichtlich, daß es sich um überwiegend<br />
idiomorphe NaCl-Kristalle handelt, die in ihrer Gleichgewichtsform (Würfel) kristallisiert sind<br />
(Abb. 189).<br />
Schließlich sind zwischen den Proben auch wesentliche Unterschiede im Bereich der<br />
Salzkrusten vorhanden. Die Abb. 186 und 190 können aufgrund gleicher Vergrößerung und<br />
Abbildungsbedingungen wieder direkt miteinander verglichen werden. Abb. 190 zeigt eine<br />
gegenüber der Kryo-Probe wesentlich porösere Kruste aus stark angelösten NaCl-Kristallen.<br />
Salzlösung ist nicht vorhanden.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 162<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
Kryo-REM ↔ REM<br />
Abb. 184:<br />
Kryo-REM-Untersuchung<br />
Durch Salzfilme verdichteter,<br />
oberflächennaher<br />
Porenraum. Die feineren<br />
Strukturen des keramischen<br />
Scherbens sind<br />
aufgrund des Salzüberzuges<br />
nicht erkennbar.<br />
EDX-Analyse s. Abb. 185.<br />
[Kryo-REM-SE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 185:<br />
Kryo-REM-Untersuchung<br />
EDX-Analyse der Salzfilme<br />
in Abb.184.<br />
Na und Cl gehören nicht<br />
zum Elementbestand der<br />
Ziegelmatrix. Sie sind den<br />
Salzfilmen zuzuordnen.<br />
Nitrat (N) kann aufgrund<br />
der Absorption leichter<br />
Elemente durch die Pt-<br />
Bedampfung nicht<br />
nachgewiesen werden.<br />
[EDX-Spektrum]<br />
Abb. 186:<br />
Kryo-REM-Untersuchung<br />
Salzkruste (NaCl) und<br />
Kontaktzone Kruste /<br />
Ziegel. Auf den Kluftflächen<br />
zwischen den NaCl-<br />
Kristallen der Salzkruste<br />
sind dunkle<br />
Salzlösungsfilme vorhanden.<br />
[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 163<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
Kryo-REM ↔ REM<br />
Abb. 187:<br />
REM-Untersuchung<br />
Gegenüber der Kryo-REM-<br />
Aufnahme (vgl. Abb. 184)<br />
ist der Ziegel wesentlich<br />
offenporiger. Details des<br />
keramischen Scherbens<br />
sind erkennbar. Salzfilme<br />
sind nur noch vereinzelt als<br />
dünne Relikte vorhanden.<br />
[REM-SE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 188:<br />
REM-Untersuchung<br />
NaCl-Ausblühungen (helle<br />
Kristalle) auf der im Labor<br />
„frisch“ erzeugten Bruchfläche.<br />
[REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
Abb. 189:<br />
REM-Untersuchung<br />
NaCl-Ausblühungen (helle<br />
Kristalle) auf der im Labor<br />
„frisch“ erzeugten Bruchfläche<br />
bei höherer Vergrößerung.<br />
Die idiomorphen<br />
Formen sind typisch für<br />
Artefakte.<br />
[REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 164<br />
Interpretation und Bewertung<br />
Kampischer Hof in<br />
Stralsund (Innenwand)<br />
Kryo-REM ↔ REM<br />
Abb. 190:<br />
REM-Untersuchung:<br />
Gegenüber der Kryo-REM-<br />
Aufnahme (vgl. Abb. 186)<br />
ist die NaCl-Kruste stark<br />
verändert. Sie bildet ein<br />
poröses Haufwerk aus<br />
kleinen, stark angelösten<br />
NaCl-Kristallen.<br />
[REM-RE-Aufnahme,<br />
Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />
An NaCl-haltigen Ziegelproben, die unmittelbar nach der Entnahme aus dem Mauerwerk<br />
geteilt und mittels Kryo-Technik sowie auf herkömmliche Weise im REM untersucht wurden,<br />
ließen sich folgende Unterschiede nachweisen:<br />
Im Bereich der NaCl-Ausblühungen an den Ziegeloberflächen waren zum Untersuchungszeitpunkt<br />
Salzlösungsfilme vorhanden, die nur mittels Kryo-REM erkannt und identifiziert<br />
werden konnten. Durch Anlösung von NaCl-Kristallen (nach Kondensation von Wasser auf<br />
der Wandoberfläche) ist Salzlösung entstanden und in Poren und Hohlräume der Salzkruste<br />
eingedrungen.<br />
Die Morphologien der NaCl-Kristalle in den Ausblühungen zeigen ebenfalls eine<br />
Abhängigkeit von der Präparations- und Untersuchungsmethode. Die starken Anlösungen,<br />
die beim Verzicht auf die Kryo-Technik vorgefunden wurden, sind die Folge von Feuchteeinwirkung<br />
während des Transportes und der Lagerung der Probe.<br />
Die konzentrierten Salzfilme im Porenraum hoch salzbelasteter Ziegel konnten nur im Kryo-<br />
REM erkannt und abgebildet werden. Ein erheblicher Teil der Feinporosität ist durch diese<br />
Salzfilme verschlossen. Bei herkömmlicher REM-Untersuchung kriecht ein Teil des NaCl zur<br />
präparierten Bruchfläche und kristallisiert dort in überwiegend idiomorphen Kristallformen.<br />
Salzkristalle dieser Morphologie an frischen Bruchflächen sind typische Artefakte.<br />
Bei diesem Umlagerungsprozeß wird der Porenraum in erheblichem Maß geöffnet, nur sehr<br />
vereinzelt bleiben Relikte der Salzfilme erhalten.<br />
Der Vergleich zwischen Kryo-REM und REM hat gezeigt, daß zur artefaktfreien Erfassung<br />
und Abbildung eines bauwerksspezifischen Salzgemisches in seinen unterschiedlichen<br />
Konzentrationen und lokalen Verteilungen der Einsatz der Kryo-Technik unverzichtbar ist.<br />
Eine herkömmliche Präparation und REM-Untersuchung von Ziegeln, die NaCl und<br />
Feuchtigkeit enthalten, führt zu erheblichen Veränderungen im Probenmaterial. Die NaCl-<br />
Morphologien und die Verteilung des Salzes im Porenraum, die im REM vorgefunden<br />
werden, entsprechen nicht den Verhältnissen, die zum Zeitpunkt der Probenentnahme im<br />
Ziegel vorgelegen haben. Fehlinterpretationen sind die Folge.
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 165<br />
4.2.9 Modell zum Schadensprozeß am Ziegelmauerwerk des Kampischen Hofes<br />
Aus den Ergebnissen der kombinierten mikroskopischen Untersuchungen (PolMi, REM,<br />
Kryo-REM) können, unter Verwendung von Daten aus Feuchte- und Salzanalysen,<br />
wesentliche Schlußfolgerungen zu den Schädigungsprozessen gezogen werden.<br />
Anhand charakteristischer mikroskopischer Schadensbilder kann unterschieden werden, ob<br />
Gips und Frost oder NaCl-Kristallisation zu den vorliegenden Schäden geführt haben. Die<br />
Wirkungsweise gleicher Salze ist aufgrund der klimatischen Unterschiede am Außen- bzw.<br />
Innenmauerwerk teilweise verschieden, so daß beide Fälle getrennt behandelt werden.<br />
Außenmauerwerk<br />
Eine maßgebliche Beteiligung von Gips am Schadensprozeß ist makroskopisch aus der<br />
Ablösung dünner, oberflächenparalleler Schalen ersichtlich. Mikroskopisch sind Schalen mit<br />
einer Paralleltextur aus Ziegel und Gips nachweisbar. An den betroffenen Ziegeln wurden<br />
Gipskonzentrationen im vordersten Gefügeabschnitt bis etwa 10 M% ermittelt. Die Gehalte<br />
an leicht löslichen Salzen sind mit 0,5 M% Chlorid und 0,3 M% Nitrat vernachlässigbar<br />
gering.<br />
Die makroskopischen und mikroskopischen Schadensbilder entsprechen denen, die an<br />
geschädigten Terrakotten im Außenbereich festgestellt wurden (s. Gliederungspunkt 4.1.6).<br />
Damit kann auf vergleichbare Ursachen und Schadensprozesse geschlossen werden, die für<br />
Terrakotten im Gliederungspunkt 4.1.8 dargelegt wurden. Durch Frosteinwirkung auf gestaute<br />
Feuchtigkeit bzw. durch thermisch-hygrische Beanspruchungen von Gipshorizonten<br />
entstehen aufgefächerte, durch Gips sekundär stabilisierte Paralleltexturen, die sich als<br />
dünne Schalen ablösen.<br />
Ziegelschäden infolge NaCl–Kristallisation sind makroskopisch durch sandende bis schuppende<br />
Oberflächen, teilweise mit erheblichen Rückwitterungstiefen, zu erkennen. Aus den<br />
mikroskopischen Untersuchungen konnte ein ursächlicher Zusammenhang zwischen auftretenden<br />
Schäden und der Lage der Kristallisationsfront abgeleitet werden. Stehen<br />
Lösungstransport und Verdunstungsrate an der Oberfläche im Gleichgewicht, treten trotz<br />
hoher Gehalte an leicht löslichen Salzen (1,3 M% Chlorid, 0,3 M% Nitrat, Gips
4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 166<br />
Innenmauerwerk<br />
Obwohl es sich um einen ungeheizten Speicherraum handelt, in dem im Winter zeitweise<br />
Frost herrscht, treten die für Gips-Frost-Prozesse typischen Schadensbilder – Ablösung<br />
dünner Schalen oder größerer Partikel - am Innenmauerwerk nicht auf.<br />
Gips ist jedoch in der gleichen Größenordnung wie am Außenmauerwerk nachweisbar (0,2<br />
bis 11 M%). Aus den mikroskopischen Untersuchungen ist ersichtlich, daß bei hohen Gipskonzentrationen<br />
2-3 mm breite, oberflächennahe Gipshorizonte vorhanden sind, in denen<br />
der Porenraum des Ziegels durch feinkristallinen Gips verstopft ist.<br />
Am Außenmauerwerk führen diese Gefügeveränderungen zu einer Trocknungsbehinderung<br />
und damit zu einer Erhöhung der Frostanfälligkeit. Es entstehen zunächst Risse und im<br />
weiteren Verlauf aufgefächerte Paralleltexturen aus Ziegel und Gips.<br />
In den Gipshorizonten der Ziegel des Innenmauerwerkes sind keine Risse vorhanden. Die<br />
Gipskristallisation hat weder direkt noch indirekt zu einer Gefügeschädigung geführt. Damit<br />
kann die Rolle des Gipses im Schadensprozeß der Ziegel des Innenmauerwerkes trotz<br />
hoher Gipsgehalte vernachlässigt werden. Hauptursache dieses Unterschiedes ist der<br />
Umstand, daß die Gipshorizonte im Innenraum nur geringen thermisch-hygrischen<br />
Beanspruchungen ausgesetzt sind.<br />
Die Verdichtung des oberflächennahen Porenraumes durch Gipsausscheidung führt zu<br />
einem signifikanten Anstieg der Konzentrationen leicht löslicher Salze unmittelbar hinter dem<br />
vergipsten Abschnitt. Die Chlorid- und Nitratgehalte steigen auf das Vierfache der üblichen<br />
Werte und betragen 8-15 M%. Aufgrund der hohen Konzentrationen leicht löslicher Salze<br />
kann Frost als Schadensfaktor für die Ziegel des Innenmauerwerkes ausgeschlossen<br />
werden. Thermodynamische Berechnungen auf der Basis eines realen Salzgemisches<br />
ergaben eine Gefrierpunkterniedrigung auf ca. -25° C.<br />
In den sichtbar geschädigten Ziegeln des Innenmauerwerkes wurden geringe Gipsmengen<br />
(
5. Zusammenfassung 167<br />
5 ZUSAMMENFASSUNG<br />
Die über zehnjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Baustoffanalyse mittels Licht- und<br />
Elektronenmikroskopie waren der Anlaß zur Darstellung der mikroskopischen Methodik und<br />
der auf diesem Wege erreichbaren Erkenntnisse - und zwar am Beispiel keramischer<br />
Materialien von vier berühmten Baudenkmälern:<br />
1. Terrakotten (19. Jh.) am Schweriner Schloß<br />
2. Terrakotten (19. Jh.) am Holstentor in Lübeck<br />
3. Terrakotten (14. Jh.) an der Johanniskirche in Tartu (Estland)<br />
sowie<br />
4. Ziegel (14. und 19. Jh.) am Kampischen Hof in Stralsund<br />
Für die historischen Terrakotten mit ihrem vielfältigen Spektrum unterschiedlicher<br />
Schadensbilder in eng benachbarten Oberflächenbereichen war der Einsatz mikroskopischer<br />
Methoden aus zwei Gründen zwingend erforderlich. Erstens wegen der starken Beschränkungen<br />
auf unauffällige Probengrößen und zweitens wegen der dadurch vertretbaren großen<br />
Probenzahl zwecks statistischer Sicherheit der wissenschaftlichen Aussagen.<br />
Als besonders hilfreich erwies sich die Baustoffmikroskopie auch für die stufenweise<br />
Erfassung der Auswirkungen einzelner Konservierungsschritte auf die geschädigten Gefüge<br />
als Grundlage für eine Dauerhaftigkeitsprognose sanierter Bereiche.<br />
Für die Ziegel des Kampischen Hofes ergab sich als wesentliche Aufgabe die<br />
Interpretation der mikroskopischen Verwitterungsbilder im Zusammenhang mit den Feuchteverhältnissen<br />
und der Salzwanderung unter dem Einfluß klimatischer Schwankungen bzw.<br />
Unterschiede am Innen- und Außenmauerwerk.<br />
Hierzu mußte die mikroskopische Schadensanalyse durch die Beobachtungen dynamischer<br />
Veränderungen am Objekt und in Simulationsversuchen im Labor erweitert werden.<br />
Die Erfassung der sehr komplexen Transport- und Kristallisationsvorgänge leicht löslicher<br />
Salze (Chloride und Nitrate) auf Oberflächen und im Inneren unterschiedlich stark gebrannter<br />
Ziegel erforderten eine Probenfixierung durch Kryo-Schock vor Ort und die entsprechende<br />
Weiterbehandlung der Proben einschließlich Untersuchung in der Kryo-Probenkammer des<br />
Rasterelektronenmikroskops.<br />
Der Vorteil der umfassenden mikroskopischen Analyse verwitternder Baustoffe liegt in<br />
der Ablesbarkeit der Entwicklungsstadien des eigentlichen Schadens, unabhängig von<br />
augenfälligen, aber wenig aussagekräftigen Merkmalen des makroskopischen Bildes.<br />
Voraussetzung hierfür ist jedoch die Kombination der verschiedenen mikroskopischen<br />
Abbildungs- und Analysetechniken. Nur auf diese Weise können Einzelaspekte, die im<br />
Lichtmikroskop, REM bzw. Kryo-REM erkannt werden, zu einem sich ergänzenden Gesamtbild<br />
umfassender Aussagefähigkeit vereint werden.<br />
Dazu folgende Beispiele aus den Untersuchungen an historischen keramischen Baustoffen:<br />
Terrakotten<br />
Lokale Farbunterschiede der Terrakotten lenkten zunächst den Verdacht auf Anstriche<br />
oder Engobierungen. Mikroskopisch konnten jedoch oberflächennahe Materialinhomogenitäten<br />
im Scherbengefüge (Schwankungen im Ca/Fe-Verhältnis) als Ursachen nachgewiesen<br />
werden.
5. Zusammenfassung 168<br />
Unter schwarzen Oberflächen von Terrakotten wurden im Lichtmikroskop Reste von<br />
Farbschichten sichtbar, deren Pigmente (Gelbe und Rote Ocker) am gleichen Präparat<br />
mittels EDX-Analyse im REM bestimmt werden konnten. Zusätzlich wurde im mikroskopischen<br />
Bereich eine Langzeitschutzwirkung der alten Fassung für die Terrakottaoberfläche<br />
ableitbar.<br />
Abbildung und EDX-Analyse von mikrometerfeinen Auflagerungen und Krusten an<br />
Oberflächen und Bruchflächen ermöglichten Rückschlüsse auf die Entstehung, z.B. die<br />
Mobilisierung von Vanadiumverbindungen aus dem keramischen Scherben.<br />
Gleichzeitig konnte an Dünnschliffen (senkrecht zu Verwitterungsfläche und Brennhaut) die<br />
Reduzierung offener Oberflächenporen erkannt und auf eine Verminderung der Verdunstungsgeschwindigkeit<br />
geschlossen werden.<br />
Der Vergleich von Terrakottaproben verschiedener Objekte hat gezeigt, daß identische<br />
Belastungssituationen (Gips und Frost) charakteristische Gefügeveränderungen zur Folge<br />
haben. Damit können allgemein wirksame Einflüsse von örtlichen Besonderheiten<br />
unterschieden werden.<br />
Nicht nur an Terrakotten, sondern für die meisten Baudenkmäler stellt sich immer wieder die<br />
Frage: Führt die alleinige Gipskristallisation direkt zu einer Schädigung ? Für die untersuchten<br />
Terrakotta-Objekte kann diese Frage eindeutig verneint werden. Durch die<br />
Abscheidung feinkristallinen Gipses im oberflächennahen Porenraum werden jedoch<br />
Bedingungen geschaffen, die aufgrund ihrer Wirkung als Trocknungsblockade bei gleichzeitig<br />
lokal verringerter Frostbeständigkeit häufig schadensauslösend sind.<br />
Die Existenz solcher Gipshorizonte an äußerlich intakten Terrakotten ist daher als Vorschädigung<br />
anzusehen.<br />
Ziegel<br />
Auch an den Außenwänden der Ziegelmauern des Kampischen Hofes treten durch Gipsausscheidungen<br />
begünstigte Frostschäden auf.<br />
Dagegen zeigen stark vergipste Ziegel der Innenwände keine Gefügezerstörungen, die auf<br />
Gips/Frost-Prozesse zurückführbar sind. Eiskristallisation als wesentlicher Faktor dieses<br />
Prozesses entfällt aufgrund der Gefrierpunkterniedrigung durch hohe Konzentrationen leicht<br />
löslicher Salze.<br />
Schadensprozesse mit leicht löslichen Salzen erfordern mikroskopische Momentaufnahmen.<br />
Diese gelingen durch blitzartiges Einfrieren des augenblicklichen Zustandes<br />
mittels Kryoschock, anschließender Kryofixierung und Untersuchung im REM mit Kryo-<br />
Zusatz.<br />
Anderenfalls, z.B. bei herkömmlicher Präparation und REM-Untersuchung, ist bereits bei<br />
geringen Feuchtegehalten mit Umlagerungs- und Kristallisationsprozessen im Probenmaterial<br />
zu rechnen, die zu Fehlinterpretationen führen können.<br />
Schäden durch NaCl-Kristallisation stehen in direktem Zusammenhang mit der Lage der<br />
Kristallisationsfront. Sie wird bestimmt durch die Porosität, bereits vorhandene Gefügeschäden,<br />
den Feuchte- und Salzgehalt und die klimatischen Verhältnisse. An Ziegeln mit<br />
homogenem, offenem Porengefüge, dessen Wegsamkeiten nicht durch schwer lösliche<br />
Salze verstopft oder durch Rißsysteme unterbrochen sind, treten lediglich Ausblühungen auf.
5. Zusammenfassung 169<br />
In Gegenwart oberflächenparalleler Risse und an hoch porösen Ziegeln erfolgt - bei gleicher<br />
Salzbelastung - die NaCl-Kristallisation innerhalb oder hinter dem vorgeschädigten Gefügeabschnitt.<br />
Vor allem zyklische Beanspruchungen (Lösung und anschließende Kristallisation<br />
des NaCl) führen zu Gefügelockerungen und in die Tiefe fortschreitenden Schäden.<br />
Die artefaktfreie Abbildung von Ausblühungen leicht löslicher Salze mittels Kryo-REM<br />
erlaubt Rückschlüsse auf die derzeitige Substratfeuchte im vorderen Mauerwerksabschnitt.<br />
Aus den Morphologien der NaCl-Ausblühungen (kompakte Krusten, Faserkrusten bzw.<br />
einzelne stengelige Kristalle) ist auf eine geringe Feuchte im Ziegel bzw. auf konzentrierte<br />
Salzlösungen zu schließen. Lagenweise wechselnde Kristallformen innerhalb einer Kruste<br />
sind die Folge zyklischer NaCl-Transportschübe, ausgelöst durch Feuchteschwankungen.<br />
Proportional zur Stärke der Ausblühungen an den Oberflächen treten Salzfilme im<br />
Porenraum der Ziegel auf. Aus chemischen Salzanalysen geht hervor, daß im Salzgemisch<br />
NaCl dominiert und in untergeordneter Menge Nitrate enthalten sind. Thermodynamische<br />
Berechnungen ergaben, daß die Salzfilme stark übersättigt sind. Es konnte noch nicht<br />
geklärt werden, inwieweit Keimbildung und Kristallwachstum gehemmt sind und/oder ein<br />
hoher Metastabilitätsbereich für das Salzgemisch vorliegt.<br />
Die Auswirkungen langfristiger oder kurzzeitiger Klimaereignisse auf die Feuchte- und<br />
Salzverteilung im vorderen Abschnitt der Ziegel können durch Kryo-REM-Untersuchung<br />
erfaßt werden.<br />
Kondenswasserniederschläge infolge Taupunktunterschreitung führten zu Anlösungen der<br />
Salzausblühungen.<br />
Eine mehrmonatige Temperierung einer Innenwandfläche auf 22°C hatte einen Salztransport<br />
in Richtung Oberfläche über Grenzflächendiffusion (Kriechen) zur Folge, was zu<br />
verstärkten Ausblühungen führte. Im Porenraum der betreffenden Ziegel wurde zwar eine<br />
Zunahme der Salzfilme beobachtet, aber kein vermehrtes Kristallwachstum.<br />
Entgegen der verbreiteten Auffassung, daß in einem porösen, mit der Raumluft in Verbindung<br />
stehenden System keine übersättigten Lösungen zu erwarten sind, konnten mittels<br />
Kryo-REM - gestützt durch thermodynamische Berechnungen - übersättigte Salzlösungen<br />
im Porenraum von Ziegeln nachgewiesen werden. In diesen Salzfilmen sind jedoch nur<br />
einzelne, sehr kleine NaCl-Kristalle vorhanden, so daß hohe Kristallisationsdrücke, wie sie<br />
von CORRENS UND STEINBORN (1939) für stark übersättigte Salzlösungen postuliert werden,<br />
nicht zu erwarten sind. Eine gefügeschädigende Wirkung der Salzfilme kann aus den<br />
durchgeführten Untersuchungen nicht abgeleitet werden. Hinweise auf Scherspannungen,<br />
die nach der Theorie von PÜHRINGER (1983) durch Verformungen von Salzfilmen infolge<br />
zyklischer Trocknung bzw. Wasseraufnahme entstehen und zu Schäden am keramischen<br />
Scherben führen sollen, liegen nicht vor.<br />
Der Einfluß der Salzzusammensetzung auf das Kristallisationsverhalten der Salzfilme ist<br />
noch nicht geklärt. Aussagen, inwieweit Keimbildung und Kristallwachstum gehemmt sind<br />
bzw. ein hoher Metastabilitätsbereich für das Salzgemisch charakteristisch ist, erfordern<br />
vertiefende Untersuchungen.<br />
Die umfassende Deutung des mikroskopischen Untersuchungsmaterials erfolgte stets<br />
im Vergleich mit Ergebnissen bauphysikalischer und chemischer Untersuchungen sowie mit<br />
thermodynamischen Berechnungen.<br />
Umgekehrt bedürfen auch die Bauphysik und die Baustoff-Chemie der Unterstützung durch<br />
die Analyse mikroskopischer Schadensbilder in ihren Entwicklungsstadien.
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Bericht, Fachlabor für Konservierungsfragen Dr. Wendler, München<br />
WENDLER E. (1995): Erhaltung historischer Terrakotten, Schloß Schwerin: Zustandserfassung.<br />
Versuche zur Entsalzung und Festigung (Musterfläche 2), Unveröffentlichter<br />
Bericht, Fachlabor für Konservierungsfragen Dr. Wendler, München<br />
WENDLER E. (1997): Erhaltung historischer Terrakotten, Schloß Schwerin: Objektanwendung<br />
von Schlämmsystemen (Musterfläche 2), Unveröffentlichter Bericht, Fachlabor für<br />
Konservierungsfragen Dr. Wendler, München
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In: Beitr. Geol. Schweiz, Geotech. Ser. 61
Lebenslauf<br />
Persönliche Daten<br />
Name Frank Schlütter<br />
Geburtsdatum: 20.07.1957<br />
Geburtsort: Erfurt<br />
Familienstand: verheiratet, 1 Tochter<br />
Wissenschaftlicher Werdegang<br />
04/2002 Promotion an der Bauhaus-Universität Weimar<br />
09/1983 - 08/1988 Studium der Kristallographie an der Karl-Marx-Universität Leipzig<br />
Abschluß: Diplom-Kristallograph<br />
09/1980 - 04/1982 Abitur an der Volkshochschule Erfurt<br />
09/1964 - 07/1974 Allgemeinbildende Oberschule in Erfurt<br />
Berufstätigkeit<br />
seit 01/1990 <strong>Amtliche</strong> <strong>Materialprüfungsanstalt</strong> Bremen (MPA) am<br />
Institut für Werkstofftechnik (IWT) in Bremen<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
• Materialkundliche Untersuchungen in denkmalbezogenen<br />
Forschungsprojekten<br />
• Licht- und rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen an<br />
baulichem Kunst- und Kulturgut<br />
• Gutachterliche Tätigkeit<br />
09/1988 - 09/1989 Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar<br />
(heute: Bauhaus Universität Weimar)<br />
Sektion Baustoffverfahrenstechnik, Wissenschaftsbereich Chemie<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
• Chemische Untersuchungen zu Kristallisationsvorgängen in<br />
gipsgebundenen Baustoffen<br />
• Lehrtätigkeit<br />
VEB Nachrichtenanlagenbau Leipzig<br />
09/1974 - 12/1976 Berufsausbildung<br />
Facharbeiter für Nachrichtentechnik<br />
01/1977 - 08/1983 Aufbau, Inbetriebnahme und Wartung von Nachrichtenanlagen