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Dissertation - Amtliche Materialprüfungsanstalt

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Mikroskopische Schadensanalyse<br />

und Konservierungskontrolle<br />

am Beispiel historischer Terrakotten und Ziegel<br />

DISSERTATION<br />

zur Erlangung des akademischen Grades<br />

Doctor rerum naturalium<br />

an der Fakultät Bauingenieurwesen<br />

der<br />

Bauhaus-Universität Weimar<br />

vorgelegt von<br />

Frank Schlütter<br />

aus Erfurt<br />

Weimar 2002<br />

Gutachter: 1. Prof. Dr.-Ing. habil. Jochen Stark<br />

2. Prof. Dr. rer. nat. habil. R. Blaschke<br />

3. Prof. Dr. rer. nat. habil. D. Knöfel<br />

Tag der Disputation: 30.04.2002


Der Begeisterte wird immer und notwendig<br />

über den triumphieren, der nicht begeistert ist.<br />

Willi Rickmer Rickmers<br />

(Bremer Fabrikant und Asienforscher,<br />

Leiter der Deutsch-Russischen ALAI-PAMIR-Expedition 1928)


Vorwort<br />

Vorwort<br />

Nach heutigem Verständnis des Begriffes Denkmalpflege ist zur Erhaltung von Kunst- und<br />

Kulturgut eine Konservierung anzustreben. Ein Materialaustausch soll möglichst vermieden<br />

werden.<br />

Zu den Voraussetzungen einer erfolgreichen und dauerhaften konservatorischen Behandlung<br />

gehören stets auch genaue Kenntnisse der Ursachen und Auswirkungen auftretender<br />

Schäden. Die Veränderungen der Baustoffgefüge müssen bis in ihre mikroskopischen<br />

Details bekannt sein, um die Schadensprozesse rekonstruieren und bei der Festlegung<br />

konservatorischer Schritte berücksichtigen zu können. Hierfür wird die Aussagefähigkeit<br />

mikroskopischer Untersuchungen an kleinen Bauwerksproben noch immer unterschätzt und<br />

nicht ausreichend genutzt.<br />

Mit der vorliegenden Arbeit sollen die Möglichkeiten der analytischen Mikroskopie zur<br />

Schadensdiagnose und zur Bewertung von Konservierungen am Beispiel geschädigter<br />

Terrakotten und Ziegel aufgezeigt werden.<br />

Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. habil. R. Blaschke für die Unterweisungen in der<br />

analytischen Baustoffmikroskopie, die mir vor allem in den vielen Stunden gemeinsamer<br />

Laborwagenarbeit in umfassender Form zuteil wurden. Darüber hinaus bedanke ich mich für<br />

seine zahlreichen Anregungen hinsichtlich der Darstellung der Ergebnisse.<br />

Für seine Unterstützung danke ich auch Herr Dr.-Ing. H. Juling von der MPA Bremen. Er hat<br />

durch seine Diskussionsbereitschaft wesentlich zum Gelingen beigetragen.<br />

Gleichfalls danke ich Herrn Prof. Dr-Ing. habil. J. Stark vom F.A. Finger Institut für Baustoffkunde<br />

der Bauhaus-Universität in Weimar für die wohlmeinende Unterstützung und vor allem<br />

für die Möglichkeit, diese Arbeit an der Fakultät Bauingenieurwesen der Bauhaus-Universität<br />

Weimar einreichen zu können.<br />

Frau Dr. Hella Ruebesam vom Deutschen Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege e.V. in<br />

Fulda (ZHD) möchte ich für die Förderung der Mikroskopie im Rahmen der BMFT/BMBF-<br />

Projekte zur Denkmalpflegeforschung danken.<br />

Ebenfalls danke ich Herrn Dr. M. Steiger vom Institut für Allgemeine und Angewandte<br />

Chemie der Universität Hamburg für die thermodynamischen Berechnungen an einem Salzgemisch<br />

und die Unterstützung bei deren Interpretation.<br />

Bei Herrn Dr. E. Wendler und Herrn Dr. H.-H. Neumann möchte ich mich für die Diskussionen<br />

zu Fragen der Schadensprozesse durch Salze bedanken.<br />

Mein herzlicher Dank gilt meiner Frau Beatrice Schunke für ihre Geduld und den Verzicht auf<br />

Familienleben an zahlreichen Wochenenden. Auch ihre tatkräftige Unterstützung bei der<br />

Strukturierung der Arbeit und der Korrektur des Manuskriptes war eine unerläßliche Hilfe.<br />

Die Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit wurden während meiner Tätigkeit in der<br />

Abteilung Analytische Baustoffmikroskopie der <strong>Amtliche</strong>n <strong>Materialprüfungsanstalt</strong> der Freien<br />

Hansestadt Bremen (MPA) durchgeführt und aus Mitteln des Bundesministeriums für<br />

Forschung und Technologie im Rahmen des Verbundprojektes „Steinzerfall - Steinkonservierung“<br />

finanziert.<br />

Die Bearbeitung der Terrakotten der Johanniskirche in Tartu erfolgte im Auftrag des ZHD<br />

Fulda.


Inhaltsverzeichnis 4<br />

Inhalt<br />

Seite<br />

1 PROBLEMSTELLUNG UND UNTERSUCHUNGSOBJEKTE 8<br />

1.1 Problemstellung und Ziele 8<br />

1.2 Bauwerke, Materialien und Untersuchungsschwerpunkte 10<br />

1.2.1 Schweriner Schloß 10<br />

1.2.2 Holstentor in Lübeck 12<br />

1.2.3 Johanniskirche in Tartu (Republik Estland) 13<br />

1.2.4 Kampischer Hof in Stralsund 15<br />

2 STAND DER FORSCHUNG - LITERATURAUSWERTUNG 18<br />

2.1 Zur Geschichte der Herstellung keramischer Baustoffe<br />

von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung<br />

18<br />

2.2 Zusammensetzung und Gefüge grobkeramischer Materialien 19<br />

2.3 Schadensursachen an keramischen Baustoffen 21<br />

2.3.1 Rohstoff- und fertigungsseitige Schadensursachen 21<br />

2.3.2 Bauwerkspezifische und anthropogene Schadensursachen 22<br />

2.4 Mikroskopische Untersuchungen an Ziegeln und Terrakotten 23<br />

2.4.1 Laborserien 23<br />

2.4.2 Bauwerksproben 26<br />

2.5 Spezielle mikroskopische Untersuchungen zu Schadensursachen 28<br />

und Konservierungsansätzen<br />

2.5.1 Kryo-REM-Untersuchungen 28<br />

2.5.2 ESEM-Untersuchungen 29<br />

3 ZUR METHODIK DER MIKROSKOPISCHEN BAUSTOFFANALYSE 32<br />

3.1 Probennahme 33<br />

3.2 Präparationsschritte 33<br />

3.2.1 REM-Präparation 34<br />

3.2.2 Dünnschliff-Präparation 35<br />

3.2.3 Kryo-Präparation vor Ort 35


Inhaltsverzeichnis 5<br />

3.3 Mikroskopische Analysemethoden 35<br />

3.3.1 Polarisationsmikroskopie 37<br />

3.3.2 Rasterelektronenmikroskopie und Röntgenmikroanalyse 37<br />

3.3.2.1 Rasterelektronenmikroskop und energiedispersive<br />

Röntgenmikroanalyse<br />

37<br />

3.3.2.2 Kryo-Einrichtung 39<br />

3.3.3 Artefakte und deren Vermeidung 39<br />

4 UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE UND DISKUSSION 41<br />

4.1 Bauterrakotten im Fassadenbereich (Schweriner Schloß, 41<br />

Holstentor Lübeck und Johanniskirche Tartu)<br />

4.1.1 Thematische Schwerpunkte der durchgeführten<br />

mikroskopischen Untersuchungen<br />

41<br />

4.1.2 Definition der verwendeten Begriffe 42<br />

4.1.3 Scherbeneigene Ursachen der Oberflächenfarbigkeiten<br />

der Terrakotten des Holstentores in Lübeck<br />

42<br />

4.1.3.1 Rote Oberfläche über ockerfarbenem Scherben 43<br />

4.1.3.2 Gelbliche Oberfläche über rotockerfarbenem Scherben 46<br />

4.1.4 Farbfassungsrelikte an den Oberflächen der Terrakotten<br />

der Johanniskirche in Tartu<br />

48<br />

4.1.4.1 Gelbockerfassung 48<br />

4.1.4.2 Rotfassung 51<br />

4.1.5 Veränderungen der Oberflächen an den Terrakotten des<br />

Schweriner Schlosses - Auflagerungen und Krusten<br />

54<br />

4.1.5.1 Schwarze und graue Oberflächen 54<br />

4.1.5.2 Gelbschwarze Oberflächen 61<br />

4.1.5.3 Beige Oberflächen 63<br />

4.1.5.4 Rötlich-beige Oberflächen 65<br />

4.1.6 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile<br />

an den Terrakotten des Schweriner Schlosses<br />

67<br />

4.1.6.1 Stadium I: Keine Schäden erkennbar 69<br />

4.1.6.2 Stadium II: Erste sichtbare Schäden 74<br />

4.1.6.3 Stadium III: Starke sichtbare Schäden 76


Inhaltsverzeichnis 6<br />

4.1.7 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile an den<br />

Terrakotten des Holstentores Lübeck und der Johanniskirche Tartu<br />

80<br />

4.1.7.1 Holstentor Lübeck - Stadium II: Erste sichtbare Schäden 80<br />

4.1.7.2 Holstentor Lübeck - Stadium III: Starke sichtbare Schäden 83<br />

4.1.7.3 Johanniskirche Tartu - Stadium III: Starke sichtbare Schäden 85<br />

4.1.8 Modell zum Schadensprozeß an Bauterrakotten im Fassadenbereich<br />

in Gegenwart von Gips<br />

90<br />

4.1.9 Mikroskopische Bewertung von Probekonservierungen an den<br />

Terrakotten des Schweriner Schlosses<br />

94<br />

4.1.9.1 Strukturelle Festigung 95<br />

4.1.9.2 Kompressenbehandlung zur Gipsminderung 104<br />

4.1.9.3 Oberflächenkonsolidierung durch Schalenhaftmörtel<br />

und Schlämmen<br />

109<br />

4.2 Ziegelmauerwerk des Kampischen Hofes in Stralsund 115<br />

4.2.1 Thematische Schwerpunkte der durchgeführten<br />

mikroskopischen Untersuchungen<br />

115<br />

4.2.2 Mikroskopische Charakterisierung des Ziegelmaterials 116<br />

4.2.3 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile<br />

am Außenmauerwerk<br />

118<br />

4.2.3.1 Intakte mittelalterliche Ziegel mit Ausblühungen 118<br />

4.2.3.2 Schädigung mittelalterlicher Ziegel durch Gips 121<br />

4.2.3.3 Schädigung mittelalterlicher Ziegel durch NaCl 125<br />

4.2.3.4 Schädigung der Reparaturziegel des 19. Jh. durch NaCl 127<br />

4.2.4 Einfluß der Witterung auf die NaCl-Kristallisation am<br />

Außenmauerwerk<br />

132<br />

4.2.4.1 Feuchte Witterung und ergänzende Laborversuche 132<br />

4.2.4.2 Trockene Witterung 133<br />

4.2.5 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile<br />

am Innenmauerwerk<br />

137<br />

4.2.5.1 Gips im Schadensbild der mittelalterlichen Ziegel 138<br />

4.2.5.2 NaCl im Schadensbild der mittelalterlichen Ziegel 144<br />

4.2.6 Auswirkungen einer Raumklimatisierung auf die NaCl-Kristallisation<br />

am Innenmauerwerk<br />

153<br />

4.2.6.1 Ausgangszustand 153<br />

4.2.6.2 Zustand nach viermonatiger Klimatisierung 153


Inhaltsverzeichnis 7<br />

4.2.7 Auswirkungen einer Kompressenbehandlung auf die Salze<br />

im oberflächennahen Porenraum<br />

158<br />

4.2.8 Vergleich von Kryo-REM- und REM-Untersuchungen<br />

zur NaCl-Kristallisation am Innenmauerwerk<br />

161<br />

4.2.8.1 Kryo-REM-Untersuchung 161<br />

4.2.8.2 REM-Untersuchung 161<br />

4.2.9 Modell zum Schadensprozeß am Ziegelmauerwerk<br />

des Kampischen Hofes<br />

165<br />

5. ZUSAMMENFASSUNG 167<br />

6. LITERATUR 170


1. Problemstellung und Ziele 8<br />

1 PROBLEMSTELLUNG UND UNTERSUCHUNGSOBJEKTE<br />

1.1 Problemstellung und Ziele<br />

Nicht nur Natursteine oder Putze historischer Bauwerke zeigen Schäden, die auf ein<br />

Versagen der Baustoffe unter den konkreten Belastungssituationen zurückzuführen sind.<br />

Terrakotten und Ziegel sind gleichermaßen davon betroffen.<br />

Es ist inzwischen unbestritten, daß die starke Zunahme anthropogener Schadstoffemissionen<br />

in die Atmosphäre seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine der wesentlichen<br />

Ursachen heute anzutreffender Schäden ist.<br />

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß fast immer auch auslösende Faktoren am Bauwerk<br />

vorhanden sind. Die Exposition eines Gebäudes, die geometrischen Verhältnisse einzelner<br />

Bauteile, die Materialeigenschaften und eine vorhandene Belastungssituation sind die<br />

bestimmenden Größen für die Entstehung von Schäden.<br />

Durch das komplexe Zusammenwirken verschiedener Schädigungsmechanismen entstehen<br />

eine Vielzahl phänomenologisch charakterisierbarer Verwitterungsformen. Hierzu zählen<br />

Oberflächenveränderungen in Form von Ausblühungen, Schwärzungen und Krusten sowie<br />

Materialverluste mit unterschiedlichen Verwitterungsprofilen.<br />

An kunsthistorisch wertvollen Objekten, zu denen auch die Baukeramik im Fassadenbereich<br />

denkmalgeschützter Bauwerke zählt, ist eine Probenentnahme häufig nur unter großen<br />

Einschränkungen möglich. Die verantwortlichen Denkmalpfleger und Restauratoren verlangen<br />

eine zerstörungsfreie oder zumindest zerstörungsarme Zustandserfassung.<br />

Dieser Forderung nach substanzschonender Probenentnahme wird die Mikroskopie durch<br />

die Möglichkeit, sich auf sehr kleine Proben zu beschränken, in hohem Maße gerecht.<br />

Die Erfahrungen aus verschiedenen Forschungsarbeiten zur Verwitterung historischer und<br />

moderner Baustoffe haben gezeigt, daß die aktuellen Schadensbilder das Resultat langjähriger<br />

Prozesse sind, deren entscheidende Anfänge in mikroskopisch feinen Dimensionen<br />

gesucht werden müssen. Mit Hilfe mikroskopischer Untersuchungen können Verwitterungsvorgänge<br />

erkannt und hinsichtlich ihrer Ursachen interpretiert werden (Blaschke 1987 und<br />

1989; Blaschke und Juling 1990a und 1992).<br />

Umfassende mikroskopische Untersuchungen an Bauwerksproben geschädigter Terrakotten<br />

wurden bisher noch nicht durchgeführt.<br />

In der vorliegenden Arbeit sollen die Oberflächen- und Gefügeveränderungen, die an den<br />

Terrakotten unterschiedlicher Bauwerke unter objektspezifischen Belastungssituationen<br />

entstanden sind, erfaßt und verglichen werden. Hierbei werden alle im Außenbereich an<br />

unglasierten keramischen Fassadenbauteilen auftretenden Phänomene berücksichtigt.<br />

Ziel ist die Rekonstruktion der Entwicklung von Primärschäden und deren Abgrenzung von<br />

sekundären Veränderungen.<br />

Die Eignung eines Konservierungskonzeptes wird meist an Testflächen überprüft, die nach<br />

ausreichender Standzeit untersucht und beurteilt werden. Die mikroskopische Analytik wurde<br />

bislang kaum zur Bewertung von Konservierungen eingesetzt.<br />

Am Beipiel von Konservierungstestflächen an Terrakotten sollen die Möglichkeiten der<br />

Mikroskopie für eine Dauerhaftigkeitsprognose sanierter Bereiche untersucht werden.


1. Problemstellung und Ziele 9<br />

Leicht lösliche Salze in porösen Materialien stellen besondere Anforderungen an die<br />

mikroskopische Analytik. Die Grenzen herkömmlicher mikroskopischer Verfahren zur Klärung<br />

von Verwitterungsprozessen an feuchte- und salzbelastetem Ziegelmauerwerk sind nicht<br />

ausreichend definiert. Aus Natursteinuntersuchungen ist jedoch bekannt, daß Lagerung und<br />

Transport von Proben, die leicht lösliche Salze enthalten, unter Umständen zu<br />

Veränderungen im Probenmaterial führen, die verfälschenden Einfluß auf die Ergebnisse<br />

mikroskopischer Untersuchungen haben können.<br />

Durch den Einsatz der Kryo-Präparation vor Ort und Untersuchung in der Kryo-Probenkammer<br />

des REM soll die Feuchte- und Salzverteilung in geschädigten und ungeschädigten<br />

Ziegeln eines Bauwerkes ermittelt werden.<br />

Ziele sind die Abbildung von Feuchtigkeit bzw. Salzlösung im Porenraum und die Ermittlung<br />

und Bewertung der Morphologien der Salze bei unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen<br />

und schließlich die Klärung der Lösungswanderung und der Schädigungsmechanismen.<br />

Die Untersuchungen wurden an folgenden Objekten und Materialien durchgeführt:<br />

1. Schweriner Schloß - Terrakotten des 19. Jahrhunderts<br />

2. Holstentor in Lübeck - Terrakotten des 19. Jahrhunderts<br />

3. Johanniskirche in Tartu (Republik Estland) - Terrakotten des 14. Jahrhunderts<br />

4. Kampischer Hof in Stralsund - Ziegel des 14. und 19. Jahrhunderts


1. Problemstellung und Ziele 10<br />

1.2 Bauwerke, Materialien und Untersuchungsschwerpunkte<br />

1.2.1 Schweriner Schloß<br />

Das Schweriner Schloß mit seiner reichen architektonischen Gliederung ist eines der<br />

kulturhistorisch wertvollsten Baudenkmale Mecklenburg-Vorpommerns (Abb. 1). Nach einem<br />

grundlegenden Umbau um 1870 ist das Schloß in seiner heutigen Gestalt ein hervorragendes<br />

Beispiel des Historismus, der verschiedene Kunst- und Baustile vorheriger Epochen vereint.<br />

Die Gliederung des Neuen Langen Hauses und der Terrakottaschmuck sind Ausdruck einer<br />

Wiederbelebung von Renaissanceformen in Mecklenburg während dieser Zeit (Brockow<br />

1995a).<br />

Zur Gestaltung der Fassaden wurden sowohl Abformungen der Renaissance-Porträt-<br />

Terrakotten des alten Schweriner Schlosses (Motive des Lübecker Meisters Statius von<br />

Düren) angefertigt als auch neue Porträts entworfen und hergestellt (Brockow 1995b).<br />

Abb. 1:<br />

Das Schweriner Schloß<br />

in der Abendsonne.<br />

Rechts neben dem<br />

großen Turm sind die<br />

Giebel mit Terrakottaverkleidungen<br />

verziert.<br />

Abb. 2:<br />

Geschädigte Porträt-<br />

Terrakotta an der Fassade<br />

des Schweriner<br />

Schlosses (NW-Giebel<br />

über dem Kirchenchor).<br />

Starke Konturenverluste<br />

im Bereich des Porträts<br />

sowie des Blattkranzes<br />

sind kennzeichnend für<br />

das fortgeschrittene<br />

Stadium der Schädigung.


1. Problemstellung und Ziele 11<br />

Makroskopisch erkennbare Schäden und Fragestellungen an die analytische Mikroskopie<br />

Die Terrakotten des NW-Giebels am Neuen Langen Haus wiesen zum Zeitpunkt der<br />

Untersuchungen zum Teil erhebliche Schäden auf (Abb. 2). Die lokale Begrenzung der<br />

Schäden auf den NW-Giebel steht im Zusammenhang mit defekten Abdeckungen des<br />

freistehenden Giebels und schadhafter Dachanschlüsse an der Giebelrückseite.<br />

Gesamtziel der Untersuchungen war es, Möglichkeiten einer in situ Konservierung aufzuzeigen,<br />

um die geschädigten Terrakotten im Bestand zu erhalten und einen Austausch<br />

gegen Kopien zu vermeiden.<br />

Zur Zustandserfassung und während der Durchführung der konservatorischen Arbeiten<br />

wurden an den Terrakotten schrittweise umfangreiche mikroskopische Untersuchungen<br />

durchgeführt. Damit bestand die Gelegenheit, die komplette naturwissenschaftliche und<br />

restauratorische Bearbeitung mikroskopisch zu unterstützen. Tabelle 1 faßt die auftretenden<br />

Schäden und die Untersuchungsschwerpunkte zusammen.<br />

Tabelle 1: Terrakotten am NW-Giebel des Schweriner Schlosses: Auftretende Schäden,<br />

Inhalte der durchgeführten Untersuchungen und eingesetzte mikroskopische<br />

Methoden<br />

Material Makroskopische<br />

Schäden<br />

Terrakotta<br />

(19. Jh.)<br />

- Oberflächenveränderungen<br />

• Verschmutzungen<br />

• Krusten<br />

• Verfärbungen<br />

- Materialverlust / Rückwitterung<br />

durch<br />

• Absanden<br />

• Abschuppen<br />

• Schalenbildung<br />

Gegenstand der<br />

mikroskopischen<br />

Untersuchungen<br />

- Oberflächenveränderungen<br />

• Salzausblühungen<br />

• Krusten, Auflagerungen<br />

• Farbunterschiede der<br />

keramischen Oberflächen<br />

- Gefügeveränderungen im<br />

Tiefenprofil<br />

• Entfestigungsformen<br />

• Neubildungen (Salze)<br />

• Salzverteilung<br />

- Konservierungsmaßnahmen<br />

• Festigung<br />

• Kompressenbehandlung<br />

• Anböschung / Schlämmen<br />

Mikroskopische<br />

Methoden<br />

-PolMi<br />

-REM/EDX


1. Problemstellung und Ziele 12<br />

1.2.2 Holstentor in Lübeck<br />

Das 1466-78 erbaute Holstentor, eigentlich Holstein-Tor, ist eines der bedeutendsten<br />

Bauwerke der Backsteingotik in Lübeck (Rumler 1997). Einst Teil der mittelalterlichen<br />

Befestigungsanlage, sind die massigen Türme mit den Spitzdächern heute eines der Wahrzeichen<br />

der Stadt (Abb. 3).<br />

Das Mauerwerk besteht aus glasierten und unglasierten Ziegeln und ist durch umlaufende<br />

Terrakottafriese horizontal gegliedert.<br />

Von den spätmittelalterlichen Terrakotten der Erbauungszeit sind nur noch wenige<br />

Exemplare vorhanden. Die Mehrzahl wurde aufgrund ihres schlechten Zustandes, wahrscheinlich<br />

im Zuge der Umbauten im Jahre 1871, entfernt und durch Kopien ersetzt.<br />

Abb. 3:<br />

Holstentor in Lübeck. Im Vordergrund steht das<br />

Labormobil. Oberhalb des Fahrzeugdaches ist<br />

der untere, horizontal umlaufende Terrakottafries<br />

zu erkennen. Der nächste Fries befindet sich<br />

oberhalb der verglasten Fenster und länglichen<br />

Bögen.<br />

Abb. 4:<br />

Typische Schäden an den Terrakotten des<br />

Holstentores Lübeck:<br />

Oberflächenveränderungen durch schwarze<br />

Krusten und starke Materialverluste durch<br />

Rückwitterung


1. Problemstellung und Ziele 13<br />

Makroskopisch erkennbare Schäden und Fragestellungen an die analytische Mikroskopie<br />

Die Terrakotten weisen an zahlreichen Stellen starke Schädigungen auf. Dabei ist ein<br />

ursächlicher Zusammenhang zwischen der teilweise ungenügenden Wasserführung im<br />

Bereich der Kalksteingesimse und den Schäden an den Terrakottafriesen ersichtlich. In<br />

schadhaften Gesimsteilen mit ausgewaschenen Fugen wird ablaufendes Regenwasser<br />

kanalisiert und dringt verstärkt in die darunter befindlichen Terrakotten ein. In den<br />

betroffenen Bereichen treten Krustenbildung und Rückwitterung auf (Abb. 4).<br />

Im Rahmen einer Zustandserfassung vor anstehenden Restaurierungsarbeiten bot sich die<br />

Gelegenheit für mikroskopische Untersuchungen, die jedoch auf die Kopien des 19. Jahrhunderts<br />

beschränkt waren (s. Tabelle 2).<br />

Im Mittelpunkt standen die Gefügeveränderungen der Terrakotten in unterschiedlichen<br />

Stadien der Schädigung sowie die auftretenden Ausblühungen und Krusten. Außerdem<br />

wurden die Ursachen von Farbunterschieden zwischen der Terrakottaoberfläche und dem<br />

darunter befindlichen keramischen Scherben mikroskopisch analysiert.<br />

Tabelle 2: Terrakotten des Holstentores Lübeck: Auftretende Schäden, Inhalte der durchgeführten<br />

Untersuchungen und eingesetzte mikroskopische Methoden<br />

Material Makroskopische<br />

Schäden<br />

Terrakotta<br />

(19. Jh.)<br />

- Oberflächenschäden<br />

• Verschmutzungen<br />

• Krusten<br />

- Materialverlust / Rückwitterung<br />

durch<br />

• Absanden<br />

• Abschelbern<br />

• Schalenbildung<br />

1.2.3 Johanniskirche in Tartu (Republik Estland)<br />

Gegenstand der<br />

mikroskopischen<br />

Untersuchungen<br />

- Gefügeveränderungen im<br />

Tiefenprofil<br />

• Entfestigungsformen<br />

• Neubildungen (Salze)<br />

• Salzverteilung<br />

- Oberflächenveränderungen<br />

• Salzausblühungen<br />

• Krusten, Auflagerungen<br />

• Farbunterschiede der<br />

keramischen Oberflächen<br />

Mikroskopische<br />

Methoden<br />

-PolMi<br />

-REM/EDX<br />

Die Johanniskirche in der estnischen Stadt Tartu (Abb. 5) steht in der Tradition der<br />

Backsteingotik des Ostseeraumes und ist eines der wenigen Zeugnisse des Mittelalters im<br />

klassizistisch geprägten Stadtbild (Karin 1995).<br />

Von den ehemals etwa 2000 Dekorationsstücken aus Terrakotta, die einstmals die Innenund<br />

Außenwände schmückten, sind durch Kriegseinwirkungen etwa die Hälfte verlorengegangen.<br />

Die erhaltenen Terrakottafriese und -plastiken an der Johanniskirche in Tartu sind die<br />

ältesten bekannten Terrakotten im Norden Europas. Die erhabenen und strengen Züge der<br />

Portal-Skulpturen des Wimpergs sind ein ausdrucksstarkes Zeugnis mittelalterlicher<br />

Formgestaltung mit einfachen Hilfsmitteln (Schneiden des Tones). Ihre Entstehung wird,<br />

vorwiegend nach stilistischen Kriterien, in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert<br />

(Altoa 1994).


1. Problemstellung und Ziele 14<br />

Makroskopisch erkennbare Schäden und Fragestellungen an die analytische Mikroskopie<br />

Nach der starken Zerstörung im zweiten Weltkrieg stand die Kirche als Ruine. Während der<br />

Sowjetzeit wurden kaum Erhaltungsmaßnahmen am Kirchenbau durchgeführt. Die nahezu<br />

ungehinderte Einwirkung von Luftverschmutzung und Feuchtigkeit hat sowohl an den Ziegeln<br />

als auch an den Terrakotten zu neuen Schäden geführt bzw. die Ausbreitung älterer<br />

Schadensherde begünstigt.<br />

Die Untersuchungen von Pirii et al. (1996) zeigen, daß von einem komplexen Schadensprozeß<br />

aufgrund einer heterogenen Salzverteilung auszugehen ist. In verschiedenen<br />

Fassadenbereichen sind unterschiedliche bauschädliche Salze nachgewiesen worden.<br />

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die mittelalterlichen Terrakotta-Skulpturen am<br />

Ziergiebel des W-Portals, dem sogenannten Wimperg, mikroskopisch untersucht (Abb. 6).<br />

Typische Verwitterungsformen an diesen Figuren sind schwarze Krusten und Konturenverluste<br />

durch Schuppen- und Schalenablösung. Das Ziel der Untersuchungen, die im<br />

Vorfeld von Konservierungsarbeiten durchgeführt wurden, war die Zustandserfassung und<br />

die Klärung des Schadensprozesses.<br />

Abb. 5:<br />

W-Turm der Johanniskirche in Tartu (Republik<br />

Estland). Der Wimperg des W-Portals mit den<br />

Skulpturen befindet sich hinter der Brettereinhausung<br />

(Mitte des unteren Bildteils).<br />

Abb. 6:<br />

Typische Schäden an einer Terrakotta-Skulptur<br />

aus einer Nische des Wimpergs am Westportal<br />

der Johanniskirche.<br />

Schwarze Krusten und Konturenverluste durch<br />

Rückwitterung.


1. Problemstellung und Ziele 15<br />

Außerdem wurden Farbfassungsreste, die bei restauratorischen Befunduntersuchungen<br />

zutage traten, hinsichtlich Stratigraphie, Pigmentidentifizierung und Erhaltungszustand<br />

mikroskopisch untersucht.<br />

Tabelle 3 faßt die auftretenden Schäden und die Untersuchungsschwerpunkte zusammen.<br />

Tabelle 3: Terrakotta-Skulpturen am Wimperg der Johanniskirche Tartu: Auftretende<br />

Schäden, Inhalte der durchgeführten Untersuchungen und eingesetzte mikroskopische<br />

Methoden<br />

Material Makroskopische<br />

Schäden<br />

Terrakotta<br />

(14. Jh.)<br />

- Oberflächenschäden<br />

• Verschmutzungen<br />

• Krusten<br />

- Materialverlust / Rückwitterung<br />

durch<br />

• Absanden<br />

• Abschelbern<br />

1.2.4 Kampischer Hof in Stralsund<br />

Gegenstand der<br />

mikroskopischen<br />

Untersuchungen<br />

- Oberflächenveränderungen<br />

• Salzausblühungen<br />

• Krusten, Auflagerungen<br />

• Farbunterschiede der<br />

keramischen Oberflächen<br />

- Fassungsreste<br />

- Gefügeveränderungen im<br />

Tiefenprofil<br />

Mikroskopische<br />

Methoden<br />

-PolMi<br />

-REM/EDX<br />

Mit dem Bau des Kampischen Hofes in Stralsund wurde Ende des 13. Jahrhunderts begonnen.<br />

Der Ziegelbau diente als Wirtschaftshof des ca. 15 km von Stralsund gelegenen<br />

Zisterzienserklosters Neukamp (dem heutigen Franzburg).<br />

Die gegenwärtige Form des Objektes als zweiflügelige, U-förmige Anlage geht auf Umbauten<br />

im 14. Jahrhundert zurück. Dabei wurde die Westseite des S-Flügels bis zur Stadtmauer<br />

erweitert und der heutige Mittelbau errichtet. Der Bau des N-Flügels erfolgte gegen Mitte des<br />

14. Jahrhunderts (Holst 1999).<br />

Die Untersuchungen wurden am S-Flügel durchgeführt. Dieser Teil des Gebäudekomplexes<br />

ist ein viergeschossiges Speichergebäude, das vermutlich überwiegend für die Lagerhaltung<br />

wechselnder Güter genutzt wurde (Abb. 7).<br />

Makroskopisch erkennbare Schäden und Fragestellungen an die analytische Mikroskopie<br />

Am Kampischen Hof sind alle für mittelalterliche Ziegelmaterialien typischen Schadensbilder<br />

anzutreffen. Insbesondere am Außenmauerwerk treten sehr unterschiedliche Formen der<br />

Rückwitterung auf (Tabelle 4). Dabei ist eine starke Abhängigkeit der Schäden von der<br />

Exposition erkennbar. Während die Ziegel der N-Wand weitgehend intakt sind, zeigen sich<br />

insbesondere an der S- und der W-Wand fortgeschrittene Zerstörungen.<br />

Ausblühungen am Außenmauerwerk treten bevorzugt an der O- und S-Fassade des<br />

Gebäudes auf. Ihre Intensität unterliegt jahreszeitlichen bzw. klimatischen Schwankungen,<br />

sie treten verstärkt bei länger anhaltender trockener Witterung zutage (Abb. 7).<br />

Demgegenüber sind an den Innenwänden, insbesondere im S-Flügel, ganzjährig starke<br />

Salzausblühungen vorhanden (Abb. 8). Außerdem treten an einzelnen Ziegeln Rückwitterungen<br />

durch Schuppen- und Schalenbildung bzw. durch Absanden auf.


1. Problemstellung und Ziele 16<br />

Im Mauerwerk liegen hohe bis sehr hohe Salzgehalte vor. Hierbei handelt es sich überwiegend<br />

um NaCl, dessen Herkunft bislang nicht zufriedenstellend geklärt werden konnte.<br />

Nach Brockow (1998) finden sich in der Literatur Anhaltspunkte für eine umfangreiche<br />

Beteiligung der Zisterzienser an der Salzgewinnung und am Salzhandel. Das gibt Anlaß zur<br />

Vermutung, daß der Kampische Hof, insbesondere der Südflügel, vorübergehend als Salzspeicher<br />

genutzt wurde.<br />

Von Steiger (1998) wird die Möglichkeit eines Salzeintrages mit dem Regen und eine<br />

allmähliche Akkumulation im Mauerwerk diskutiert. Zu dieser Annahme geben die Höhenund<br />

Tiefenprofile der Salzverteilung und Korrelationen der Salzmaxima mit Gesimsen und<br />

Mauerwerksvorsprüngen Anlaß.<br />

Die bereichsweise starken Schäden an den Ziegeln stehen im Zusammenhang mit der<br />

Feuchte- und Salzbelastung des Mauerwerks.<br />

Maßgeblichen Einfluß auf die unterschiedliche Beständigkeit der Ziegel hat die Schwankungsbreite<br />

ihrer Eigenschaften (Freyburg 1993). Für sehr poröse Ziegel mit hoher<br />

Feuchtespeicherfähigkeit sind bereits Frost-Tau-Wechsel (ohne Salz) als Schadensursache<br />

in Betracht zu ziehen (Freyburg 1997).<br />

Abb. 7:<br />

SO-Ecke des S-Flügels des Kampischen Hofes<br />

in Stralsund. Die S-Wand des Gebäudes weist<br />

starke Schäden am Ziegelmauerwerk auf.<br />

An der O-Wand sind links oberhalb des unteren,<br />

linken Fensters starke Salzausblühungen zu<br />

erkennen (NaCl).<br />

Abb. 8:<br />

Kampischer Hof Stralsund, Detail des Mauerwerkes<br />

der südlichen Innenwand des S-Flügels.<br />

Starke Salzausblühungen (NaCl-Kruste) auf den<br />

Ziegeloberflächen (Pfeil).


1. Problemstellung und Ziele 17<br />

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden mikroskopische Untersuchungen an den Ziegeln<br />

des Außen- und Innenmauerwerkes des Südflügels zu folgenden Schwerpunkten<br />

durchgeführt:<br />

• Gefügebetrachtungen zum Scherbenaufbau der vorhandenen Ziegeltypen<br />

• Gefügeveränderungen / Verwitterungsprofile und deren Ursachen<br />

• Morphologie der Salzkristalle / Abbildung der Salzlösung<br />

• Einfluß unterschiedlicher Klimaverhältnisse auf die Salzkristallisation<br />

• Auswirkungen einer Kompressenentsalzung auf die vorhandenen Salze<br />

• Vergleich zwischen Kryo-REM-Untersuchungen und REM-Untersuchungen zur Klärung<br />

des Einflusses von Probentransport und -lagerung<br />

Aus der Abbildung und Beschreibung der Salzlösung im Porenraum des Ziegels, der<br />

Morphologien der Salzkristalle sowie deren Lösungsstadien unter dem Einfluß unterschiedlicher<br />

Salzkonzentrationen und Materialfeuchten sollen Rückschlüsse auf die Salztransportvorgänge<br />

und Schadensmechanismen gezogen werden.<br />

Tabelle 4 enthält eine Übersicht über die auftretenden Schäden, die durchgeführten<br />

mikroskopischen Untersuchungen und die eingesetzten Abbildungsverfahren.<br />

Tabelle 4: Kampischer Hof in Stralsund: Auftretende Schäden, Inhalte der durchgeführten<br />

Untersuchungen und eingesetzte mikroskopische Methoden<br />

Material Makroskopische<br />

Schäden<br />

Ziegel<br />

(außen)<br />

(Mittelalter)<br />

Ziegel<br />

(innen)<br />

(Mittelalter)<br />

- Rückwitterung<br />

a) Konvex (Randzonenverlust,<br />

teilweise Höckerbildung)<br />

b) Konkav (Kernverlust)<br />

durch<br />

• Absanden<br />

• Abschuppen<br />

• Schalenbildung<br />

- Salzausblühungen<br />

- Krusten / Auflagerungen<br />

- Rückwitterung (flächig) durch<br />

• Absanden<br />

• Abschuppen<br />

• Schalenbildung<br />

- Salzausblühungen<br />

Gegenstand der<br />

mikroskopischen<br />

Untersuchungen<br />

- Ausblühungen<br />

• Salzbestimmung<br />

• Morphologien<br />

- Gefüge der Ziegeltypen<br />

• Charakteristika<br />

- Gefügeveränderungen<br />

geschädigter Ziegel im<br />

Tiefenprofil<br />

• Entfestigungsformen<br />

• Neubildungen (Salze)<br />

• Salzverteilung<br />

- Leicht lösliche Salze /<br />

Salzlösung im Porenraum<br />

• Morphologien<br />

• Verteilung im Gefüge<br />

- Ausblühungen<br />

• Salzbestimmung<br />

• Morphologien<br />

- Leicht lösliche Salze /<br />

Salzlösung im Porenraum<br />

• Morphologien<br />

• Verteilung im Gefüge<br />

• Auswirkung einer Raumklimatisierung<br />

• Auswirkung einer Kompressenbehandlung<br />

Mikroskop.<br />

Methoden<br />

-PolMi<br />

-REM/EDX<br />

-Kryo-REM<br />

- PolMi<br />

- REM/EDX<br />

- Kryo-REM


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 18<br />

2 STAND DER FORSCHUNG - LITERATURAUSWERTUNG<br />

2.1 Zur Geschichte der Herstellung keramischer Baustoffe von den<br />

Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung<br />

Der folgende Abriß der Entwicklung der Ziegel- und Terrakottaherstellung entstand in<br />

Anlehnung an Stark und Wicht (1995).<br />

Die ältesten bekannten Ziegelfunde stammen aus dem Niltal. Dort wurden zur Herstellung<br />

frühzeitlicher, kleindimensionierter Wohnbauten ungebrannte, mit Strohhäcksel und Kamelmist<br />

vermischte Lehmziegel verwendet. Ihre Datierung wurde mit Hilfe der C 14 -Methode an<br />

überlagernden Schlammschichten vorgenommen und ergab ein Alter von etwa 15.000<br />

Jahren. Diese Funde gelten als der früheste Nachweis ziegeltechnischer Betätigung auf der<br />

Erde.<br />

Die Erfindung des gebrannten Ziegels erfolgte wahrscheinlich eher zufällig, denkbar sind<br />

beispielsweise Beobachtungen der hohen Festigkeiten von Lehmböden im Bereich von<br />

Feuerstellen. Eine gezielte Herstellung und Verwendung gebrannter Ziegel für Bauwerke ist<br />

in Mesopotamien bereits um 4000 v. Chr. belegt.<br />

Nachdem in der Antike der Ziegel als Werkstein deutlich hinter den Naturstein zurücktrat,<br />

erlangte der Ziegelbau in römischer Zeit, vorwiegend zu militärischen Zwecken, wieder<br />

größere Bedeutung. Aus den Schriften des Vitruv ist zu entnehmen, daß die Römer bereits<br />

über ausgereifte technologische Kenntnisse der Tonaufbereitung und der Magerung mit<br />

Sand verfügten. Mit den vorrückenden Legionen verbreitete sich auch die Ziegelherstellung<br />

und damit der Ziegelbau in Europa.<br />

Mit dem Abzug der Römer um 400 n. Chr. geriet das Bauen mit Ziegeln nördlich der Alpen<br />

weitgehend in Vergessenheit. Erst unter Karl dem Großen gab es eine in größerem Umfang<br />

betriebene Ziegelbautechnik.<br />

Im ausgehenden Mittelalter - 12. Jahrhundert - lebte der Ziegelsteinbau bei Kirchen wieder<br />

auf, der im Formenreichtum gotischer Backstein-Architektur seinen Höhepunkt erreichte.<br />

Aufbereitung und Formgebung<br />

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte die Aufbereitung des Tones oder Lehmes auf<br />

einfachste Weise durch Treten und Schlagen der Masse mit Muskelkraft von Mensch oder<br />

Tier. Ein Auswittern auf Halden (Wintern) und eine gezielte Magerung bei Bedarf sind etwa<br />

seit der Römerzeit belegt. Einen frühen Hinweis auf Schlämmen zur Homogenisierung und<br />

Entfernung schädlicher Nebenbestandteile liefert Alberti 1452 (Rupp und Friedrich 1993).<br />

Bestimmte Oberflächenstrukturen mittelalterlicher Terrakotten legen die Vermutung nahe,<br />

daß die Formgebung in dieser Zeit durch Schneiden des Tons erfolgte. Erst im 16. Jahrhundert<br />

wurde die Holzform als Negativ des Tonrohlings verstärkt genutzt, so daß erst mit<br />

dieser Entwicklung von der Bauterrakotta als Formstein im engeren Sinne gesprochen<br />

werden kann (Wallasch 1995).<br />

Für die Formgebung der Ziegel ist eine ähnliche Entwicklung belegt. Sie erfolgte anfänglich<br />

wahrscheinlich völlig ohne Hilfsmittel, zur Nachbehandlung der plastischen oder halbtrockenen<br />

Ziegelrohlinge waren einfache Kratz- und Zuschneidegeräte in Gebrauch. Eine<br />

wesentliche Verbesserung der Formgebung brachte der Einsatz von Holzrahmen, nachfolgend<br />

von Formkästen. Der aufbereitete Tonbatzen wird mit der Hand in eine Holzform<br />

geschlagen.


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 19<br />

Mittels eines Abschneiders - dem sogenannten Streichholz - wird der über den Rand der<br />

Form ragende Teil des Batzens abgestrichen. Um das Lösen des Tons aus der Form zu<br />

erleichtern, wird diese vor dem Füllen entweder in Wasser getaucht oder in Sand gerüttelt.<br />

Man unterscheidet danach zwischen Wasserstrich und Sandstrich. Auf diese Weise<br />

entstehen die traditionellen Handstrichziegel mit ihren formenreichen Faltenstrukturen an<br />

den Sichtflächen.<br />

Neben der Tonbeschaffenheit und der Art der Aufbereitung hat die bei der Handformgebung<br />

zugeführte Wurf- und Fallenergie starken Einfluß auf die Ausbildung der „inneren Struktur“<br />

des Ziegels.<br />

Im 19. Jahrhundert wurden durch einige grundlegende Entwicklungen die Voraussetzungen<br />

für eine Industrialisierung der Ziegelproduktion geschaffen. 1844 konstruierte Henry Clayton<br />

den stehenden Tonschneider und Carl Schlickeysen erfand 1854 die Schneckenpresse.<br />

Trocknung und Brennen<br />

Die Trocknung der Rohlinge erfolgte unter einfachen Regenschutzdächern durch Lagerung<br />

an der Luft. Erst durch die Verwendung der industriellen Ziegelöfen konnte deren warme<br />

Abluft zum Trocknen und Vorheizen verwendet werden.<br />

Über die Brenntechnologien aus den Anfängen der Ziegelherstellung liegen nur wenige<br />

gesicherte Erkenntnisse vor. Es wird angenommen, daß in babylonischer Zeit in Meilern<br />

gebrannt wurde, wobei lediglich Temperaturen von 550-600°C erreicht wurden.<br />

Zu römischen Ziegelöfen existieren verschiedene, teils umfangreiche Funde, die den hohen<br />

technologischen Stand dieser Zeit dokumentieren.<br />

Das Brennen der Ziegelrohlinge in mittelalterlicher und gotischer Zeit wurde anfänglich in<br />

Meilern, später überwiegend in Feldbrandöfen oder in aufwendiger konstruierten Ziegelöfen<br />

durchgeführt (Hennrich 1999).<br />

Die materialkundliche Auswertung eines 1996 durchgeführten Feldbrandes hat zu der Einschätzung<br />

geführt, daß die Ausbeute an verwertbaren Ziegeln bei dieser Brenntechnologie<br />

schätzungsweise 60 % betragen hat (Freyburg 1996b).<br />

Mit der Entwicklung eines kontinuierlich arbeitenden Brennofens im Jahre 1858 durch<br />

Friedrich Hoffmann waren schließlich die Voraussetzungen für die industrielle Massenproduktion<br />

geschaffen.<br />

2.2 Zusammensetzung und Gefüge grobkeramischer Materialien<br />

Das Gefüge eines grobkeramischen Körpers wird bestimmt durch Korngröße und Korngrößenverteilung<br />

der mineralischen Komponenten, ihre Anordnung im Raum und ihren<br />

Verbund, durch den Porengehalt sowie durch Größe, Gestalt und Verteilungsfunktion der<br />

Poren (Noll 1991).<br />

Im einzelnen können folgende stoffliche Bestandteile sowie Gefügecharakteristika unterschieden<br />

werden:<br />

Feinanteil (Matrix, Glasphase)<br />

In der Tonfraktion des Rohmaterials (Korngröße < 0,002 mm) finden oberhalb bestimmter<br />

Temperaturen chemische Umwandlungen statt. Die neugebildeten Phasen sind feinkristallin<br />

oder glasig. Bei höher gebrannter, versinterter und verglaster Keramik wird dieser Feinanteil<br />

mit dem Begriff „Matrix“ umschrieben (Noll 1991).


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 20<br />

Magerung (Mineralkörner)<br />

Die gröberen Kornanteile eines Scherbens (Mineralkörner: Quarz, Feldspäte, Glimmer)<br />

werden im keramischen Sprachgebrauch als Magerung bezeichnet. Die Größe der<br />

Magerungskomponenten liegt üblicherweise im Bereich Schluff und Sand (Korngröße 0,002<br />

bis 2 mm). An den chemischen Umwandlungen während des Brennprozesses sind die<br />

Mineralkörner nicht oder nur in beschränktem Umfang beteiligt (Noll 1991).<br />

Der Begriff Magerung läßt jedoch deren Herkunft offen. Möglich ist sowohl die Vermischung<br />

feinstkörniger Tone mit gröberem Material im Verlauf der geologischen Entstehungsgeschichte<br />

des Tons als auch die gezielte Magerung durch den Hersteller. Eine nachträgliche<br />

Unterscheidung ist im allgemeinen nicht möglich (Noll 1991).<br />

Porosität<br />

Kennzeichnend für die Porosität eines Scherbens sind Porengehalt, -form, -größe und<br />

-verteilung sowie das Verhältnis von offenen zu geschlossenen Poren.<br />

Meist ist die entstehende Porosität im Inneren des Scherbens höher als am Rand. Ursachen<br />

hierfür sind der höhere Formgebungsdruck am Rand (Salmang 1958) sowie eine etwas<br />

höhere Brenntemperatur durch den direkten Kontakt zum Feuer (Freyburg 1996b).<br />

Nach Robinson (1982) sowie Franke und Bentrup (1993) ist keine direkte Korrelation<br />

zwischen (Gesamt-)Porosität und Dauerhaftigkeit möglich. Entscheidend dafür sind die<br />

Porenstruktur bzw. die Porenradienverteilung.<br />

Texturen<br />

Unter Textur versteht man im deutschen Sprachgebrauch die räumlich gerichtete Anordnung<br />

von Teilchen oder Poren. Handgeformte Keramiken zeigen alle Übergangsformen vom<br />

ungeordneten Gefüge bis zur gerichteten Textur von Magerungskomponenten und/oder<br />

Matrix (Noll 1991).<br />

Eine ausführliche Beschreibung der Entstehung des keramischen Scherbens im Fertigungsprozeß<br />

und der dabei ablaufenden chemisch-mineralogischen Vorgänge wird beispielsweise<br />

von Salmang (1958) gegeben. Tabelle 5 faßt die wichtigsten Einflußfaktoren des Rohstoffs<br />

und der einzelnen Produktionsschritte auf das Gefüge und die Eigenschaften des<br />

Endproduktes zusammen.<br />

Tabelle 5: Einflußfaktoren des Rohstoffs und der Produktionsschritte der grobkeramischen<br />

Fertigung auf das Endprodukt<br />

Einflußfaktoren auf das Endprodukt<br />

Rohstoff - Tonzusammensetzung (Mineralbestand, Kalkgehalt)<br />

- Beimengungen (Gips, Sulfide, Alkalien)<br />

- Verunreinigungen (Schmiermittel)<br />

Aufbereitung - Durchmischung, Homogenität<br />

- Magerung (Gehalt an Magerungsbestandteilen, Korngrößenverteilung)<br />

- Wassergehalt<br />

Formgebung - Texturen (Handformgebung, Strangpresse, Drehtisch)<br />

Trocknung - Trocknungsgeschwindigkeit, Trocknungsgrad<br />

- Art der Trocknung (Freilufttrocknung, beschleunigte Trocknung)<br />

Brennprozeß - Brenntemperatur, Brenndauer<br />

- Brandführung (Aufheiz- und Abkühlgeschwindigkeit; oxidierende<br />

und/oder reduzierende Ofenatmosphäre)<br />

- Rauchgaseinwirkung


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 21<br />

Die Qualität der Rohstoffe und die Parameter bei der Herstellung bestimmen alle wesentlichen<br />

Eigenschaften des keramischen Materials. Vom Anwender wird die Güte einer Baukeramik<br />

mit „einfachen“ Begriffen wie Dauerhaftigkeit oder Beständigkeit beschrieben.<br />

Die wichtigsten physikalisch-technischen Meßgrößen hierzu sind:<br />

- Spezifisches Gewicht (Rohdichte, Reindichte)<br />

- Druckfestigkeit, Biegezugfestigkeit, Spaltzugfestigkeit<br />

- Elastizitätsmodul / Ultraschall-Laufzeit<br />

- Wärmeleitfähigkeit<br />

- Thermische und hygrische Dehnung<br />

- Offene und geschlossene Porosität<br />

- Porenradienverteilung<br />

- Permeabilität<br />

- Kapillare Wasseraufnahme<br />

- Wasseransaugvermögen<br />

- Wasserdampfdiffusion<br />

2.3 Schadensursachen an keramischen Baustoffen<br />

2.3.1 Rohstoff- und fertigungsseitige Schadensursachen<br />

In vorindustrieller Zeit hatten Schwankungen in der Rohstoffqualität sowie die einfache<br />

Fertigungstechnologie ein uneinheitliches Ziegelmaterial mit entsprechend unterschiedlicher<br />

Beständigkeit zur Folge. In Tabelle 6 sind die wichtigsten rohstoff- und fertigungsseitigen<br />

Schadensursachen und deren Auswirkungen (Schadensbild) zusammengestellt.<br />

Tabelle 6: Rohstoff- und fertigungsseitige Schadensursachen an keramischen Baustoffen<br />

und deren Auswirkungen (nach Ashurst 1988)<br />

Schadensursache Auswirkungen (Schäden)<br />

zu fette Tone Risse<br />

hohe Kalkanteile, insbesondere Knollen Abplatzungen nach Feuchtekontakt<br />

hohe Salzgehalte im Ton Krusten, Ausblühungen<br />

zu rasche Trocknung (evtl. Sonne und Wind) Risse<br />

zu hohe Restfeuchte (zu früh gebrannt) Risse<br />

zu geringe Brenntemperatur geringe Beständigkeit<br />

Formgebungstexturen Schalenbildung<br />

In der Auswertung eines Feldbrandversuches, der bezüglich der Brenntechnik einer der<br />

mittelalterlichen Fertigungstechniken entspricht, hat Freyburg (1996b) die signifikante<br />

Abhängigkeit der Ziegelgüte von der Brenntemperatur experimentell nachgewiesen.<br />

Von Freyburg (1997) wurden die Qualitätsparameter historischer Ziegel von vier zeitlich und<br />

regional unterschiedlich einzustufenden Gebäuden bestimmt. Dabei konnte der Einfluß der<br />

lokalen Rohstoffgegebenheiten, der Aufbereitung sowie des Brennprozesses auf die<br />

Dauerhaftigkeit der Ziegel nachgewiesen werden. Der Vergleich der ermittelten Kennwerte<br />

mit den Ergebnissen des o.g. Feldbrandversuches hat gezeigt, daß die Ziegelqualitäten an<br />

mittelalterlichen Bauwerken von einem Schwachbrandziegel bis zu einem optimal<br />

gebrannten Ziegel reichen.<br />

Durch diese vergleichenden Untersuchungen konnte geklärt werden, warum im Mauerwerksverband<br />

häufig einzelne Ziegel einer Bauphase versagen, während andere, scheinbar<br />

gleiche, keine oder nur geringe Schäden aufweisen.


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 22<br />

2.3.2 Bauwerkspezifische und anthropogene Schadensursachen<br />

Neben den rohstoff- und herstellungsbedingten Schadensursachen können durch die<br />

jeweiligen bauwerkspezifischen Gegebenheiten und menschliches Handeln Prozesse in<br />

Gang gesetzt werden, die zur Schädigung von keramischen Baustoffen beitragen.<br />

Tabelle 7 faßt diese Ursachen, das resultierende Schadenspotential und die Auswirkungen<br />

(Schadensbilder) zusammen.<br />

Tabelle 7: Bauwerkspezifische und anthropogene Einflußfaktoren, resultierende Schadenspotentiale<br />

und Auswirkungen auf die keramischen Baustoffe<br />

Ursache Schadenspotential Auswirkungen (Schäden)<br />

Wassereintrag - Hohe Materialfeuchte - Risse (bei Frosteinwirkung)<br />

- Mobilisierung salzbildender Ionen - Ausblühungen, Krusten<br />

durch Auswaschungen aus vorhande- - Salzsprengung<br />

nen Baustoffen (Ziegel, Mörtel) - Trocknungsbehinderung<br />

- Eintrag salzbildender Ionen<br />

(Niederschlag, aufsteigende Feuchte)<br />

- Erhöhte Ausgleichsfeuchte<br />

Klimawechsel<br />

(Schwankungen<br />

von Temperatur<br />

und Feuchte)<br />

Baustoffe<br />

Mikrobiologie<br />

Konservierungsfehler<br />

Nutzung<br />

- Hygrisches Quellen und Schwinden<br />

(bei zyklischer Befeuchtung)<br />

- Risse (durch hygrische<br />

Wechselbeanspruchung)<br />

- Thermisches Quellen und Schwinden - Risse (durch thermische<br />

Wechselbeanspruchung)<br />

- Zyklische Salzkristallisation - Salzsprengung<br />

- Mobilisierung salzbildender Ionen<br />

(z.B. aus Zement, Traß, Gips)<br />

- Zu große Differenzen in den<br />

Baustoffkennwerten (Ziegel / Mörtel)<br />

- Bewuchs mit Algen, Flechten und<br />

Moosen<br />

- Existenz von Biofilmen<br />

- Aggressive Stoffwechselprodukte der<br />

Organismen (Pilze, Bakterien)<br />

- Anwendung ungeeigneter bzw. nicht<br />

optimierter Reinigungsverfahren<br />

- Reinigung mit Säuren und Laugen<br />

(Ionenquellen)<br />

- direkte und indirekte<br />

Salzschäden<br />

- Risse durch Unterschiede<br />

im Verformungsverhalten<br />

- Erhöhung der Materialfeuchte<br />

- Osmotischer Druck<br />

- Lösungsangriff auf<br />

Materialkomponenten<br />

- Oberflächenschäden<br />

- Lösungsangriff auf<br />

Materialkomponenten<br />

- Salzbildung / Salzschäden<br />

- Fehlerhafte Hydrophobierungen - Hinterfeuchtungen<br />

- Frostschäden<br />

- Salzschäden<br />

- Verwendung ungeeigneter<br />

Festigungsmittel<br />

- Ungeeignetes Nutzungsklima (bzgl.<br />

Temperatur, rel. Luftfeuchte, Lüftung)<br />

- Zusätzlicher Feuchte- und<br />

Schadstoffeintrag in die Baustoffe<br />

- Überfestigung<br />

- Schalenbildung<br />

- Aktivierung bzw.<br />

Verstärkung von<br />

Schadensprozessen<br />

(Salzschäden,<br />

Mikrobiologische Prozesse)


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 23<br />

2.4 Mikroskopische Untersuchungen an Ziegeln und Terrakotten<br />

Die Auswertung der Literatur hat gezeigt, daß bis Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts<br />

die Naturwerksteine bzw. Natursteinbauwerke im Mittelpunkt des wissenschaftlichen<br />

Interesses standen. Den Verwitterungsprozessen, die zu Schädigungen an Ziegelbauwerken<br />

führen, wurde nur vereinzelt Beachtung geschenkt.<br />

Erst im Rahmen des im Zeitraum 1987-1993 durchgeführten Forschungsprojektes „NATO-<br />

CCMS Pilot Study - Conservation of Historic Brick Structures“ wurde den Ziegeln bzw. dem<br />

Ziegelmauerwerk größere wissenschaftliche Aufmerksamkeit entgegengebracht (NATO-<br />

CCMS Pilot Studies 1990-93).<br />

Hinsichtlich der mikroskopischen Untersuchungen an Ziegeln und Terrakotten wird die<br />

ausgewertete Literatur in vier Kapitel unterteilt. Zunächst werden im Gliederungspunkt 2.4.1<br />

die mikroskopischen Aspekte von Arbeiten vorgestellt, die an Laborserien ohne direkten<br />

Bauwerksbezug durchgeführt wurden. Im Gliederungspunkt 2.4.2 werden die mikroskopischen<br />

Ansätze und Ergebnisse ausgewertet, die im Rahmen von Bauwerksuntersuchungen<br />

erarbeitet wurden.<br />

Weitere Kapitel behandeln spezielle mikroskopische Untersuchungsmethoden, die zur<br />

Beantwortung spezieller konservatorischer Fragestellungen eingesetzt werden (Gliederungspunkt<br />

2.4.3: Kryo-REM; Gliederungspunkt 2.4.4: ESEM).<br />

2.4.1 Laborserien<br />

Im Rahmen von grundlegenden Betrachtungen zum Einfluß der Hohlraumverteilung von<br />

keramischen Erzeugnissen auf deren Frostbeständigkeit wurden von Bergmann (1956) die<br />

temperaturabhängigen Veränderungen des keramischen Gefüges mikroskopisch nachgewiesen.<br />

Durch Verwendung eines Polarisationsmikroskopes mit Heiztisch konnte der Einfluß<br />

der Sinterung auf die Ausbildung des Hohlraumgefüges in situ verfolgt werden. Beim<br />

Erreichen des Sinterpunktes schmelzen dünne Wandungen kleiner Poren unter Entstehung<br />

eines größeren Hohlraums. Weiterhin glätten sich die Wandungen und offene Kapillaren<br />

werden durch Verschmelzungen geschlossen.<br />

Von Voskuil (1958) werden am Beispiel von Labormischungen holländischer Tone die<br />

Vor- und Nachteile verschiedener lichtmikroskopischer Untersuchungsmethoden verglichen.<br />

Nach Einschätzung des Autors sind Dünnschliffe zur mikroskopischen Untersuchung an<br />

Ziegeln aufgrund folgender Nachteile weniger geeignet:<br />

- gegenseitige Überdeckung von Gefügebestandteilen<br />

- schlechtes Erkennen von Porengröße und -form sowie feiner, nadeliger Verwachsungen.<br />

Diesen Einschränkungen der Dünnschliffmikroskopie stehen wesentliche Vorteile der Auflichtmikroskopie<br />

gegenüber:<br />

- Erkennen von Reaktionen der Tonsubstanz mit Quarz, Hämatit, Feldspat, Kalk / Magnesia<br />

- Sintererscheinungen, Rekristallisationen sehr gut erkennbar<br />

- Form, Größe und Verteilung von Poren und feinen Haarrissen bis ins Detail gut erkennbar.<br />

Als Nachteile der Auflichtmikroskopie werden das sehr geringe Reflexionsvermögen der<br />

Ziegelbestandteile (5-10 bezogen auf 95 bei metallischem Silber) und die indirekte Mineralidentifizierung<br />

genannt.<br />

Die Bedeutung lichtmikroskopischer Untersuchungen an keramischen Materialien liegt nach<br />

Salmang (1958) in der Möglichkeit, Gefügefehler, wie z.B. Materialinhomogenitäten, Formgebungstexturen,<br />

Porositätsschwankungen und Risse zu erkennen.<br />

Seiner Einschätzung nach haben diese Grobstrukturen viel größeren Einfluß auf die<br />

Beständigkeit des keramischen Materials als die Feinstrukturen des Gefüges.


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 24<br />

Die Möglichkeiten von REM-Untersuchungen zur Visualisierung mittels Hg-Porosimetrie<br />

gemessener Porenradienverteilungen wurden von Schwiete und Ludwig (1969) untersucht.<br />

Im Vergrößerungsbereich zwischen 240x bis 1200x wurden für verschiedene Ziegel die<br />

mikroskopischen Porencharakteristika beschrieben: Porengehalt, Porenform, maximaler<br />

Porendurchmesser, Texturen. Aus den Untersuchungen ist der Einfluß unterschiedlicher<br />

Rohstoffe und Brenntemperaturen auf die Ausbildung des Porengefüges ersichtlich.<br />

An Ziegeln aus Schiefertonen und Geschiebelehm führen höhere Sintergrade (Brenntemperaturen<br />

1000-1040 °C) zu zahlreichen Poren > 10µm. Bei vergleichbaren Brenntemperaturen<br />

bilden andere Rohstoffe (z.B. Ton, Mergelton, Aluvialton) dichtere Gefüge mit<br />

relativ einheitlichen Porendurchmessern um 1 µm aus.<br />

Durch Zusatz von Polystyrol (Styropor) künstlich erzeugte Luftporen sind an ihrer runden<br />

Form und ihrer Größe um 1 mm zu identifizieren.<br />

Die mittels Hg-Porosimetrie ermittelten Unterschiede in den Porenvolumina und der Porenradienverteilung<br />

konnten von den Autoren im REM qualitativ nachvollzogen werden.<br />

In einer vergleichenden Betrachtung zu den Möglichkeiten der Erfassung der Porengrößenverteilung<br />

im Ziegelscherben und ihrer Bewertung hinsichtlich der Frostfestigkeit wurden von<br />

Piltz (1970) REM-Untersuchungen zum Porengefüge keramischer Scherben durchgeführt.<br />

Die Hohlraumverteilung wird als vielgestaltiges, labyrinthisches System bezeichnet. Für eine<br />

hinreichende Erfassung müssen neben Form und Verlauf der Poren auch deren<br />

Durchmesser und Größenverteilung ermittelt werden.<br />

Für die Frostfestigkeit sind die Poren im Radiusbereich 0,01 bis 5 µm entscheidend.<br />

Heimann (1978/9) stellt durch REM-Untersuchungen fest, daß die qualitativen Gefügeveränderungen<br />

des keramischen Scherbens in Abhängigkeit von der Brenntemperatur gut<br />

nachvollziehbar sind. Bei gleicher Tonmineralzusammensetzung sind bei 850°C noch<br />

deutlich Tonmineralformen erkennbar. Bei 1100°C liegt vollständige Verglasung vor.<br />

Zu vergleichbaren Aussagen haben Untersuchungen von Franke und Schoppe (1990)<br />

geführt. Der Sinterungsgrad und der Abbau der Tonminerale und Feldspäte wird mit Blick auf<br />

die Möglichkeiten einer nachträglichen Abschätzung der Brenntemperatur an Bruchflächen<br />

im REM verfolgt. Bei der gewählten Tonzusammensetzung sind an den bei 900°C<br />

gebrannten Ziegeln noch Schichtstrukturen der Tonminerale erhalten. Brenntemperaturen<br />

von 1040°C definieren den Beginn der Sinterreaktion, erkennbar durch das Auftreten von<br />

Schmelz- und Fließformen. Das Gefüge der Ziegel, die bei 1150°C gebrannt wurden, ist<br />

durch eine vollständige Verglasung gekennzeichnet.<br />

REM-Untersuchungen von Lewin und Charola (1979) hatten Veränderungen an den Tonmineralen<br />

sowie der Glasphase als Folge von Säureeinwirkungen zum Gegenstand<br />

(Simulation des Angriffs durch "sauren Regen"). Es wurde eine Auslaugung der Glasphase<br />

unter Bildung von Rissen nachgewiesen. Schließlich führt der Abtrag der Glasphase zur<br />

Freilegung darin eingeschlossener, weniger säurebeständiger Tonminerale. Im weiteren<br />

Verlauf führen diese Prozesse zur Lockerung des Ziegelgefüges.<br />

Mit 18molarer H2SO4 und einer Einwirkzeit von 3 Monaten wurden allerdings sehr aggressive<br />

Versuchsbedingungen gewählt.<br />

Von Lewin und Charola (1980) wird im Hinblick auf Schädigungsmechanismen durch<br />

Salzsprengung darauf hingewiesen, das REM-Untersuchungen die Möglichkeit bieten,<br />

Details zur Wechselwirkung der wachsenden Kristalle mit dem umgebenden Porenraum zu<br />

untersuchen. Die Methode kann nach Einschätzung der Autoren einen Beitrag zur Klärung<br />

der Vorgänge liefern, die zur Entstehung von Kristallisationsdrücken führen.


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 25<br />

An Werksproben schweizerischer Ziegeleien wurde das Mikrogefüge der grobkeramischen<br />

Scherben auf seine Abhängigkeit von den Brennbedingungen und dem Rohmaterial<br />

untersucht (Meyer et al. 1984). Neben der Dünnschliffmikroskopie und Rasterelektronenmikroskopie<br />

haben die Autoren mit Hilfe systematischer Bildanalysen mehrere Porenparameter<br />

ermittelt (Porengröße, Porenform, Porenorientierung). Die Erfassung größerer<br />

Poren erfolgte mit der Fluoreszenzmikroskopie an kunstharzgetränkten Proben. Der<br />

Feinporenanteil wurde über REM-Aufnahmen an Anschliffpräparaten bewertet.<br />

Aufgrund der Verschiedenheit von Rohmaterial, Aufbereitung, Verpressung, Trocknung und<br />

Brennprozeß konnten keine verallgemeinerbaren Zusammenhänge zwischen den verschiedenen<br />

Scherbenparametern abgeleitet werden.<br />

Binda und Baronio (1984) haben durch REM-Untersuchungen den Zusammenhang<br />

zwischen dem Sinterungsgrad von Ziegelmaterial und der Schadensanfälligkeit nachgewiesen.<br />

Ziegel mit hohen Glasanteilen im Scherben waren im Natriumsulfat-Sprengtest<br />

widerstandsfähiger als Ziegel mit erkennbaren Tonmineralstrukturen. Ungleichmäßige<br />

interne Strukturen (Inhomogenitäten) oder Laminierungen wurden als Merkmale schadensanfälliger<br />

Ziegel erkannt.<br />

Die Schädigung des Ziegelgefüges durch Na-Sulfat wurde von Caner-Saltik et al. (1992)<br />

lichtmikroskopisch an ungedeckten Dünnschliffen untersucht. Dabei wurde eine<br />

kontinuierliche Porenaufweitung mit steigender Zahl an Kristallisationszyklen festgestellt.<br />

Aus der Beobachtung, daß große Poren vollständig oder fast vollständig mit Salz gefüllt<br />

waren, wird geschlossen, daß die Salzkristallisation bevorzugt in großen Poren erfolgt. Es<br />

wird darauf hingewiesen, daß Porenkanäle bzw. kleine Poren, die mit größeren in<br />

Verbindung stehen, ebenfalls Salz enthalten.<br />

Von Sasse et al. (1992) wird am Beispiel getränkter Natursteine nachgewiesen, daß mittels<br />

REM-Untersuchungen sehr dünne Schutzstoff-Schichten (


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 26<br />

Hohe Kalkgehalte sind typisch für die in der Schweiz verwendeten Rohstoffe. Die<br />

Untersuchungen erfolgten an polierten, ungedeckten Dünnschliffen. Die vorgelegten Ergebnisse<br />

zeigen, daß mit den angewendeten Untersuchungsmethoden der Silikatisierungsvorgang<br />

von Calcit und Dolomit in Funktion der Brenntemperatur, der Korngröße sowie der<br />

Brennatmosphäre genau verfolgt werden kann. Hieraus wurden grundlegende Erkenntnisse<br />

zu den unterschiedlichen Diffusionsgeschwindigkeiten von CaO und MgO sowie zum<br />

reaktionsfördernden Einfluß der Zusammensetzung der Ofenatmosphäre (Fluor, Chlor,<br />

Schwefel, Wasserdampf) auf die Silikatisierung von groben Karbonatkörnern abgeleitet.<br />

REM-Untersuchungen zum Kristallisationsverhalten von Gips in porösen baukeramischen<br />

Materialien wurden von Franke und Kühne (1997) durchgeführt. Als Substrate dienten<br />

Metalloxidkeramiken sowie Ziegel mit unterschiedlichen Porenradienverteilungen.<br />

An nicht hydrophobierten Materialien mit Poren


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 27<br />

Im REM erfolgten Gefügeuntersuchungen geschädigter und ungeschädigter Terrakottaproben.<br />

Hierbei wurde festgestellt, daß die Einwirkung "saurer Atmosphärilien" zur Lösung<br />

und Umwandlung der Kalkbestandteile im Scherben sowie zu einer Ätzung bereits gebildeter<br />

Gipskristalle geführt hat. Dieser Prozeß wird als Hauptschadensursache angesehen.<br />

Weiterhin hat die Säureeinwirkung zu einer partiellen Zerstörung der Glasmatrix geführt. Die<br />

Folge sind Schuppenbildung im Bereich der Tonminerale und Lockerungen der<br />

Mineralkörner. Durch diese Schwächung der inneren Bindung sind die Terrakotten anfälliger<br />

gegen Frost, Salzkristallisation sowie thermische und hygrische Beanspruchungen.<br />

Geschädigte und ungeschädigte Renaissance-Terrakotten im Kreuzgang eines Klosters bei<br />

Pavia waren Gegenstand umfangreicher Untersuchungen, die von Abrate-Zohar et al. (1985)<br />

durchgeführt wurden (XRD, Hg-Porosimetrie, PolMi, REM, EDX, Wasseraufnahme und -<br />

abgabe).<br />

Obwohl Gips als Hauptneubildung erkannt wird, beziehen sich die lichtmikroskopischen<br />

Untersuchungen nur auf die Mineralzusammensetzung der Magerung, die Kornsortierung<br />

sowie auf Homogenität und Texturen. Das Gefüge wird als wellenförmig beschrieben, mit<br />

einer Vorzugsorientierung von Mikroporen, Hohlräumen und Mineralkörnern. Diese Gefügeanisotropien<br />

sind eine Folge der Herstellung (Handmischung) und werden als bestimmend<br />

für die auftretenden Schadensformen (Lockerungen, Absanden) angesehen.<br />

Über REM-Untersuchungen wurde festgestellt, daß Gips in Poren und Rissen vorhanden ist.<br />

Er weist plattig-tafelige Morphologien auf, die Kristalle sind senkrecht zu den Bruchflächen<br />

(Risse) orientiert.<br />

Die Bestimmung der Mineralphasen an geschädigten historischen Ziegeln im Polarisationsmikroskop<br />

liefert nach Erkenntnissen von Franke und Tubbesing (1989) Hinweise auf die<br />

Brennbedingungen. Indikatoren für niedrige Brenntemperaturen sind Tonminerale und<br />

Glimmer. Die Zerstörung der Kristallstruktur von Muskovit erfolgt, nach Angabe der Autoren,<br />

bei 800°C.<br />

Von den gleichen Autoren wurden polarisationsmikroskopische Untersuchungen an<br />

geschädigten Ziegeln historischer Backsteinbauten Norddeutschlands durchgeführt. Es<br />

handelte sich um Gebäude in Hamburg, Lübeck, Tönning, Garding und Süderende (Insel<br />

Föhr), deren Alter zwischen 80 und 700 Jahren lag (Franke und Tubbesing 1990). An allen<br />

Proben wurde Gipskristallisation unter den Ziegeloberflächen als charakteristisches<br />

Schadensbild beobachtet. Das Abblättern der betroffenen Ziegel wird auf den Kristallisationsdruck<br />

bei der Gipsbildung zurückgeführt.<br />

Die Eigenschaften historischer Ziegelmaterialien an Gebäuden unterschiedlicher regionaler<br />

Lage und zeitlicher Entstehung wurden von Freyburg (1997) untersucht.<br />

Neben der Bestimmung materialkundlicher Kennwerte erfolgten stereo- und dünnschliffmikroskopische<br />

Untersuchungen, aus denen sich folgende Erkenntnisse ableiten ließen:<br />

1) Rückschlüsse auf die verwendeten Rohstoffe (z.B. diatomeenhaltige Tone)<br />

2) Hinweise auf die Fertigungstechnik (Aufbereitung, Formgebung)<br />

Zum Beispiel kann fehlende Aufbereitung bei geringmächtigen, unterschiedlich zusammengesetzten<br />

Rohstoffhorizonten, die gemeinsam verarbeitet werden, die Ausbildung von<br />

magerungskornreichen Schlieren und Bändern sowie Tonlunkern bzw. Tonbändern zur<br />

Folge haben.


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 28<br />

3) Benennung von Gefügetypen nach den Kriterien: - Homogenität, Packungsdichte<br />

- Farbe<br />

- Porengröße und -verteilung<br />

- Größe und Verteilung der Mineralkomponenten<br />

Aus diesen Untersuchungen ist ersichtlich, daß der Einfluß unterschiedlicher Rohstoffe und<br />

die Art der Verarbeitung mikroskopisch an den Gefügen der Ziegel ablesbar ist.<br />

Das gilt auch für Bauterrakotta, die von der Autorin an verschiedenen Gebäuden Norddeutschlands<br />

untersucht wurde (FREYBURG 1995A). Die Scherbengefüge von Terrakotten<br />

des 16. Jahrhunderts (Schloß Gadebusch, Mecklenburg-Vorpommern) enthalten hellgelbe,<br />

feinsandige Schlieren sowie grobkörnigere Einschlüsse in einer hämatithaltigen, feinkörnigen<br />

Grundmasse. Diese Inhomogenitäten folgen den Formgebungsstrukturen. Ursache ist die<br />

Verarbeitung einer relativ steifplastischen, trockenen Masse, wobei wahrscheinlich auf eine<br />

vorherige Schlämmung verzichtet wurde.<br />

Demgegenüber weisen die Gefüge der Terrakotten des 19. und 20. Jahrhunderts (Schloß<br />

Schwerin und Schloß Gadebusch) aufgrund der verbesserten Fertigungstechnik eine<br />

vergleichsweise ausgewogene Korn- und Porenverteilung auf. In einer homogenen,<br />

hämatitreichen Matrix ist ein relativ gleichkörniger Mineralbestand enthalten.<br />

2.5 Spezielle mikroskopische Untersuchungen zu Schadensursachen und<br />

Konservierungsansätzen<br />

2.5.1 Kryo-REM-Untersuchungen<br />

Die Anwesenheit leicht löslicher Salze, insbesondere solcher, die verschiedene Hydratstufen<br />

bilden (z.B. Natriumsulfat oder Magnesiumsulfat), und/oder hohe Bauteilfeuchten stellen<br />

besondere Anforderungen an die mikroskopischen Untersuchungen. Blaschke und Juling<br />

(1990b) haben auf mögliche Folgen eines ungeeigneten Probentransports vom Entnahmeort<br />

ins Untersuchungslabor bzw. eine unsachgemäße Lagerung solcher Proben hingewiesen.<br />

Es können Umverteilungen der Salze im Probenvolumen und sogar die Zerstörung der<br />

Proben auftreten.<br />

Solche Veränderungen des Probenmaterials können durch eine Kryo-Präparation, die für<br />

das REM etwa seit dem Jahre 1975 verfügbar ist, vermieden werden (Blaschke 1975).<br />

Durch die Entwicklung einer mobilen Ausrüstung zur in situ Probenpräparation wurde eine<br />

Erweiterung des bisher auf den stationären Betrieb ausgelegten Kryo-REM-Verfahrens<br />

ermöglicht (Blaschke 1988, Blaschke und Juling 1990a). Damit bestand erstmals die<br />

Möglichkeit, natürliche oder im Labor geschaffene Feuchte- und Salzverhältnisse unmittelbar<br />

nach der Probenentnahme mittels Kryoschock zu fixieren und anschließend in der Kryo-<br />

Probenkammer des REM zu untersuchen.<br />

Von Burchhard et al. (1991) wird das Kryo-REM-Verfahren für Laboruntersuchungen mit dem<br />

Ziel eingesetzt, Wasser bzw. Feuchte im Porenraum von Natursteinen artefaktfrei zu<br />

visualisieren. Die Einwirkung von Wasser auf bestimmte Mineralien im Modalbestand<br />

ausgewählter Sandsteine wird abgebildet (Quellen von Chlorit).


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 29<br />

Weiss (1992) führte Kryo-REM-Untersuchungen zur Salz- und Eiskristallisation an<br />

Natursteinen durch. Diese Arbeit belegt die komplexen Zusammenhänge zwischen<br />

Porengrößen, Wassersättigungsgrad und Mineralphasenbestand bei der Eiskristallisation im<br />

Porenraum. Bei den untersuchten, teilgesättigten Sandsteinen (70-80% der kapillar<br />

aufnehmbaren Wassermenge) hatten sich in Makroporen Eisschichten auf den Porenwandungen<br />

gebildet. Demgegenüber waren die kleineren Kapillarporen häufig vollständig mit<br />

Eis gefüllt. Aus dieser Bevorzugung der kleineren Hohlräume bei der Wassereinlagerung und<br />

Eisbildung wird geschlossen, daß auch Sandsteine mit geringen Gesamtsättigungswerten<br />

Frostschäden erleiden können.<br />

Tonige Bindemittel werden vom Eis häufig vollständig eingeschlossen. Bei Frost- und<br />

Auftauvorgängen kann es zu irreversiblen Verformungen kommen, die sich im Laufe der Zeit<br />

zu Gefügeschädigungen aufsummieren können.<br />

Erstmals wurde auch der Versuch unternommen, Mirabilit im Kryo-REM abzubilden. Hierbei<br />

haben jedoch die gerätetechnischen Bedingungen (Detektorauswahl, Einschränkungen bei<br />

der EDX) und vor allem die Fixierung der salzbefrachteten Proben mit Wasser (!) deutliche<br />

Grenzen gesetzt.<br />

Die Wasser- und Feuchteverteilung in unbehandelten und imprägnierten Sandsteinen wurde<br />

von Clooth (1992) sowie von Clooth und Burchhard (1994) mit dem Kryo-REM-Verfahren<br />

untersucht. Der Erfolg von Imprägniermaßnahmen (Hydrophobierung) kann über die<br />

veränderten Filmbildungseigenschaften und die daraus resultierende charakteristische<br />

Tropfenform von Wasser auf den hydrophobierten Untergründen bewertet werden.<br />

Außerdem wurde mikroskopisch die Passivierung quellfähiger Gesteinskomponenten (Tonminerale)<br />

gegenüber Wasser als Folge der Imprägnierung nachgewiesen.<br />

Langenfeld et al. (1994) untersuchten im Kryo-REM kapillar getränkte Sandsteine und<br />

Sanierputze. Im unbehandelten Sandstein wurden geschlossene Wasserfilme bzw. Anreicherungen<br />

in Zwickeln festgestellt. An hydrophobierten Sanierputzen bilden sich keine<br />

geschlossenen Wasserfilme, sondern Tropfen in den Luftporen. Die Verbindungskanäle<br />

zwischen den Luftporen sind häufig mit Wasser gefüllt.<br />

Kryo-REM-Untersuchungen an Na-Sulfat haben gezeigt, daß die kristallwasserhaltige Form<br />

(Mirabilit: (Na2[SO4] • 10H2O)) unter Kryobedingungen stabil ist. Erst bei Anhebung der<br />

Probentemperatur auf +35°C erfolgt unter den Hochvakuumbedingungen im REM eine Entwässerung<br />

in die kristallwasserfreie Modifikation des Na-Sulfats. Der entstehende, kryptokristalline<br />

Thenardit (Na2[SO4]) zeigt Pseudomorphosen nach Mirabilit (Hoffmann 1994).<br />

Von Neisel und Burchhard (1994) wurden Kryo-REM-Untersuchungen zu Gefrierprozessen<br />

an feuchtekonditionierten Sandsteinprismen durchgeführt. Abhängig von der Sandsteinvarietät<br />

gefriert das Wasser im Temperaturbereich 0 bis -3°C.<br />

Für den Fall geringer, durch kapillares Saugen über Stirnflächen von Prismen aufgenommene<br />

Wassermengen wurden keine direkten Gefügeschädigungen beobachtet. Die<br />

Erklärung erfolgt über den zur Verfügung stehenden Porenraum, in den wachsende<br />

Eiskristalle ausweichen können. Erst bei hohen Feuchtegehalten (Sättigung nach Unterwasserlagerung)<br />

treten Risse im Natursteingefüge als Folge der Eiskristallisation auf.


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 30<br />

2.5.2 ESEM-Untersuchungen<br />

Doehne und Stulik (1990) vergleichen die Geräteparameter und präparativen Anforderungen<br />

herkömmlicher Rasterelektronenmikroskope mit denen des ESEM (Environmental Scanning<br />

Electron Microscope). Der Hauptunterschied besteht darin, daß im ESEM kein Hochvakuum<br />

im Probenraum erforderlich ist und trotzdem eine hochauflösende Abbildung feuchter Proben<br />

realisiert werden kann. Weitere wesentliche Vorteile, z.B. Verzicht auf eine leitfähige<br />

Beschichtung der Proben, Variation von Druck, Feuchte, Temperatur in der Probenkammer<br />

während der Untersuchung, werden anhand verschiedener Fallstudien aus der<br />

konservatorischen Praxis veranschaulicht. Unter anderem konnten Quellvorgänge an<br />

Tonmineralen, die bei der Befeuchtung von Lehmziegeln stattfinden, in situ beobachtet und<br />

abgebildet werden. Eine Behandlung mit Konservierungsmitteln führt zu einem anderen<br />

Benetzungsverhalten durch einwirkende Feuchtigkeit und damit zu einer Verringerung des<br />

Quellens.<br />

Das ESEM verfügt über alle Möglichkeiten eines herkömmlichen SEM und bietet zusätzlich<br />

den Vorteil, dynamische Prozesse direkt verfolgen bzw. Proben in ihrem natürlichen Zustand<br />

untersuchen zu können.<br />

Die Autoren vertreten die Auffassung, daß das Gebiet Konservierung in hohem Maße von<br />

den neuen bzw. erweiterten Möglichkeiten zur Untersuchung von Zerstörungsmechanismen<br />

profitieren wird.<br />

ESEM-Untersuchungen zur Dynamik der Na-Sulfat-Kristallisation unter Verwendung eines<br />

gekühlten Probentisches wurden von Doehne (1997) durchgeführt. Dabei konnte gezeigt<br />

werden, daß eine vollständige Hydratation großer, wasserfreier Thenarditkristalle (Na2[SO4])<br />

durch eine Umhüllung mit Mirabilit (Na2[SO4] • 10H2O) so lange behindert wird, bis ausreichend<br />

flüssiges Wasser zur Lösung des entstandenen Mirabilit zur Verfügung steht. Hierin<br />

wird die Ursache für die unter gleichen Feuchtewechselraten gegenüber der Dehydratation<br />

deutlich langsamere Hydratation gesehen.<br />

In umgekehrter Richtung, bei der Trocknung des Dekahydrats, bilden sich hoch poröse<br />

Aggregate aus sehr kleinen Thenarditkristallen. Die ESEM-Untersuchungen haben gezeigt,<br />

daß die Lösung solcher Strukturen (sehr feinkristalliner Thenardit mit großer spezifischer<br />

Oberfläche) durch flüssiges Wasser und anschließende Trocknung zu einer raschen<br />

Kristallisation großer Mirabilitkristalle führt.<br />

Hierin wird die wesentliche Ursache für die starken Schäden gesehen, die Na-Sulfat an<br />

porösen Materialien verursachen kann.<br />

Hinsichtlich ihrer Eignung zur Untersuchung früher Hydratationsvorgänge an Zementphasen<br />

vergleicht Möser (1997) verschiedene Typen von Rasterelektronenmikroskopen (REM, FE-<br />

REM, NV-REM, ESEM, ESEM-FEG).<br />

Die gewonnene Erkenntnis, daß ein ESEM mit Feldemissionskathode (ESEM-FEG) optimale<br />

Voraussetzungen für eine artefaktfreie Untersuchung und hochauflösende Abbildung von<br />

Hydratationsvorgängen bietet, ist zwangsläufig. Schließlich sind in diesem Gerätesystem die<br />

Hochauflösung der Feldemissionskathode und die Möglichkeit des ESEM, auf ein<br />

Unterbrechen des Hydratationsvorganges und auf eine leitfähige Beschichtung der Proben<br />

zu verzichten, kombiniert.<br />

Außerdem wird festgestellt, daß die wasserreiche Form des Na-Sulfats auch unter den<br />

Bedingungen eines geringen Vakuums im ESEM nicht stabil ist. Bereits bei einem Druck von<br />

6 Torr und einer relativen Feuchte von 75% geben die Mirabilitkristalle ihr Wasser ab und<br />

zerfallen zu pulverigem Thenardit.


2. Stand der Forschung - Literaturauswertung 31<br />

Die Unterschiede im Schädigungsverhalten von Na-Sulfat und NaCl wurden von Rodriguez-<br />

Navarro et al. (1996) im ESEM untersucht. Unter gleichen experimentellen Bedingungen<br />

(25%ige und gesättigte Salzlösungen) führt Mirabilit-Kristallisation an Prismenprüfkörpern zu<br />

großen Schäden, während NaCl nur äußerst geringe Schäden verursacht.<br />

Kennzeichnend für Mirabilit war:<br />

• Ausblühungssaum oberhalb einer Zone starker Schädigung<br />

• sofortige Schädigung (erheblicher Materialverlust)<br />

• rascher Materialabtrag und große Gewichtsverluste<br />

Für NaCl war folgendes Verhalten charakteristisch:<br />

• Ausblühungssaum an der Oberfläche (idiomorphe Kristalle)<br />

• keine sichtbaren Schäden (kein Materialverlust)<br />

• NaCl im Porenraum (winzige NaCl-Kristalle füllen die Feinstporen ohne größere Poren zu<br />

beeinflussen)<br />

Außerdem wurde durch Beobachtungen an Salzlösung in Glaskapillaren, anhand<br />

lichtmikroskopischer Untersuchungen zur Kristallisation von Salzlösungen auf Objektträgern<br />

sowie über die ESEM-Untersuchungen im Porenraum übereinstimmend festgestellt, daß<br />

Mirabilit innerhalb der Salzlösung und NaCl stets an der Grenzfläche Salzlösung/Luft<br />

kristallisiert.<br />

Dieser grundlegende Unterschied, der über die existierenden Modelle nicht erklärt werden<br />

kann, wird als Ursache der stärkeren Schädigung poröser Materialien durch Na-Sulfat<br />

gegenüber NaCl, bei gleichen experimentellen Bedingungen, angesehen.<br />

Vertiefende ESEM-Untersuchungen zum Kristallisationsverhalten von Na-Sulfat und NaCl<br />

wurden von RODRIGUEZ-NAVARRO und DOEHNE (1999) durchgeführt.<br />

Für Na-Sulfat wurde hierbei festgestellt, daß Wasserkondensation auf Thenardit zu einer<br />

raschen Auflösung der Kristalle mit anschließender Bildung von Mirabilitkeimen aus der<br />

Lösung führt. Ursache entstehender Schäden ist damit der Kristallisationsdruck. Die Theorie<br />

eines „Hydratationsdruckes“ als maßgebliche Ursache der Materialzerstörung wird von den<br />

Autoren aufgrund fehlender Indizien in Frage gestellt.<br />

Auch bezüglich NaCl traten Widersprüche zu den Modellvorstellungen zur Salzkristallisation<br />

in porösen Systemen auf. In den ESEM-Untersuchungen wurde unter bestimmten Versuchsbedingungen<br />

(konstante rel. Feuchte von 50% und Raumtemperatur) festgestellt, daß<br />

kleine Poren mit kryptokristallinen NaCl-Aggregaten gefüllt sein können, während in<br />

größeren Poren keine NaCl-Kristallisation zu beobachten war. Gleichzeitig traten idiomorphe<br />

Ausblühungen an den Prüfkörperoberflächen auf. Hieraus wird, unter Bezug auf SUNAGAWA<br />

(1981), der kubische Kristallmorphologien auf geringe Übersättigungen zurückführt, ebenfalls<br />

auf geringe Übersättigungen geschlossen. Weiterhin wird ein kleiner Metastabilitätsbereich<br />

zwischen max. Übersättigung und Keimbildung, eine geringe Keimbildungsrate und ein<br />

geringes Wachstum angenommen. Als Konsequenz sollen niedrigere Kristallisationsdrücke<br />

als bei Na-Sulfat auftreten.<br />

Es wird auf die Bedeutung zyklischer Belastungen für das Verständnis der Zerstörungsmechanismen<br />

hingewiesen. Besonders den frühen Stadien des Schadensprozesses und<br />

Ermüdungseffekten soll in künftigen Experimenten nachgegangen werden.


3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 32<br />

3 ZUR METHODIK DER MIKROSKOPISCHEN BAUSTOFFANALYSE<br />

In der modernen Denkmalpflege gilt der Grundsatz: Keine zusätzlichen Objektverletzungen<br />

durch auffällige Beprobungen für die Schadensanalyse. Eine Beprobungsstelle darf dem<br />

Betrachter nicht auffallen.<br />

Diese für Wandmalereien selbstverständliche Forderung gilt heute auch für wertvolle<br />

Terrakotten.<br />

Für diese Situation empfiehlt sich die mikroskopische Baustoffanalyse vor Ort. Auf Anregung<br />

von Prof. Dr. R. Blaschke wurde 1989 vom damaligen Bundesministerium für Forschung und<br />

Technologie (BMFT) im Rahmen des Schwerpunktes „Denkmalpflegeforschung“ der Bau von<br />

Laborwagen genehmigt, die von der Abteilung Analytische Baustoffmikroskopie der MPA<br />

Bremen betrieben werden (Blaschke 1987, Blascke und Juling 1990a und 1990b, Juling<br />

1994).<br />

In den Laborwagen sind folgende Geräte einsatzbereit untergebracht:<br />

1. Stereomikroskop mit Videokamera und Videoprinter<br />

2. Sägemikrotom (Leitz) zur Herstellung von Dünnschliffen und Anschliffen<br />

3. Polarisationsmikroskop mit Videoanschluß<br />

4. Vakuumanlage mit Kohlenstoffverdampfungsquelle und Kathodenzerstäubungseinrichtung<br />

zur Erzeugung der Leitfähigkeitsschicht<br />

5. Rasterelektronenmikroskop mit energiedispersiver Röntgenmikroanalyse<br />

6. Transportable Vakuumeinrichtung für Kryo-Präparation in schmelzendem Stickstoff<br />

Die Vor-Ort-Analyse bietet den entscheidenden Vorteil einer sofortigen, komplexen<br />

mikroskopischen Bewertung 1-2 mm kleiner Proben in Gegenwart der Denkmalpfleger und<br />

Restauratoren. Nach der gemeinsamen Diskussion der ersten Erkenntnisse kann entschieden<br />

werden, wo und in welchem Umfang weitere Proben für vertiefende Untersuchungen<br />

entnommen werden müssen.<br />

Auch erfahrene Denkmalpfleger sind immer wieder überrascht von der Fülle von Erkenntnissen,<br />

die an kleinsten Proben mikroskopisch gewonnen werden können.<br />

Die in zahlreichen Laborwageneinsätzen auf den Gebieten Wandmalerei und Naturstein<br />

entwickelte Vorgehensweise (Blaschke 1989, Blaschke und Juling 1992) wurde im Rahmen<br />

der vorliegenden Arbeit konsequent auf Terrakotten und Ziegel übertragen.<br />

Zunächst wurden mit den verantwortlichen Denkmalpflegern und Restauratoren die Fragen<br />

an die mikroskopische Analytik festgelegt. Die Probennahme erfolgte im Beisein der<br />

Restauratoren, die Präparation und der überwiegende Teil der mikroskopischen Untersuchungen<br />

wurden im Laborwagen unmittelbar am Bauwerk durchgeführt.<br />

Die Anwesenheit am Objekt ermöglichte einen ständigen Bezug zur Probenentnahmestelle<br />

und der gesamten Bauwerkssituation (Erscheinungsbild und Verteilung der Schäden, Einfluß<br />

von Bauteilgeometrien, Wasserführung etc.).<br />

Dieser „Dialog mit dem Gebäude“ war für die Interpretation der mikroskopischen Untersuchungsergebnisse<br />

von ausschlaggebender Bedeutung.


3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 33<br />

3.1 Probennahme<br />

Eine Beschränkung auf möglichst unauffällige Beprobungspunkte setzte voraus, daß zur<br />

Entnahme der Proben eine Lupe oder Lupenbrille verwendet wurde.<br />

Die Fragestellungen bestimmten die Art der Probennahme. Hierzu folgende Beispiele:<br />

a) Zur Identifizierung von Salzausblühungen genügten einzelne kleine Kristalle, die sich mit<br />

sogenannten Leit-Tabs oder mit Leit-C-Plast vollkommen zerstörungsfrei direkt von den<br />

Materialoberflächen abtupfen ließen.<br />

b) Für die Untersuchung der Ursachen unterschiedlicher Farbigkeiten von Terrakotten oder<br />

von Auflagerungen und Krusten, war eine Entnahme wenige mm großer Oberflächenpartikel<br />

oder Schalenbruchstücke mit dem Skalpell ausreichend.<br />

c) An geschädigten und dadurch meist mechanisch empfindlichen Terrakotten und Ziegeln<br />

erfolgte die Probenentnahme mit Hilfe einer diamantbesetzten Minitrennscheibe. Mit<br />

diesem Gerät war es möglich, auch stark geschädigte Materialien aus ihrer Umgebung<br />

herauszulösen und in ihren Strukturen für die mikroskopischen Untersuchungen zu<br />

erhalten. Bei extremen Lockerungen konnten interessierende Teilbereiche vor der Entnahme<br />

einer Probe mit niedrigviskosem Sekundenkleber verfestigt werden.<br />

Die typische Größe der Terrakottaproben betrug im Durchmesser meist weniger als<br />

10 mm (Abb. 9).<br />

3.2 Präparationsschritte<br />

Abb. 9:<br />

Mit Minitrennscheibe<br />

für mikroskopische<br />

Untersuchungen<br />

herausgeschnittene<br />

Terrakottaprobe vom<br />

Schweriner Schloß<br />

(Oberfläche im Bild<br />

oben links, markiert<br />

durch Pfeil).<br />

Auf der Sägefläche<br />

sind Schneidriefen zu<br />

erkennen.<br />

Die Probe ist etwa<br />

10 mm lang (Abstand<br />

zwischen zwei Teilstrichen:<br />

1mm).<br />

Die entnommenen Terrakotten oder Ziegel wurden als erstes unter dem Stereomikroskop<br />

allseitig untersucht und photographisch dokumentiert.<br />

Wichtig war hierbei die Wahl einer zeckmäßigen Beleuchtung. Farbunterschiede ließen sich<br />

bei gleichmäßiger, koaxialer Beleuchtung besser erkennen. Zur Abbildung von Oberflächentopographien,<br />

z.B. erhöhter Rauhigkeiten als Folge einer Schädigung, eignete sich<br />

schräg einfallendes Licht.


3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 34<br />

Zur umfassenden mikroskopischen Analyse waren entsprechende Präparationsschritte<br />

erforderlich, die in den Abb. 10 und 11 schematisch dargestellt sind und in den folgenden<br />

Gliederungspunkten 3.2.1 bis 3.2.3 beschrieben werden.<br />

Die meist sehr kleinen Proben mußten schrittweise weiterbehandelt werden (durchgezogene<br />

Pfeile in Abb. 10). Nach einer Betrachtung der Oberflächen bzw. Bruchflächen im<br />

Stereomikroskop wurde das Probenstück im Rasterlektronenmikroskop (REM), einschließlich<br />

EDX-Analyse, untersucht. Anschließend konnte das gleiche Probenstück in niedrigviskosem<br />

Harz eingebettet und mit dem Sägemikrotom geschnitten werden. Damit standen sägerauhe<br />

Anschnitte für REM/EDX-Untersuchungen zur Verfügung, aus denen schließlich polierte,<br />

ungedeckte Dünnschliffe für Untersuchungen im Polarisationsmikroskop (PolMi) bzw. im<br />

REM angefertigt wurden.<br />

Bestand die Gefahr rascher Veränderungen im Probenmaterial aufgrund hoher Feuchtegehalte<br />

und/oder leicht löslicher Salze, wurde die Kryo-Technik eingesetzt. Die Kryo-<br />

Fixierung erforderte ein separates Probenstück (gestrichelter Pfeil in Abb. 10), das gesondert<br />

gelagert und transportiert werden muß.<br />

Oberfläche<br />

Bruchflächen<br />

Probennahme<br />

Eingangsinspektion im<br />

Stereomikroskop<br />

Kunstharzeinbettung Kryo-Fixierung<br />

Anschnitt Dünnschliff<br />

(ungedeckt)<br />

Oberfläche<br />

Bruchflächen<br />

REM-Präparat PolMi- und REM-Präparat REM-Präparat<br />

Abb. 10: Schematische Darstellung einer umfassenden Probenpräparation für kombinierte<br />

licht- und rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen (vgl. Abb. 11)<br />

3.2.1 REM-Präparation<br />

Die Präparation der Proben für Untersuchungen im REM erfolgte grundsätzlich unter einem<br />

Stereomikroskop mit Videokamera und Farbvideoprinter.<br />

Die Probenstücke wurden mit Leit-C oder Leit-C-Plast leitend auf einem dünnen Aluminiumblech<br />

befestigt.<br />

Durch Farbvideoprints der präparierten Proben konnten Details und Farbinformationen als<br />

Orientierungshilfen für die REM-Untersuchungen dokumentiert werden. Anhand charakteristischer<br />

Topographien war es möglich, interessierende Probenbereiche wiederzufinden und<br />

gezielt zu untersuchen.<br />

Zur Vermeidung elektrischer Aufladungen wurde als abschließender Präparationsschritt eine<br />

aus wenigen Atomlagen bestehende, leitfähige Schicht auf die Probenoberflächen<br />

aufgebracht. Hierfür kamen Ag- bzw. Pt-Beschichtungen mittels Kathodenzerstäubung<br />

(„Sputtering“) sowie Kohlenstoffbedampfung zum Einsatz.


3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 35<br />

3.2.2 Dünnschliff-Präparation<br />

Die Probenstücke wurden unter Vakuum getrocknet und orientiert in Kunstharz eingebettet.<br />

Kleinstproben mußten vorher auf einer Unterlage (Träger) fixiert werden. Hierzu eigneten<br />

sich dünne Aluminiumbleche und ein hochviskoser Klebstoff, z.B. Heißkleber (Temp-Fix). Für<br />

vergleichende Untersuchungen war es vorteilhaft, die betreffenden Proben nebeneinander<br />

auf einem Träger anzuordnen.<br />

Das Harz mußte unter Vakuumbedingungen in der Lage sein, die zugänglichen Wegsamkeiten<br />

der Ziegel oder Terrakotten vollständig zu füllen.<br />

Durch die Verwendung von blau eingefärbtem Harz konnten der Porenraum sowie Risse und<br />

Klüfte markiert und im lichtmikroskopischen Bild besser erkannt werden.<br />

Nach Aushärtung des Harzes wurde mit dem Sägemikrotom und unter Verwendung von<br />

Schneidöl (anstatt Wasser) der gewünschte Probenhorizont herausgeschnitten.<br />

Zur Fertigstellung des eigentlichen Dünnschliffes (erforderliche Dicke 20-25 µm) mußte von<br />

Hand nachgeschliffen werden. Die Verwendung von Standardobjektträgern ermöglichte<br />

Präparatgrößen bis 3,5 x 2,5 cm. Auf das Aufkleben von Deckgläsern wurde nach Möglichkeit<br />

verzichtet, um am gleichen Präparat sowohl lichtmikroskopische als auch rasterelektronenmikroskopische<br />

Untersuchungen durchführen zu können.<br />

Lediglich die Dünnschliffe der NaCl-haltigen Ziegel des Kampischen Hofes wurden durch<br />

Aufkleben eines Deckglases gegen Umverteilung der leicht löslichen Salze während der<br />

Aufbewahrung gesichert.<br />

3.2.3 Kryo-Präparation vor Ort<br />

Bei der Kryo-Fixation wird durch den sogenannten Kryoschock der Ausgangszustand<br />

eingefroren, d.h. sämtliche Probenbestandteile, einschließlich Feuchtigkeit, Salze bzw.<br />

Salzlösung, werden in ihrer Form und Lage fixiert („Einfrieren der Dynamik“).<br />

Hierzu wird flüssiger Stickstoff im Vakuum durch den Entzug von Verdampfungswärme<br />

eingefroren. Das Gemisch von festem und flüssigem Stickstoff, auch „slush“ genannt, besitzt<br />

die Temperatur von schmelzendem Stickstoff (-210,5°C).<br />

Die zu fixierenden Probenstücke (max. 0,5 cm 3 ) werden mit einem speziellen Kältekleber in<br />

einem napfartigen Kryo-Probenhalter befestigt und sofort nach der Öffnung des Rezipienten<br />

in den schmelzenden Stickstoff getaucht (Kryoschock). Die mit der Probe zugeführte Wärme<br />

wird zunächst zum Schmelzen der Stickstoffkristalle verbraucht, bevor die Temperatur des<br />

Stickstoffs wieder die Siedetemperatur des flüssigen Stickstoffs errreicht. Auf diese Weise<br />

wird das Leidenfrost´sche Phänomen (Bildung einer isolierenden Gashülle um die Probe)<br />

vermieden.<br />

Durch die Verwendung einer tragbaren Präparationsapparatur, bestehend aus Vakuumrezipienten<br />

und Rotationsvakuumpumpe, konnten am Bauwerk entnommene Proben sofort<br />

kryo-fixiert werden.<br />

Bis zur REM-Untersuchung verblieben die Präparate in flüssigem Stickstoff.<br />

3.3 Mikroskopische Analysemethoden<br />

Die schematische Darstellung in Abb. 11 zeigt beispielhaft die unterschiedlichen Präparate<br />

des gleichen Probenstückes und die mikroskopischen Analysemethoden.


3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 36<br />

Schrägbeleuchtung<br />

Stereomikroskop<br />

(SteMi)<br />

Bruchfläche<br />

Okulare<br />

Objektiv<br />

Koaxiale<br />

Beleuchtung<br />

SE-Detektor<br />

Rasterelektronenmikroskop (REM) und<br />

energiedispersive Röntgenmikroanalyse (EDX)<br />

Bruchfläche Anschnitt<br />

Keramischer Scherben mit Mineralkörnern (grau) und Poren/Hohlräumen (weiß)<br />

Elektronenquelle<br />

Elektronenlinsen<br />

Ablenkeinheit<br />

RE-Detektor<br />

EDX-Detektor<br />

Dünnschliff<br />

Eingefärbtes Kunstharz Verschmutzung oder Gipskruste Salz (hinter einer Schale)<br />

Abb. 11: Schematische Darstellung der schrittweisen Präparation eines Probenstückes und der mikroskopischen Analysemethoden<br />

(ohne Kryo-Techniken)<br />

Polarisationsmikroskop<br />

(PolMi)<br />

Okular<br />

Analysator<br />

Objektiv<br />

≈25 µm<br />

Kondensor<br />

Polarisator<br />

Lichtquelle


3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 37<br />

3.3.1 Polarisationsmikroskopie<br />

Im Polarisationsmikroskop (PolMi) wird das charakteristische optische Verhalten von<br />

Festkörpern im Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichtes zur qualitativen Unterscheidung<br />

von Mineralphasen und für Gefügeuntersuchungen ausgenutzt.<br />

Die physikalischen Grundlagen zur Bildentstehung sowie zur Wechselwirkung des Lichtes<br />

mit amorphen und kristallinen Festkörpern können der umfangreichen Spezialliteratur entnommen<br />

werden (Apelt 1959, Françon 1967, Rinne-Berek 1973, Beyer 1988).<br />

Durchlichtmikroskopie (Hellfeld)<br />

Im einfach polarisierten Licht (Polarisator im Strahlengang) sind die Eigenfarben der<br />

Bestandteile des Präparates zu erkennen. Durch Verwendung eingefärbten Einbettharzes<br />

können unter diesen Abbildungsbedingungen die Porosität, Risse sowie Verdichtungen<br />

optimal erkannt werden.<br />

Zwischen gekreuzten Polarisatoren (Polarisator und Analysator im Strahlengang) erscheinen<br />

amorphe und optisch isotrope, kristalline Materialien unabhängig von ihrer Orientierung<br />

(Drehen des Präparates) immer dunkel, d.h. sie haben in allen Raumrichtungen dieselben<br />

optischen Eigenschaften.<br />

Die Mehrzahl der kristallinen Stoffe in der Natur (z.B. Minerale) zeigt jedoch ein davon<br />

abweichendes, optisch anisotropes Verhalten. Sie weisen charakteristische Interferenzfarben<br />

auf, die von Dicke und Doppelbrechung des untersuchten Materials bestimmt werden<br />

und sich in Abhängigkeit von der Orientierung der Kristalle ändern. In Verbindung mit<br />

weiteren Kriterien wie Kristallform, Spaltebenen, Zwillingsbildungen etc. ist im<br />

Polarisationsmikroskop eine Mineralidentifizierung möglich.<br />

Die polarisationsmikroskopischen Untersuchungen wurden an einem Polarisationsmikroskop<br />

Axioskop der Fa. ZEISS im Vergrößerungsbereich 25 bis 200fach durchgeführt.<br />

3.3.2 Raster-Elektronenmikroskopie und Röntgenmikroanalyse<br />

3.3.2.1 Raster-Elektronenmikroskop und energiedispersive Röntgenmikroanalyse<br />

Im Rasterelektronenmikroskop (REM) befindet sich das Untersuchungsobjekt im<br />

Hochvakuum. Ein feingebündelter Primär-Elektronenstrahl (PE) tastet die Oberfläche der<br />

Probe zeilenweise ab. An jedem Auftreffpunkt des Elektronenstrahls werden unterschiedliche<br />

Signale erzeugt (s.u.), von entsprechenden Detektoren erfaßt, elektronisch weiterverarbeitet<br />

und auf dem Monitor zu Abbildungen der Probenoberfläche zusammengesetzt.<br />

Für eine detaillierte Darstellung der physikalischen Grundlagen und der Wechselwirkungen<br />

Elektronenstrahl / Probenmaterie sei auf Reimer und Pfefferkorn (1977), Blaschke (1976),<br />

Blaschke und Heywood (1977) sowie auf Schmidt (1993) verwiesen.<br />

Für das Verständnis und die Interpretation der REM-Abbildungen in der vorliegenden Arbeit<br />

werden im folgenden einige wesentlichen Begriffe näher erläutert:<br />

Die beschleunigten Primärelektronen (PE) dringen einige Mikrometer tief in die Probe ein<br />

und werden sowohl elastisch als auch unelastisch gestreut. Durch die Elektronenstrahl /<br />

Materie - Wechselwirkung werden u.a. folgende Signale bzw. Kontraste erzeugt:<br />

- Sekundärelektronen (SE) ⇒ Topographiekontrast<br />

- Rückstreuelektronen (RE) ⇒ Materialkontrast<br />

- Charakteristische Röntgenstrahlung ⇒ Röntgenmikroanalyse


3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 38<br />

Topographiekontrast (SE-Bild)<br />

Der Topographiekontrast beruht auf der Abhängigkeit der SE-Ausbeute von der Neigung der<br />

abzubildenden Fläche zum einfallenden Elektronenstrahl und eignet sich daher zur<br />

Abbildung von Objektoberflächen. Mit zunehmender Flächenneigung nimmt die SE-Ausbeute<br />

zu, wodurch die Flächen heller dargestellt werden. Diese flächenneigungsabhängige SE-<br />

Emission führt in der sogenannten Sekundärelektronenabbildung zu räumlich<br />

anschaulichen Bildern.<br />

Materialkontrast (RE-Bild)<br />

Optimaler Materialkontrast entsteht bei symmetrischer Rückstreuelektronenabbildung.<br />

Dabei ist die Helligkeit eines Materials proportional der mittleren Ordnungszahl. Diese kann<br />

bei Kenntnis der chemischen Zusammensetzung, z.B. für eine Mineralphase, als Quotient<br />

aus der Summe der Ordnungszahlen der enthaltenen Elemente (entsprechend der<br />

Stöchiometrie) und der Anzahl der Atome abgeschätzt werden:<br />

Mittlere Ordnungszahl = ΣOrdnungszahlen / ΣAtome<br />

Das bedeutet, die Helligkeit einer chemische Verbindung in der Rückstreuabbildung ist um<br />

so größer, je höher ihr Gehalt an schweren Elementen ist.<br />

Röntgenmikroanalyse (EDX)<br />

Man spricht von charakteristischer Röntgenstrahlung eines Elementes, da es sich um<br />

diskrete Energien handelt, die durch Rekombinationsvorgänge nach Ionisation innerer<br />

Elektronenschalen durch den e - -Beschuß des Primärstrahls erzeugt werden.<br />

E = h ⋅ ν E Energie der Röntgenquanten<br />

ν Frequenz der Röntgenstrahlung<br />

h Plancksches Wirkungsquantum<br />

Die Energien sind vom Atomaufbau (Elektronenschalen) vorgegeben, so daß durch Bestimmung<br />

der Energie der Röntgenquanten eine Elementanalyse möglich ist (energiedispersive<br />

Röntgenmikroanalyse, EDX).<br />

Durch Abbremsung der Primärelektronen im Coulombfeld der Kerne verlieren sie Energie<br />

und emittieren die kontinuierliche Röntgen-Bremsstrahlung. Sie verursacht den Untergrund<br />

in den EDX-Spektren.<br />

Im REM können Objekte mit einer förderlichen Vergrößerung von 10fach bis 150.000fach<br />

abgebildet werden. Der wesentliche Vorteil der rasterelektronenmikroskopischen Oberflächenabbildung<br />

gegenüber dem Lichtmikroskop liegt neben der höheren Auflösung in der<br />

etwa hundertfachen Schärfentiefe.<br />

Die REM-Untersuchungen wurden an einem Feldemissions-Rasterelektronenmikroskop<br />

HITACHI S 4004 durchgeführt. Das Gerät war mit einem SE-, einem RE- und einem EDX-<br />

Detektor (EDAX 9900) ausgerüstet.


3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 39<br />

3.3.2.2 Kryo-Einrichtung<br />

Das verwendete Kryo-System BALZERS SCU 020 ist eine Zusatzeinrichtung, die ans Feldemissions-Rasterelektronenmikroskop<br />

HITACHI S 4004 angeflanscht werden kann.<br />

Die Kryo-Einrichtung besitzt zwei getrennte Kühlkammern. In einer Präparationskammer, die<br />

durch ein Schiebeventil vom Vakuum des REM getrennt ist, befinden sich der Kühltisch I und<br />

die Beschichtungseinrichtung. Zusätzlich wurde in diese Kammer ein speziell konstruiertes<br />

Werkzeug zur Erzeugung frischer Bruchflächen integriert. Kühltisch II befindet sich anstelle<br />

des nicht kühlbaren Standardprobentisches in der Probenkammer des REM.<br />

Mit Hilfe einer Transfereinrichtung wird das Präparat unter Hochvakuumbedingungen und<br />

gleichen Tischtemperaturen von der Präparationskammer in die Probenkammer überführt.<br />

Um zu vermeiden, daß Wasser aus der Probe sublimiert, mußte während der Präparation<br />

(einschließlich leitfähiger Beschichtung) und bei der REM-Untersuchung eine Temperatur<br />

zwischen –130 und - 150°C eingehalten werden.<br />

Reichte die geringe Leitfähigkeit der Probenoberflächen für eine Untersuchung aus, wurde<br />

auf eine zusätzliche Beschichtung verzichtet. Anderenfalls wurde mittels Kathodenzerstäubung<br />

eine Pt-Schicht aufgebracht.<br />

3.3.3 Artefakte und deren Vermeidung<br />

Aufgrund des Anspruches, Mikrostrukturen in ihrem unveränderten Zustand abzubilden, sind<br />

für die mikroskopische Analytik bereits geringe, makroskopisch nicht sichtbare Veränderungen<br />

des Probenmaterials sehr störend. Das kann zu falschen Rückschlüssen und<br />

Fehlinterpretationen führen (Juling et al. 1994).<br />

In der folgenden Aufzählung wird auf Fehlerquellen bzw. Artefakte hingewiesen, die bei den<br />

durchgeführten mikroskopischen Untersuchungen erkannt wurden und in der Bewertung<br />

entsprechend Berücksichtigung fanden. Gleichzeitig werden Möglichkeiten ihrer Vermeidung<br />

aufgezeigt.<br />

Lichtmikroskopie:<br />

• In einigen Fällen waren die Poren und Hohlräume nach der Kunstharztränkung nur in<br />

einer schmalen Außenzone der Probe mit Harz getränkt. Für eine optimale Dünnschliffpolitur<br />

mußte von der Sägefläche nachgetränkt werden. Das erschwerte die Unterscheidung<br />

von kapillar zugänglichem Porenraum gegenüber nicht permeablen, erst durch<br />

das Anschneiden (Sägen) geöffneten Wegsamkeiten.<br />

Empfehlung: Die Tränkung der Probenstücke in der Vorbereitung der Dünnschliffpräparation<br />

muß unter ausreichend hohem Vakuum (etwa 1x10 -4 mbar) und<br />

mit einem sehr niedrigviskosen Harz erfolgen. Eingefärbtes Harz erleichtert<br />

das Erkennen einer ungenügenden Tränkung. Es ist vorteilhaft, die<br />

Präparation selbst durchzuführen.<br />

• Die Verwendung Pb-haltiger Platten als Unterlage bei der Dünnschliffpolitur führte unvermeidlich<br />

zu Pb-Rückständen in den Feinststrukturen der polierten Fläche. Diese<br />

Ablagerungen traten bei REM-Untersuchungen an Dünnschliffen, die in der RE-Abbildung<br />

(Materialkontrast) durchgeführt wurden, aufgrund ihrer hohen Ordnungszahl (ZPb=82) als<br />

helle, störende Punkte in Erscheinung.<br />

Empfehlung: Zur Anfertigung ungedeckter, polierter Dünnschliffe, die auch für REM-<br />

Untersuchungen genutzt werden sollen, sind Pb-haltige Platten als Unterlage<br />

zu vermeiden.


3. Zur Methodik der mikroskopischen Baustoffanalyse 40<br />

Raster-Elektronenmikroskopie:<br />

• Die bekanntlich geringe Langzeitstabilität von Silber-Beschichtungen verkürzte sich<br />

zusätzlich aufgrund ungünstiger chemischer Zusammensetzung bestimmter Proben. Es<br />

bildeten sich Inseln voneinander isolierter Ag-Anreicherungen, die entweder aus Ag-Sulfid<br />

oder aus Ag-Chlorid bestanden. In beiden Fällen war eine erhebliche Verschlechterung<br />

der elektrischen Leitfähigkeit der Schicht die Folge, die zu Aufladungen der Proben führte.<br />

Außerdem störten diese Ag-Inseln als „Sternenhimmel“ die RE-Abbildung.<br />

Empfehlung: Es ist ein flexibler Umgang mit den Beschichtungstechniken erforderlich.<br />

Metallschichten aus einer Kathodenzerstäubung, die Vorteile bei der SE-<br />

Abbildung bieten und auch an sehr unebenen Flächen aufladungsfreie<br />

Abbildungen ermöglichen, sind auf manchen Untergründen veränderungsanfällig.<br />

Kohlenstoffbedampfungen sind vorzuziehen.<br />

Metallschichten sollten grundsätzlich nur in Ausnahmefällen, z.B. an hoch<br />

porösen Materialien, zur Anwendung kommen. Pt ist der Vorzug zu geben,<br />

da es nicht zu Veränderungen neigt und aufgrund der günstigen Peaklagen<br />

im Spektrum der S-Nachweis mittels EDX nicht behindert wird.<br />

Kryo-Methoden:<br />

• Beim Transfer der Probe vom Transportbehälter in die Kryo-Einrichtung des REM hat der<br />

kurzzeitige Kontakt der sehr kalten Probe mit der Luft zu Reifbildung an den zu untersuchenden<br />

Probenflächen geführt.<br />

Empfehlung: Durch eine orientierende Untersuchung der unbedampften Probe können<br />

die Reifkristalle aufgrund ihrer charakteristischen Morphologie erkannt und<br />

durch kurzzeitige Erhöhung der Tischtemperatur von der Probe unter<br />

„REM-Kontrolle“ entfernt werden, so daß sich Veränderungen an den<br />

interessierenden Probenbestandteilen weitgehend vermeiden lassen.<br />

Anschließend kann, soweit erforderlich, eine leitfähige Beschichtung aufgebracht<br />

werden.<br />

• Für die Kryo-REM-Untersuchungen wurde anfänglich Pt als leitfähige Beschichtung der<br />

Proben gewählt. Das hatte den Nachteil, daß die Abbildung morphologischer<br />

Veränderungen, die durch gezielte Sublimation von Wasser (Porenfeuchtigkeit oder<br />

Bestandteil von Salzlösungen) erzeugt wurden, durch die Relikte der Pt-Hüllen gestört<br />

war. Außerdem war der Nachweis von Nitrat mittels EDX durch die Absorption von<br />

Stickstoff in der Pt-Besputterung praktisch nicht möglich.<br />

Empfehlung: Diese Nachteile können durch eine C-Bedampfung vermieden werden.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 41<br />

4 UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />

4.1 Bauterrakotten im Fassadenbereich des Schweriner Schlosses, des<br />

Holstentores in Lübeck und der Johanniskirche in Tartu<br />

4.1.1 Thematische Schwerpunkte der durchgeführten mikroskopischen<br />

Untersuchungen<br />

Der Übersicht in Tabelle 8 ist zu entnehmen, welche Themenschwerpunkte an den Terrakotten<br />

des jeweiligen Objektes untersucht wurden. Außerdem wird auf die Gliederungspunkte<br />

verwiesen, in denen die mikroskopischen Untersuchungen detailliert beschrieben und diskutiert<br />

werden.<br />

Die makroskopischen und mikroskopischen Schäden an den Terrakotten der einzelnen<br />

Bauwerke werden bezüglich der Ursachen miteinander verglichen und zusammenfassend<br />

bewertet. Im Gliederungspunkt 4.1.8 wird ein Modell zum Schadensprozeß an Bauterrakotten<br />

im Fassadenbereich in Gegenwart schwer löslicher Salze abgeleitet.<br />

Die Möglichkeiten der mikroskopischen Analytik zur Bewertung einzelner Konservierungsschritte<br />

werden am Beispiel der Terrakotten des Schweriner Schlosses dargestellt (Gliederungspunkt<br />

4.1.9).<br />

Tabelle 8: Übersicht über die Themenschwerpunkte der mikroskopischen Untersuchungen an<br />

den Einzelobjekten und die zugehörigen Gliederungspunkte<br />

Themenschwerpunkte der<br />

mikroskopischen<br />

Untersuchungen<br />

Scherbeneigene Ursachen der<br />

Oberflächenfarbigkeit von Terrakotten<br />

Farbfassungsrelikte an<br />

Terrakottaoberflächen<br />

Oberflächenveränderungen<br />

(Auflagerungen und Krusten)<br />

Gefügeveränderungen und<br />

mikroskopische Schadensprofile<br />

Schadensprozeß an Bauterrakotten<br />

im Fassadenbereich in<br />

Gegenwart schwer löslicher Salze<br />

Mikroskopische Bewertung von<br />

Probekonservierungen an<br />

Testflächen<br />

Schweriner<br />

Schloß<br />

Holstentor<br />

Lübeck<br />

Johanniskirche<br />

Tartu<br />

x 4.1.3<br />

x 4.1.4<br />

x 4.1.5<br />

x 4.1.6<br />

x x 4.1.7<br />

x x x 4.1.8<br />

x 4.1.9<br />

Gliederungspunkt<br />

Die Darstellung der Ergebnisse und deren Diskussion ist in den jeweiligen Gliederungspunkten<br />

folgendermaßen strukturiert:<br />

- Mikroskopische Beschreibung<br />

- Abbildungen<br />

- Interpretation und Bewertung


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 42<br />

4.1.2 Definition der verwendeten Begriffe<br />

Zur Kennzeichnung der Schäden an den Terrakotten werden Begriffe verwendet, die sich am<br />

Klassifikationsschema von Rademacher und Seebach (1998) orientieren. Die dort vorgenommene<br />

Unterteilung der Verwitterungsformen wurde für die Schadbildkartierung von<br />

Ziegelmauerwerk erstellt, kann aber grundsätzlich auch auf Terrakotten übertragen werden. Die<br />

folgende Aufzählung umfaßt die Begriffe, die für die Beschreibung der im Rahmen der<br />

vorliegenden Arbeit untersuchten Terrakotten benötigt werden.<br />

Absanden: Ablösen kleiner, kompakter Ziegelpartikel vom Untergrund. Die Oberfläche<br />

ist mürbe, beim Darüberstreichen können die gelockerten Partikel<br />

abgerieben werden.<br />

Abschuppen: Ablösen dünner, flächiger Partikel in Form von Ziegelschuppen. Auch<br />

hier ist die Oberfläche mürbe und die Partikel lösen sich beim Darüberstreichen<br />

ab.<br />

Dünne Schalen: Ablösen größerer, flächiger Partikel mit einer Dicke von < 1mm bis<br />

mehrere Millimeter. Form und Flächengröße der Schalen können sehr<br />

stark variieren.<br />

Übergangsformen: - Absanden bis Abschuppen<br />

- Abschuppen bis Dünne Schalen<br />

Salzausblühungen: Lockere Aggregate kristalliner Salze auf der Ziegeloberfläche<br />

Für die Beschreibung der Oberflächenveränderungen wird auf die Definitionen von Zehnder<br />

(1982) zurückgegriffen:<br />

Auflagerung: Anlagerung einer dünnen, meist dunkel gefärbten Schicht auf der<br />

Oberfläche. Die Zusammensetzung unterscheidet sich von der des<br />

Gesteins. Es sind keine Salze enthalten.<br />

Kruste: Anlagerung einer kompakten Schicht auf der Oberfläche. Die Zusammensetzung<br />

unterscheidet sich von der des Gesteins. Hierbei handelt es<br />

sich meist um Gipskrusten, die durch eingelagerte Staubpartikel oftmals<br />

dunkel gefärbt sind.<br />

4.1.3 Scherbeneigene Ursachen der Oberflächenfarbigkeiten der Terrakotten des<br />

Holstentores in Lübeck<br />

Das farbige Erscheinungsbild von Terrakotten an Bauwerken ist häufig uneinheitlich. An der<br />

Fassade des Holstentores in Lübeck ist zu erkennen, daß benachbarte Platten desselben<br />

keramischen Materials sowohl rötliche als auch gelbliche Oberflächen aufweisen können.<br />

Aufgrund von Schädigungen durch Rückwitterung ist feststellbar, daß die Farben des keramischen<br />

Scherbens häufig von denen der Oberflächen abweichen (Abb. 12 und 18).<br />

Diese Beobachtungen führten seitens der Denkmalpflege zur Frage nach den Ursachen. Es ist<br />

von kunsthistorischem und materialkundlichem Interesse, ob engobierte Terrakotten verwendet<br />

wurden, nachträgliche Oberflächenbehandlungen erfolgten (z.B. Anstriche) oder andere<br />

Vorgänge zu diesen Farbunterschieden geführt haben.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 43<br />

An zwei Beispielen von Terrakotten des Holstentores Lübeck werden scherbeneigene Faktoren<br />

als Ursachen unterschiedlicher Oberflächenfarbigkeiten vorgestellt:<br />

4.1.3.1 Rote Oberfläche über ockerfarbenem Scherben<br />

An den betreffenden Platten zeigt die Terrakottaoberfläche eine rötliche Färbung, während der<br />

Scherben eine Ockerfärbung aufweist. Durch den Verlust dünner Schalen oder stärkere<br />

Rückwitterungen wird dieser Unterschied zwischen Oberflächenfarbigkeit und Scherbenfarbe<br />

an den betroffenen Terrakotten sichtbar (Abb. 12).<br />

Durch dunkle Auflagerungen und schwarze Krusten ist die ehemalige Farbigkeit der Original-<br />

Oberfläche stellenweise überdeckt.<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Die Dünnschliffuntersuchungen am Querschnitt haben gezeigt, daß die Rotfärbung durch eine<br />

schmale, rötliche Zone hervorgerufen wird (Breite ca. 50 µm), die sich unmittelbar unter der<br />

Oberfläche befindet (Abb. 13). Es sind keine Schichtgrenzen nachweisbar, so daß es sich um<br />

einen „Farbhorizont“ innerhalb des keramischen Scherbens handelt und nicht um eine farbgebende<br />

Beschichtung.<br />

Durch die Verwendung eines ungedeckten Dünnschliffes war es möglich, eine im Polarisationsmikroskop<br />

ausgewählte Stelle (Abb. 14) direkt im REM zu untersuchen (Abb. 15). Im<br />

Materialkontrast der Rückstreuelektronenabbildung ist der im PolMi rötliche Horizont als heller<br />

Streifen zu erkennen (Abb. 15 und 16).<br />

Eine vergleichende EDX-Analyse dieser stärker rückstreuenden Bereiche mit der angrenzenden<br />

Terrakottamatrix zeigt, daß in den hellen Bereichen höhere Eisen- und Kaliumgehalte sowie<br />

geringere Ca-Gehalte vorliegen (Abb. 17).<br />

Holstentor Lübeck<br />

Rote Terrakottaoberfläche<br />

über ockerfarbenem<br />

Scherben<br />

Abb. 12:<br />

In ungeschädigten<br />

Oberflächenpartien ist<br />

eine rote Färbung der<br />

Terrakotta zu erkennen<br />

(rechter Pfeil).<br />

Demgegenüber weist<br />

der keramische Scherben<br />

eine Ockerfärbung<br />

auf. Der linke Pfeil (mit<br />

Beschriftung) kennzeichnet<br />

die Probenentnahmestelle.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 44<br />

Holstentor Lübeck<br />

Rote Terrakottaoberfläche<br />

über ockerfarbenem<br />

Scherben<br />

Abb. 13:<br />

Die rote Färbung der<br />

Oberfläche in Abb. 12<br />

wird durch ein schmales,<br />

rötliches Band<br />

(Pfeil) hervorgerufen.<br />

Links davon, d.h. auf<br />

der Terrakottaoberfläche,<br />

befindet sich<br />

eine Gipskruste.<br />

[PolMi-Aufn., + Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]<br />

Abb. 14:<br />

Stufe mit teilweise<br />

erhaltener, rötlicher<br />

Oberfläche.<br />

In der rechten Bildhälfte<br />

ist das rötliche Band<br />

noch vorhanden (Pfeil),<br />

links davon durch<br />

Schuppenablösung<br />

entfernt.<br />

[PolMi-Aufn., + Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]<br />

Abb. 15:<br />

Gleiche Probenstelle<br />

wie Abb. 14 im REM.<br />

Das hohe Rückstreuvermögen<br />

in Oberflächennähe<br />

(helles<br />

Band, Pfeil) korreliert<br />

mit dem rötlichen Band<br />

in Abb. 14.<br />

[REM-RE-Abbildung,<br />

polierter Dünnschliff]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 45<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Holstentor Lübeck<br />

Rote Terrakottaoberfläche<br />

über ockerfarbenem<br />

Scherben<br />

Abb. 16:<br />

Detail aus Abb. 15.<br />

Das hohe Rückstreuvermögen<br />

(helle Bereiche)<br />

wird durch den<br />

gegenüber dem Scherben<br />

erhöhten Eisengehalt<br />

hervorgerufen<br />

(vgl. EDX-Analysen in<br />

Abb. 17).<br />

[REM-RE-Abbildung,<br />

polierter Dünnschliff]<br />

Abb. 17:<br />

Durch Vergleich der<br />

EDX-Spektren des<br />

hellen Bereiches in<br />

Abb. 16 (rote Kurve)<br />

und des angrenzenden<br />

keramischen Materials<br />

(blaue Kurve) wird<br />

deutlich, daß der hohe<br />

Materialkontrast (starke<br />

Helligkeit in Abb. 16)<br />

durch erhöhte Fe- und<br />

K-Gehalte verursacht<br />

wird.<br />

[EDX-Spektren]<br />

Auf der untersuchten Terrakotta waren keine Anstrichreste nachweisbar. Auch eine<br />

Engobierung, d.h. das Aufbringen eines dünnen, meist pigmentierten keramischen Überzuges,<br />

kann ausgeschlossen werden.<br />

Durch die Kombination licht- und rasterelektronenmikroskopischer Untersuchungsmethoden<br />

konnte der Nachweis erbracht werden, daß die Farbunterschiede zwischen Terrakottaoberfläche<br />

und keramischem Scherben die Folge von Materialinhomogenitäten sind. In einem<br />

50 µm schmalen, oberflächennahen Horizont liegt ein höherer Eisengehalt und ein geringerer<br />

Ca-Gehalt als in der angrenzenden Terrakotta vor.<br />

Dieses, gegenüber dem Kern lokal veränderte Ca/Fe-Verhältnis, führt im Ergebnis des<br />

Brennprozesses zu einem höheren Hämatitgehalt und damit zu einer oberflächlich stärkeren<br />

Rotfärbung des keramischen Materials.<br />

Auf die Zusammenhänge zwischen Ca-Gehalt, Brenntemperatur, Hämatitbildung und<br />

Scherbenfarbe einer Keramik wird in zahlreichen Arbeiten hingewiesen (Donath 1928, Schrader<br />

1997, Schumann 1997).


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 46<br />

4.1.3.2 Gelbliche Oberfläche über rotockerfarbenem Scherben<br />

Die Skulptur in Abb. 16 weist eine ungleichmäßige Färbung auf. Kopf, Blumenornament und<br />

Schulter fallen durch eine gelbliche Oberfläche auf, während andere Bereiche eine rötliche<br />

Färbung zeigen. Durch die vorhandenen Schäden an der Figur wird gleichzeitig deutlich, daß<br />

der keramische Scherben eine Rotockerfärbung aufweist (Abb. 18).<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Lichtmikroskopisch sind in Oberflächennähe gelbe bis gelb-grünliche, mineralkornarme,<br />

schwindrißreiche Schlieren in der Matrix zu erkennen (Abb. 19).<br />

Im REM konnte durch vergleichende EDX-Analysen dieser Inhomogenitäten mit der angrenzenden<br />

Terrakotta nachgewiesen werden, daß die gelben Zonen gegenüber der<br />

„normalen“, rötlichen Terrakotta deutlich höhere Ca-Gehalte und leicht erhöhte S-Gehalte<br />

aufweisen (Abb. 20).<br />

Aufgrund des geringen Mineralkorngehaltes, der Brennschwindrisse und der EDX-Analyse kann<br />

geschlossen werden, daß es sich um Ca-reiche Tonschlieren handelt. Diese Inhomogenitäten<br />

sind auch im Inneren der Terrakotta stellenweise vorhanden. Sichtbare Auswirkung auf die<br />

Farbe der Keramik haben diese Inhomogenitäten, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, bis an die<br />

Oberfläche reichen (Abb. 19).<br />

Holstentor Lübeck<br />

Gelbliche Terrakottaoberfläche<br />

über rotockerfarbenem<br />

Scherben<br />

Abb. 18:<br />

Kopf, Blumenornament<br />

und Schulter in den<br />

erhaltenen Partien der<br />

Figur zeigen eine auffällig<br />

gelbliche Färbung.<br />

Demgegenüber weisen<br />

andere Bereiche der<br />

Oberfläche und der in<br />

geschädigten Bereichen<br />

sichtbare keramische<br />

Scherben eine Rotockerfärbung<br />

auf.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 47<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Holstentor Lübeck<br />

Gelbliche Terrakottaoberfläche<br />

über rotockerfarbenem<br />

Scherben<br />

Abb. 19:<br />

Gelbliche Schlieren im<br />

keramischen Scherben.<br />

Reichen diese Materialinhomogenitäten<br />

bis<br />

zur Oberfläche (im<br />

linken unteren Teil des<br />

Bildes) zeigt die<br />

Terrakotta an der<br />

Oberfläche eine<br />

gelbliche Färbung.<br />

[PolMi-Aufn., + Pol.,<br />

Bildhöhe 1,3 mm]<br />

Abb. 20:<br />

Die gelben Schlieren<br />

des keramischen<br />

Materials in Abb. 19<br />

weisen hohe Ca- und<br />

S-Gehalte auf (rote<br />

Kurve). Der S und ein<br />

Teil des Ca sind auf<br />

eine Gipsbelastung<br />

zurückzuführen. Die<br />

rotockerfarbenen<br />

Bereiche in Abb. 19<br />

enthalten deutlich<br />

weniger Ca und S<br />

(blaue Kurve).<br />

[EDX-Spektren]<br />

In der Terrakotta sind Ca-reiche Tonschlieren vorhanden. An einigen Stellen der Skulptur<br />

reichen diese Materialinhomogenitäten bis zur Oberfläche. Die betroffenen Partien weisen eine<br />

gelbliche Färbung auf.<br />

Die Zusammenhänge zwischen Ca/Fe-Verhältnis und resultierender Brennfarbe wurden bereits<br />

im Gliederungspunkt 4.1.3.1 für eine rote Oberfläche über ockerfarbenem Scherben aufgezeigt.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 48<br />

Im vorliegenden Beispiel wurde der umgekehrte Fall untersucht: Gelbliche Oberfläche über<br />

rotockerfarbenem Scherben. Der hohe Kalkgehalt der Tonschlieren führt zu einer gelblichen<br />

Brennfarbe gegenüber einer Rotockerfärbung in den Ca-ärmeren Bereichen des Scherbens.<br />

Anstriche oder eine Engobierung als Ursache der Oberflächenfärbung konnten durch die<br />

mikroskopischen Untersuchungen wiederum ausgeschlossen werden.<br />

4.1.4 Farbfassungsrelikte an den Oberflächen der Terrakotten der Johanniskirche in<br />

Tartu<br />

Bei restauratorischen Untersuchungen an den Portalskulpturen des Wimpergs (Abb. 21)<br />

wurden Reste von Malschichten auf den Terrakotten entdeckt, deren ursprüngliche Farbigkeit<br />

durch dunkle Schmutzauflagerungen nicht mehr erkennbar war.<br />

Diese Befunde waren die einzige Möglichkeit, eine ehemalige Farbigkeit nachzuweisen und<br />

daher kunsthistorisch äußerst wertvolle Zeugen der historischen Gestaltung.<br />

Aufgrund der Bedeutung dieser Fassungsreste und der Tatsache, daß sie nur noch in äußerst<br />

spärlichen Relikten vorlagen, standen für die Untersuchungen nur winzige Proben zur<br />

Verfügung. Die wenige mm-großen Splitter wurden mit einem Skalpell von den Oberflächen der<br />

Skulpturen entnommen.<br />

Zielvorgaben der mikroskopischen Untersuchungen waren zunächst:<br />

- Identifizierung als Farbfassung<br />

- Ermittlung des stratigraphischen Aufbaus (Abfolge von Grundierungen und Farbschichten)<br />

- Pigmentbestimmung<br />

4.1.4.1 Gelbockerfassung<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

An der Außenseite der Probe ist eine ocker pigmentierte Schicht nachweisbar (Abb. 22). Die<br />

Pigmente der Farbschicht sind von einer dünnen, verschmutzen Gipsschicht überzogen<br />

(Schichtdicke 0,1 mm). Hieraus ist zunächst ersichtlich, daß es sich tatsächlich um eine<br />

Fassung handelt. Gleichzeitig ist auch die stratigraphische Abfolge erkennbar. Unter der<br />

Farbschicht (3) befinden sich zwei weitere, jedoch nicht pigmentierte Schichten (1 und 2), deren<br />

Schichtdicken jeweils ca. 0,5 mm betragen.<br />

Eine REM-Untersuchung der in Abb. 22 dargestellten Probenstelle (am ungedeckten Dünnschliff)<br />

liefert zusätzliche Informationen (Abb. 23): Die Schichten (1) und (2) unter der<br />

Farbschicht sind unterschiedlich dicht. In der äußeren Schicht (2) ist die Porosität stark<br />

eingeschränkt. Aus EDX-Analysen ist ersichtlich, daß dichte und poröse Bereiche unterschiedliche<br />

Elementzusammensetzungen aufweisen (Abb. 24). In der Schicht 1 und in porösen<br />

Teilbereichen der Schicht 2 sind Ca, Mg und O nachweisbar, während in den dichten Bereichen<br />

der Schicht 2 kein Mg vorhanden ist.<br />

Durch die Kombination von PolMi und REM ist zu erkennen, daß die Pigmente in einer<br />

schmalen Oberflächenschicht eingeschlossen sind, die sich von den Grundierungen<br />

unterscheidet. Das EDX-Spektrum der Malschicht zeigt einen komplexen Elementbestand (Abb.<br />

25), der wie folgt differenziert werden kann: Ca und S stammen vom Gips. Fe, Si und Al in den<br />

vorliegenden Peakverhältnissen sind charakteristisch für Ockerpigmente.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 49<br />

3 2 1<br />

Johanniskirche Tartu<br />

Terrakotta-Skulptur vom<br />

Wimperg des Westportals<br />

Abb. 21:<br />

Die Oberfläche der<br />

Skulptur ist insbesondere<br />

in Vertiefungen (Gewandfalten<br />

etc.) durch StaubundSchmutzablagerungen<br />

sowie durch Gipskrusten<br />

geschwärzt.<br />

Restauratorische Befunduntersuchungen<br />

lieferten<br />

Hinweise auf Farbfassungsreste<br />

an der Terrakottaoberfläche.<br />

Johanniskirche Tartu<br />

Gelbockerfassung auf<br />

Terrakotta-Skulptur<br />

Abb. 22:<br />

Fassungsrest im PolMi<br />

(Oberfläche links im Bild).<br />

Auf zwei Grundierungsschichten<br />

(1 und 2) ist<br />

eine schmale, ockerpigmentierte<br />

Farbschicht (3)<br />

zu erkennen, die ihrerseits<br />

von einer dünnen Gipsschicht<br />

überdeckt ist<br />

(Pfeile).<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 50<br />

3 2 1<br />

Johanniskirche Tartu<br />

Gelbockerfassung auf<br />

Terrakotta-Skulptur<br />

Abb. 23:<br />

Gleiche Probenstelle wie<br />

Abb. 22 im REM.<br />

Schicht 1 der Grundierung<br />

ist porös, die Schicht 2<br />

durch Rekristallisationen<br />

von Calcit verdichtet.<br />

Das helle Band am linken<br />

Bildrand (3) ist die oberflächliche<br />

Gipsschicht, in<br />

der die Pigmente eingeschlossen<br />

sind.<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

mikrorauhen Dünnschliff]<br />

Abb.24:<br />

EDX-Spektrum der<br />

Grundierungsschicht 1<br />

bzw. poröser Teilbereiche<br />

der Grundierungsschicht 2<br />

in Abb. 23).<br />

Aufgrund der Elementzusammensetzung<br />

(Ca und<br />

Mg) kann die Grundierung<br />

als Kreidegrund identifiziert<br />

werden. Im Bindemittel<br />

sind Mg-Anteile<br />

enthalten.<br />

[EDX-Spektrum]<br />

Abb. 25:<br />

EDX-Spektrum des hellen<br />

Bandes (Schicht 3) am<br />

linken Rand von Abb. 23.<br />

Ca und S identifizieren<br />

den Gips. Fe, Si und Al<br />

stammen vom Pigment<br />

(Ocker).<br />

[EDX-Spektrum]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 51<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Die historische Farbfassung der Terrakotta war nur noch als Relikt erhalten und durch dunkle<br />

Staub- und Schmutzschichten sowie Gipskrusten verdeckt.<br />

Erst lichtmikroskopische Untersuchungen der winzigen, meist schwarzen Splitter ermöglichten<br />

durch den Nachweis pigmentierter Schichten eine Identifizierung als Farbfassung. Gleichzeitig<br />

konnte die Schichtenfolge (Stratigraphie) ermittelt werden.<br />

Die Probe wurde als ungedeckter Dünnschliff präpariert, so daß sie nach der Betrachtung im<br />

Polarisationsmikroskop auch im REM untersucht werden konnte. Erst durch diese Kombination<br />

war es möglich, die Probe umfassend zu charakterisieren. Durch EDX-Analysen wurde<br />

festgestellt, daß im Bindemittel der Grundierung Mg-Anteile enthalten sind, wobei nicht unterschieden<br />

werden kann, ob Dolomit oder Mg-reicher Calcit als Ausgangsmaterial verwendet<br />

wurde.<br />

In den Grundierungen konnten lokale Verdichtungen nachgewiesen werden, die auf Lösungs-,<br />

Transport- und Fällungsprozesse calcitischer Bindemittelbestandteile schließen lassen.<br />

Auch die Bedeutung der gipsreichen Schicht an der Oberfläche des Fassungsrestes erschloß<br />

sich erst durch die mikroskopischen Untersuchungen. Die Pigmente sind zum heutigen Zeitpunkt<br />

vollständig in einer schmalen, dunklen Gipsschicht eingeschlossen. Diese Vergipsung ist<br />

durch Umwandlung carbonatischer Bestandteile der Farbschicht entstanden. Eine Entfernung<br />

dieser vermeintlichen "Gipskruste" durch eine Oberflächenreinigung hätte den vollständigen<br />

Verlust der Fassungsreste und damit der historischen Informationen zur Folge.<br />

Damit konnte mikroskopisch nachgewiesen werden, daß in Gegenwart einer Farbfassung oder<br />

einer Tünche die Verwitterungsprozesse aus der Terrakotta in diese Anstrichschichten verlagert<br />

werden. Das bedeutet, daß sie nicht nur der Gestaltung dienten, sondern zusätzlich eine<br />

Schutzfunktion für das keramische Material erfüllt haben.<br />

4.1.4.2 Rotfassung<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

In der lichtmikroskopischen Darstellung (Abb. 26) ist zu erkennen, daß unmittelbar an der<br />

Außenseite eine etwa 200 µm dicke, rot pigmentierte Schicht (2) vorhanden ist, die stellenweise<br />

von einer dünnen, hellen Schicht (3) überdeckt wird.<br />

Unter der Farbschicht ist eine nicht pigmentierte Schicht (1) vorhanden, die im Lichtmikroskop<br />

nur ungenügend charakterisiert werden kann.<br />

Bei der Untersuchung des ungedeckten Schliffes im REM (Abb. 27) stellt sich heraus, daß sich<br />

unterhalb der Farbschicht (2) eine inhomogene Kalkschicht befindet (1). Es handelt sich sehr<br />

wahrscheinlich um eine Grundierung. Teilbereiche zeigen Verdichtungen, denen im Ergebnis<br />

der EDX-Analysen unterschiedliche, stets sekundäre Ursachen zuzuordnen sind. Sie sind<br />

entweder die Folge von Umkristallisation des carbonatischen Bindemittels (Lösung und Fällung)<br />

oder durch lokale Vergipsung entstanden (Abb. 28).<br />

Auch die pigmentierte Schicht an der Probenoberfläche weist Merkmale auf, die auf sekundäre<br />

Veränderungen schließen lassen. Im Materialkontrast der Rückstreuabbildung sind die<br />

Pigmentkörner als helle Punkte in einer dichten Schicht lokalisierbar (Abb. 29). Aus dem<br />

Materialkontrast und dem hohen Fe-Gehalt im Elementspektrum der EDX-Analyse (Abb. 30)<br />

kann auf Eisenoxidrot oder Roten Ocker als Pigment geschlossen werden. Gleichzeitig wird<br />

ersichtlich, daß die Pigmente in einer schmalen Gipsschicht eingeschlossen sind.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 52<br />

3<br />

2<br />

1<br />

2<br />

1<br />

Johanniskirche Tartu<br />

Rotfassung auf<br />

Terrakotta-Skulptur<br />

Abb. 26:<br />

Fassungsrest im PolMi.<br />

Über der Grundierung<br />

(1) ist eine schmale,<br />

rotpigmentierte Schicht<br />

(2) zu erkennen, die<br />

ihrerseits von einer<br />

dünnen Gipsschicht<br />

überdeckt wird (3 und<br />

Pfeilmarkierung).<br />

[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />

Bildbreite 0,7 mm]<br />

Abb. 27:<br />

Fassungsrest im REM.<br />

Vergipste Farbschicht<br />

(2, zwischen den Pfeilen)<br />

auf Grundierung<br />

(1). Der helle, etwa 200<br />

µm breite oberflächenparallele<br />

Streifen und<br />

die dichten Bereiche in<br />

der Grundierung sind<br />

Kalk- oder Gipsnester<br />

infolge Umkristallisation<br />

bzw. Gipsbildung<br />

(Rahmen s. Abb. 28).<br />

[REM-RE-Aufn. am mikrorauhen<br />

Dünnschliff]<br />

Abb. 28:<br />

Detail (Rahmen) aus<br />

der unteren, rechten<br />

Ecke in Abb. 27.<br />

Die hellen, dichten<br />

Calcitsäume in der<br />

Kontaktzone zum<br />

Quarzkorn sind durch<br />

Umkristallisation<br />

entstanden.<br />

[REM-RE-Aufn. am mikrorauhen<br />

Dünnschliff]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 53<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Johanniskirche Tartu<br />

Rotfassung auf<br />

Terrakotta-Skulptur<br />

Abb. 29:<br />

Detail aus Abb. 27.<br />

In der oberflächennah<br />

gebildeten Gipsschicht<br />

sind die Pigmentkörner<br />

(helle Punkte) eingeschlossen.<br />

[REM-RE-Aufn. am mikrorauhen<br />

Dünnschliff]<br />

Abb. 30:<br />

EDX-Spektrum der hellen<br />

Körner in Abb. 29.<br />

Ca und S identifizieren<br />

den Gips. Fe stammt<br />

vom Pigment (Eisenoxidrot<br />

oder Roter<br />

Ocker).<br />

[EDX-Spektrum]<br />

Die Probe wurde als ungedeckter Dünnschliff zunächst im Polarisationsmikroskop und<br />

anschließend im REM untersucht. Erst durch diese Kombination war es möglich, die<br />

Farbfassung umfassend mikroskopisch zu charakterisieren. Die Umwandlungs- und<br />

Umkristallisationsprozesse in den Grundierungen und der Farbschicht waren nur im REM<br />

erkennbar. Durch sie konnte nachgewiesen werden, daß in Gegenwart einer Farbfassung oder<br />

einer Tünche die Verwitterungsprozesse aus der Terrakotta in die Anstrichschichten verlagert<br />

werden. Das bedeutet, daß sie nicht nur der Gestaltung dienten, sondern gleichzeitig eine<br />

Schutzfunktion für das keramische Material erfüllt haben.<br />

Die Pigmente sind zum heutigen Zeitpunkt vollständig in Gipsschichten eingeschlossen, die<br />

durch Schmutzpartikel dunkel gefärbt sind. Eine Entfernung dieser vermeintlichen "Gipskruste"<br />

durch eine Oberflächenreinigung hätte den vollständigen Verlust der Fassungsreste und damit<br />

der historischen Informationen zur Folge.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 54<br />

4.1.5 Veränderungen der Oberflächen an den Terrakotten des Schweriner<br />

Schlosses - Auflagerungen und Krusten<br />

Fast alle Terrakotta-Medaillonplatten und die Platteneinfassungen (Formsteine) im Fassadenbereich<br />

des Schweriner Schlosses zeigen Schwärzungen der Oberflächen, die an den<br />

gewölbten, vorstehenden Bereichen der Porträts und Blattkränze besonders stark ausgeprägt<br />

sind (Abb. 31).<br />

An den ebenen Oberflächen des Plattenfonds treten zusätzlich gelb-schwarze, beige bzw.<br />

rötlich-beige Färbungen auf. Diese Oberflächenveränderungen gehen häufig mit der Ablösung<br />

etwa 1 mm dünner Schalen einher.<br />

Ziel der mikroskopischen Untersuchungen war es, die Entstehungsursachen der oberflächlichen<br />

Veränderungen der Terrakotten zu ermitteln und mögliche Zusammenhänge mit den<br />

vorliegenden Schäden nachzuweisen.<br />

4.1.5.1 Schwarze und graue Oberflächen<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Schweriner Schloß<br />

Schwarze Oberflächen<br />

und Schalenbildung an<br />

Terrakotten<br />

Abb. 31:<br />

Auffallend am Schadensbild<br />

ist, daß an<br />

gewölbten, vorstehenden<br />

Ornamenten der<br />

Terrakotta-Medaillonplatten<br />

häufig Schwärzungen<br />

auftreten.<br />

In diesen dunklen Bereichen<br />

ist die Brennhaut<br />

noch erhalten,<br />

während sie an den<br />

hellen Stellen durch<br />

Schalenablösung bereits<br />

verlorengegangen<br />

ist.<br />

Die Schwärzungen der Oberflächen der Terrakotten bzw. der umgebenden Formsteine werden<br />

durch Auflagerungen verursacht, die unterschiedliche Morphologien und Elementzusammensetzungen<br />

aufweisen:


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 55<br />

I. Mikrokristalline Auflagerungen mit organischen Bestandteilen (Abb. 32):<br />

Am Querschnitt ist im Polarisationsmikroskop die Spur einer dünnen, die Oberflächentopographie<br />

nachzeichnenden Schicht zu erkennen, die eine Dicke von 2-5 µm aufweist<br />

(Abb. 33). Die Oberfläche stellt sich im REM als eine geschlossene, mikrokristalline Schicht<br />

dar (Abb. 34). Bei höherer Vergrößerung sind stellenweise Mikroorganismen<br />

(Stabbakterienkolonien) nachweisbar (Abb. 35). Schwermetallpartikel (Pb und Fe) sind in<br />

diesen Auflagerungen nur in sehr geringem Umfang vorhanden.<br />

II. Gipskrusten (Abb. 36):<br />

Vereinzelt sind in dunkelgrau bis schwarz verfärbten Bereichen Gipsschichten auf der<br />

Terrakottaoberfläche vorhanden. Die Gipskristalle sind miteinander zu einer dichten Schicht<br />

verwachsen und weisen starke Anlösungen auf (Abb. 37 und 38). Die Schwärzung der<br />

Gipsschichten wird durch eingelagerte Staubpartikel hervorgerufen.<br />

III. Auflagerungen aus Eisenverbindungen (Abb. 39 und 42):<br />

Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden:<br />

a) An der Oberfläche der Terrakotta ist eine etwa 10 µm dicke, amorphe und homogene<br />

Schicht vorhanden (Abb. 40). Durch die Morphologie und ihre Helligkeit im Materialkontrast<br />

der RE-Abbildung kann die Auflagerung gut von der Terrakotta unterschieden<br />

werden. Der Elementbestand ist grundlegend verschieden von dem der Terrakotta. Im<br />

EDX-Spektrum der auflagernden Schicht dominieren Eisen und Schwefel (Abb. 41).<br />

b) Die Auflagerungen, die an anderen Stellen zu makroskopisch ähnlichen Schwärzungen<br />

der Terrakotten und Formsteine geführt haben, unterscheiden sich mikroskopisch<br />

grundlegend von den unter a) charakterisierten amorphen Schichten.<br />

Es handelt sich um mikrokristalline Schichten (Abb. 43), in denen zahlreiche, in der RE-<br />

Abbildung hell erscheinende Partikel eingeschlossen sind. Mittels EDX-Analysen ist ein<br />

hoher Eisengehalt nachweisbar (Abb. 44).<br />

Schweriner Schloß<br />

Schwarze Oberfläche<br />

an Terrakotten<br />

Abb. 32:<br />

Terrakotta mit schwarzer<br />

Oberfläche und<br />

Schalenbildung. Die<br />

Gipsausblühungen<br />

(weiße Bereiche) treten<br />

an den Öffnungen von<br />

Rissen auf, die senkrecht<br />

zur Oberfläche<br />

verlaufen.<br />

[Stemi-Aufnahme,<br />

Probenlänge ca. 8 mm]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 56<br />

Schweriner Schloß<br />

Schwarze Oberfläche an<br />

Terrakotten<br />

Abb. 33:<br />

Probe aus Abb. 32 im<br />

PolMi (Querschnitt senkrecht<br />

zur Oberfläche).<br />

An der Oberfläche (im Bild<br />

oben) ist die Spur der<br />

dünnen schwarzen<br />

Auflagerung zu erkennen.<br />

[PolMi-Aufn., + Pol.,<br />

Bildbreite ca. 0,7 mm]<br />

Abb. 34:<br />

Schwarze Oberfläche aus<br />

Abb. 32 im REM.<br />

Es liegt eine geschlossene,<br />

mikrokristalline<br />

Schicht auf der<br />

Terrakotta. Die<br />

Auflagerungen überdecken<br />

die Brennhaut der<br />

Keramik.<br />

[REM-SE-Aufnahme<br />

an der Oberfläche]<br />

Abb. 35:<br />

Detail der Oberfläche aus<br />

Abb. 34.<br />

Neben anorganischen<br />

Bestandteilen sind auch<br />

Mikroorganismen (Stabbakterien)<br />

Bestandteil der<br />

Auflagerungen.<br />

[REM-SE-Aufnahme<br />

an der Oberfläche]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 57<br />

Schweriner Schloß<br />

Grauschwarze Oberfläche<br />

an Terrakotten<br />

Abb. 36:<br />

Formstein aus der Umrahmung<br />

der Porträtmedaillons.<br />

In den grauschwarzen<br />

Bereichen ist die Originaloberfläche<br />

noch erhalten.<br />

Der Pfeil kennzeichnet die<br />

Probenentnahmestelle<br />

(oberhalb der gelben<br />

Markierung).<br />

Abb. 37:<br />

Grauschwarze Oberfläche<br />

aus Abb. 36 im REM.<br />

Es handelt sich um eine<br />

Gipsschicht aus eng<br />

verwachsenen, stark<br />

angelösten Kristallen.<br />

[REM-SE-Aufnahme<br />

an der Oberfläche]<br />

Abb. 38:<br />

EDX-Spektrum der<br />

Kristalle in Abb. 37.<br />

Der Elementbestand<br />

(Ca und S) und die<br />

Morphologie sind<br />

charakteristisch für Gips.<br />

[EDX-Spektrum]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 58<br />

Schweriner Schloß<br />

Schwarze Oberfläche an<br />

Terrakotten<br />

Abb. 39:<br />

Formstein aus der Umrahmung<br />

der Porträt-<br />

Terrakotten mit typischen<br />

Schäden (Schwärzung<br />

und Schalenbildung).<br />

Der Pfeil kennzeichnet die<br />

Entnahmestelle eines<br />

Schalenstückes mit<br />

schwarzer Oberfläche.<br />

Abb. 40:<br />

Schwarze Oberfläche der<br />

Schale aus Abb. 39 im<br />

REM (Querbruch).<br />

Es befindet sich eine<br />

homogene, stark<br />

rückstreuende (helle),<br />

amorphe Schicht auf der<br />

Terrakotta-Oberfläche<br />

(Dicke ca. 10µm).<br />

[REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfl.]<br />

Abb. 41:<br />

Die EDX-Analyse zeigt,<br />

daß die Schicht in Abb. 40<br />

fast ausschließlich aus Fe<br />

bzw. Fe-Verbindungen<br />

besteht (Eisenoxide<br />

und/oder Eisensulfide).<br />

[EDX-Spektrum]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 59<br />

Schweriner Schloß<br />

Schwarze Oberfläche an<br />

Terrakotten<br />

Abb. 42:<br />

Schwarze Oberfläche im<br />

Porträtbereich und am<br />

Blattkranz einer Porträt-<br />

Terrakotta.<br />

Der Pfeil kennzeichnet die<br />

Probenentnahmestelle.<br />

Abb. 43:<br />

Schwarze Oberfläche aus<br />

Abb. 42 im REM.<br />

In einer mikrokristallinen<br />

Schicht sind zahlreiche<br />

Fe-haltige Partikel (hell)<br />

eingeschlossen.<br />

[REM-RE-Aufnahme<br />

an der Oberfläche]<br />

Abb. 44:<br />

EDX-Spektrum der Oberfläche<br />

in Abb. 43 (integral<br />

über den gesamten Bildbereich<br />

gemessen).<br />

Auffällig ist der hohe<br />

Eisengehalt. Die große<br />

Helligkeit bestimmter<br />

Teilbereiche oder Partikel<br />

in Abb. 43 wird durch<br />

ihren Eisengehalt hervorgerufen<br />

[EDX-Spektrum]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 60<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Die Schwärzungen der Terrakottaoberflächen an der Fassade des Schweriner Schlosses<br />

werden durch dünne auflagernde Schichten hervorgerufen. Die durchgeführten mikroskopischen<br />

Untersuchungen ermöglichen hinsichtlich Zusammensetzung und Entstehungsursachen<br />

folgende Differenzierung:<br />

I. Ein Teil der Schwärzungen wird durch feinkristalline Auflagerungen hervorgerufen, in<br />

denen hohe Gehalte organischer Bestandteile und teilweise auch Mikroorganismen nachgewiesen<br />

wurden.<br />

Nach Wolf (1992) und Wilimzig et al. (1993) kann die mikrobiologische Besiedlung an<br />

Gesteinsoberflächen zu Verschwärzungen beitragen. Beide Autoren weisen darauf hin, daß<br />

biogene Filme die Eigenschaft haben, Ruß und Staubpartikel aus der Luft aufzunehmen.<br />

Über längere Zeiträume können sie damit zur Entstehung von Auflagerungen beitragen.<br />

Durch IR-Untersuchungen konnten in den schwarzen Schichten aliphatische Kohlenwasserstoffe<br />

nachgewiesen werden (Schunke 1992). Mögliche Quellen hierfür sind Kfz-<br />

Abgase sowie die ehemaligen Kohleheizungen des Schlosses. Mit den Abgasen bzw.<br />

Rauchgasrückständen werden kleinste Schmutzpartikel und Ruß in die organischen Filme<br />

eingelagert und führen zu Schwärzungen der Terrakottaoberflächen.<br />

Ein Nachweis möglicher Trennmittel, mit denen die Formen vor dem Einpressen des Tones<br />

eventuell ausgestrichen wurden (Silikonharze, Wachse, Öle) war weder mikroskopisch<br />

noch durch IR-Untersuchungen möglich.<br />

II. Gipsbildung ist bezüglich der Schwärzung der Terrakotta-Oberflächen von untergeordneter<br />

Bedeutung. Lediglich in einem Fall war eine Gipskruste und darin eingelagerte<br />

Schmutzpartikel die Ursache einer grau-schwarzen Oberfläche.<br />

III. Für bestimmte Expositionen am Bauwerk waren Pb- und Fe-haltige Auflagerungen typisch.<br />

Das betrifft z.B. die Terrakotta-Formsteine der Einrahmungen der Medaillonplattenfelder,<br />

die sich unterhalb von Blechabdeckungen der Giebel befinden.<br />

Im REM wird deutlich, daß die Schwermetallpartikel in den Auflagerungen eingeschlossen<br />

sind, d.h. sie wurden als Fremdpartikel während der Krustengenese eingelagert. Es ist<br />

davon auszugehen, daß sie überwiegend aus den Blechabdeckungen stammen und mit<br />

ablaufendem Wasser an die Terrakottaoberflächen transportiert wurden. Hinzu kommt die<br />

Deposition partikelförmiger Bestandteile der Luftverschmutzung.<br />

Aus den Untersuchungen von Neumann (1994) ist bekannt, daß bestimmte Verbindungen<br />

der Elemente Pb bzw. Fe (z.B. Oxide und/oder Sulfide), die häufig in dünnen Schmutzschichten<br />

oder Krusten an Bauwerksoberflächen auftreten, Schwärzungen verursachen.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 61<br />

4.1.5.2 Gelbschwarze Oberflächen<br />

Abb. 45 zeigt eine geschädigte Terrakottaoberfläche. Neben der Ablösung einer dünnen Schale<br />

fällt die gelb-schwarze Verfärbung der Terrakottaoberfläche auf.<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Im REM ist ersichtlich, daß die gelbschwarzen Oberflächen ebenfalls durch Auflagerungen<br />

hervorgerufen werden (Abb. 46). Sie sind morphologisch als dünne, amorphe, teilweise mikrokristalline<br />

Schichten zu charakterisieren. Es sind Partikel enthalten, die in der Rückstreuelektronenabbildung<br />

als helle Bereiche zu erkennen sind (Abb. 46). EDX-Analysen zeigen, daß<br />

in diesen Partikeln die Elemente Pb, Fe und V angereichert sind (Abb. 47).<br />

In der Sekundärelektronenabbildung wird bei höherer Vergrößerung deutlich, daß der überwiegende<br />

Teil der Partikel in einer kompakten Schicht eingeschlossen ist (Abb. 48).<br />

Schweriner Schloß<br />

Gelbschwarze Oberfläche<br />

an Terrakotten<br />

Abb. 45:<br />

Formstein aus der Umrahmung<br />

der Porträt-<br />

Terrakotten. Ablösung<br />

einer Schale mit gelbschwarzer<br />

Oberfläche.<br />

Der Pfeil kennzeichnet<br />

die Probenentnahmestelle.<br />

Abb. 46:<br />

Gelb-schwarze Oberfläche<br />

aus Abb. 45 im<br />

REM.<br />

In einer amorphen, teilweise<br />

feinkristallinen<br />

Schicht sind Pb-, Feund<br />

V-Verbindungen<br />

enthalten, die im Materialkontrast<br />

aufgrund<br />

ihrer hohen mittleren<br />

Ordnungszahl hell<br />

erscheinen.<br />

Detail s. Abb. 48.<br />

[REM-RE-Aufnahme<br />

an der Oberfläche]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 62<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Schweriner Schloß<br />

Gelbschwarze Oberfläche<br />

an Terrakotten<br />

Abb. 47:<br />

EDX-Spektrum der<br />

stark rückstreuenden<br />

Bereiche in Abb. 46<br />

(Spotmessung).<br />

Die große Helligkeit in<br />

der REM-RE-Abbildung<br />

wird durch den Pb-, Vund<br />

Fe-Gehalt hervorgerufen.<br />

[EDX-Spektrum]<br />

Abb. 48:<br />

Detail (Rahmen) aus<br />

Abb. 46 im SE-Bild.<br />

Die in Abb. 46 stark<br />

rückstreuenden, d.h.<br />

hellen Bereiche, sind<br />

keine auflagernden<br />

Einzelpartikel, sondern<br />

sie sind in der Schicht<br />

eingeschlossen.<br />

[REM-SE-Aufnahme<br />

an der Oberfläche]<br />

Die gelbschwarzen Auflagerungen zeigen bezüglich ihrer Morphologie Ähnlichkeit mit den<br />

amorphen bis mikrokristallinen Schichten der schwarzen Auflagerungen (vgl. Gliederungspunkt<br />

4.1.5.1).<br />

Unterschiede bestehen vor allem hinsichtlich der Elementzusammensetzung. Sowohl in den<br />

schwarzen als auch in den gelbschwarzen Auflagerungen treten Pb- und Fe-Verbindungen auf<br />

(Oxide und/oder Sulfide), die als Ursache der Schwärzungen anzusehen sind.<br />

An den gelb-schwarzen Oberflächen wurde zusätzlich Vanadium nachgewiesen. Es ist davon<br />

auszugehen, daß der gelbliche Farbanteil in den Auflagerungen durch Vanadiumverbindungen<br />

hervorgerufen wird. Die chemischen Zusammenhänge werden bei der Interpretation der<br />

beigefarbenen Krusten detailliert besprochen (s. Gliederungspunkt 4.1.5.3).


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 63<br />

4.1.5.3 Beige Oberflächen<br />

Im Fond der Terrakotta-Medaillonplatten lösen sich über größere Bereiche dünne Schalen vom<br />

Untergrund, deren Oberflächen im vorliegenden Fall eine beige Färbung aufweisen (Abb. 49).<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Im REM sind an den Oberflächen der Schalen dünne, kristalline Krusten nachweisbar. Im<br />

Gegensatz zu den dichten, amorphen bis feinkristallinen Schichten der schwarzen oder gelbschwarzen<br />

Auflagerungen handelt es sich im Fall der beigen Auflagerungen um poröse,<br />

feinkristalline Aggregate (Abb. 50 und 52).<br />

Der Materialkontrast der RE-Abbildung sowie die EDX-Analyse ermöglichen eine Differenzierung<br />

der Bestandteile. In den stark rückstreuenden Bereichen der Auflagerungen (Abb. 50)<br />

sind Pb und V angereichert (Abb. 51).<br />

Vergleicht man die Elementanalysen der gelbschwarzen Oberflächen (Abb. 47) mit denen der<br />

beigen Oberflächen (Abb. 51) wird ersichtlich, daß die beigen Krusten neben etwas höheren<br />

Vanadiumgehalten auch höhere Ca- und S-Gehalte aufweisen, die wahrscheinlich auf feinverteilten<br />

Gips zurückzuführen sind.<br />

Schweriner Schloß<br />

Beige Oberfläche an<br />

Terrakotten<br />

Abb. 49:<br />

Beigefarbene Schale im<br />

Fond einer Terrakotta-<br />

Medaillonplatte.<br />

Der Pfeil kennzeichnet<br />

die Probenentnahmestelle.<br />

Durch die Schalenablösung<br />

ist die Originaloberfläche<br />

bereits fast<br />

vollständig verloren<br />

gegangen.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 64<br />

Schweriner Schloß<br />

Beige Oberfläche an<br />

Terrakotten<br />

Abb. 50:<br />

Beige Oberfläche aus<br />

Abb. 49 im REM (Rahmen<br />

s. Abb. 52).<br />

In einer feinkristallinen<br />

Schicht sind helle Bereiche<br />

vorhanden, die auf<br />

Pb- und V-<br />

Anreicherungen<br />

zurückzuführen sind (EDX<br />

s. Abb. 51).<br />

[REM-RE-Aufnahme<br />

an der Oberfläche]<br />

Abb. 51:<br />

EDX-Spektrum der stark<br />

rückstreuenden Bereiche<br />

in Abb. 50.<br />

In den analysierten, hellen<br />

Strukturen sind Pb und V<br />

gegenüber der Umgebung<br />

angereichert. S und ein<br />

Teil des Ca stammen vom<br />

Gips, der fein verteilt in<br />

der auflagernden Schicht<br />

enthalten ist.<br />

[EDX-Spektrum]<br />

Abb. 52:<br />

Detail (Rahmen) aus Abb.<br />

50 in der SE-Darstellung.<br />

Die in Abb. 50 stark<br />

rückstreuenden, d.h.<br />

hellen Bereiche, bestehen<br />

aus feinkristallinen<br />

Aggregaten.<br />

[REM-SE-Aufnahme<br />

an der Oberfläche]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 65<br />

Interpretation und Bewertung<br />

An den beigefarbenen Oberflächen wurden Krusten nachgewiesen, die aus feinkristallinkörnigen<br />

Strukturen und Aggregaten bestehen, wie sie für Ausblühungen typisch sind.<br />

Aus der kristallinen Morphologie und dem V-Gehalt kann geschlossen werden, daß es sich um<br />

Vanadium-Salze handelt, die wahrscheinlich aus den Terrakotten stammen.<br />

Alviset (1963) beschreibt Vanadiumausblühungen auf Ziegeleierzeugnissen als gelb-grüne bis<br />

braune, fest an den Oberflächen haftende Schichten, die nicht durch Abbürsten entfernt werden<br />

können. Vanadium ist häufig in geringen Mengen in Tonen enthalten und wird beim Brennen in<br />

lösliche Vanadiumsalze überführt, die durch Kapillartransport an die Oberfläche gelangen<br />

können.<br />

Untergeordnet ist in den beigefarbenen Krusten auch feinverteilter Gips enthalten, dessen<br />

möglicher Einfluß auf die Färbung aus früheren Untersuchungen bekannt ist. Feinkristalline,<br />

schmutzarme Gipsschichten an Terrakotta- und Ziegeloberflächen können zu optischen<br />

Aufhellungen der rötlichen Scherbenfarbe führen.<br />

4.1.5.4 Rötlich-beige Oberfläche<br />

Untersucht wurde die rötlich-beige Oberfläche eines Terrakotta-Formsteines (Abb. 53).<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Bei der REM-Untersuchung einer Bruchfläche wird deutlich, daß die Terrakotta von einer<br />

dünnen, die Oberfläche nachzeichnenden Schicht überzogen ist (Abb. 54). Innerhalb dieser<br />

amorphen, filmartigen Kruste sind keine kristallinen Strukturen oder eingeschlossene Partikel zu<br />

erkennen. Die Schichtdicke beträgt 3-5 µm (Abb. 54). Craquelé-Risse innerhalb der Schicht<br />

sind nicht vorhanden.<br />

Der Vergleich der EDX-Analysen zwischen Kruste und darunter befindlicher Terrakotta zeigt,<br />

daß die filmartige Kruste fast nur Silizium enthält (Abb. 55). Das bedeutet, daß es sich um eine<br />

silikatische Auflagerung handelt. Alkalien, die für bestimmte Gläser typisch wären, sind nicht<br />

enthalten.<br />

Schweriner Schloß<br />

Rötlich-beige Oberfläche<br />

an Terrakotten<br />

Abb. 53:<br />

Terrakotta-Formstein<br />

aus der Umrahmung<br />

der Porträtmedaillons.<br />

Der Pfeil kennzeichnet<br />

die Entnahmestelle<br />

einer rötlich-beigen<br />

Oberfläche.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 66<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Schweriner Schloß<br />

Rötlich-beige Oberfläche<br />

an Terrakotten<br />

Abb. 54:<br />

Rötlich-beige Oberfläche<br />

aus Abb. 53 im<br />

REM (Blick schräg auf<br />

die Oberfläche und<br />

einen Teil der Bruchfläche).<br />

Dichte, amorphe<br />

Schicht auf der Terrakotta<br />

(EDX s. Abb. 55).<br />

[REM-SE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfl.]<br />

Abb. 55:<br />

Gegenüberstellung der<br />

EDX-Analysen der<br />

amorphen Schicht und<br />

der darunter befindlichen<br />

Terrakotta (vgl.<br />

Abb. 54).<br />

Die amorphe Schicht<br />

(rote Kurve) enthält fast<br />

ausschließlich Si. Das<br />

deutet auf einen hohen<br />

Glasanteil. Alkalien<br />

oder Ca sind jedoch<br />

nicht nachweisbar.<br />

[EDX-Spektrum]<br />

Die rötlich-beige Auflagerung stellt einen Einzelfall dar. In der EDX-Analyse zeigt diese dichte,<br />

die Terrakottaoberfläche nachzeichnende Schicht nur einen Si-Peak. Wahrscheinlich handelt es<br />

sich um amorphes SiO2. Die rötlich-beige Färbung der Oberfläche ist auf das Durchschimmern<br />

der rötlichen Scherbenfarbe durch die sehr dünne, transparente Kruste zurückzuführen.<br />

Trotz morphologischer und mikroanalytischer Ähnlichkeiten mit Wasserglas ist dieser singuläre<br />

Befund an einem Formstein nicht ausreichend, um auf eine Wasserglasapplikation und damit<br />

auf eine zurückliegende konservatorische Behandlung zu schließen.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 67<br />

4.1.6 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile an den<br />

Terrakotten des Schweriner Schlosses<br />

Die Untersuchungen zu den Schadensursachen an den Terrakotten des Schweriner Schlosses<br />

wurden am NW-Giebel über dem Kirchenchor durchgeführt.<br />

Im Untersuchungsbereich waren an den Terrakotta-Medaillonplatten bereits makroskopisch<br />

(visuell) sehr unterschiedliche Erhaltungszustände erkennbar (Abb. 56). Intakte und verschieden<br />

stark geschädigte Platten befanden sich in unmittelbarer Nachbarschaft. Dadurch war<br />

es auf engstem Raum möglich, intakte sowie unterschiedlich stark geschädigte Terrakotten<br />

vergleichend zu untersuchen.<br />

Schweriner Schloß<br />

Terrakotten am<br />

NW-Giebel<br />

Abb. 56:<br />

Terrakotta-Medaillonplatten<br />

am NW-Giebel<br />

des Schweriner Schlosses.<br />

Die Platten im<br />

linken oberen Teil des<br />

Bildes zeigen die<br />

stärksten Schäden (vgl.<br />

Graphik in Abb. 57).<br />

Aufgrund des unterschiedlichen<br />

Grades<br />

der Schädigung war es<br />

möglich, intakte, mäßig<br />

sowie stark<br />

geschädigte<br />

Terrakotten vergleichend<br />

zu untersuchen.<br />

Abb. 57 zeigt die Gradienten der Schädigung innerhalb des untersuchten Giebelbereiches (vgl.<br />

Abb. 56). In der schematischen Darstellung sind die in den einzelnen Platten quantitativ<br />

ermittelten Feuchtegehalte (Freyburg 1995a) sowie die Tendenzen der Gipsgehalte (Wittenburg<br />

1995) berücksichtigt.<br />

Aus der Graphik ergeben sich erste Anhaltspunkte auf Zusammenhänge zwischen Schadensausmaß,<br />

Gipsbelastung und Feuchtegehalt. Es ist ersichtlich, daß an den Platten mit den<br />

stärksten Schäden (51, 52 und 54) auch die höchsten Gipsgehalte sowie hohe Materialfeuchten<br />

vorliegen.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 68<br />

gering<br />

stark<br />

S<br />

c<br />

h<br />

ä<br />

d<br />

i<br />

g<br />

u<br />

n<br />

g<br />

Schädigung<br />

Platte 51<br />

Feuchte: 12,5 %<br />

Gipsgehalt: +++<br />

Platte 52<br />

Feuchte: n.b.<br />

Gipsgehalt: ++<br />

Platte 53<br />

Feuchte: n.b.<br />

Gipsgehalt: -<br />

Gipsgehalt (0-5 mm Tiefe): +++ sehr hoch<br />

++ hoch<br />

+ gering<br />

- sehr gering<br />

Platte 54<br />

Feuchtegehalte: ermittelt am Bohrkern in 7 cm Tiefe<br />

gering<br />

Feuchte: 17,4 %<br />

Gipsgehalt: +++<br />

Platte 55<br />

Feuchte: n.b.<br />

Gipsgehalt: +<br />

Platte 56<br />

Feuchte: 7,1 %<br />

mikroskopisch<br />

nicht untersucht<br />

Abb. 57: Graphische Darstellung der Schadensverteilung an den Platten in Abb. 56 unter<br />

Berücksichtigung der Gipsbelastung und der Feuchtegehalte.<br />

Zur Differenzierung der Schädigungen des Terrakottamaterials wurde nach visueller Einschätzung<br />

folgende Einteilung vorgenommen:<br />

Stadium Erscheinungsbild am Bauwerk Gliederungspunkt<br />

I Keine Schäden erkennbar (makroskopisch intakt) 4.1.6.1<br />

II Erste sichtbare Schäden (Original-Oberfläche teilweise erhalten) 4.1.6.2<br />

III Starke sichtbare Schäden (vollständiger Verlust der Original-Oberfläche) 4.1.6.3


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 69<br />

Entsprechend dieser Unterscheidung wurden an den Porträt-Terrakotten mit einer Minitrennscheibe<br />

1-2 cm 3 kleine Proben entnommen (vgl. Abb. 9).<br />

Ziel der mikroskopischen Untersuchungen war es, durch Beschreibung der verwitterungsbedingten<br />

Gefügeveränderungen in unterschiedlichen Schädigungsstadien Rückschlüsse auf<br />

die Schadensprozesse zu ziehen. Zur Bewertung wurden folgende Kriterien herangezogen:<br />

- Nachweis von Rissen, Schalen, Lockerungszonen<br />

- Nachweis von Gefügeverdichtungen und Analyse der Ursachen<br />

- Identifikation von Mineralneubildungen (Salze)<br />

- Verteilung der Salze im Gefüge der Terrakotten, Morphologie der Salzkristalle<br />

- Reichweite der Schädigung (Verwitterungstiefe)<br />

4.1.6.1 Stadium I: Keine Schäden erkennbar<br />

An äußerlich intakten Terrakottaplatten treten im Bereich der vorgewölbten Porträts und<br />

Blattkränze die im Gliederungspunkt 4.1.5.1 beschriebenen schwarzen Auflagerungen und<br />

Krusten auf (Abb. 58).<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Mikroskopisch können zwei Zustände unterschieden werden:<br />

Ia Am Querschnitt senkrecht zur Oberfläche sind sowohl im lichtmikroskopischen Bild als<br />

auch im REM keine Gefügeveränderungen erkennbar (Abb. 59 und 60). Die Terrakotta ist<br />

durch eine hohe Porosität gekennzeichnet, wobei die meist länglichen Poren Breiten von<br />

10 µm und Längen bis 100 µm erreichen und eine deutliche oberflächenparallele Textur<br />

aufweisen.<br />

Verwitterungsbedingte Gefügeschäden (Risse, Schalenbildung etc.) liegen nicht vor. Salze<br />

sind ebenfalls nicht vorhanden, d.h. die Wegsamkeiten des oberflächennahen<br />

Porenraumes sind nicht eingeengt oder verstopft.<br />

Ib An anderen, äußerlich ebenfalls intakten Platten (Abb. 61) sind mikroskopisch bereits<br />

Veränderungen der Gefüge nachweisbar. Unmittelbar unter der Brennhaut ist ein<br />

Ausscheidungshorizont feinkristallinen Gipses vorhanden (Abb. 62 bis 65).<br />

Lichtmikroskopisch kann lediglich ein ockerfarbener Horizont erkannt werden (Abb. 62).<br />

Durch die REM-Untersuchung am gleichen Präparat (ungedeckter Dünnschliff) können die<br />

Veränderungen im oberflächennahen Porenraum als Gipsausscheidung identifiziert werden<br />

(Abb. 63). Die gipshaltigen Gefügeabschnitte erscheinen aufgrund der höheren mittleren<br />

Ordnungszahl von Terrakotta + Gips in der Rückstreuelektronenabbildung heller als die<br />

unveränderte Terrakotta. Der harzgefüllte Porenraum wird in der RE-Abbildung aufgrund<br />

der sehr niedrigen mittleren Ordnungszahl des organischen Einbettungsmittels schwarz<br />

wiedergegeben.<br />

Bei höheren Vergrößerungen ist in der Darstellung eines Übergangsbereiches (Abb. 64)<br />

deutlich zu erkennen, daß die Gipskristallisation in den betroffenen Gefügeabschnitten eine<br />

erhebliche Reduzierung des oberflächennahen Porenraumes bzw. eine Verengung<br />

vorhandener Poren zur Folge hat. Durch EDX-Analysen unveränderter und verdichteter<br />

Bereiche kann Gips als Ursache der Verdichtung nachgewiesen werden (Abb. 65).<br />

Gefügeschäden (Risse oder Gefügeaufweitungen) treten in diesem frühen Stadium nicht<br />

auf.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 70<br />

Schloß Schwerin<br />

Keine Schäden an den<br />

Terrakotten erkennbar<br />

(Stadium Ia)<br />

Abb. 58:<br />

Die Porträt-Terrakotta ist<br />

visuell intakt.<br />

In den vorstehenden Bereichen<br />

des Blattkranzes<br />

sind Schwärzungen der<br />

Oberfläche vorhanden.<br />

Der Pfeil kennzeichnet die<br />

Probenentnahmestelle.<br />

Abb. 59:<br />

Probe aus Abb. 58 im<br />

PolMi.<br />

Querschnitt des intakten,<br />

porösen Gefüges der<br />

Terrakotta. Der Porenraum<br />

ist blau eingefärbt.<br />

Die Oberfläche befindet<br />

sich am linken Bildrand.<br />

Es ist eine oberflächenparallele<br />

Porentextur<br />

vorhanden.<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]<br />

Abb. 60:<br />

Intaktes Gefüge im REM<br />

(Gleiche Probenorientierung<br />

wie in Abb. 59).<br />

Die Poren (schwarz) sind<br />

gipsfrei. Die Oberfläche<br />

befindet sich am linken<br />

Bildrand.<br />

[REM-RE-Abbildung am<br />

mikrorauhen Dünnschliff]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 71<br />

Schloß Schwerin<br />

Keine Schäden an den<br />

Terrakotten erkennbar<br />

(Stadium Ib)<br />

Abb. 61:<br />

Die Porträt-Terrakotta ist<br />

visuell intakt (äußerlich<br />

identisch Abb. 58).<br />

In den vorstehenden Bereichen<br />

des Blattkranzes<br />

sind Schwärzungen der<br />

Oberfläche vorhanden.<br />

Der Pfeil kennzeichnet die<br />

Probenentnahmestelle.<br />

Abb. 62:<br />

Probe aus Abb. 61 im<br />

PolMi (Querschnitt).<br />

Die Oberfläche befindet<br />

sich am linken Bildrand.<br />

Bis in etwa 1 mm Tiefe<br />

(zwischen den Pfeilen) ist<br />

eine Ockerfärbung und<br />

Verdichtung zu erkennen,<br />

deren Identifizierung im<br />

PolMi nicht zweifelsfrei<br />

möglich ist (vgl. Abb. 63).<br />

[PolMi-Aufnahme, + Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]<br />

Abb. 63:<br />

Probe aus Abb. 62 im<br />

REM (gleiche Probenorientierung).<br />

Die größere Helligkeit des<br />

linken Gefügeabschnittes<br />

wird durch die<br />

Verdichtung des<br />

Porenraumes infolge<br />

Gipsausscheidung hervorgerufen<br />

(Detailaufnahme<br />

s. Abb. 64).<br />

[REM-RE-Abbildung am<br />

mikrorauhen Dünnschliff]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 72<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Schloß Schwerin<br />

Keine Schäden an den<br />

Terrakotten erkennbar<br />

(Stadium Ib)<br />

Abb. 64:<br />

Detail aus Abb. 63.<br />

Durch Gipskristallisation<br />

verdichtetes Terrakottagefüge<br />

(linke Bildhälfte)<br />

neben unverändertemTerrakottagefüge<br />

(rechte Bildhälfte).<br />

[REM-RE-Aufn. am mikrorauhen<br />

Dünnschliff]<br />

Abb. 65:<br />

Gegenüberstellung der<br />

Elementzusammensetzungen<br />

der hellen<br />

Gefügeabschnitte (linke<br />

Bildhälfte in Abb. 64,<br />

rote Kurve) und der unveränderten<br />

Terrakotta<br />

(rechte Bildhälfte in<br />

Abb. 64, blaue Kurve).<br />

Die Ca- und S-Gehalte<br />

werden durch den im<br />

Porenraum befindlichen<br />

Gips hervorgerufen.<br />

[EDX-Spektren]<br />

Die Verdichtung des Porengefüges in einem schmalen, oberflächennahen Horizont durch<br />

Abscheidung feinkristallinen Gipses ist als erste Stufe im Schädigungsprozeß anzusehen.<br />

Auf die Folgen wird bereits in der älteren Naturstein- und Ziegelliteratur hingewiesen. Kieslinger<br />

(1932) hat für Porenraumverdichtungen an Natursteinen den Begriff „Innenkruste“ eingeführt.<br />

Nach seiner Auffassung ist damit ein Wasser- und Lösungsstau sowie eine Zunahme der<br />

Schwefelsulfataufnahme verbunden.<br />

Honeyborne und Harris (1958) haben die Konsequenzen hinsichtlich der Frostbeständigkeit<br />

aufgezeigt. Die Entstehung einer „Mikroporosität“ kann zu einer Frostanfälligkeit eines<br />

ursprünglich frostbeständigen Natursteins führen (in Niesel 1979).


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 73<br />

Für Ziegel wird der Mikroaufbau des Scherbengefüges bzw. die Kapillar- und Porenverteilung<br />

von Bergmann (1955) als einer der wichtigsten Faktoren für die Frostbeständigkeit angesehen.<br />

Eine oberflächennahe Verdichtung führt zu einer Feinkapillarität in der Außenschale. Befindet<br />

sich diese Zone über einem porösen Scherben, ist mit einer Verminderung der Frostbeständigkeit<br />

und dem Abplatzen von Schalen im Übergangsbereich zu rechnen (Bergmann<br />

1956).<br />

Bezüglich der als kritisch einzuschätzenden Porengrößen differieren die in der Literatur<br />

angegebenen Radien deutlich:<br />

Von Rosenthal (1964) werden folgende Werte zitiert: < 0,5 µm (Butterworth) und 0,7 µm (Alviset<br />

und Liger).<br />

Nach Robinson (1984) ist ein hoher Anteil an Poren < 1 µm als charakteristisch für Ziegel mit<br />

geringer Dauerhaftigkeit anzusehen.<br />

Maage (1990) hat festgestellt, daß Poren mit einem Durchmesser < 3 µm bei Frosteinwirkung<br />

ein größeres Risiko darstellen.<br />

Der Einfluß der Porenradienverteilung auf die Dauerhaftigkeit hat inzwischen Eingang in die<br />

modernen Prüfverfahren gefunden. Von Franke und Bentrup (1993) wird die Bewertung der<br />

Porenradienverteilung als aussagefähiger als eine Befrostung angesehen. Hierfür wurde ein<br />

mittlerer Porenradius r50% definiert, der einer 50%igen Füllung des Porenvolumens (bei der Hg-<br />

Druckporosimetrie) entspricht. Ein Ziegel sollte als nicht frostbeständig eingestuft werden, wenn<br />

mindestens 50 % der Poren < 1µm sind.<br />

Dem Einfluß oberflächennaher Salzhorizonte auf die Frostbeständigkeit wurde bisher wenig<br />

Beachtung geschenkt. Watson (1957) hat jedoch festgestellt, daß ein höherer Anteil feiner<br />

Poren infolge Salzausscheidung in Oberflächennähe zu einer erhöhten Frostanfälligkeit der<br />

Ziegel führt. Diese Einschätzung bestätigt die Ergebnisse der Untersuchungen von Thomas<br />

(1938).<br />

Aus Laboruntersuchungen von Franke und Grabau (1995) an Ziegeln geht hervor, daß<br />

innenliegende Gipshorizonte eine erhebliche Trocknungsblockade darstellen. Die Wasserabgabe<br />

wird auf die Größenordnung eines durch Wasserdampfdiffusion bestimmten Transports<br />

reduziert.<br />

Auch die im Gliederungspunkt 4.1.5 nachgewiesenen Auflagerungen und Krusten haben<br />

erhebliche Auswirkungen auf das Wassertransportverhalten über die Oberflächen. Die Wasseraufnahmemessungen<br />

von Wendler (1994) und (1995) haben gezeigt, daß geschwärzte<br />

Terrakottaoberflächen meist ein wasserabweisendes Verhalten aufweisen. Umgekehrt ist damit<br />

auch die kapillare Wasserabgabe behindert. In extremen Fällen sind die Oberflächen dicht.<br />

Das unveränderte keramische Material der Terrakotten des Schweriner Schlosses wird nach<br />

den Untersuchungen von Freyburg (1995b) als nur bedingt frostbeständig eingestuft.<br />

Durch die Trocknungsbehinderungen an der Oberfläche (Brennhaut und Verschmutzungen)<br />

und durch die Veränderung der Porenradienverteilung infolge Gipskristallisation im Porenraum<br />

sind unmittelbar unter der Oberfläche kritische Bedingungen entstanden, denen die Terrakotta<br />

bei Hinterfeuchtung und anschließender Befrostung nicht mehr gewachsen ist.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 74<br />

4.1.6.2 Stadium II: Erste sichtbare Schäden<br />

Als erster sichtbarer Schaden an den Terrakotten tritt Schalenbildung auf, wobei die dünnen<br />

Schalen stellenweise noch mit dem Untergrund verbunden sind (Abb. 66).<br />

Das Schadensbild „Flächige Ablösung dünner Schalen“ war zu Beginn der Untersuchungen<br />

Anlaß für die Vermutung, daß zur Herstellung der Terrakotta-Medaillonplatten die Formen mit<br />

einer keramischen Masse ausgestrichen wurden, bevor der Ton eingepreßt wurde. Auch eine<br />

Engobierung wurde diskutiert. Hierunter versteht man eine dünnflüssige, keramische Masse,<br />

die durch Streichen, Spritzen oder Tauchen auf den getrockneten Rohling aufgebracht wird.<br />

Beim anschließenden Brennen entsteht eine dünne, mit dem Scherben innig verbundene,<br />

keramische Oberflächenschicht. Engoben enthalten meist weiß oder farbig aufbrennende<br />

Zusätze.<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Der Zustand einer „beginnenden Schalenablösung“ wurde zunächst im Lichtmikroskop<br />

untersucht (Abb. 67). Dabei wurde festgestellt, daß bezüglich des keramischen Materials keine<br />

grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Schalen und der dahinter befindlichen Terrakotta<br />

vorliegen. Scherbenfarbe sowie Art und Größe der Mineralkörner sind praktisch identisch.<br />

Es ist weiterhin zu erkennen, daß 0,4 bis 0,6 mm unter der Terrakottaoberfläche ein Riß vorliegt<br />

(Rißbreite ca. 50 µm). Die sich ablösende Schale besteht aus schmalen Terrakottalamellen,<br />

deren feine, oberflächenparallele Risse durch Gips sekundär stabilisiert sind. Innerhalb dieses<br />

„Blätterteigs“ ist ein feinkristalliner Habitus des Gipses kennzeichnend. Demgegenüber sind in<br />

breiteren Rissen häufig größere, leistenförmige, senkrecht zum Riß und zur Plattenoberfläche<br />

orientierte Gipskristalle zwischen den Terrakottalamellen zu erkennen.<br />

In der REM-Abbildung des ungedeckten Dünnschliffes (Abb. 68) sind im anschließenden, noch<br />

weitgehend ungeschädigten Gefüge bereits Gipseinlagerungen im Randbereich des Risses<br />

nachweisbar.<br />

Nach mikroskopischer Bewertung reicht die Schädigungstiefe an vorstehenden Teilen der<br />

Reliefplatten, z.B. den Blattkränzen, bis 1,7 mm unter die Oberfläche, während im glatten<br />

Plattenfond mit 0,5 mm eine deutlich geringere Schädigungstiefe vorliegt.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 75<br />

Schloß Schwerin<br />

Erste sichtbare Schäden<br />

an den Terrakotten<br />

(Stadium II)<br />

Abb. 66:<br />

Geschädigte Porträt-<br />

Terrakotta. Die Originaloberfläche<br />

hat sich an<br />

mehreren Stellen in Form<br />

dünner Schalen vom<br />

Untergrund abgelöst und<br />

ist teilweise bereits abgeplatzt.<br />

Der Pfeil kennzeichnet die<br />

Probenentnahmestelle.<br />

Abb. 67:<br />

Probe aus Abb. 66 im<br />

PolMi (Querschnitt,<br />

Oberfläche am linken<br />

Bildrand). Zwischen<br />

schmalen Terrakottalamellen<br />

befindet sich<br />

Gips (hell). Es hat sich<br />

eine etwa 0,6 mm dicke<br />

Schale gebildet. Auch<br />

rechts des Risses ist Gips<br />

im Terrakottagefüge vorhanden.<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]<br />

Abb. 68:<br />

Probe aus Abb. 67 im<br />

REM (gleiche Probenorientierung).<br />

Dichte, durch Gips<br />

sekundär stabilisierte<br />

Schale (linke Bildhälfte)<br />

neben kapillar gängigem<br />

Rißsystem (Bildmitte).<br />

Die helle Färbung der<br />

Matrix wird durch den<br />

ausgeschiedenen Gips<br />

hervorgerufen.<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

mikrorauhen Dünnschliff]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 76<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Durch die mikroskopischen Untersuchungen konnte eindeutig nachgewiesen werden, daß die<br />

Zusammensetzung der Keramik bis unmittelbar an die Oberfläche homogen ist. Materialunterschiede<br />

oder Schichtgrenzen sind nicht vorhanden. Damit können sowohl das Ausstreichen<br />

der Formen mit einer keramischen Masse als auch eine Engobierung für die<br />

Herstellung der Terrakotten des Schweriner Schlosses ausgeschlossen werden.<br />

In der zweiten Stufe des Schädigungsprozesses treten erste oberflächenparallele Risse auf,<br />

die am hinteren Rand des Gipshorizontes verlaufen und eine 0,5 bis 1 mm dünne Schale von<br />

der übrigen Terrakotta trennen.<br />

Im frühen Stadium ist eine Verdichtung des Porenraumes der Schale durch feinkristallinen Gips<br />

charakteristisch. Mit fortschreitender Schädigung treten weitere Gefügeveränderungen<br />

innerhalb der Schale auf. Die Terrakotta fächert in schmale Lamellen auf, die sekundär durch<br />

feinkristallinen Gips stabilisiert werden. Es ist davon auszugehen, daß diese Terrakotta/Gips-<br />

Schale andere physikalisch-mechanische Eigenschaften aufweist als die unveränderte<br />

Terrakotta.<br />

Vereinzelt treten zwischen den Terrakottalamellen, bevorzugt jedoch in breiteren Rissen hinter<br />

der Schale, größere, leistenförmige Gipskristalle auf. Sie wirken als Abstandshalter und<br />

erzeugen eine erhöhte Porosität zwischen der relativ dichten Schale und der unveränderten<br />

Terrakotta.<br />

Das hat zur Folge, daß Wasser bzw. Gipslösung verstärkt auf das geschädigte Gefüge<br />

einwirken können. Bedingt durch die unterschiedlichen Materialeigenschaften von Schale und<br />

Terrakotta treten bei Feuchte- und Frosteinwirkung Scherspannungen auf, die schließlich zur<br />

Abplatzung der Original-Oberfläche in Form einer dünnen Schale führen.<br />

4.1.6.3 Stadium III: Starke sichtbare Schäden<br />

Nach dem Verlust der Original-Oberfläche gehen die Konturen und plastische Details der<br />

Terrakottaplatten zunehmend verloren (Abb. 69).<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

In der lichtmikroskopischen Abbildung (Abb. 70) werden die extremen Veränderungen des<br />

Terrakottagefüges im Finalstadium deutlich. Im Verlauf der Schädigung ist eine stark<br />

aufgefächerte Paralleltextur aus Terrakottalamellen und Gips entstanden, deren Poren,<br />

Hohlräume und Risse durch die Verwendung blau eingefärbten Kunstharzes als Einbettungsmittel<br />

eindrucksvoll zu erkennen sind. Weiteres wesentliches Kennzeichen ist der sehr<br />

hohe Gipsgehalt (weiße Kristalle in Abb. 70).<br />

Es sind zahlreiche oberflächenparallele Risse mit Rißweiten bis 150 µm vorhanden. Häufig<br />

befinden sich zwischen den Terrakottalamellen leistenförmige, teilweise idiomorphe Gipskristalle<br />

(Abb. 71). Einzelne Kristalle erreichen Größen von 50-100 µm.<br />

Es ist eine erhebliche Gefügeaufweitung in Richtung Plattenoberfläche nachweisbar. Die<br />

aufgefächerte Terrakotta nimmt das Dreifache ihres ursprünglichen Volumens ein. Mikroskopisch<br />

wurden Schädigungstiefen bis 3 mm ermittelt.<br />

Ergänzend zu den Gefügeuntersuchungen am Querschnitt wurden die stark geschädigten<br />

Oberflächen im REM untersucht. Es ist festzustellen, daß sich im Finalstadium zahlreiche kleine<br />

Terrakotta/Gips-Partikel lösen, die Plattenoberflächen „sanden“ ab (Abb. 72).


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 77<br />

Schloß Schwerin<br />

Starke sichtbare Schäden<br />

an den Terrakotten<br />

(Stadium III)<br />

Abb. 69:<br />

Stark geschädigte Porträt-Terrakotta.<br />

Durch Rückwitterung (Absanden)<br />

gehen die Strukturen des Blattkranzes<br />

verloren. Der Pfeil kennzeichnet die<br />

Probenentnahmestelle.<br />

Abb. 70:<br />

Gefüge der stark geschädigten<br />

Terrakotta aus Abb. 69.<br />

Die Original-Oberfläche mit<br />

Brennhaut ist nicht mehr vorhanden.<br />

Das fortgeschrittene Stadium<br />

der Schädigung ist durch eine<br />

aufgefächerte, offenporige<br />

Paralleltextur mit zahlreichen<br />

kapillaren Wegsamkeiten<br />

gekennzeichnet.<br />

Zusätzlich sind einzelne,<br />

breite, oberflächenparallele<br />

Risse entstanden.<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildhöhe 2,5 mm]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 78<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Schloß Schwerin<br />

Starke sichtbare Schäden<br />

an den Terrakotten<br />

(Stadium III)<br />

Abb. 71:<br />

Detail aus Abb. 70.<br />

Einzelne, sperrende Gipskristalle<br />

zwischen den<br />

Terrakottalamellen (Pfeile)<br />

verusachen eine hohe<br />

sekundäre „Porosität“<br />

(kapillare Wegsamkeiten).<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 0,7 mm]<br />

Abb. 72:<br />

Terrakotta/Gips-Partikel<br />

an der stark<br />

geschädigten,<br />

absandenden Oberfläche<br />

einer Terrakotta.<br />

[REM-RE-Aufnahme an<br />

der Oberfläche]<br />

In der dritten Stufe des Schädigungsprozesses ist die Brennhaut und damit die Originaloberfläche<br />

bereits nicht mehr vorhanden. Es sind verstärkt Konturenverluste durch abblätternde<br />

und absandende Oberflächen zu verzeichnen.<br />

Mikroskopisch sind eine drastische Zunahme der Verwitterungstiefe und eine massive<br />

Vergipsung nachweisbar.<br />

Während in makroskopisch intakten Terrakotten des Schweriner Schlosses die Gipsgehalte im<br />

Tiefensegment 0-6 mm etwa 2 M% betragen, weisen stark geschädigte Bereiche im gleichen<br />

Abschnitt Gipsgehalte zwischen 3 und 9 M% auf (Wittenburg, 1995).<br />

In Untersuchungen, die Franke et al. (1992) an Ziegelbauwerken Norddeutschlands durchgeführt<br />

haben, wurden in geschädigten Bereichen von Ziegeln 2-15 mal höhere Gipsgehalte als<br />

in ungeschädigten Abschnitten festgestellt.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 79<br />

Aus den mikroskopischen Untersuchungen ist ersichtlich, daß im fortgeschrittenen Stadium der<br />

Schädigung eine hoch poröse, aufgefächerte Paralleltextur aus Gips und Terrakottalamellen<br />

entsteht. Stellenweise sind in den Rissen 50-100 µm große, teilweise idiomorphe Gipskristalle<br />

vorhanden. Aus Größe und Morphologie der Kristalle ist zu schließen, daß lokal Bedingungen<br />

für eine langsame Kristallisation aus der Lösung gegeben sind. In der Konsequenz halten diese<br />

Kristallindividuen die Risse offen und schaffen dadurch bis in einige mm Tiefe ein Gefüge mit<br />

hoher Sekundärporosität.<br />

Das bedeutet, die hohe Porosität des geschädigten Gefüges wird maßgeblich durch den<br />

sekundär gebildeten Gips aufrecht erhalten.<br />

Abrate-Zohar et al. (1985) haben an geschädigten, stark vergipsten Terrakotten im Kloster<br />

Pavia in Italien längere Durchfeuchtungszeiten und höhere Wassersättigungsgrade nachgewiesen.<br />

Einer raschen Wasseraufnahme (nach 100 Sekunden waren 2/3 der effektiven<br />

Porosität gefüllt) stand eine sehr langsame Wasserabgabe gegenüber. Nach 2,5 Stunden war<br />

noch 50 % der aufgenommenen Wassermenge vorhanden, die vollständige Abgabe benötigte<br />

10-12 Stunden.<br />

Die Gefüge der stark geschädigten Terrakotten des Schweriner Schlosses begünstigen<br />

aufgrund der hohen sekundären Porosität den Wasser- und Schadstoffeintrag über die<br />

Außenseite. Dabei findet ein kapillarer Feuchtigkeitstransport bis in die ungeschädigte<br />

Terrakotta statt.<br />

Für die Trocknung der durchfeuchteten Keramik ist anzunehmen, daß nur unmittelbar zu<br />

Beginn der Wasserabgabe der Porenfüllgrad der Schadenszone für einen kapillaren Transport<br />

zur Oberfläche ausreicht. Bereits nach kurzer Zeit wird die Trocknung der stark geschädigten<br />

Platten durch das orthogonal zum Feuchtestrom orientierte Rißsystem erheblich behindert. Der<br />

Flüssigkeitstransport erfolgt im weiteren Verlauf über die wesentlich langsamere Wasserdampfdiffusion.<br />

Aufgrund des hohen Feuchtigkeitsreservoirs im Inneren der Platten sind die<br />

Risse über einen längeren Zeitraum wasserdampfgesättigt. Nächtliche Abkühlungen führen zu<br />

Kondensation innerhalb des geschädigten Gefügeabschnittes.<br />

Das ermöglicht einerseits Rekristallisationen bzw. das Wachstum größerer, sperrender<br />

Gipskristalle (Abstandshalter). Andererseits hat Frosteinwirkung auf die gestaute Feuchte<br />

weitere Schäden durch Eissprengung zur Folge.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 80<br />

4.1.7 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile an den<br />

Terrakotten des Holstentores Lübeck und der Johanniskirche Tartu<br />

Die Terrakotten des Holstentores in Lübeck und der Johanniskirche in Tartu wurden in die<br />

Untersuchungen einbezogen, um einen Vergleich der makroskopischen und mikroskopischen<br />

Schadensbilder an Terrakotten im Fassadenbereich unterschiedlicher Bauwerke durchführen zu<br />

können.<br />

Auch an den Terrakotten des Holstentores in Lübeck und der Johanniskirche in Tartu sind<br />

verwitterungsbedingte Schäden vorhanden. Die makroskopischen Schadensbilder ähneln in<br />

vielen Fällen denen, die am Schweriner Schloß auftreten. An den Oberflächen sind Veränderungen<br />

durch Auflagerungen und Krusten zu erkennen. Materialverluste sind die Folge von<br />

Rückwitterungen durch Absanden, Abschuppen und die Ablösung dünner Schalen.<br />

Die Probenentnahmetechnik, die Probengröße und der methodische Ansatz entsprachen dem<br />

am Schweriner Schloß umgesetzten Konzept (Gliederungspunkt 4.1.6). Durch die Untersuchung<br />

intakter und unterschiedlich stark geschädigter Terrakotten wurden die verschiedenen<br />

Stadien im Schadensprozeß berücksichtigt.<br />

4.1.7.1 Holstentor Lübeck - Stadium II: Erste sichtbare Schäden<br />

Größere Teilbereiche der untersuchten Terrakotta weisen bereits sehr starke Schädigungen<br />

und erhebliche Materialverluste auf (Abb. 73). Die Probe wurde jedoch in einem gering<br />

geschädigten Randbereich entnommen, wo die Original-Oberfläche noch erhalten war, so daß<br />

die Einstufung der Probe als Stadium II gerechtfertigt ist.<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

An einem Querschnitt senkrecht zur Oberfläche (Abb. 74) ist im Polarisationsmikroskop die<br />

hellere Färbung eines oberflächennahen Gefügeabschnittes zu erkennen. Im hinteren Randbereich<br />

des hellen, bis in etwa 1 mm Tiefe reichenden Horizontes, sind Risse vorhanden.<br />

Durch Untersuchung des ungedeckten Dünnschliffes im REM kann der im PolMi auffällige<br />

Gefügeabschnitt näher charakterisiert werden (Abb. 75). Der oberflächennahe Horizont weist<br />

ein sehr dichtes Gefüge und eine große Helligkeit im Materialkontrast der RE-Abbildung auf.<br />

Eine vergleichende Betrachtung mit benachbarten, unveränderten Gefügeabschnitten bei<br />

höherer Vergrößerung zeigt deutlich, daß Salzkristallisation im Porenraum zu einer erheblichen<br />

Reduzierung der Porosität geführt hat (Abb. 76 und 77).<br />

Durch EDX-Analysen (ohne Abbildungen) wurde nachgewiesen, daß diese Unterschiede auf<br />

Gipsausscheidung im Porenraum zurückzuführen sind.<br />

Unmittelbar hinter dem verdichteten Gefügeabschnitt (0,8 bis 1 mm unter der Oberfläche) treten<br />

zahlreiche Risse auf. Im Gipshorizont selbst sind nur vereinzelt Risse vorhanden.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 81<br />

Holstentor Lübeck<br />

Erste sichtbare Schäden<br />

an den Terrakotten<br />

(Stadium II)<br />

Abb. 73:<br />

Typische Verwitterungsschäden<br />

an den Terrakotten<br />

des Holstentores in<br />

Lübeck.<br />

Der Pfeil kennzeichnet die<br />

Entnahmestelle einer<br />

Probe mit erhaltener<br />

Oberfläche vom Rand des<br />

stark geschädigten<br />

Bereiches.<br />

Abb. 74:<br />

Probe aus Abb. 73 im<br />

PolMi (Querschnitt, Oberfläche<br />

im Bild links).<br />

Es sind oberflächenparallele<br />

Risse vorhanden. Die<br />

hellere Färbung der Terrakotta<br />

zwischen der Oberfläche<br />

und den Rissen<br />

wird durch Gipskristallisation<br />

im Porenraum hervorgerufen<br />

(s. Abb. 75).<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 2,6 mm]<br />

Abb. 75:<br />

Probe aus Abb. 73 im<br />

REM (Querschnitt).<br />

Im hellen Streifen am<br />

linken Bildrand (oberflächennaher<br />

Bereich) ist<br />

der Porenraum der<br />

Terrakotta durch Gipsausscheidung<br />

verdichtet<br />

(Details s. Abb. 76 und<br />

77).<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

polierten Dünnschliff]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 82<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Holstentor Lübeck<br />

Erste sichtbare Schäden<br />

an den Terrakotten<br />

(Stadium II)<br />

Abb. 76:<br />

Detail aus dem linken<br />

Bilddrittel in Abb. 75.<br />

Verdichtung des Porenraumes<br />

durch Gipsausscheidung.<br />

Erste Risse<br />

durchziehen das Gefüge.<br />

(vgl. Abb. 77)<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

polierten Dünnschliff]<br />

Abb. 77:<br />

Detail des unveränderten<br />

Terrakottagefüges aus der<br />

Bildmitte in Abb. 75.<br />

Im Gegensatz zu Abb. 76<br />

(bei gleicher Vergrößerung)<br />

wird deutlich, daß<br />

hier keine Verdichtung<br />

des Porenraumes vorliegt<br />

(offenporiges Gefüge).<br />

Die vereinzelten, weißen<br />

Punkte sind Artefakte aus<br />

der Dünnschliffherstellung<br />

(Pb-Partikel).<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

polierten Dünnschliff]<br />

Die vorliegenden Gefügeveränderungen entsprechen denen, die im vergleichbaren Stadium der<br />

Schädigung auch am Schweriner Schloß vorgefunden wurden (vgl. Gliederungspunkt 4.1.6.2).<br />

Charakteristisch ist ein schmaler, durch Gipskristallisation im oberflächennahen Porenraum<br />

verdichteter Gefügeabschnitt. Es liegen bereits Schäden in Form von Rissen vor, die sich<br />

mehrheitlich am hinteren Rand des gipsverdichteten Gefügeabschnittes bzw. in der angrenzenden,<br />

gipsfreien Terrakotta befinden.<br />

Aus den mikroskopisch nachgewiesenen Gefügeveränderungen können Rückschlüsse auf den<br />

Schädigungsprozeß gezogen werden. Aufgrund der Lage der Risse (mehrheitlich außerhalb<br />

des Gipshorizontes) ist Gipskristallisation sehr wahrscheinlich nicht die direkte Ursache der<br />

Rißbildung. Es ist anzunehmen, daß Frosteinwirkung auf hinter dem Gipshorizont gestaute<br />

Feuchte zu den Rissen geführt hat.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 83<br />

4.1.7.2 Holstentor Lübeck - Stadium III: Starke sichtbare Schäden<br />

Die untersuchte Probe wurde im stark geschädigten Bereich einer Terrakottaplatte entnommen.<br />

Die Original-Oberfläche war nicht mehr vorhanden. Weitere makroskopische Merkmale waren<br />

Schalen- und Schuppenbildung sowie das Auftreten einer schwarzen Kruste (Abb. 78).<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Im vorliegenden, fortgeschrittenen Stadium der Schädigung ist am Querschnitt senkrecht zur<br />

Oberfläche (Dünnschliff) eine stark aufgefächerte Paralleltextur des Gefüges zu erkennen (Abb.<br />

79). Dabei sind Terrakottalamellen unterschiedlicher Breite entstanden (25-50 µm, teilweise bis<br />

100 µm), die sekundär durch Gips verbunden (stabilisiert) sind.<br />

Aus den oben beschriebenen Terrakotta/Gips-Lamellen haben sich größere Schuppenpakete<br />

formiert (Dicke bis 1 mm, Länge bis 3 mm). Sie bilden hoch poröse Abfolgen parallel zur<br />

Oberfläche. Die Spaltweiten zwischen den Schuppenpaketen betragen 50 und 200 µm,<br />

stellenweise bis 1 mm (Abb. 79).<br />

An der Oberfläche der Schuppenpakete sind Gipskrusten vorhanden, die bezüglich ihrer Dicke<br />

und der Morphologie der Gipskristalle unterschiedlich aufgebaut sein können. Der in Abb. 79<br />

dargestellte Probenabschnitt zeigt eine sogenannte Blumenkohlkruste mit einer Dicke von 1-2<br />

mm. Sie besteht aus feinkristallinen Gipskristallen und ist durch Schmutzpartikel dunkel gefärbt.<br />

An anderer Stelle der gleichen Probe liegt eine faserige Gipskruste vor (Abb. 80).<br />

Stellenweise sind hinter den Terrakottaschalen sparitische Kalksteinpartikel nachweisbar, die<br />

nicht zum Mineralbestand der Terrakotten gehören und sekundär mit ablaufendem Wasser in<br />

die Verwitterungshorizonte eingetragen wurden (Abb. 80).<br />

Die an der Terrakotta mikroskopisch ermittelte Schädigungstiefe beträgt teilweise 6 mm.<br />

Holstentor Lübeck<br />

Starke sichtbare Schäden<br />

an den Terrakotten<br />

(Stadium III)<br />

Abb. 78:<br />

Stark geschädigte Terrakotta.<br />

Schuppenbildung und<br />

Schalenablösung sowie<br />

schwarze Kruste an der<br />

rückgewitterten Oberfläche.<br />

Der Pfeil kennzeichnet die<br />

Entnahmestelle.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 84<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Holstentor Lübeck<br />

Starke sichtbare Schäden<br />

an den Terrakotten<br />

(Stadium III)<br />

Abb. 79:<br />

Probe aus Abb. 78 im<br />

PolMi (Querschnitt).<br />

Auffächerung des Gefüges<br />

in Schuppenpakete<br />

aus Terrakottalamellen<br />

(dunkel) und Gips (hell).<br />

Links im Bild befindet sich<br />

die Oberfläche mit einer<br />

porösen Gipskruste.<br />

[PolMi-Aufnahme I Pol.;<br />

Bildbreite 5,2 mm].<br />

Abb. 80:<br />

Faserige Gipskruste an<br />

der Oberfläche einer<br />

Terrakottaschale.<br />

Hinter der Schale sind<br />

Kalksteinpartikel zu<br />

erkennen, die aus den<br />

Kalksteingesimsen oberhalb<br />

der Terrakottaplatte<br />

ausgewaschen und in die<br />

Verwitterungshorizonte<br />

gespült wurden.<br />

[PolMi-Aufnahme, + Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]<br />

Die vorliegenden Gefügeveränderungen entsprechen weitgehend denen, die im vergleichbaren<br />

Stadium der Schädigung auch am Schweriner Schloß vorzufinden sind: Gipsstabilisierte<br />

Schuppenpakete (Terrakotta/Gips-Lamellen), die durch oberflächenparallele Risse voneinander<br />

getrennt sind (vgl. Gliederungspunkt 4.1.6.3).<br />

Die Schädigung der Terrakotten des Holstentores im Stadium III ist jedoch wesentlich stärker<br />

als am Schweriner Schloß und weist folgende zusätzliche Merkmale auf:<br />

1. An den Oberflächen treten zum Teil erhebliche Gipskrusten auf.<br />

2. Die mikroskopisch nachweisbare Verwitterungstiefe beträgt 6 mm und ist damit etwa<br />

doppelt so groß.<br />

3. Es liegen um den Faktor 10 größere Rißweiten vor, die teilweise kapillar brechend sind. Die<br />

Folge ist eine verstärkte Trocknungsbehinderung.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 85<br />

Hieraus ist zu schließen, daß sich mit zunehmender Schädigung des keramischen Materials die<br />

Gefahr von Gefügezerstörungen durch Eissprengung bei Frosteinwirkung weiter erhöht.<br />

Ansammlungen von Kalksteinpartikeln hinter den Terrakotta/Gips-Schuppen belegen den<br />

Feuchte- und Schadstoffeintrag in die stark geschädigten Gefüge der Terrakotten. Aus der<br />

Form und Kristallgröße (Sparit) der Kalksteinpartikel kann geschlossen werden, daß sie aus<br />

den Kalksteingesimsen über den Terrakottafriesen stammen und durch an der Fassade<br />

ablaufendes Wasser in die Terrakotten verfrachtet wurden.<br />

4.1.7.3 Johanniskirche Tartu - Stadium III: Starke sichtbare Schäden<br />

Aufgrund der kunsthistorischen Bedeutung der Skulpturen war eine Probenentnahme an visuell<br />

intakten Terrakotten nicht möglich, so daß die frühen Stadien der Schädigung nicht erfaßt<br />

werden konnten. Einer Probenentnahme wurde lediglich in Bereichen zugestimmt, in denen<br />

bereits Materialverluste zu verzeichnen waren.<br />

Die Abb. 81 zeigt die Skulptur, an der mikroskopische Untersuchungen zu den Schadensursachen<br />

durchgeführt wurden. An der Oberfläche der Terrakotta sind Konturenverluste und<br />

dunkelgraue bis schwarze Krusten zu erkennen.<br />

In der Abb. 82 sind die Entnahmestellen der beiden Proben in den Gewandfalten der Skulptur<br />

gekennzeichnet.<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Abb. 83 zeigt die typische Größe einer der Proben (8 mm) vor der Dünnschliffherstellung in<br />

einer Aufnahme unter dem Stereomikroskop.<br />

Im Stemi konnten erste, makroskopisch nicht differenzierbare Unterschiede im Grad der<br />

Schädigung festgestellt werden.<br />

Bei den nachfolgenden Untersuchungen im PolMi sowie mittels REM/EDX (am gleichen<br />

Präparat) wurden folgende Schädigungen nachgewiesen:<br />

1) An der vergleichsweise gering geschädigten Probe ist im Polarisationsmikroskop ein<br />

oberflächenparalleler Riß zu erkennen (Abb. 84). In diesem Riß und an der Außenseite der<br />

Probe sind Salze vorhanden. Weiterhin ist ersichtlich, daß einzelne, von der Oberfläche<br />

gelöste Terrakottapartikel in einer dünnen Salzkruste eingeschlossen sind.<br />

Im REM ist eine Verdichtung des oberflächennahen Porenraumes festzustellen (Abb. 85 und<br />

86). Aus dem Vergleich der EDX-Spektren, die in den verdichteten und unveränderten<br />

Bereichen des Gefüges aufgenommen wurden, wird ersichtlich, daß die Porenraumverdichtung<br />

durch Gipskristallisation hervorgerufen wird (Abb. 87). Die Breite des<br />

Kristallisationshorizontes beträgt etwa 0,3 mm. Es treten auch Unterschiede im Fe-Gehalt<br />

auf, die auf Schwankungen in der Materialzusammensetzung zurückzuführen sind, aber<br />

nicht im Zusammenhang mit den Verdichtungen stehen.<br />

2) Die stärker geschädigte Probe weist über die gesamte Probenbreite erhebliche Lockerungen<br />

des Gefüges durch Risse unterschiedlicher Breite auf (Abb. 88). In einem Großteil der Risse<br />

sind keine Salze vorhanden. Salzanreicherungen sind ausschließlich in den breiten Rissen<br />

im hinteren Teil der Probe nachweisbar. Durch REM/EDX-Untersuchungen (ohne<br />

Abbildungen) konnte nachgewiesen werden, daß es sich um Gips handelt.<br />

Die Schädigungstiefe beträgt in diesem fortgeschrittenen Stadium 3-4 mm, die Rißweiten<br />

erreichen dabei Werte von 200-300 µm (Abb. 88).


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 86<br />

Johanniskirche Tartu<br />

Starke sichtbare Schäden<br />

an den Terrakotten<br />

(Stadium III)<br />

Abb. 81:<br />

Terrakottaskulptur vom<br />

Wimperg der Kirche.<br />

Insbesondere im Brustund<br />

Gesichtsbereich sind<br />

die Konturenverluste<br />

durch Rückwitterung<br />

deutlich. Teilbereiche der<br />

Oberfläche sind mit<br />

dunkelgrauen bis<br />

schwarzen Krusten<br />

bedeckt.<br />

Zur mikroskopischen<br />

Untersuchung der Schädigung<br />

wurden kleine<br />

Terrakottastücke aus den<br />

Gewandfalten entnommen<br />

(Rahmen s. Abb. 82).<br />

Abb. 82:<br />

Detail aus Abb. 81.<br />

Dargestellt ist der durch<br />

einen Rahmen gekennzeichnete<br />

Teilbereich.<br />

Die Pfeile markieren die<br />

Probenentnahmestellen in<br />

den Gewandfalten der<br />

Skulptur.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 87<br />

Johanniskirche Tartu<br />

Starke sichtbare Schäden<br />

an den Terrakotten<br />

(Stadium III)<br />

Abb. 83:<br />

Typische Terrakottaprobe<br />

aus den Gewandfalten der<br />

Skulpturen (linker Pfeil in<br />

Abb. 82) auf Millimeterpapier.<br />

Länge der Probe 8 mm,<br />

Breite etwa 4 mm, Dicke<br />

etwa 3 mm.<br />

[Stemi-Aufnahme]<br />

Abb. 84:<br />

Probe aus Abb. 83 im<br />

PolMi (Querschnitt).<br />

An der Oberfläche (im Bild<br />

oben) ist eine dünne<br />

Salzkruste (weiß) mit<br />

darin eingeschlossenen<br />

Terrakottapartikeln zu<br />

erkennen. Der horizontale<br />

Riß in der Bildmitte ist<br />

durch Salz verfüllt.<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]<br />

Abb. 85:<br />

Gefüge aus Abb. 84 im<br />

REM (Querschnitt):<br />

Innerhalb des hellen<br />

Bereiches in der linken<br />

Bildhälfte ist der oberflächennahe<br />

Porenraum<br />

durch feinkristallinen Gips<br />

verdichtet.<br />

Detailaufnahnahme und<br />

vergleichende EDX-Analysen<br />

s. Abb. 86 und 87.<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

mikrorauhen Dünnschliff]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 88<br />

Johanniskirche Tartu<br />

Starke sichtbare Schäden<br />

an den Terrakotten<br />

(Stadium III)<br />

Abb. 86:<br />

Übergangsbereich<br />

verdichteter / „normaler“<br />

Porenraum.<br />

Die Verdichtung in der<br />

linken Bildhälfte wird<br />

durch die Abscheidung<br />

von Gips verursacht<br />

(vergleichende EDX-<br />

Analyse s. Abb. 87).<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

mikrorauhen Dünnschliff]<br />

Abb. 87:<br />

Die rote Kurve wurde im<br />

verdichteten Gefügebereich<br />

(linke Bildhälfte in<br />

Abb. 86 ) und die blaue<br />

Kurve in der unveränderten<br />

Terrakotta (rechte<br />

Bildhälfte in Abb. 86)<br />

aufgenommen.<br />

Ca und S gehören nicht<br />

zum Elementspektrum der<br />

Terrakotta, sondern sind<br />

dem Gips im Porenraum<br />

zuzuordnen.<br />

[EDX-Analyse]<br />

Abb. 88:<br />

Gefüge einer stark geschädigtenTerrakottaprobe<br />

(rechter Pfeil in<br />

Abb. 82).<br />

Die Oberfläche befindet<br />

sich links im Bild. Die<br />

Gefügelockerungen<br />

reichen über die gesamte<br />

Probenbreite. Die hellen<br />

Bereiche (markiert durch<br />

Pfeile) sind breite Risse,<br />

die mit Gips gefüllt sind.<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 2,6 mm]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 89<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Durch die licht- und rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen an den Portalskulpturen<br />

des Wimpergs der Johanniskirche in Tartu konnte nachgewiesen werden, daß sich<br />

geschädigte, makroskopisch jedoch nicht differenzierbare Terrakotten von ein und derselben<br />

Skulptur in ihrem mikroskopischen Erhaltungszustand erheblich unterscheiden können.<br />

Das Gefüge der vergleichsweise gering geschädigten Probe zeigt verschiedene Merkmale, die<br />

dem Stadium II zuzuordnen sind. Ein oberflächennaher Gefügeabschnitt ist durch Gipskristallisation<br />

im Porenraum verdichtet und wird von einem Riß durchzogen. Untypisch ist eine<br />

dünne Gipsschicht an der Außenseite, in der gelockerte Ziegelpartikel eingeschlossen sind.<br />

Bei der Bewertung ist jedoch zu beachten, daß die Originaloberfläche nicht mehr vorhanden ist<br />

und die mikroskopisch nachweisbare Schädigungstiefe unter einem Millimeter liegt. Damit<br />

entsprechen die nachgewiesenen Gefügeveränderungen dem Stadium II nach Ablösung einer<br />

dünnen Schale (vgl. Gliederungspunkt 4.1.6.2).<br />

An der stärker geschädigten Probe wurden über den gesamten Probenquerschnitt Risse<br />

nachgewiesen. Damit begrenzt die Probengröße die exakte Feststellung der Schädigungstiefe.<br />

Sie beträgt mindestens 4 mm.<br />

In breiteren Rissen, insbesondere im hinteren Teil des entfestigten Gefüges, ist Gips<br />

angereichert. Die zahlreichen feinen Risse im oberflächennahen Teil der Probe sind überwiegend<br />

gipsfrei. Diese relativ untypische Gipsverteilung ist möglicherweise auf eine sehr hohe<br />

Porosität bzw. eine starke Vorschädigung zurückzuführen, die eine Verlagerung der<br />

Kristallisationsfront des Gipses zur Folge hat. Ferner ist auf Frostschäden als Hauptschadensursache<br />

zu schließen.<br />

Trotz der Unterschiede in der Gipsverteilung können die vorliegenden Gefügeveränderungen<br />

dem Stadium III zugeordnet werden (vgl. Gliederungspunkt 4.1.6.3).<br />

Aus den durchgeführten mikroskopischen Untersuchungen ergaben sich keine Hinweise auf<br />

leicht lösliche Salze.<br />

Quantitative Salzanalysen an den Terrakotta-Skulpturen des Wimpergs wurden im Rahmen der<br />

keramtechnologischen Untersuchungen von Freyburg (1996a) durchgeführt. Hierbei wurden nur<br />

geringe Gehalte leicht löslicher Salze ermittelt. An den untersuchten Skulpturen trat in<br />

schadensrelevanten Mengen nur Gips, stellenweise in Verbindung mit Syngenit, auf.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 90<br />

4.1.8 Modell zum Schadensprozeß an Bauterrakotten im Fassadenbereich in<br />

Gegenwart von Gips<br />

Im Ergebnis der vergleichenden mikroskopischen Untersuchungen unterschiedlich verwitterter<br />

Terrakotten des Schweriner Schlosses, des Holstentores in Lübeck und der Johanniskirche in<br />

Tartu können 3 Stadien der Schädigung definiert werden. In Tabelle 9 sind die charakteristischen<br />

makroskopischen Erscheinungsformen und die zugehörigen mikroskopischen<br />

Gefügezustände gegenübergestellt.<br />

Tabelle 9: Gegenüberstellung makroskopischer und mikroskopischer Beobachtungen in den<br />

unterschiedlichen Stadien der Schädigung der Terrakotten im Außenbereich des<br />

Schweriner Schlosses, des Holstentores in Lübeck und der Johanniskirche in<br />

Tartu<br />

Stadium Makroskopischer Zustand Mikroskopischer Zustand<br />

I Keine Schäden erkennbar<br />

- Oberflächenveränderungen möglich<br />

(Krusten und Auflagerungen<br />

unterschiedlicher Färbung)<br />

II Erste sichtbare Schäden<br />

- Oberfläche mit Brennhaut nur noch<br />

teilweise vorhanden<br />

- Partielle Ablösung dünner Schalen<br />

III Starke sichtbare Schäden<br />

- Oberfläche mit Brennhaut nicht<br />

mehr vorhanden<br />

- Rückwitterung / Konturenverlust<br />

- Materialverlust durch:<br />

• Absanden<br />

• Schuppen- und Schalenbildung<br />

- Dünne Auflagerungen oder Krusten<br />

an der Oberfläche (Dicke < 10µm)<br />

- Ia) Keine Gefügeveränderungen<br />

(Porenraum gipsfrei, keine Risse)<br />

Ib) Verdichtung des oberflächennahen<br />

Porenraumes bis in 1 mm<br />

Tiefe durch Kristallisation schwer<br />

löslicher Salze (Gips, Syngenit)<br />

- Schalenbildung durch oberflächenparallele<br />

Risse (Rißweiten < 50 µm)<br />

- Schalendicke 0,5 bis 1 mm<br />

- Innerhalb der Schale Aufblättern des<br />

Gefüges in schmale Terrakottalamellen,<br />

die sekundär durch feinkristallinen<br />

Gips stabilisiert werden<br />

- Nebeneinander dichter und kapillargängiger<br />

Gefügeabschnitte<br />

- Entstehung einer aufgefächerten,<br />

offenporigen Paralleltextur<br />

- Durch Aufblättern des Gefüges in<br />

schmale, gipsstabilisierte Terrakottalamellen<br />

erhebliche Gefügeaufweitung<br />

- Hoher Gipsgehalt<br />

- Hohe Sekundärporosität<br />

- Einzelne breite, oberflächenparallele<br />

Risse (Rißweiten > 100 µm)<br />

- Einzelne idiomorphe Gipskristalle<br />

(Größe 50-100 µm) halten die Risse<br />

geöffnet<br />

Abb. 89 zeigt in einer schematischen Darstellung die in Tabelle 9 beschriebenen mikroskopischen<br />

Veränderungen der Terrakottagefüge im Verlauf der Schadensentwicklung.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 91<br />

Abb. 89:<br />

Schadensentwicklung an Terrakotta<br />

im Fassadenbereich in Gegenwart<br />

von Gips.<br />

Gipsausscheidung im Porenraum<br />

(Ib), Hinterfeuchtung und Frosteinwirkung<br />

auf gestaute Feuchte<br />

führen zu Rißbildungen und<br />

Schalenablösung (II). Durch zunehmende<br />

thermisch-hygrische<br />

Wechselbeanspruchung (als Folge<br />

einer Trocknungsbehinderung) und<br />

verstärkte Gipskristallisation entsteht<br />

eine poröse, aufgefächerte<br />

Pararalleltextur aus vergipster<br />

Terrakotta, Rissen und Hohlräumen<br />

(III).<br />

Dieser Vorgang führt zu einer<br />

erheblichen Gefügeaufweitung.<br />

III<br />

Legende: c Intakte Terrakotta<br />

Vergipste Terrakotta<br />

Ia<br />

Gipsfreie Poren, Hohlräume und Risse<br />

Originaloberfläche (Brennhaut mit Verschmutzung / Kruste)<br />

I Keine äußerlich sichtbaren Schäden<br />

II Partieller Verlust der Originaloberfläche<br />

III Vollständiger Verlust der Originaloberfläche<br />

I<br />

II<br />

Ib<br />

1 mm<br />

Abb.<br />

59-60<br />

Abb.<br />

62-65<br />

Abb.<br />

67-68<br />

Abb.<br />

70-72


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 92<br />

Modell zum Schadensprozeß<br />

An den untersuchten Terrakotten treten leicht lösliche Salze nicht oder nur in sehr geringen<br />

Mengen auf, so daß ihre Rolle im Schadensprozeß vernachlässigt werden kann.<br />

Demgegenüber sind schwer lösliche Salze, v.a. Gips, an der Entstehung der Schäden<br />

maßgeblich beteiligt. Unter diesen Randbedingungen kann aus den Ergebnissen der<br />

kombinierten licht- und rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen an Bauwerksproben<br />

folgendes Modell zum Schädigungsprozeß an Bauterrakotten im Fassadenbereich abgeleitet<br />

werden:<br />

Terrakotten weisen häufig eine relativ dichte Brennhaut auf. Sie entsteht durch Feinstbestandteile<br />

des Tons, die bei der Herstellung (Schlämmen und Trocknen) an der Oberfläche<br />

abgelagert werden und im Ergebnis des Brennens eine wenige µm dünne, aber relativ dichte<br />

Haut bilden.<br />

Unter Bauwerksbedingungen bilden sich durch Depositionsvorgänge an der Terrakottaoberfläche<br />

zusätzlich dünne Auflagerungen und Krusten unterschiedlicher Zusammensetzung<br />

(Schichtdicken meist


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 93<br />

Nach dem Verlust einer Schale können Frost und Gipskristallisation verstärkt auf das<br />

geschädigte Gefüge einwirken. Im Ergebnis nehmen die Verwitterungstiefe und der Gipsgehalt<br />

rasch zu. Für das fortgeschrittene Stadium der Schädigung ist eine aufgefächerte Paralleltextur<br />

charakteristisch. Die Rißweiten innerhalb dieser „Blätterteig“-Gefüge erreichen z.T. 150 µm. In<br />

den Rissen treten einzelne leistenförmige, hypidiomorphe bis idiomorphe Gipskristalle auf.<br />

Diese 50-100 µm großen Kristallindividuen wirken aufgrund ihrer Vorzugsorientierung senkrecht<br />

zur oberflächenparallelen Rißtextur als Abstandshalter zwischen den Terrakottalamellen und<br />

verursachen damit eine hohe sekundäre Porosität. Aus Größe und Morphologie der<br />

Gipskristalle kann auf länger anhaltende bzw. zyklische Wassersättigungen in den<br />

geschädigten Bereichen der Terrakotten geschlossen werden.<br />

Die Gefügeschäden im Finalstadium begünstigen eine rasche kapillare Wasser- und<br />

Schadstoffaufnahme bis ins ungeschädigte keramische Material.<br />

Die Trocknung hingegen wird nachhaltig durch das oberflächenparallele Rißsystem behindert.<br />

Aufgrund der geringen Saugspannung des hoch porösen Schadenshorizontes erfolgt eine sehr<br />

langsame Wasserabgabe aus dem Kern der Platten. Bestimmender Transportprozeß ist die<br />

Wasserdampfdiffusion.<br />

Wesentlich ist, daß die Risse über der kapillar durchfeuchteten Terrakotta längere Zeit<br />

wasserdampfgesättigt sind. Nächtliche Abkühlungen führen zu Kondensation innerhalb des<br />

geschädigten Gefügeabschnittes. Das hat weitere Gipskristallisation bzw. Rekristallisationen<br />

zur Folge. Im Falle von Frosteinwirkung auf die kondensierte Feuchte entstehen Schäden durch<br />

Eissprengung.<br />

Unterschiedliche Erhaltungszustände in unmittelbarer Nachbarschaft. sind besonders problematisch,<br />

weil sie zu einer Asymmetrie im Feuchtehaushalt führen. In Bereichen mit dauerhaft<br />

erhöhter Feuchte ist mit einer raschen Schadensentwicklung zu rechnen.<br />

Der Schadensprozeß an vergipsten Terrakotten entspricht grundsätzlich dem Mechanismus, der<br />

von Franke et al. (1992) bzw. Franke und Schumann (1994) für die Ziegelschädigung in<br />

Gegenwart von Gips angegeben wird.<br />

Es ergeben sich jedoch neue Aspekte hinsichtlich der Wirkungsweise des Gipses. Die<br />

mikroskopischen Untersuchungen weisen darauf hin, daß die Gipskristallisation unter Bauwerksbedingungen<br />

sehr wahrscheinlich nicht direkt zu Gefügeschädigungen führt. Der Kristallisationsdruck<br />

oder lineare Wachstumsdruck des Gipses ist für den dargestellten Schadensprozeß<br />

von untergeordneter Bedeutung.<br />

Die entscheidenden Vorgänge, die zu den an den Terrakotten vorgefundenen Gefügeschädigungen<br />

geführt haben, waren Frosteinwirkung auf gestaute Feuchte bzw. thermischhygrische<br />

Wechselbeanspruchungen in Terrakotta-Gips-Horizonten.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 94<br />

4.1.9 Mikroskopische Bewertung von Probekonservierungen an den Terrakotten des<br />

Schweriner Schlosses<br />

Die bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, daß sich der Schädigungsgrad der Terrakotten nur<br />

bedingt aus äußeren Merkmalen abschätzen läßt.<br />

Zur Erstellung eines Konservierungskonzeptes werden gefügekundliche Parameter benötigt,<br />

aus denen Anforderungen an die Konservierungsmittel und die Applikationstechniken abgeleitet<br />

werden können.<br />

Die notwendigen Informationen liefert eine exakte mikroskopische Untersuchung hinsichtlich<br />

folgender Gefügeparameter (vgl. Gliederungspunkt 4.1.6):<br />

- Oberflächenveränderungen (Krusten) - Schalen- und Rißbildung<br />

- Verdichtungs- und Lockerungszonen - Rißbreiten und -längen<br />

- Entfestigungstiefe - Salzidentifizierung / Salzverteilung<br />

Für die Terrakotten des Schweriner Schlosses wurden sehr unterschiedliche konservierungsbedürftige<br />

Gefügezustände ermittelt, denen nur durch die Kombination angepaßter Konservierungsschritte<br />

und optimierter Schutzstoffe entsprochen werden konnte.<br />

Am NW-Giebel wurden modellhafte Konservierungen der Terrakotten durchgeführt. Tabelle 10<br />

faßt die einzelnen konservatorischen Maßnahmen, die verwendeten Materialien sowie die Ziele<br />

der mikroskopischen Untersuchungen zusammen und verweist auf die Gliederungspunkte, in<br />

denen die Ergebnisse detailliert dargestellt sind.<br />

Tabelle 10: Übersicht über die modellhaften Konservierungen der Terrakotten am NW-Giebel<br />

des Schweriner Schlosses (Testflächen)<br />

Konservatorische<br />

Maßnahme<br />

Vorfestigung Weichsegmentmodifizierte<br />

Kieselsäureester<br />

1) VP9-50 A<br />

2) VP9-66 Ace<br />

Festigung 1) Kieselsäureester (KSE)<br />

2) Polyurethan (PU)<br />

Kompressenbehandlung<br />

zur<br />

Gipsmobilisierung<br />

und Salzminderung<br />

Schalenhaft- /<br />

Hinterfüllmörtel<br />

Glättmörtel /<br />

Feinschlämmen<br />

Materialien Gegenstand der<br />

mikroskopischen<br />

Untersuchungen<br />

Zellulosekompressen mit Zusätzen<br />

(Bentonit; Vollglaskugeln,<br />

Quarz)<br />

1. Wasserkompresse +<br />

Verdunstungskompresse<br />

2. Ammoniumcarbonatkompresse<br />

+ Verdunstungskompresse<br />

BM: Hüttensand, Gips, Zement<br />

BM-Typ 1: Hüttensand, Gips,<br />

Zement<br />

BM-Typ 2: Hochofenzement,<br />

Hydraulischer Kalk<br />

BM-Typ 3: Silikasol + amorphe<br />

Kieselsäure<br />

- Identifizierung der<br />

Festigungsmittel<br />

- Verteilung an der<br />

Oberfläche und im<br />

Gefüge<br />

- Salzausblühungen<br />

1) Identifizierung<br />

2) Ursachen<br />

- Gefügebeschreibung<br />

- Haftung / Anbindung<br />

Gliederungspunkt<br />

4.1.9.1<br />

4.1.9.2<br />

4.1.9.3


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 95<br />

Die Konservierungsschritte in Tabelle 10 stellen keine einheitliche Bearbeitungsfolge dar. Ihre<br />

Anwendung erfolgte in Abhängigkeit von den konkreten Gegebenheiten der einzelnen<br />

Terrakotta-Medaillonplatten am Schweriner Schloß. Die verschiedenen konservatorischen<br />

Eingriffe wurden an Testflächen (Teilbereiche der Platten) modellhaft erprobt.<br />

Nach Abschluß dieser Konservierungen wurden die Wirksamkeit der einzelnen Technologien<br />

sowie an den Plattenoberflächen aufgetretene Veränderungen mikroskopisch untersucht.<br />

4.1.9.1 Strukturelle Festigung<br />

1) Vorfestigung<br />

Das Ziel einer sogenannten Vorfestigung war, gelockerte Partien der Oberflächen soweit zu<br />

stabilisieren, daß mechanische Beanspruchungen während nachfolgender Konservierungsschritte<br />

(Reinigung, Applikation von Schalenhaftmörtel und Schlämmen) nicht zu weiteren<br />

Materialverlusten führen.<br />

Die eingesetzten Festigungs- und Verdünnungsmittel, die Applikationszeiten und verbrauchten<br />

Mengen sowie die zugehörigen Abbildungen sind Tabelle 11 zu entnehmen.<br />

Tabelle 11: Übersicht über die zur Vorfestigung eingesetzten Mittel sowie deren Eigenschaften<br />

und Applikationsbedingungen<br />

Lösungsmittel<br />

Konzentration<br />

des KSE<br />

Vorbehandlung<br />

VP9-66 Ace Aceton 66 % ohne<br />

Vornässen<br />

VP9-50 A Ethanol 50 % Vornässen mit<br />

Ethanol<br />

Applikationszeit<br />

Mittelaufnahme<br />

[kg/m 2 ]<br />

Abb.<br />

5 min 0,17 91-93<br />

5 min 0,3 94-98<br />

Eingesetzt wurden zwei Festigungsmittel auf der Basis von Kieselsäureester, die sich in ihren<br />

Konzentrationen bzw. Gelabscheidungsraten unterscheiden. Weiterhin sollte durch Variation<br />

der Untergrundvorbehandlung herausgefunden werden, ob auf ein Vornässen mit Lösungsmittel<br />

verzichtet werden kann.<br />

Appliziert wurden ein Festigungsmittel mit hoher Gelabscheidungsrate auf einem nicht<br />

vorgenäßten Untergrund sowie ein geringer konzentrierter Festiger auf vorgenäßtem Untergrund.<br />

Gegenstand der vergleichenden mikroskopischen Untersuchungen war die Klärung des<br />

Einflusses der unterschiedlichen Parameter auf die Filmbildung und auf die Verteilung des<br />

Festigungsmittels im Gefüge.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 96<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Abb. 90 zeigt als Vergleichsaufnahme zu den nachfolgenden Abbildungen eine nicht mit<br />

Festigungsmittel behandelte Terrakottaoberfläche. Im REM ist eine mikrokristalline Schmutzschicht<br />

zu erkennen.<br />

Im direkten Vergleich der Oberflächen in den Abb. 90 und 91, die bei gleicher Vergrößerung<br />

aufgenommen wurden, sind die Unterschiede in der Topographie der unbehandelten und der<br />

gefestigten Oberfläche deutlich zu erkennen. Die mit VP9-66 Ace (Wirkstoffgehalt 66%, ohne<br />

Vornässen) gefestigte Platte zeigt zahlreiche rundlich-plattige Strukturen an der Oberfläche<br />

(Abb. 91).<br />

Bei höherer Vergrößerung wird deutlich, daß das Festigungsmittel einen filmartigen Überzug<br />

über den Strukturen der geschädigten Terrakotta gebildet hat (Abb. 92). Die ausgeprägten<br />

Fließformen und die Menisken lassen vermuten, daß ein relativ dicker Film an der<br />

Terrakottaoberfläche abgeschieden wurde. Wahrscheinlich handelt es sich bei den rundlichplattigen<br />

Strukturen um Terrakotta-Gips-Partikel (vgl. Abb. 72), die mit Festigungsmittel überzogen<br />

sind. Eine exakte Bestimmung der Filmdicke war aufgrund des Fehlens von<br />

Bruchflächen, senkrecht zum Film, nicht möglich. Sie dürfte an der Oberfläche jedoch im µm-<br />

Bereich liegen.<br />

Die für KSE-Systeme typischen Schwindrisse treten nicht auf. Ursache hierfür ist sehr<br />

wahrscheinlich die Modifizierung, d.h. die Zugabe eines Weichsegmentes.<br />

Die EDX-Analyse des siliziumorganischen Festigers liefert einen charakteristischen Si-Peak. Im<br />

Spektrum sind zusätzlich geringe Mengen Al und Fe vorhanden, die wahrscheinlich auf<br />

Untergrundanregung zurückzuführen sind (Abb. 93).<br />

An einer Bruchfläche senkrecht zur Oberfläche wurde festgestellt, daß das Festigungsmittel nur<br />

stellenweise und unmittelbar unter der Oberfläche im Porenraum bzw. Rißsystem der<br />

Schadenszone eingedrungen ist.<br />

Das Festigungsmittel VP9-50 A (geringerer Wirkstoffgehalt, Vornässen mit Alkohol) ist<br />

morphologisch als Film an der Oberfläche und analytisch durch die charakteristische<br />

Elementzusammensetzung nachweisbar (Abb. 94 bis 96). Schwindrisse treten an der Oberfläche<br />

nicht auf. Gegenüber der Vergleichsprobe liegen dünnere Filme vor.<br />

Im oberflächennahen Porenraum bzw. Rißsystem der Schadenszone war das Festigungsmittel<br />

schwieriger nachweisbar als an der Oberfläche. Bei der Identifizierung einer siliziumorganischen<br />

Verbindung, die als dünner Film auf einem silikatischen Untergrund liegt, sind<br />

EDX-Elementanalysen häufig nicht ausreichend spezifisch für den Nachweis.<br />

Hilfreich für die Identifizierung waren die für erhärtete Kieselsäureester charakteristischen<br />

Schwindrisse, die aufgrund der Weichsegmentmodifizierung jedoch nur sehr vereinzelt<br />

auftraten (Abb. 97).<br />

Günstige Bedingungen für einen morphologischen Nachweis des Festigungsmittels lagen an<br />

den Stellen vor, wo Gefügebestandteile (Mineralkörner oder Gipskristalle) bei der Probenpräparation<br />

(Erzeugen einer Bruchfläche) ausgebrochen waren. Das Festigungsmittel hinterließ<br />

dabei typische Menisken (Abb. 98). An diesen Strukturen konnte ein Nachweis mittels EDX<br />

erfolgen und die Filmdicke ließ sich bestimmen. Sie lag meist unter 10 nm.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 97<br />

2) Festigung<br />

An der betreffenden Terrakotta-Medaillonplatte wurde eine vollflächige Festigung mit dem<br />

Schutzstoff 219 (modifiziertes Polyurethan, Feststoffgehalt 30 %) durchgeführt. Bereits während<br />

der Applikation traten Probleme auf. Das Festigungsmittel wurde nur äußerst langsam und in<br />

geringer Menge von der Terrakotta aufgenommen. Nach Abschluß der Festigung wiesen die<br />

Plattenoberflächen einen unakzeptablen seidigen Glanz auf.<br />

Ziel der mikroskopischen Untersuchungen hierzu war es, die Ursachen für die mißlungene<br />

Festigung zu ermitteln.<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Im Gegensatz zu den siliziumorganischen Festigern erscheint das überwiegend organische<br />

Festigungsmittel auf PU-Basis im Materialkontrast deutlich dunkler als die Terrakotta. Damit<br />

lagen günstige Bedingungen für den mikroskopischen Nachweis und die Lokalisierung vor.<br />

Die mikroskopischen Untersuchungen von Bruchflächen im REM zeigten erhebliche Anreicherungen<br />

des Festigungsmittels an der Oberfläche sowie in der oberflächennahen<br />

Schädigungszone der Terrakotta (Abb. 99 und 100).<br />

Die größten Filmdicken an den Terrakottaoberflächen betrugen 50-100 µm. Solche massiven<br />

Abscheidungen traten über dichten, vergipsten Gefügeabschnitten auf (Abb. 99). In diesen<br />

Bereichen war ein Eindringen des Festigungsmittels in die Terrakotta offenbar nicht möglich.<br />

Demgegenüber sind in den oberflächennahen Lockerungszonen die vorhandenen Wegsamkeiten<br />

häufig vollständig mit Festigungsmittel gefüllt (Abb. 100 bis 102).<br />

Selbst in einigen mm Tiefe ist der morphologische Nachweis an den Flanken breiterer Risse<br />

zweifelsfrei möglich (Abb. 103).<br />

Im Porenraum der Terrakotta hinter dem geschädigten Gefügeabschnitt war ein Eindringen des<br />

Festigungsmittels mikroskopisch nicht nachweisbar. Die vorhandenen Wegsamkeiten waren<br />

frei.<br />

Schweriner Schloß<br />

Unbehandelte Terrakotta<br />

Abb. 90:<br />

Unbehandelte Plattenoberfläche<br />

(gleiche Vergrößerung<br />

wie Abb. 91).<br />

Mikrokristalline Schmutzschicht<br />

auf der Terrakotta.<br />

[REM-RE-Aufnahme an<br />

der Oberfläche]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 98<br />

Schweriner Schloß<br />

Terrakotta-Vorfestigung<br />

Abb. 91:<br />

Vergleichsaufnahme zur<br />

unbehandelten Plattenoberfläche<br />

in Abb 90.<br />

Festigungsmittel VP9-66<br />

Ace (KSE-Konzentration<br />

66 %) an nicht vorgenäßter<br />

Terrakottaoberfläche.<br />

Es sind rundlich-plattige<br />

Strukturen zu erkennen.<br />

Detail s. Abb. 92<br />

[REM-SE-Aufnahme an<br />

der Oberfläche]<br />

Abb. 92:<br />

Detail aus Abb. 91.<br />

Bei den rundlich-plattigen<br />

Strukturen handelt es sich<br />

wahrscheinlich um Terrakotta/Gips-Partikel,<br />

die<br />

von Festigungsmittel<br />

überzogen sind.<br />

Aufgrund der Weichsegmentmodifizierung<br />

treten<br />

keine Schwindrisse im<br />

Festigungsmittelfilm auf.<br />

[REM-SE-Aufnahme an<br />

der Oberfläche]<br />

Abb. 93:<br />

EDX-Spektrum des<br />

Festigers VP9-66 Ace,<br />

(integrale Messung über<br />

den gesamten Bildbereich<br />

von Abb. 92).<br />

Für die siliziumorganische<br />

Verbindung ist ein Si-<br />

Peak charakteristisch.<br />

[EDX-Spektrum]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 99<br />

Schweriner Schloß<br />

Terrakotta-Vorfestigung<br />

Abb. 94:<br />

Festigungsmittel VP9-50A<br />

(KSE-Konzentration 50%)<br />

an Terrakottaoberfläche.<br />

Im Gegensatz zu den<br />

Strukturen in Abb. 91 hat<br />

das KSE an der vorliegenden<br />

Probe einen gleichmäßigen<br />

Film gebildet.<br />

Vor der Applikation wurde<br />

die Oberfläche mit Alkohol<br />

vorgenäßt.<br />

[REM-SE-Aufnahme an<br />

der Oberfläche]<br />

Abb. 95:<br />

Vorfestigungsmittel aus<br />

Abb. 94 bei höherer<br />

Vergrößerung.<br />

Es sind Fließstrukturen<br />

und eine gleichmäßige<br />

Filmbildung zu erkennen.<br />

Es sind keine Schwindrisse<br />

vorhanden.<br />

[REM-SE-Aufnahme an<br />

der Oberfläche]<br />

Abb. 96:<br />

EDX-Spektrum des Festigungsmittels<br />

VP9-50A,<br />

(integrale Messung über<br />

den gesamten Bildbereich<br />

von Abb. 95).<br />

Die Elementzusammensetzung<br />

(dominierender<br />

Si-Peak) ist charakteristisch<br />

für einen Kieselsäureester<br />

und identisch<br />

der des VP9-66Ace (vgl.<br />

Abb. 93).


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 100<br />

Schweriner Schloß<br />

Terrakotta-Vorfestigung<br />

Abb. 97:<br />

Vorfestigungsmittel VP9-<br />

50A im oberflächennahen<br />

Porenraum derTerrakotta.<br />

Über die vereinzelt auftretenden<br />

feinen Schwindrisse<br />

(Pfeile) im erhärteten<br />

KSE können die Festigungsmittel<br />

im Porenraum<br />

morphologisch nachgewiesen<br />

werden.<br />

[REM-SE-Aufnahme an<br />

einer Bruchfläche]<br />

Abb. 98:<br />

Menisken des Vorfestigungsmittels<br />

VP9-50A<br />

(Pfeile) im Porenraum der<br />

Terrakotta.<br />

Diese Menisken<br />

entstehen durch das<br />

Ausbrechen von Partikeln<br />

bei der Präparation<br />

(Erzeugen einer<br />

Bruchfläche senkrecht zur<br />

Oberfläche).<br />

An diesen Strukturen<br />

kann die Filmdicke<br />

abgeschätzt werden.<br />

[REM-SE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfl.]<br />

Schweriner Schloß<br />

Terrakotta-Festigung<br />

Abb. 99:<br />

Das Festigungsmittel<br />

(PUR) ist als dunkle<br />

Schicht (zwischen den<br />

Pfeilen) über einem durch<br />

Gips verdichteten Gefügeabschnitt<br />

nachweisbar.<br />

Die Verdichtung ist die<br />

Folge von Gipskristallisation<br />

im oberflächennahen<br />

Porenraum der<br />

Terrakotta.<br />

[REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfl.]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 101<br />

Schweriner Schloß<br />

Terrakotta-Festigung<br />

Abb. 100:<br />

Festigungsmittel (PUR) in<br />

oberflächennaher<br />

Lockerungszone.<br />

Im Gegensatz zu Abb. 99<br />

waren hier aufgrund der<br />

Gefügeschäden Wegsamkeiten<br />

vorhanden, in<br />

die das Festigungsmittel<br />

eingedrungen ist (Pfeile).<br />

[REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfl.]<br />

Abb. 101:<br />

Detail aus Abb. 100:<br />

Die ehemals vorhandenen<br />

Wegsamkeiten und Poren<br />

sind vollständig mit<br />

Festigungsmittel gefüllt<br />

(dunkle Bereiche).<br />

[REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfl.]<br />

Abb. 102:<br />

Vollständig mit Festigungsmittel<br />

(PUR) gefüllter<br />

Riß unmittelbar hinter<br />

der Oberfläche (Pfeil).<br />

Die Rißweite beträgt etwa<br />

100 µm. Aufgrund des<br />

überwiegend organischen<br />

Charakters des Festigungsmittels<br />

erscheint es<br />

im Materialkontrast dunkler<br />

als die Terrakotta.<br />

[REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfl.]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 102<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Schweriner Schloß<br />

Terrakotta-Festigung<br />

Abb. 103:<br />

Das Festigungsmittel<br />

(PUR) ist auch einige mm<br />

unter der Oberfläche auf<br />

Rißflanken nachweisbar<br />

(Pfeil) . Im Gegensatz<br />

zum oberflächennahen<br />

Bereich ist der Riß hier<br />

nicht vollständig gefüllt<br />

(Rißweite > 100 µm).<br />

[REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfl.]<br />

1) Vorfestigung<br />

An den Oberflächen der Platten, an denen eine Vorfestigung mit modifiziertem Kieselsäureester<br />

durchgeführt wurde, ist das Festigungsmittel als filmartiger Überzug nachweisbar. Die<br />

elastifizierende Wirkung der Weichsegmentmodifizierung auf die Filmbildung war deutlich<br />

erkennbar. Die für Kieselsäureester typischen Schwindrisse traten auch bei großen Filmdicken<br />

praktisch nicht auf.<br />

Die mikroskopisch nachgewiesenen Unterschiede in der Filmdicke sind auf die unterschiedlichen<br />

Wirkstoffkonzentrationen und den Einfluß des Vornässens der Plattenoberflächen<br />

zurückzuführen. Hohe KSE-Wirkstoffkonzentrationen und der Verzicht auf Vornässen führen zu<br />

starken Gelabscheidungen an den Oberflächen. Die dabei entstandenen dicken Filme hatten<br />

eine Verringerung der kapillaren Wasseraufnahme und eine Überfestigung zur Folge (Wendler<br />

1995).<br />

Durch den Einsatz geringerer Wirkstoffkonzentrationen und Vornässen der Plattenoberflächen<br />

mit Ethanol konnte die Filmdicke reduziert werden. Die Behinderung der Wasseraufnahme war<br />

entsprechend geringer.<br />

Es ist davon auszugehen, daß die Aufnahme eines Festigungsmittels mit hoher Gelabscheidungsrate<br />

durch oberflächliche Verschmutzungen und/oder oberflächennahe Gipshorizonte<br />

stärker behindert wird als die Aufnahme eines Festigers mit niedrigerer Gelabscheidungsrate.<br />

Die Festigungsmittel auf KSE-Basis konnten im REM insbesondere an den Oberflächen und in<br />

oberflächennahen Schädigungshorizonten der Terrakotten nachgewiesen werden. Zur<br />

Identifizierung sind die filmartige Morphologie, Schwindrisse sowie in Zwickeln auftretende<br />

Menisken geeignet. Im Porenraum der intakten Terrakotta erschweren die Sinterformen des<br />

Scherbens den morphologischen Nachweis dünner Filme erheblich. Aufgrund der geringen<br />

Filmdicken sind die Unterschiede im Materialkontrast zwischen siliziumorganischem Festigungsmittel<br />

und Terrakotta für eine Unterscheidung im mikroskopischen Bild zu gering.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 103<br />

Ein EDX-Nachweis der Kieselsäureester auf silikatischen Untergründen ist nur bei größeren<br />

Filmdicken aussagekräftig. Bei geringen Filmstärken erschweren Überlagerungen im Elementbestand<br />

(Si ist Hauptelement im Terrakottaspektrum und im Festigungsmittel) den Nachweis.<br />

Das bedeutet, daß an Terrakotta die Eindringtiefe des Festigungsmittels im REM nicht sicher<br />

bestimmt werden kann.<br />

2) Festigung<br />

Die Festigung erfolgte mit einem Schutzstoff auf Polyurethanbasis. Durch den hohen Gehalt an<br />

organischen Bestandteilen erscheint dieses Festigungsmittel im Materialkontrast dunkel und<br />

kann im mikroskopischen Bild gut von der Terrakotta bzw. vom Gips unterschieden werden.<br />

Damit konnte die Eindringtiefe besser bewertet werden als bei Kieselsäureestern.<br />

An der gefestigten Terrakottaplatte wurden erhebliche Anreicherungen des Festigungsmittels<br />

an der Oberfläche sowie in oberflächennahen Schadenshorizonten nachgewiesen. Hierbei war<br />

ersichtlich, daß die Gefügebestandteile nicht wie angestrebt mit einem Film überzogen sind,<br />

sondern alle vorhandenen Wegsamkeiten bis in einige mm Tiefe mit Festigungsmittel verfüllt<br />

sind.<br />

Die negativen Folgen sind eine Überfestigung, der fast vollständige Verschluß der Wegsamkeiten<br />

innerhalb des geschädigten Gefüges sowie eine Glanzbildung an den Plattenoberflächen.<br />

Die REM-Untersuchungen belegen eine sehr begrenzte Eindringtiefe von einigen mm.<br />

Morphologische Hinweise auf eine vorzeitige Erstarrung des Wirkstoffsystems PUR gibt es nicht.<br />

Daher ist anzunehmen, daß das Eindringen des Festigungsmittels zum Zeitpunkt der Applikation<br />

durch eine Wassersättigung des Porenraumes unmittelbar hinter dem geschädigten<br />

Gefügeabschnitt großflächig blockiert war.<br />

Dafür sprechen auch die Ergebnisse von Materialfeuchte- und Temperaturmessungen am<br />

Objekt (Wendler 1995) und vor allem Laboruntersuchungen von Riecken (1995) an<br />

geschädigten Terrakotten. Hierbei wurde nachgewiesen, daß die wärmere Außenzone der<br />

Platten im Tagesverlauf Feuchte aus einem offensichtlich großen Reservoir im Inneren<br />

aufnimmt. Der Temperaturanstieg an der Außenseite der Platten führt jedoch nicht zu einer<br />

nennenswerten Austrocknung des Materials. Diese Feststellung wird zunächst über regelmäßige<br />

Taupunktunterschreitungen als Folge nächtlicher Abkühlung erklärt. Gleichzeitig sollen niedrige<br />

Tagesmittelwerte zu einem raschen und dauerhaften Anstieg der relativen Feuchte in den<br />

überhygroskopischen Bereich und damit zu einer raschen Wassersättigung im Porenraum bei<br />

scheinbar trockener Oberfläche geführt haben.<br />

Im Gliederungspunkt 4.1.6 wurde die Wirkung von Auflagerungen und Krusten, oberflächennahen<br />

Gipshorizonten und aufgefächerten Paralleltexturen als Trocknungsblockade detailliert<br />

dargelegt. Die mißglückte Festigung ist der „experimentelle Beweis“ für die Trocknungsbehinderung<br />

und den Feuchtestau hinter geschädigten Gefügeabschnitten und einer direkten,<br />

für die Konservierung schwerwiegenden Folge.<br />

Durch die mikroskopischen Untersuchungen konnte der ursächliche Zusammenhang zwischen<br />

den Gefügestrukturen stark geschädigter Terrakotten und den daraus resultierenden bauphysikalischen<br />

Eigenschaften geklärt werden.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 104<br />

4.1.9.2 Kompressenbehandlung zur Gipsminderung<br />

Ziel der Kompressenbehandlung war es, den im oberflächennahen Porenraum der Terrakotten<br />

angereicherten Gips soweit zu mobilisieren, daß die kapillare Saugfähigkeit deutlich angehoben<br />

wird. Damit sollten die Erfolgsaussichten einer Schutzstoffaufnahme verbessert werden. Hierzu<br />

wurden zwei Ansätze verfolgt:<br />

1) Wasserkompressen<br />

2) Ammoniumkarbonat-Kompressen<br />

Nach Abnahme der Kompressen zeigten sich auf einigen Platten teils lockere, teils fest<br />

haftende Ausblühungen bzw. dünne, weiße Beläge (Abb. 104).<br />

Ziel der mikroskopischen Untersuchungen war es, die Ausblühungen zu charakterisieren und<br />

die Ursachen ihrer Entstehung zu klären.<br />

1) Wasserkompressen<br />

Technologie<br />

Schweriner Schloß<br />

Kompressenbehandlun<br />

g der Terrakotta<br />

(Wasser)<br />

Abb. 104:<br />

Plattenoberfläche mit<br />

weißen Ausblühungen<br />

nach Abnahme der<br />

Kompressen.<br />

Die Pfeile kennzeichnen<br />

Probenentnahmestellen<br />

.<br />

Auf die Terrakottaoberflächen wurde eine Lage Japanpapier aufgelegt. Dadurch sollte sichergestellt<br />

werden, daß die eigentliche Kompressenschicht nach der Anwendung rückstandsfrei<br />

entfernt werden kann (Krause 1995).<br />

Die Vornäßkompressen (650 g Arbocel pur 200 auf 4 Liter Wasser) dienten dem Wassereintrag<br />

in die Platten. Hierzu wurden sie über einen Zeitraum von einer Woche regelmäßig nachgenäßt.<br />

Als Schutz gegen Verdunstung des Wassers war es erforderlich, die Außenseite mit einer Folie<br />

zu bedecken.<br />

Nach Abschluß der Vornäßzeit sollten das eingetragene Wasser und die darin gelösten Salze<br />

über verdunstungsaktive Kompressen aus den Porträtterrakotten entfernt werden. Um die<br />

Verdunstung zu beschleunigen wurde die Porosität des Kompressenmaterials (Arbocel<br />

Compound AB) durch Zugabe von Vollglaskugeln und Quarzsand (Körnung 0,2 bis 0,4 mm)<br />

erhöht und auf eine Abdeckung verzichtet.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 105<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Auf den Oberflächen der mit Wasserkompressen behandelten Terrakotten waren Ausblühungen<br />

vorhanden, die als Tupfproben ohne zusätzliche Schädigung der Terrakottaoberflächen<br />

entnommen wurden.<br />

Bei der anschließenden Untersuchung im REM stellte sich heraus, daß es sich um Gips<br />

handelt. Die Identifizierung erfolgte mittels EDX-Analyse (ohne Abb.). Auffällig waren die<br />

kurzsäulige Morphologie und die stellenweise vorhandenen Anlösungsformen (Abb. 105).<br />

Häufig haben sich Gipsaggregate gebildet, die sich aus einzelnen, etwa 5 µm großen<br />

Kristalliten zusammensetzen.<br />

In den Gipsablagerungen sind häufig Papierfasern vorhanden, die von stark angelösten<br />

Gipskristallen umhüllt sind (Abb. 106).<br />

2) Ammoniumcarbonat-Kompressen<br />

Technologie<br />

Parallel zu den Wasserkompressen (s.o.) kam eine chemische Gipsumwandlung zur Anwendung,<br />

die für stark vergipste Wandmalereien entwickelt wurde. Die als Matteini-Verfahren<br />

bekannte Behandlung oberflächlicher Vergipsungen basiert auf der Umsetzung des Gipses mit<br />

Ammoniumcarbonat unter Bildung von Calcit und Ammoniumsulfat (Matteini 1994). Dabei<br />

entsteht leicht lösliches Ammoniumsulfat, das im vorliegenden Fall über eine Verdunstungskompresse<br />

aus den Platten entfernt werden sollte.<br />

Auf die übliche Nachbehandlung mit Bariumhydroxid, die zur Bildung von schwer löslichem<br />

Bariumsulfat führt, wurde verzichtet.<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

In den Ausblühungen, die an den Oberflächen der Platten auftraten, waren zwei Salze<br />

nachweisbar.<br />

Hauptbestandteil war - analog zu den Wasserkompressen - Gips, jedoch mit einer signifikant<br />

abweichenden Morphologie. Im Ergebnis der Ammoniumcarbonatbehandlung traten nadelige<br />

bis leistenförmige Gipsformen auf. Die Länge der einzelnen Kristalle betrug meist < 10 µm<br />

(Abb. 107).<br />

Weiterhin war an den Plattenoberflächen ein Salz nachweisbar, daß morphologisch, durch den<br />

Materialkontrast und über die EDX-Analyse vom Gips unterschieden werden konnte (Abb. 108).<br />

Im Elementspektrum tritt nur ein S-Peak auf (Abb. 109), sehr wahrscheinlich handelt es sich um<br />

Ammonium-Sulfat: (NH4)2[SO4].<br />

Mit dem Ziel, die chemische Umsetzung Gips → Calcit mikroskopisch nachzuweisen, wurden<br />

zusätzlich REM-Untersuchungen an Bruchflächen senkrecht zur Oberfläche durchgeführt.<br />

Dabei konnten im oberflächennahen Porenraum sehr vereinzelt Gips- und Calcitkristalle<br />

nachgewiesen werden. Die Gipskristalle zeigen sehr starke Lösungsformen, während die<br />

feinkristalline Calcitmorphologie typisch für Neubildungen ist (Abb. 110).


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 106<br />

Schweriner Schloß<br />

Kompressenbehandlung<br />

der Terrakotta (Wasser)<br />

Abb. 105:<br />

Gipsausblühungen als<br />

Folge der Wassereinwirkung<br />

während der Kompressenbehandlung.<br />

Kurzsäulige Kristallite mit<br />

Anlösungen<br />

(vgl. Abb. 107: Gipsmorphologien<br />

als Folge<br />

von Ammoniumcarbonateinwirkung).<br />

[REM-SE-Aufnahme an<br />

der Oberfläche]<br />

Abb. 106:<br />

Die Ausblühungen enthalten<br />

häufig Japanpapierfasern,<br />

die von einer<br />

feinkristallinen<br />

Gipsschicht umhüllt sind.<br />

Hieraus kann geschlossen<br />

werden, daß die<br />

Gipskristallisation<br />

während der<br />

Kompressenbehandlung<br />

erfolgte.<br />

[REM-SE-Aufnahme an<br />

der Oberfläche]<br />

Schweriner Schloß<br />

Kompressenbehandlung<br />

der Terrakotta (Ammoniumcarbonatlösung)<br />

Abb. 107:<br />

Gipsausblühungen als<br />

Folge der Ammoniumcarbonatbehandlung.<br />

Charakteristisch ist eine<br />

faserige Morphologie des<br />

Gipses.<br />

(vgl. Abb. 105: Gipsmorphologien<br />

als Folge<br />

von Wassereinwirkung)<br />

[REM-RE-Aufnahme an<br />

der Oberfläche]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 107<br />

Schweriner Schloß<br />

Kompressenbehandlung<br />

der Terrakotta (Ammoniumcarbonatlösung)<br />

Abb. 108:<br />

Ammoniumsulfatkristalle.<br />

Diese Ausblühungen sind<br />

die Folge unvollständiger<br />

Entfernung der Ammoniumsulfatlösung<br />

aus dem<br />

Porenraum der Terrakotta.<br />

[REM-RE-Aufnahme an<br />

der Oberfläche]<br />

Abb. 109:<br />

EDX-Spektrum der<br />

Kristalle in Abb. 108.<br />

Der S-Peak stammt vom<br />

Sulfat, Ammonium bzw.<br />

Stickstoff (N) war mit der<br />

EDX nicht nachweisbar.<br />

Alle weiteren Elemente im<br />

Spektrum sind auf die<br />

Anregung der Umgebung<br />

zurückzuführen.<br />

Abb. 110:<br />

Veränderungen im oberflächennahen<br />

Porenraum<br />

der Terrakotta.<br />

Im Ergebnis der Ammoniumcarbonatbehandlung<br />

hat eine Calcitneubildung<br />

stattgefunden (rechter<br />

Pfeil). Der linke Pfeil<br />

markiert einen stark<br />

angelösten Gipskristall.<br />

[REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfl.]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 108<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Ausblühungen gehören nicht zum eigentlichen Schadensbild der untersuchten Terrakotten, so<br />

daß ihre Entstehung spezielle Ursachen haben muß. Aus den mikroskopischen Analysen der<br />

Ausblühungen auf den Plattenoberflächen können die ursächlichen Zusammenhänge ihrer<br />

Entstehung mit den durchgeführten Kompressenbehandlungen zur Salzminderung nachgewiesen<br />

werden.<br />

1) Wasserkompressen<br />

Die Wasserkompressen-Anwendung hat zu einem Transport gelösten Gipses aus den<br />

Terrakotten geführt. In der Dokumentation zur Kompressenentsalzung (Krause 1995) wird<br />

darauf hingewiesen, daß während der Trocknungszeit der Verdunstungskompressen neben<br />

Rissen im Kompressenmaterial auch partielle Ablösungen vom Untergrund auftraten. Hierdurch<br />

wurde der kapillare Transport des gelösten Gipses aus der Terrakotta in die verdunstungsaktive<br />

Kompresse unterbrochen, was zu Gipskristallisation innerhalb dieses Luftspaltes zwischen<br />

Terrakotta und Kompresse geführt hat.<br />

Gipsumschlossene Japanpapierfasern in den Ausblühungen beweisen, daß die Gipskristallisation<br />

während der Kompressenbehandlung erfolgt sein muß.<br />

Im oberflächennahen Porenraum waren im REM keine signifikanten Veränderungen der<br />

Morphologie der Gipskristalle erkennbar. Damit konnte ein mikroskopischer Nachweis für die<br />

Öffnung von Wegsamkeiten in den Gipshorizonten als Folge der Wassereinwirkung nicht<br />

erbracht werden.<br />

2) Ammoniumcarbonat-Kompressen<br />

Die Applikation von Ammoniumcarbonatlösung mittels Kompressen hat ebenfalls zu Gipsausblühungen<br />

geführt, deren Auftreten wiederum eine Gipsmobilisierung und gleichzeitig einen<br />

stellenweise unzureichenden kapillaren Kontakt der Kompressen mit den sehr unregelmäßigen<br />

Oberflächenstrukturen der geschädigten Terrakotten beweist.<br />

Aufgrund der Unterschiede in den Kristallformen (faserige Kristalle bei Einwirkung von<br />

Ammoniumcarbonat gegenüber kurzsäuligen Gipskristallen bei Wassereinwirkung), wird ein<br />

Einfluß des Ammoniumcarbonats auf die entstehenden Gipsmorphologien angenommen.<br />

Das Auftreten von Ammonium-Sulfat-Ausblühungen belegt eine unvollständige Entfernung<br />

dieses stark hygroskopischen Zwischenproduktes aus dem Porenraum der behandelten Platten,<br />

was später zu großen Problemen führen kann.<br />

Im Ergebnis der REM-Untersuchungen konnte festgestellt werden, daß die chemische<br />

Umsetzung Gips → Calcit nur in geringem Umfang stattgefunden hat. Nach chemischen<br />

Analysen kam Wittenburg (1995) zu einer vergleichbaren Einschätzung.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 109<br />

4.1.9.3 Oberflächenkonsolidierung durch Schalenhaftmörtel und Schlämmen<br />

Eine erste Stabilisierung der mürben Gefüge stark geschädigter Terrakotten erfolgte über eine<br />

strukturelle Festigung (Gliederungspunkt 4.1.9.1).<br />

Es war jedoch zusätzlich erforderlich, das sehr uneinheitliche Saugverhalten über die Oberflächen<br />

möglichst anzugleichen. Das betraf insbesondere die Terrakotten, an denen noch<br />

größere Teile der Originaloberflächen erhalten waren. Hierbei war außerdem das Problem der<br />

auffächernden Randbereiche von Schalen zu lösen.<br />

Zur konservatorischen Behandlung dieser Zustände wurden von Mitarbeitern des Fachbereiches<br />

Chemie der Uni GH Siegen (BCS) ein Schalenhaftmörtel und zwei Glättmörtel<br />

entwickelt und an den Testflächen des Schweriner Schlosses appliziert.<br />

Der Schalenhaftmörtel soll einerseits lockere Schalen am Untergrund befestigen und<br />

andererseits als Anböschmörtel deren Randbereiche schließen.<br />

Aufgabe eines Glättmörtels ist es, als dünne, struktursichtige Schicht die Oberflächen zu<br />

konsolidieren und hinsichtlich ihrer hygrischen Eigenschaften zu homogenisieren.<br />

Die wesentlichen Bestandteile dieser Systeme (Schalenhaftmörtel, Glättmörtel Typ I und II) sind<br />

der Tabelle 12 zu entnehmen, die genauen Rezepturen, technologischen Eigenschaften und<br />

Kennwerte sind in Böttger (1995a) und (1995b) enthalten.<br />

Zusätzlich wurde eine Schlämme getestet, die auf der Basis eines wässrig-kolloidalen Silikasols<br />

hergestellt wurde (Typ III in Tabelle 12). Zur Erhöhung der Steifigkeit wurde amorphe<br />

Kieselsäure zugegeben (Wendler 1997).<br />

Die Applikation der Schlämme erfolgte in zwei Schritten. Zunächst wurde ein Grundanstrich mit<br />

dem reinen Bindemittel aufgetragen. Der anschließende Deckanstrich mit dem gleichen System<br />

enthielt zusätzlich Ziegelmehl als Füllstoff und Pigment.<br />

Tabelle 12: Bindemittel, Zuschläge und Zusätze der mineralischen Mörtel für die Oberflächenkonsolidierung<br />

von Terrakotten<br />

Bindemittel Hüttensand<br />

Gips<br />

PZ 45 F HS NA<br />

Füllstoffe Quarzmehl<br />

Glaskugeln<br />

Zusätze Stabilisator<br />

Verflüssiger<br />

Kunststoffdispersion<br />

Pigmente<br />

u.a.<br />

Schalenhaftmörtel / Glättmörtel / Schlämmen<br />

Anböschmörtel Typ I Typ II Typ III<br />

HOZ 35 I NW/HS NA<br />

Hydraulischer Kalk<br />

Hüttensand<br />

Gips<br />

PZ 45 F HS NA<br />

Silikasol<br />

X30/5<br />

W30/5<br />

Glaskugeln Glaskugeln Ziegelmehl<br />

Verflüssiger<br />

Pigmente<br />

u.a.<br />

Verflüssiger<br />

Pigmente<br />

u.a.<br />

amorphe<br />

Kieselsäure<br />

Abbildungen 111 112 und 113 114 bis 117<br />

An den genannten Systemen wurden lichtmikroskopische Untersuchungen zur Gefügebeurteilung<br />

(Homogenität, Risse etc.) sowie zur Bewertung der Haftung an den Terrakotten<br />

durchgeführt.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 110<br />

1) Schalenhaftmörtel / Anböschmörtel<br />

Mikroskopische Untersuchungen<br />

Der Schalenhaftmörtel ist in die seitlich zugänglichen Risse eingedrungen und haftet gut am<br />

aufgefächerten Gefüge aus Terrakotta und Gips (Abb. 111). Die maximal erreichte seitliche<br />

Eindringtiefe beträgt 1,2 mm, wobei der Aufbau der Lockerungszone diese Grenze gesetzt hat.<br />

Die innerhalb der geschädigten Gefüge vorhandenen Wegsamkeiten sind für die hoch viskosen<br />

Mörtelsysteme nicht erreichbar.<br />

Die Homogenität ist stellenweise nicht optimal. Lagenweise sind füllstoffarme Anreicherungen<br />

von Bindemittel und Pigment zu erkennen. Ursache hierfür ist wahrscheinlich die Auftragstechnik<br />

mit Feinspachtel und Pinsel in mehreren Arbeitsschritten.<br />

2) Glättmörtel / Schlämmen<br />

Mikroskopische Untersuchungen<br />

Die beiden Mörtelsysteme (Typ I und Typ II in Tabelle 12) weisen ein homogenes Gefüge auf<br />

und sind rißfrei erhärtet. Die Schichtdicken liegen zwischen 30 µm und 1,5 mm. Die<br />

mikroskopisch erkennbaren Unterschiede zwischen beiden Systemen sind vernachlässigbar.<br />

Aus diesem Grund erfolgt die Beschreibung beispielhaft am Typ I:<br />

In Abb. 112 ist das homogene Gefüge des Mörtels zu erkennen. Die Füllstoffe (Glaskugeln)<br />

und die Poren sind gleichmäßig verteilt. Die Haftung an den geschädigten Oberflächen ist sehr<br />

gut.<br />

Selbst bei der schwierigen Untergrundsituation eines aufblätternden Randbereiches aus<br />

Schalen und Schuppen ist die Haftung ohne Beanstandungen (Abb. 112 und 113).<br />

Die mikroskopischen Untersuchungen der Silikasolschlämme (Typ III in Tabelle 12) zeigen<br />

grundlegende Unterschiede in der Gefügeausbildung gegenüber den Mörtelsystemen.<br />

Charakteristisch für das kieselige Bindemittel sind breite, meist senkrecht zur Oberfläche<br />

orientierte Schwindrisse zwischen den Gelplatten (Abb. 114 und 115). Mikroskopisch ist ein<br />

zweischichtiger Auftrag nachweisbar. In der Grundierungsschicht sind keine Füllstoffe oder<br />

Pigmente vorhanden, während in der zweiten Schicht Ziegelmehl als Pigment enthalten ist.<br />

Die Gesamtschichtdicke schwankt zwischen 0,2 und 0,4 mm. Die Haftung an der geschädigten<br />

Terrakottaoberfläche ist gut.<br />

Das Ziegelmehl ist weitgehend homogen im Deckanstrich der Schlämme verteilt.<br />

Stellenweise sind bereits kurze Zeit nach Applikation der Silikasolschlämme Abplatzungen an<br />

den Terrakottaoberflächen aufgetreten (Abb. 116).<br />

Die lichtmikroskopische Untersuchung der abgeplatzten dünnen Schale zeigt, daß der Abriß<br />

nicht innerhalb der Schlämme, sondern in der geschädigten Terrakotta erfolgte (Abb. 117).<br />

Weiterhin ist zu erkennen, daß die Grundierung eine relativ dicke, schwindrißreiche Schicht auf<br />

der Terrakottaoberfläche gebildet hat. Hierauf befindet sich der pigmentierte Deckanstrich.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 111<br />

Schweriner Schloß<br />

Schalenhaftmörtel /<br />

Anböschmörtel<br />

Abb. 111:<br />

Anböschmörtel am stark<br />

geschädigten Gefüge der<br />

Terrakotta.<br />

Der Mörtel wurde seitlich<br />

an die aufgefächerte<br />

Terrakotta angetragen<br />

(rechter Bildteil, Pfeile).<br />

Die Haftung ist ohne<br />

Beanstandungen.<br />

Innerhalb des Anböschmörtels<br />

sind jedoch Inhomogenitäten<br />

durch lagenweise,<br />

zuschlagarme<br />

Anreicherungen von<br />

Bindemittel und Pigment<br />

zu erkennen.<br />

[PolMi-Aufnahme, + Pol.,<br />

Bildhöhe ca.1,7 mm]<br />

Schweriner Schloß<br />

Glättmörtel / Schlämme<br />

(Typ I)<br />

Abb. 112:<br />

Glättmörtel (Pfeile) über<br />

dem aufgefächerten<br />

Randbereich einer<br />

Schale.<br />

Das Gefüge ist homogen<br />

und die Haftung an der<br />

geschädigten Terrakotta<br />

ist ohne Beanstandungen.<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite ca.1,3 mm]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 112<br />

Schweriner Schloß<br />

Glättmörtel / Schlämme<br />

(System I)<br />

Abb. 113:<br />

Glättmörtel (System I) an<br />

der Oberfläche einer<br />

geschädigten Terrakotta.<br />

Die Pfeile markieren den<br />

Glättmörtel, dessen<br />

Schichtdicke etwa 0,25<br />

mm beträgt.<br />

Die Haftung ist ohne<br />

Beanstandungen.<br />

[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />

Bildbreite ca. 1,3 mm]<br />

Schweriner Schloß<br />

Glättmörtel / Schlämme<br />

(Typ III)<br />

Abb. 114:<br />

Silikasolschlämme an<br />

stark geschädigter Oberfläche<br />

(Pfeile). Charakteristisch<br />

für dieses Bindemittel<br />

sind Schwindrisse<br />

zwischen den<br />

„Gelplatten“.<br />

Als Pigment und Füllstoff<br />

wurde Ziegelmehl<br />

verwendet.<br />

[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />

Bildbreite ca. 1,3 mm]<br />

Abb. 115:<br />

Detail aus Abb. 114<br />

(90° gedreht):<br />

Die Grundierung ist nicht<br />

überall vorhanden. Stellenweise<br />

befindet sich der<br />

Deckanstrich unmittelbar<br />

auf der Terrakotta.<br />

Die Gesamtschichtdicke<br />

schwankt zwischen 0,2<br />

und 0,4 mm. Die Pfeile<br />

markieren den Deckanstrich.<br />

[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />

Bildbreite ca. 0,7 mm]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 113<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Schweriner Schloß<br />

Glättmörtel / Schlämme<br />

(Typ III)<br />

Abb. 116:<br />

Detail der Oberfläche<br />

einer Terrakottaplatte<br />

nach Applikation der<br />

Silikasolschlämme. An<br />

mehreren Stellen sind<br />

Abplatzungen festzustellen.<br />

Abb. 117:<br />

Abgeplatzte Schlämme<br />

aus Abb. 116 als Querschnitt<br />

im Lichtmikroskop.<br />

Die Grundierung (helle,<br />

rissige Schicht ohne<br />

Ziegelmehl) ist nicht<br />

eingedrungen.<br />

Der helle Saum an der<br />

Unterseite der Terrakotta<br />

wird durch Klebstoffreste<br />

aus der Präparation hervorgerufen.<br />

[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />

Bildbreite ca. 0,7 mm]<br />

Die mikroskopischen Untersuchungen der Schalenhaft- bzw. Anböschmörtel sowie der<br />

mineralischen Glättmörtel haben gezeigt, daß diese Materialien eine sehr gute Haftung, rißfreie<br />

Erhärtung und ein überwiegend gleichmäßiges Gefüge aufwiesen.<br />

Die in den Anwendungsbereichen dieser Systeme besonders ausgeprägten Oberflächen- und<br />

Gefügeschäden bilden einen komplizierten Untergrund, der aus Terrakotta, Gips sowie<br />

Schmutzfilmen oder -krusten bestehen kann. Nach mikroskopischen Bewertungskriterien sind<br />

die untersuchten Stoffsysteme sowohl für die Anböschung von Schalen als auch für die<br />

Behandlung rückgewitterter Oberflächen geeignet.<br />

Geringfügige Inhomogenitäten in den Anböschmörteln sind auf Entmischungen zurückzuführen,<br />

die durch die Applikationstechnik hervorgerufen werden (mehrlagiger Auftrag mit Spatel und<br />

Pinsel).


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Terrakotta 114<br />

Bei den Schlämmen auf Silikasolbasis sind stellenweise bereits nach kurzer Zeit Schäden<br />

aufgetreten. Aus den mikroskopischen Untersuchungen können Hinweise auf einen Einfluß der<br />

Schichtdicke der Grundierung auf die Schadensentstehung abgeleitet werden.<br />

An der abgeplatzten Schale war nachweisbar, daß die Vorbehandlung der Oberflächen mit<br />

reinem Bindemittel (ohne Füllstoffe und Pigmente) zur Ablagerung dieser Grundierungsschicht<br />

auf der Terrakotta geführt hat. Ursache hierfür war möglicherweise eine eingeschränkte<br />

Saugfähigkeit des Untergrundes. Die große Schichtdicke hat wahrscheinlich zu Spannungen<br />

während der Erhärtung geführt.<br />

Die dabei auftretenden Scherkräfte hatten die Ablösung dünner Schalen zur Folge, wobei der<br />

Abriß in der geschädigten Terrakotta erfolgte. Damit war eine der grundlegenden Forderungen<br />

an die Glättmörtel oder Schlämmen, im Falle fortschreitender Schäden als Opferschicht zu<br />

dienen, nicht erfüllt.<br />

An den geschädigten Terrakotta-Medaillonplatten ist stets mit sehr unterschiedlichen Zuständen<br />

des Untergrundes zu rechnen. Ein System, daß empfindlich auf die Beschaffenheit des<br />

Untergrundes reagiert, ist für die Konsolidierung nicht geeignet.<br />

Die mikroskopischen Untersuchungen belegen diese Beeinträchtigung für die Silikasolschlämme.<br />

Daher ist dieses Material für den vorliegenden Anwendungsfall nicht zu empfehlen.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 115<br />

4.2 Ziegelmauerwerk des Kampischen Hofes in Stralsund<br />

4.2.1 Thematische Schwerpunkte der durchgeführten mikroskopischen<br />

Untersuchungen<br />

Die Übersicht in Tabelle 13 zeigt, zu welchen Themenschwerpunkten am Ziegelmauerwerk<br />

des Kampischen Hofes mikroskopische Untersuchungen durchgeführt wurden. Außerdem<br />

wird auf die Gliederungspunkte verwiesen, in denen die Ergebnisse detailliert dargestellt und<br />

bewertet werden.<br />

Tabelle 13: Übersicht über die Themenschwerpunkte der mikroskopischen Untersuchungen<br />

am Ziegelmauerwerk des Kampischen Hofes in Stralsund<br />

Bauwerksbereich<br />

Themenschwerpunkte der<br />

mikroskopischen<br />

Untersuchungen<br />

Teilaspekt Gliederungspunkt<br />

Mikroskopische Charakterisierung des Ziegelmaterials 4.2.2<br />

Außenmauerwerk<br />

Innenmauerwerk<br />

Gefügeveränderungen und<br />

mikroskopische Schädigungsprofile<br />

(4.2.3)<br />

Auswirkungen der Witterung<br />

auf die NaCl-Kristallisation<br />

(4.2.4)<br />

Gefügeveränderungen und<br />

mikroskopische Schädigungsprofile<br />

(4.2.5)<br />

Auswirkungen einer Raumklimatisierung<br />

auf die NaCl-<br />

Kristallisation (4.2.6)<br />

- Intakte mittelalterliche Ziegel mit<br />

Ausblühungen<br />

- Schädigung mittelalterlicher<br />

Ziegel durch Gips<br />

- Schädigung mittelalterlicher<br />

Ziegel durch NaCl<br />

- Schädigung der Reparaturziegel<br />

des 19. Jh. durch NaCl<br />

- Feuchte Witterung und ergänzende<br />

Laborversuche<br />

4.2.3.1<br />

4.2.3.2<br />

4.2.3.3<br />

4.2.3.4<br />

4.2.4.1<br />

- Trockene Witterung 4.2.4.2<br />

- Gips im Schadensbild der<br />

mittelalterlichen Ziegel<br />

- NaCl im Schadensbild der<br />

mittelalterlichen Ziegel<br />

4.2.5.1<br />

4.2.5.2<br />

- Ausgangszustand 4.2.6.1<br />

- Zustand nach viermonatiger<br />

Klimatisierung<br />

Auswirkungen einer Kompressenbehandlung auf die Salze im<br />

oberflächennahen Porenraum<br />

Vergleich von Kryo-REM- und<br />

REM-Untersuchungen zur<br />

NaCl-Kristallisation (4.2.8)<br />

4.2.6.2<br />

4.2.7<br />

- Kryo-REM-Untersuchung 4.2.8.1<br />

- REM-Untersuchung 4.2.8.2<br />

Modell zum Schadensprozeß am Ziegelmauerwerk des Kampischen Hofes 4.2.9


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 116<br />

4.2.2 Mikroskopische Charakterisierung des Ziegelmaterials<br />

Nach den von Heinecke (1993) und Holst (1995) durchgeführten bauhistorischen Untersuchungen<br />

und Kartierungen können am S-Flügel des Kampischen Hofes anhand visueller<br />

Kriterien verschiedene Bau- und Reparaturphasen unterschieden werden, denen jeweils<br />

bestimmte Ziegelvarietäten zuzuordnen sind. Die flächenmäßig größten Anteile nehmen<br />

mittelalterliche Ziegel und Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts ein.<br />

Zur Gefügecharakterisierung wurden visuell unterschiedliche Ziegel der wesentlichen Baubzw.<br />

Reparaturphasen (Mittelalter, 19. Jh.) im Polarisationsmikroskop untersucht.<br />

Mittelalterliche Ziegel<br />

In einer glasig-amorphen Grundmasse sind die mineralischen Komponenten eingebettet. Die<br />

Farben der Ziegelmatrix im mikroskopischen Präparat unterschieden sich trotz gleicher<br />

Schliffdicke. Sie variieren, auch innerhalb eines Präparates, von gelblich/grünlich über hellbraun<br />

bis dunkelbraun. Ursache hierfür sind wahrscheinlich Schwankungen im Erdalkaligehalt.<br />

Höhere Ca-Gehalte führen zu helleren, gelblichen Ziegelfarben.<br />

Hauptbestandteil der mineralischen Komponenten ist Quarz. Untergeordnet sind auch Feldspäte<br />

(Plagioklas, Mikroklin), Glimmer (überwiegend Muskovit, vereinzelt Biotit), Gesteinsbruchstücke<br />

und Hämatitknollen enthalten. Das Größtkorn dieser Magerungsbestandteile<br />

beträgt etwa 1 mm. Größere Mineralkörner sind meist gerundet, kleinere häufig kantig.<br />

Glimmer ist nur in einzelnen Proben mikroskopisch nachzuweisen. Franke und Tubbesing<br />

(1989) nehmen an, daß sich Glimmerbestandteile in Ziegeln bei Brenntemperaturen über<br />

850° C zersetzen. Ihre Anwesenheit könnte damit als Hinweis auf entsprechend niedrige<br />

Brenntemperaturen gewertet werden.<br />

Folgende Gesteinsbruchstücke waren in den untersuchten Ziegeln enthalten: Granit,<br />

Magmatit, Tonstein, Quarzit, Sandstein, carbonatische Gesteinsbruchstücke.<br />

Die mittelalterlichen Ziegel weisen charakteristische Gefügeinhomogenitäten auf. Der<br />

mikroskopisch erkennbare Porenanteil ist stark schwankend und besteht aus sehr unterschiedlichen<br />

Hohlraum- bzw. Porenformen variierender Größe. Poröse Bereiche mit höheren<br />

Anteilen grober Mineralkörner können unmittelbar neben dichten Gefügeabschnitten mit<br />

wenigen, meist kleinen Mineralkörnern vorliegen (Abb. 118).<br />

Stellenweise treten gerichtete Gefügemerkmale (Quetschstrukturen und Falten im Ton sowie<br />

Texturen aus länglichen Poren und eingeregelten Mineralkörnern) auf. Sie sind auf das<br />

Kneten bzw. Einschlagen des Tones während der Handformgebung zurückzuführen.<br />

Ein weiteres Merkmal der mittelalterlichen Ziegel sind Toneinschlüsse, sogenannte<br />

Tonlunker. Sie sind rotbraun bis schwarz gefärbt, rundlich bzw. unregelmäßig geformt und<br />

weisen häufig nur punktuelle Kontakte mit der umgebenden Ziegelmatrix auf (Abb. 119).<br />

Offenbar tritt an diesen mineralkornarmen Inhomogenitäten während des Ziegelbrandes eine<br />

starke Volumenkontraktion ein. Durch diese Brennschwindung der Tonlunker entstehen<br />

zusätzliche Hohlräume im Scherbengefüge.<br />

Ziegel des 19. Jahrhunderts<br />

Diese Ziegel, die für Ausbesserungen in geschädigten Partien des Außenmauerwerkes<br />

verwendet wurden, können mikroskopisch aufgrund ihres höheren Mineralkorngehaltes, der<br />

erheblich größeren Porosität und des gleichmäßigeren Gefüges von den mittelalterlichen<br />

Ziegeln unterschieden werden (Abb. 120).<br />

Der Mineralbestand der Magerungskomponenten ist mit dem der mittelalterlichen Ziegel<br />

weitgehend identisch.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 117<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund<br />

Ziegelvarietäten<br />

Abb. 118:<br />

Mittelalterlicher Ziegel<br />

Poröses, inhomogenes<br />

Gefüge. Im rechten Teil<br />

des Bildes ist der Mineralkorngehalt<br />

geringer<br />

als in der linken Hälfte.<br />

[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />

Bildbreite ca.2,6 mm]<br />

Abb. 119:<br />

Mittelalterlicher Ziegel<br />

Beispiel für ein relativ<br />

dichtes Gefüge mit<br />

einzelnen, größeren<br />

Hohlräumen. Sie sind<br />

die Folge des starken<br />

Schwindens von Toneinschlüssen<br />

(im Bild<br />

dunkel) während des<br />

Ziegelbrandes.<br />

[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />

Bildbreite ca.2,6 mm]<br />

Abb. 120:<br />

Ziegel einer Reparatur<br />

des 19. Jahrhunderts<br />

Im Vergleich mit den<br />

mittelalterlichen Ziegeln<br />

(Abb. 118 und 119)<br />

wird der höhere<br />

Mineralkorngehalt und<br />

die erheblich größere<br />

Porosität deutlich.<br />

[PolMi-Aufn., I Pol.,<br />

Bildbreite ca. 2,6 mm]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 118<br />

4.2.3 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile am<br />

Außenmauerwerk<br />

Am Mauerwerk des Kampischen Hofes in Stralsund sind alle für Ziegelbauten des<br />

Mittelalters typischen Schadensbilder anzutreffen. Die auftretenden Formen wurden in<br />

speziellen Schadenskartierungen erfaßt (Seebach 1993). Die folgende Beschreibung der<br />

Schadensbilder an den Ziegeln basiert auf der Terminologie eines Kataloges von Rademacher<br />

und Seebach (1998), der speziell zur Kartierung von Ziegelmauerwerk erarbeitet<br />

wurde:<br />

Schadensform Kurzbeschreibung<br />

Konvexe Rückwitterung Randzonenverlust, teilweise mit Höckerbildung<br />

Konkave Rückwitterung Kernverlust<br />

Innerhalb dieser Hauptformen werden weitere Kriterien unterschieden:<br />

Abschuppen Ablösung kleiner Ziegelpartikel (Fläche < 1cm 2 )<br />

Schalenbildung Ablösung dünner Schalen (Dicke < 1mm bis wenige mm)<br />

Ablösung dicker Schalen (Dicke mehrere mm bis cm)<br />

Absanden Ablösung kleiner, kompakter Ziegelpartikel<br />

Ausblühungen Lockere Aggregate kristalliner Salze<br />

Krusten Fest anhaftende Schicht an der Ziegeloberfläche<br />

- Schwarze Gipskrusten in geschützten Bereichen des<br />

Außenmauerwerkes<br />

- Salzkrusten am Innenmauerwerk<br />

Für die mikroskopischen Untersuchungen wurden kleine Stücke intakter sowie geschädigter<br />

Ziegel des Außenmauerwerks entnommen. Aus dem Probenmaterial wurden Dünnschliffe<br />

hergestellt und im Polarisationsmikroskop betrachtet. Außerdem erfolgte eine REM/EDX-<br />

Untersuchung an den mikrorauhen Sägeflächen der eingebetteten Ziegelstücke. An den<br />

stark geschädigten Reparaturziegeln des 19. Jh. wurden zusätzlich Kryo-REM-Untersuchungen<br />

nach vor Ort Kryo-Präparation durchgeführt.<br />

Die Erkenntnisse aus den umfassenden mikroskopischen Untersuchungen haben zu<br />

folgender Gliederung der Ergebnisse geführt:<br />

Intakte mittelalterliche Ziegel mit Ausblühungen (4.2.3.1)<br />

Schädigung mittelalterlicher Ziegel durch Gips (4.2.3.2)<br />

Schädigung mittelalterlicher Ziegel durch NaCl (4.2.3.3)<br />

Schädigung der Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts durch NaCl (4.2.3.4)<br />

4.2.3.1 Intakte mittelalterliche Ziegel mit Ausblühungen<br />

Diese Ziegel zeigen visuell keine Schäden. Die Oberflächen sind fest. Bei längerer Trockenheit<br />

im Sommer treten jedoch Salzausblühungen zutage. Dieser Zeitpunkt wurde mit den<br />

untersuchten Proben erfaßt.<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Im Polarisationsmikroskop ist eine etwa 50-100 µm dicke und kompakte Salzschicht an der<br />

Ziegeloberfläche nachweisbar (Abb. 121). Die Salzkruste verhält sich optisch isotrop, d.h. sie<br />

erscheint im einfach polarisierten Licht weiß (Abb. 121) und unter gekreuzten Polarisatoren<br />

einheitlich grau (Abb. 122). Die Polarisatoren sind in Abb. 122 nicht vollständig gekreuzt.<br />

Dadurch wird die Salzkruste nicht schwarz, sondern hellgrau wiedergegeben.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 119<br />

Diese Darstellung bietet den Vorteil, daß wichtige Details, z.B. die Unterscheidung der Salze<br />

vom Einbettungsmittel, besser erkannt werden können.<br />

In der REM-Untersuchung am Anschnitt zeigt die Salzkruste gegenüber der Ziegelmatrix<br />

einen sehr hellen Materialkontrast (Abb. 123). Die EDX-Analyse identifiziert das Salz als<br />

NaCl (Abb. 124).<br />

Bei den hellen Punkten im Ziegelgefüge handelt es sich nicht um Salz, sondern um<br />

Ziegelbestandteile (überwiegend Hämatit).<br />

Bei höherer Vergrößerung kann außerdem nachgewiesen werden, daß der oberflächennahe<br />

Porenraum salzfrei ist. Die harzgefüllten Poren erscheinen im Materialkontrast schwarz und<br />

können von den grauen bzw. weißen mineralischen Ziegelbestandteilen unterschieden<br />

werden (Abb. 125).<br />

In der PolMi-Aufnahme in Abb. 121 ist ein gelblicher Horizont unter der Oberfläche zu<br />

erkennen. Durch die REM/EDX-Untersuchung am Anschnitt wird ersichtlich, daß es sich<br />

hierbei nicht um einen (verdichteten) Salzhorizont handelt. Ursache der Farbunterschiede<br />

sind wahrscheinlich lokale Schwankungen im Erdalkaligehalt des Ziegels.<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Außenwand)<br />

Intakter mittelalterlicher<br />

Ziegel mit Ausblühungen<br />

Abb. 121:<br />

Kompakte NaCl-Kruste<br />

(weiße Schicht) auf intaktem<br />

Ziegel. Die gelbliche<br />

Färbung der Ziegelmatrix<br />

in Oberflächennähe wird<br />

durch Materialinhomogenitäten<br />

und nicht durch<br />

einen Salzhorizont hervorgerufen.<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]<br />

Abb. 122:<br />

Gleiche Probenstelle wie<br />

Abb. 121.<br />

Salzkruste unter nicht<br />

vollständig gekreuzten<br />

Polarisatoren. Das Salz<br />

erscheint einheitlich grau.<br />

Dieses optisch isotrope<br />

Verhalten ist ein<br />

deutlicher Hinweis auf<br />

NaCl.<br />

[PolMi-Aufnahme, + Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 120<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Außenwand)<br />

Intakter mittelalterlicher<br />

Ziegel mit Ausblühungen<br />

Abb. 123:<br />

Die NaCl-Kruste zeigt im<br />

Unterschied zur Ziegelmatrix<br />

einen sehr hohen<br />

Materialkontrast (ersichtlich<br />

als heller Saum am<br />

linken Bildrand). Der<br />

oberflächennahe Porenraum<br />

ist nicht durch Salzkristallisation<br />

verdichtet.<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

sägerauhen Anschnitt]<br />

Abb. 124:<br />

Elementspektrum der<br />

hellen Kruste in Abb. 123:<br />

Es sind nur Na und Cl<br />

nachweisbar. Dieser<br />

Elementbestand ist<br />

charakteristisch für NaCl.<br />

[EDX-Spektrum]<br />

Abb. 125:<br />

Detail aus Abb. 123.<br />

Oberflächennaher Porenraum<br />

bei höherer Vergrößerung.<br />

Die Wegsamkeiten<br />

sind offen, die<br />

Poren (im Bild dunkel<br />

aufgrund des geringen<br />

Materialkontrastes des<br />

Einbettungsmittels) sind<br />

nicht durch Salze<br />

verstopft.<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

sägerauhen Anschnitt]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 121<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Für die intakten mittelalterlichen Ziegel ist charakteristisch, daß bei trockener Witterung<br />

Salzausblühungen an den Ziegeloberflächen auftreten. Die Salzkrusten konnten im PolMi<br />

sowie mittels REM/EDX zweifelsfrei als NaCl identifiziert werden.<br />

Die Ziegelgefüge sind intakt und der Porenraum ist nicht durch Salze verdichtet. Es sind<br />

Wegsamkeiten bis zur Oberfläche vorhanden. Gips konnte in den untersuchten Proben<br />

mikroskopisch nicht nachgewiesen werden.<br />

Mit diesen Kenntnissen können die vorliegenden chemischen Salzanalysen interpretiert<br />

werden. Von Neumann (1993) wurde ein hoher Gehalt an leicht löslichen Salzen nachgewiesen,<br />

der im gesamten untersuchten Tiefenprofil (10 cm) etwa gleichbleibend hoch ist<br />

(Chlorid 1,3 M%, Nitrat: 0,3 M%). Der Gipsgehalt im oberflächennahen Tiefensegment<br />

(0-1,5 mm) ist sehr gering (


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 122<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Außenwand)<br />

Schädigung mittelalterlicher<br />

Ziegel durch Gips<br />

Abb. 126:<br />

Schalenbildung an einem<br />

mittelalterlichen Ziegel.<br />

Das Schadensbild zeigt<br />

starke Analogien zum<br />

Stadium II der Terrakottaverwitterung<br />

(vgl. Abb. 67).<br />

In der abgelösten Schale im<br />

oberen Teil des Bildes sind<br />

zahlreiche helle Gipsbänder<br />

(markiert durch Pfeile)<br />

zwischen Ziegellamellen zu<br />

erkennen.<br />

Auch im Randbereich hinter<br />

der Schale ist bereits Gips<br />

im Ziegelgefüge vorhanden<br />

(kurze, helle Bänder,<br />

markiert durch Pfeile).<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildhöhe ca. 2,5 mm]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 123<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Außenwand)<br />

Schädigung mittelalterlicher<br />

Ziegel durch Gips<br />

Abb. 127:<br />

Schalenbildung in der<br />

REM-RE-Darstellung.<br />

Das Ziegelgefüge ist an<br />

zahlreichen Stellen innerhalb<br />

der Schale sowie im<br />

Ziegel hinter der Schale<br />

verdichtet. Diese Bereiche<br />

weisen eine hohe<br />

Rückstreuintensität auf<br />

(hell).<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

sägerauhen Anschnitt]<br />

Abb. 128:<br />

Detail eines dichten<br />

Gefügebereiches aus<br />

Abb. 127.<br />

Die Verdichtung des<br />

Porenraumes wird durch<br />

Gipsabscheidung hervorgerufen<br />

(EDX-Analyse s.<br />

Abb. 130).<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

sägerauhen Anschnitt]<br />

Abb. 129:<br />

Detail eines unveränderten<br />

Gefügebereiches<br />

aus Abb. 127 (gleiche<br />

Abbildungsbedingungen<br />

wie Abb. 128).<br />

Im Materialkontrast erscheinen<br />

die vorhandenen<br />

Poren aufgrund der Tränkung<br />

mit organischem<br />

Harz schwarz.<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

sägerauhen Anschnitt]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 124<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Außenwand)<br />

Schädigung mittelalterlicher<br />

Ziegel durch Gips<br />

Abb. 130:<br />

Vergleich der integralen<br />

Elementspektren der Abb.<br />

128 (rote Kurve) und Abb.<br />

129 (blaue Kurve).<br />

Ca und S treten nur im<br />

Bildbereich von Abb. 128<br />

auf. Die Verdichtung des<br />

Porenraumes wird folglich<br />

durch Gips hervorgerufen.<br />

[EDX-Spektren]<br />

Abb. 131:<br />

Ziegelgefüge 2 cm<br />

unterhalb der Oberfläche<br />

(hinter der Schale). Es<br />

sind zahlreiche salzfreie<br />

Risse vorhanden, die<br />

wahrscheinlich durch<br />

Frosteinwirkung auf<br />

gestaute Feuchte entstanden<br />

sind.<br />

Durch die Schädigung ist<br />

eine Sekundärporosität<br />

entstanden (vgl. Abb. 129,<br />

gleiche Vergrößerung).<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

sägerauhen Anschnitt]<br />

Das vorgefundene mikroskopische Schadensbild ist durch die Ablösung einer dünnen,<br />

vergipsten Ziegelschale und erste Gefügeschäden durch Risse im Ziegel hinter der Schale<br />

gekennzeichnet. Derartige Profile wurden bereits an geschädigten Terrakotten im Fassadenbereich<br />

beobachtet und beschrieben (vgl. Gliederungspunkt 4.1.6.2).<br />

Die Gipsanreicherung im geschädigten Gefügeabschnitt wird durch die chemischen Salzanalysen<br />

von Neumann (1993) bestätigt. Im Tiefensegment 0-1,5 mm, also unmittelbar an<br />

der Oberfläche, beträgt der Gipsgehalt 9,5 M%. In 4,5 mm Tiefe liegt der Gipsgehalt bereits<br />

unter 0,1 M% und bleibt im Tiefenprofil auf diesem niedrigen Niveau.<br />

Der Gehalt an löslichen Salzen ist ebenfalls erhöht (Chlorid 0,5 M%, Nitrat 0,3 M%), zeigt<br />

aber eine fast gleichmäßige Verteilung über die gesamte analysierte Tiefe von etwa 12 cm.<br />

Aus den vorliegenden Gefügeschäden und der Gipsverteilung kann geschlossen werden,<br />

daß Frosteinwirkung auf hinter dem Gipshorizont gestaute Feuchte als Schadensursache<br />

anzusehen ist (vgl. hierzu Gliederungspunkt 4.1.8: Modell zum Schadensprozeß an Bauterrakotten<br />

im Fassadenbereich in Gegenwart von Gips).


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 125<br />

4.2.3.3 Schädigung mittelalterlicher Ziegel durch NaCl<br />

Das visuelle Schadensbild der betroffenen Ziegel wird durch Absanden sowie durch die<br />

Ablösung feiner Schuppen bestimmt (Abb. 132).<br />

Ausblühungen treten an diesen Ziegeloberflächen auch bei länger anhaltender, trockener<br />

Witterung nicht auf.<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

In der geschädigten Außenzone des Ziegels ist ein oberflächenparalleles Rißsystem vorhanden<br />

(Abb. 133). Der überwiegende Teil der Risse ist salzfrei. Bei höherer Vergrößerung<br />

ist jedoch zu erkennen, daß einzelne, schmale Teilbereiche der Risse am oberflächenabgewandten<br />

Ende des Rißsystems Salz enthalten (Abb. 134). Aufgrund seines optisch<br />

isotropen Verhaltens im PolMi kann das Salz als NaCl identifiziert werden.<br />

Gips war mikroskopisch nicht nachweisbar.<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Außenwand)<br />

Schädigung mittelalterlicher<br />

Ziegel durch NaCl<br />

Abb. 132:<br />

Schalen- und Schuppenablösung<br />

an einem mittelalterlichen<br />

Ziegel.<br />

Die mikroskopischen Untersuchungen<br />

wurden an einer<br />

Probe durchgeführt, die in<br />

der erkennbar geschädigten<br />

linken, unteren Ecke<br />

entnommen wurde.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 126<br />

Interpretation und Bewertung:<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Außenwand)<br />

Schädigung mittelalterlicher<br />

Ziegel durch NaCl<br />

Abb. 133:<br />

In der geschädigten<br />

Außenzone des Ziegels<br />

sind zahlreiche oberflächenparallele<br />

Risse<br />

vorhanden. Am linken<br />

Bildrand ist NaCl (weiß,<br />

markiert durch Pfeil) in<br />

einem Riß zu erkennen.<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 5,2 mm]<br />

Abb. 134:<br />

Oberflächenparallele<br />

Risse bei höherer<br />

Vergrößerung. Der durch<br />

die Bildmitte verlaufende<br />

Riß ist fast vollständig mit<br />

NaCl verfüllt (weißes<br />

Band, markiert durch<br />

Pfeile).<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]<br />

Im Gegensatz zu intakten mittelalterlichen Ziegeln mit witterungsabhängigen Ausblühungen<br />

treten an den erkennbar geschädigten Ziegeln auch im Sommer meist keine Salze an den<br />

Ziegeloberflächen zutage. Die Salzgehalte sind jedoch in beiden Fällen etwa gleich hoch. An<br />

den intakten mittelalterlichen Ziegeln mit zyklischen Ausblühungen wurden Werte von<br />

1,6 M% und an den geschädigten mittelalterlichen Ziegeln Salzgehalte bis 1,5 M% (jeweils<br />

Chlorid + Nitrat) ermittelt (Neumann 1993 bzw. Freyburg 1996c). Die Gipsgehalte liegen in<br />

beiden Fällen unter 0,1 M%.<br />

Die Ursachen der unterschiedlichen Erhaltungszustände bei vergleichbaren Salzgehalten<br />

werden durch die mikroskopischen Untersuchungen deutlich: Der geschädigte Ziegel weist<br />

ein oberflächenparalleles Rißsystem auf, in dem NaCl kristallisiert.<br />

Damit konnte nachgewiesen werden, daß sich die Kristallisationsfront im geschädigten<br />

Abschnitt des Ziegelgefüges befindet. Zyklische NaCl-Kristallisation führt zu einem allmählichen<br />

Verlust von Ziegelschuppen bzw. dünnen Schalen.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 127<br />

4.2.3.4 Schädigung der Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts durch NaCl<br />

Diese Ziegel sind in einer größeren Teilfläche der S-Wand wahrscheinlich im Zuge von<br />

Reparaturarbeiten vermauert worden und zeigen als charakteristisches Schadensbild eine<br />

konvexe Rückwitterung durch Absanden und Abschuppen (Abb. 135).<br />

Salzausblühungen treten an den Oberflächen dieser Ziegelvarietät auch bei länger anhaltender,<br />

trockener Witterung nicht auf.<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Im Gliederungspunkt 4.2.2 wurde bereits gezeigt, daß diese Ziegel einen deutlich höheren<br />

Anteil an mineralischen Komponenten und eine höhere Porosität als die mittelalterlichen<br />

Ziegel aufweisen (Abb. 120).<br />

Erste Hinweise auf die Ursachen der dominierenden Schadensform Absanden liefern die<br />

Untersuchungen im Polarisationsmikroskop. Der oberflächennahe Gefügeabschnitt ist bis in<br />

eine Tiefe von etwa 1 mm durch eine starke Auflockerung gekennzeichnet (Abb. 136). Der<br />

Ziegel zerfällt in einzelne, sehr kleine Partikel, die untereinander kaum in Verbindung stehen.<br />

Salze sind in der stark zerstörten Außenzone jedoch nur sehr vereinzelt vorhanden.<br />

Im vergleichsweise intakten Gefüge hinter der stark gelockerten Außenzone ist in 2-3 mm<br />

Tiefe ein Salzhorizont nachweisbar (Abb. 137). Ein Großteil des Porenraums des Ziegels ist<br />

mit NaCl gefüllt.<br />

Gips war mikroskopisch nicht nachweisbar.<br />

Durch die Untersuchung des Anschnittes im REM wird neben den Gefügeschäden auch die<br />

Salzverteilung im Ziegel deutlich. Die vorgefundenen Verhältnisse sind durch 3 Abbildungen<br />

dokumentiert, die in unterschiedlicher Entfernung von der Oberfläche aufgenommen wurden.<br />

Im oberflächennahen Gefügeabschnitt (bis in 1 mm Tiefe) ist die Auflösung des Gefüges in<br />

einzelne Partikel zu erkennen (Abb. 138). Die Zwischenräume sind salzfrei. Hinter der stark<br />

geschädigten Außenzone ist in etwa 2 mm Tiefe ein NaCl-Kristallisationshorizont im noch<br />

überwiegend ungeschädigten Gefüge vorhanden (Abb. 139). Hieran schließt sich das<br />

intakte, salzfreie Gefüge an (Abb. 140).<br />

Schließlich wurde eine Kryo-REM-Untersuchung an einem vor Ort kryo-präparierten Ziegelstück<br />

durchgeführt. Der NaCl-Kristallisationshorizont ist deutlich erkennbar (Abb. 141). Er<br />

befindet sich unterhalb der Oberfläche in etwa 1 bis 2 mm Tiefe.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 128<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Außenwand)<br />

Schädigung der Rep.ziegel<br />

des 19. Jh. durch NaCl<br />

Abb. 135:<br />

Charakteristisches Schadensbild<br />

an den<br />

Reparaturziegeln einer<br />

Mauerwerksausbesserung<br />

um 1850: Konvexe<br />

Rückwitterung durch<br />

Absanden, stellenweise<br />

Schuppenbildung.<br />

Abb. 136:<br />

Mikroskopisches Schadensbild<br />

des sandenden<br />

Ziegels in Abb. 135.<br />

Das Ziegelgefüge zerfällt<br />

in der Außenzone in sehr<br />

kleine Partikel (Oberfläche<br />

links im Bild). Kristalline<br />

Salze sind nicht vorhanden.<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]<br />

Abb. 137:<br />

Weitgehend intaktes<br />

Ziegelgefüge in etwa 2 mm<br />

Tiefe.<br />

Im Porenraum des gelbbraunen<br />

Bereiches im<br />

Zentrum des Bildes ist<br />

kristallines NaCl als weiße<br />

Zwickelfüllung erkennbar.<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 129<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Außenwand)<br />

Schädigung der Rep.ziegel<br />

des 19. Jh. durch NaCl<br />

Abb. 138:<br />

Stark gelockertes Gefüge<br />

in der sandenden Außenzone.<br />

Zwischen den<br />

Ziegelpartikeln sind keine<br />

Salze vorhanden (vgl. Abb.<br />

139 und 140).<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

sägerauhen Anschnitt]<br />

Abb. 139:<br />

Ziegelgefüge hinter der<br />

stark gelockerten Außenzone<br />

(Tiefe etwa 2 mm).<br />

Es befinden sich erhebliche<br />

Mengen kristallines<br />

NaCl im Porenraum des<br />

noch intakten Gefüges<br />

(weiße Bereiche).<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

sägerauhen Anschnitt]<br />

Abb. 140:<br />

Intaktes, salzfreies Gefüge<br />

in 2 cm Tiefe.<br />

Der helle Bereich in der<br />

Nähe der Bildmitte ist ein<br />

Hämatitkorn.<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

sägerauhen Anschnitt]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 130<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Außenwand)<br />

Schädigung der Rep.ziegel<br />

des 19. Jh. durch NaCl<br />

Abb. 141:<br />

Kryo-REM-Serie,<br />

aufgenommen an einer vor<br />

Ort kryo-präparierten<br />

Bruchfläche (Bildhöhe<br />

etwa 2,5 mm).<br />

Unmittelbar an der Oberfläche<br />

(im Bild oben) ist ein<br />

einzelnes NaCl-Aggregat<br />

vorhanden. Der größte Teil<br />

des NaCl kristallisiert<br />

jedoch im Inneren des<br />

Ziegels (Pfeile).<br />

Durch die Unterschiede im<br />

Materialkontrast kann das<br />

hell erscheinende NaCl gut<br />

vom dunkleren Ziegel<br />

unterschieden werden.<br />

Damit ist es möglich, die<br />

Lage der Kristallisationsfront<br />

im Inneren des<br />

Ziegels zu lokalisieren.<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfl.]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 131<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Die größten Schäden des gesamten Außenmauerwerkes treten im Bereich einer Reparatur<br />

des 19. Jahrhunderts auf.<br />

Das hierfür verwendete Ziegelmaterial weist eine hohe Porosität und Wasseraufnahme,<br />

einen hohen w-Wert (10-25 kg/m 2 h 0,5 ) sowie niedrige Festigkeiten auf und ist als nicht frostbeständig<br />

einzustufen (Freyburg 1997).<br />

In den chemischen Salzanalysen wurden in der Schadenszone sehr hohe NaCl-Konzentrationen<br />

bis 4,7 M% ermittelt (Neumann 1993). Der Feuchtegehalt zum Beprobungszeitpunkt<br />

betrug etwa 1,5 Gew.% und lag damit auf einem niedrigen Niveau.<br />

Durch die mikroskopischen Untersuchungen konnte die starke Rückwitterung dieser Ziegel<br />

auf folgende Ursachen zurückgeführt werden:<br />

Aus der hohen Porosität resultiert die Eigenschaft, rasch große Mengen Wasser bzw. Salzlösung<br />

aufzunehmen und zu transportieren. In umgekehrter Richtung kann eine Salzlösung<br />

rasch Wasser abgeben und damit übersättigen.<br />

Dieses spezifische Verhalten hat Einfluß auf die Lage der Kristallisationsfront. Ein Gleichgewicht<br />

zwischen der Verdunstungsrate der Salzlösung und dem Lösungstransport über das<br />

Kapillarsystem des Ziegels stellt sich bereits unterhalb der Ziegeloberfläche ein. Das hat zur<br />

Folge, daß NaCl nicht als Ausblühung an der Oberfläche, sondern im Porenraum des Ziegels<br />

kristallisiert.<br />

Wesentlich ist, daß die Kristallisation überwiegend hinter der stark geschädigten, sandenden<br />

Außenzone im noch weitgehend intakten Gefüge erfolgt. Unter den Bedingungen am<br />

Außenmauerwerk wird die Gleichgewichtsfeuchte von NaCl (75 %) vor allem im Sommer<br />

mehrfach durchlaufen. Bei der Überschreitung geht zuvor ausgeschiedenes NaCl in Lösung,<br />

bei Unterschreitung erfolgt NaCl-Kristallisation. Dabei entstehen zyklisch Drücke, die<br />

Gefügelockerungen und irreversible Dehnungen hervorrufen. Durch das sukzessive<br />

Absanden gelockerter Ziegelpartikel wandert die Kristallisationsfront kontinuierlich nach<br />

innen. Die vorliegenden Rückwitterungstiefen von über 9 cm belegen den sehr dynamischen<br />

Verlauf dieses Prozesses.<br />

Die vorliegende Schadensform Absanden ist das charakteristische Erscheinungsbild einer<br />

Schädigung durch leicht lösliche Salze.<br />

Frost ist aufgrund der hohen Salzgehalte und der damit verbundenen Gefrierpunkterniedrigung<br />

als Schadensursache wahrscheinlich von untergeordneter Bedeutung.<br />

Der Gipsgehalt beträgt 0,3 M% und spielt im Schadensprozeß keine Rolle.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 132<br />

4.2.4 Einfluß der Witterung auf die NaCl-Kristallisation am Außenmauerwerk<br />

Für diese Untersuchungen wurden an der S-Wand des Kampischen Hofes Ziegelstücke der<br />

verschiedenen Varietäten bei unterschiedlichen Witterungsverhältnissen entnommen und<br />

nach vor Ort Kryo-Präparation im REM untersucht.<br />

Die Proben repräsentieren typische klimatische Verhältnisse am Bauwerk, deren Einfluß auf<br />

die Feuchte- und Salzverteilung in den Ziegeln zu bewerten war.<br />

Zusätzlich wurden an Teilstücken im Labor bestimmte Feuchtezustände erzeugt und anschließend<br />

mikroskopisch untersucht.<br />

Feuchte Witterung und ergänzende Laborversuche (4.2.4.1)<br />

• Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts (Salz- und Feuchtegehalt nicht bestimmt)<br />

Kryo-REM-Untersuchung nach vor Ort Kryo-Präparation<br />

• Mittelalterliche Ziegel (Salz- und Feuchtegehalt nicht bestimmt)<br />

Kryo-REM-Untersuchung nach<br />

- vor Ort Kryo-Präparation<br />

- Lagerung und damit Trocknung im Labor<br />

- Entsalzung und Einwirkung von Kondensationsfeuchte<br />

Trockene Witterung (4.2.4.2)<br />

• Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts (Chlorid 2,9 M%, Nitrat: 0,3 M%)<br />

Kryo-REM-Untersuchung nach vor Ort Kryo-Präparation<br />

• Mittelalterliche Ziegel (Chlorid 0,5 M%, Nitrat: 0,3 M%)<br />

Kryo-REM-Untersuchung nach vor Ort Kryo-Präparation<br />

4.2.4.1 Feuchte Witterung und ergänzende Laborversuche<br />

Die Probenentnahme erfolgte am zweiten Tag einer länger anhaltenden Niederschlagsperiode<br />

im Spätherbst bei einer Außentemperatur von etwa +3°C. Während der Beprobung<br />

fiel Regen, die Entnahmestellen waren jedoch nicht der direkten Beregnung ausgesetzt.<br />

Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts - Mikroskopische Beschreibung<br />

Im Porenraum der Reparaturziegel des 19. Jahrhunderts, die während einer Regenperiode<br />

entnommen, vor Ort kryo-präpariert und anschließend im Kryo-REM untersucht wurden,<br />

traten zahlreiche wabenförmige Strukturen auf (Abb. 142). Neben dieser auffälligen Form<br />

war die hohe Rückstreuintensität (Helligkeit) in der RE-Abbildung charakteristisch. Durch die<br />

EDX-Analyse konnten in den Waben hohe Na- und Cl-Gehalte nachgewiesen werden (Abb.<br />

143). NaCl-Formen mit erkennbaren Kristallflächen traten nicht auf.<br />

Mittelalterliche Ziegel - Mikroskopische Beschreibung<br />

Unmittelbar nach der Entnahme wurden die Ziegelproben in 3 Teile geteilt.<br />

Am ersten Teilstück erfolgte, nach Kryo-Präparation vor Ort, die Untersuchung im Kryo-<br />

REM:


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 133<br />

Im Porenraum der mittelalterlichen Ziegel traten ähnliche Strukturen auf, die bereits an den<br />

Reparaturziegeln des 19. Jh. festgestellt wurden (Abb. 144).<br />

Kennzeichnend waren Menisken und schmale Stege, in denen erhöhte Na- und Cl-Gehalte<br />

nachweisbar waren.<br />

Ein zweites Teilstück wurde an der Laborluft gelagert und nach 7 Tagen auf herkömmliche<br />

Weise im REM untersucht:<br />

Im Porenraum dieses Ziegelstückes war an zahlreichen Stellen kristallines NaCl vorhanden<br />

(Abb. 145). Die hypidiomorphen Kristallformen näherten sich den Gleichgewichtsformen.<br />

Außerdem wiesen die Porenwandungen rauhere Oberflächen als die kryo-präparierten Teilstücke<br />

auf. Salzfilme waren fast nicht mehr vorhanden.<br />

Das dritte Teilstück wurde viermal 1,5 Stunden in 100 ml deionisiertem Wasser entsalzen<br />

und anschließend in einer teilweise wassergefüllten Box auf einem Gitter oberhalb des<br />

Wasserspiegels gelagert. Nachdem Kondenswasserbildung an der Ziegeloberfläche zu<br />

erkennen war, erfolgte nach Kryo-Präparation die Untersuchung einer frischen Bruchfläche<br />

im Kryo-REM.<br />

Auf den Wandungen größerer Poren konnten Wasserfilme erkannt und abgebildet werden<br />

(Abb. 146). Aufgrund ihrer geringen Rückstreuintensität erscheinen sie dunkler als der<br />

Ziegel. Charakteristisch ist auch der Elementbestand. In der EDX-Analyse zeigen Wasserfilme<br />

nur einen O-Peak (Abb. 147).<br />

Bei den gegebenen Feuchteverhältnissen waren größere Poren durch Wasserfilme ausgekleidet,<br />

d.h. oberflächlich benetzt. Kleinere Kapillarporen und feine Risse waren meist<br />

wassergefüllt.<br />

4.2.4.2 Trockene Witterung<br />

Die Probenentnahme erfolgte während einer längeren Trockenperiode im Sommer an den<br />

gleichen Ziegeln, die bereits bei regnerischem Wetter untersucht wurden.<br />

Mittelalterliche Ziegel mit geringerem Salzgehalt - Mikroskopische Beschreibung<br />

Bereits visuell waren an den Ziegeloberflächen starke Ausblühungen zu erkennen, die in der<br />

Regenperiode nicht vorhanden waren.<br />

Abb. 148 zeigt die Kryo-REM-Aufnahme einer Bruchfläche senkrecht zur Oberfläche. Die<br />

Ausblühungen liegen als kompakte, etwa 100 µm dicke Salzschicht auf dem Ziegel. Über die<br />

hohe Rückstreuintensität und die EDX-Analyse konnte nachgewiesen werden, daß es sich<br />

um eine NaCl-Kruste handelt.<br />

Im Gegensatz zur Feuchtperiode sind im Porenraum keine Salzwaben oder -stege<br />

vorhanden. Na und Cl sind mit der EDX praktisch überall nachweisbar, aber nicht lokalisierbar.<br />

Reparaturziegel 19. Jh. mit hohem Salzgehalt - Mikroskopische Beschreibung<br />

Dieses Ziegelmaterial zeigt trotz hoher Gehalte leicht löslicher Salze auch in Trockenperioden<br />

keine Ausblühungen.<br />

Im Unterschied zu den mittelalterlichen Ziegeln ist im Porenraum der Reparaturziegel des<br />

19. Jahrhunderts unter gleichen Beprobungs- und Untersuchungsbedingungen kristallines<br />

NaCl nachweisbar (vgl. Abb. 141).


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 134<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Außenwand)<br />

Feuchte Witterung<br />

Abb. 142:<br />

Reparaturziegel 19. Jh.<br />

Charakteristisch sind<br />

wabenförmige Salzstrukturen<br />

im Porenraum<br />

des Ziegels (EDX-Analyse<br />

s. Abb. 143)<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 143:<br />

Reparaturziegel 19. Jh.<br />

EDX-Spotmessung in den<br />

Waben in Abb. 142.<br />

Es sind hohe Na- und Cl-<br />

Gehalte nachweisbar.<br />

Folglich handelt es sich um<br />

NaCl-Strukturen.<br />

[EDX-Spektrum]<br />

Abb. 144:<br />

Mittelalterlicher Ziegel<br />

Stege und Menisken<br />

(markiert durch Pfeile) im<br />

Porenraum.<br />

Auch in diesen, gegenüber<br />

Abb. 142 weniger<br />

ausgeprägten Strukturen,<br />

sind die Na- und Cl-<br />

Gehalte erhöht.<br />

[Kryo-REM-SE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 135<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Außenwand)<br />

Probenlagerung im Labor<br />

und herkömml. REM-Unt.<br />

Abb. 145:<br />

Mittelalterlicher Ziegel<br />

NaCl-Kristalle im Porenraum.<br />

Die Porenwandungen<br />

sind rauh, Salzfilme<br />

oder Salzwaben treten<br />

nicht auf (vgl. Abb.144,<br />

gleiches Probenmaterial im<br />

Kryo-REM).<br />

[REM-SE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund<br />

Kondensationsfeuchte<br />

Abb. 146:<br />

Mittelalterlicher Ziegel<br />

Wasserfilme am Boden<br />

einer aufgebrochenen,<br />

länglichen Pore. Aufgrund<br />

der geringen Rückstreuintensität<br />

unterscheiden<br />

sich die dunklen Strukturen<br />

des Wassers gut von der<br />

Ziegelmatrix (EDX-Analyse<br />

s. Abb. 147).<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 147:<br />

Mittelalterlicher Ziegel<br />

EDX-Spotmessung der<br />

dunklen Strukturen am<br />

Boden der Pore in Abb.<br />

146.<br />

In der EDX-Analyse zeigen<br />

Wasserfilme lediglich einen<br />

O-Peak.<br />

[EDX-Spektrum]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 136<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Außenwand)<br />

Trockene Witterung<br />

Abb. 148:<br />

Mittelalterlicher Ziegel<br />

Salzkruste an der Außenseite<br />

des Ziegels. Die<br />

kompakte NaCl-Kruste ist<br />

als helle Auflagerung an<br />

der Ziegeloberfläche zu<br />

erkennen.<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Länger anhaltende hohe Luftfeuchtigkeiten, die für Schlechtwetterperioden typisch sind,<br />

führen auch an nicht schlagregenexponierten Ziegeloberflächen zu einem Verschwinden der<br />

NaCl-Ausblühungen.<br />

Die Kryo-REM-Untersuchungen haben gezeigt, daß sich die leicht löslichen Salze bei hohen<br />

Luftfeuchtigkeiten ins Innere der Ziegel zurückziehen. Im Porenraum treten Salzwaben bzw.<br />

Salzstege auf, deren Entstehung noch nicht geklärt ist. Möglicherweise handelt es sich um<br />

Entmischungsartefakte, die während des Einfriervorganges an gering gesättigten<br />

Salzlösungen entstanden sind. Aufgrund einer zu geringen Abkühlgeschwindigkeit konnte<br />

die Salzlösung nicht in situ fixiert werden. An einigen Stellen deuten Negativabdrücke von<br />

(Eis?)-Kristallen als Wabenformen darauf hin, daß Wasser aus der Lösung abgegeben<br />

wurde und zwischen den Salzstegen gefroren ist.<br />

Es bleibt die Frage offen, warum diese Eiskristalle in den Waben nicht vorgefunden wurden.<br />

Trotz hoher Luftfeuchtigkeit und hoher Salzgehalte war keine Salzlösung im Porenraum der<br />

Ziegel nachweisbar. Als Erklärung kann folgende Beobachtung während der vor Ort Kryo-<br />

Präparation herangezogen werden: Die ersten 2-3 mm der mittelalterlichen Ziegel wiesen ein<br />

hellere Färbung als der dahinter befindliche Scherben auf. Bei Raumtemperatur nahmen die<br />

Ziegel nach kurzer Zeit eine gleichmäßig helle Färbung an. Das bedeutet, daß die<br />

oberflächennahe Schicht bei der Probenentnahme trockener war als tiefere Materialabschnitte.<br />

Diese Vermutung wird durch die Untersuchungen von Neumann (1993) zur Salzverteilung<br />

gestützt, aus denen sich Anhaltspunkte für einen Rückzug der Salzlösung bei feuchter<br />

Witterung ins Innere der Ziegel ergaben. An einigen Proben traten im zweiten untersuchten<br />

Tiefensegment (5-10 mm) höhere Gehalte an leicht löslichen Salzen als im ersten Segment<br />

(0-5 mm) auf.<br />

Die Kryo-REM-Untersuchungen wurden jedoch stets im vordersten, trockeneren Ziegelstück<br />

durchgeführt (Segment 0-5 mm).<br />

Während der Trockenperioden führen die höheren Tagestemperaturen und die geringere<br />

Luftfeuchtigkeit zu NaCl-Ausblühungen an den Ziegeloberflächen. Bei diesen Witterungsverhältnissen<br />

treten im Porenraum keine Entmischungsartefakte in Form von Salzwaben<br />

oder -stegen auf. Na und Cl sind mit der EDX in geringen Mengen nachweisbar, aber nicht<br />

lokalisierbar.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 137<br />

Die Lagerung einer bei feuchter Witterung entnommenen Ziegelprobe im Labor hat zur<br />

NaCl-Kristallisation im Porenraum geführt. Die hypidiomorphen Formen der NaCl-Kristalle<br />

nähern sich den Gleichgewichtsformen und sind charakteristisch für Trocknungsartefakte.<br />

Damit unterscheiden sich die Ergebnisse dieser herkömmlichen REM-Untersuchung<br />

grundlegend von denen der Kryo-REM-Untersuchung. In Gegenwart leicht löslicher Salze<br />

und hoher Materialfeuchte führen Transport und Lagerung zu Veränderungen im Probenmaterial.<br />

Eine herkömmliche Probenbehandlung und REM-Untersuchung erfaßt bezüglich<br />

Salzmorphologien und Salzverteilung nicht die Verhältnisse, die zum Beprobungszeitpunkt<br />

im Porenraum des Ziegels vorgelegen haben. Die Folgen sind Fehlinterpretationen.<br />

Feuchtigkeit, die an der Ziegeloberfläche kondensiert und Wassertropfen bildet, wird vom<br />

porösen Ziegel kapillar aufgenommen und kann als Wasserfilm auf Porenwandungen sowohl<br />

morphologisch (SE-Abbildung) als auch durch den Materialkontrast (RE-Abbildung) und über<br />

das charakteristische EDX-Spektrum sicher nachgewiesen und von Ziegelbestandteilen oder<br />

Salzlösung unterschieden werden.<br />

An den Wandungen größerer Poren bilden sich Wasserfilme. Kleinere Kapillarporen und<br />

feine Risse sind meist wassergefüllt.<br />

4.2.5 Gefügeveränderungen und mikroskopische Schädigungsprofile am Innenmauerwerk<br />

Nicht nur an den Ziegeln des Außenmauerwerkes treten Schäden auf, sondern auch an<br />

denen der Innenwände. Es können folgende Hauptschadensbilder am Innenmauerwerk<br />

unterschieden werden:<br />

• Oberflächenparallele bis konkave Rückwitterungen durch Absanden, teilweise in Verbindung<br />

mit Schalen- oder Schuppenbildung. Im fortgeschrittenen Stadium betragen die<br />

Rückwitterungstiefen bis 5 cm.<br />

• Salzausblühungen (NaCl). Ziegel mit sehr geringen Ausblühungen und Ziegel mit<br />

flächendeckenden Salzkrusten befinden sich in umittelbarer Nachbarschaft.<br />

Zur Differenzierung dieser Schadensbilder wurden folgende Kriterien definiert, statistisch<br />

erfaßt und in Kartierungen dokumentiert:<br />

Nomenklatur Kriterium<br />

h bzw. d Einteilung der „Ziegelvarietäten“ in helle und dunkle Ziegel<br />

M bzw. O Unterscheidung von Ziegeln mit und ohne Materialverlust<br />

30, 30-70, 70 Grad der Salzausblühungen (prozentualer Anteil auf den Oberflächen;<br />

30: gering (< 30%); 30-70: mittel (30-70%); 70: stark (>70%)<br />

S Schalenbildung<br />

K Krusten<br />

T Texturen<br />

Damit war es möglich, ungeschädigte und geschädigte Ziegel unter Berücksichtigung<br />

vorhandener Ausblühungen nicht nur visuell zu unterscheiden, sondern auch quantitativ zu<br />

erfassen und gezielt zu untersuchen:<br />

O / x / h oder d bzw. M / x / h oder d (x : 30; 30-70, 70)<br />

Die detaillierte Darstellung der mikroskopischen Untersuchungsergebnisse zu den Schädigungsprozessen<br />

am Innenmauerwerk wird nach folgender Gliederung vorgenommen:<br />

Gips im Schadensbild der mittelalterlichen Ziegel (4.2.5.1)<br />

NaCl im Schadensbild der mittelalterlichen Ziegel (4.2.5.2)


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 138<br />

Alle untersuchten Proben stammen von der südlichen, fensterlosen Innenwand des<br />

S-Flügels des Kampischen Hofes (1. und 2. OG). Dieser unbeheizte Gebäudeteil wurde in<br />

der Vergangenheit überwiegend als Speicher genutzt. Die Fensteröffnungen im Mauerwerk<br />

(N- und O-Wand) sind meist nicht verglast. Aufgrund des ungehinderten Zutritts der Außenluft<br />

ist im Winter also auch im Innenraum mit Frost zu rechnen.<br />

Durch mikroskopische Untersuchungen sollten Gefügeveränderungen festgestellt und<br />

beschrieben und hinsichtlich der Ursachen interpretiert werden.<br />

Aufgrund der Erfahrungen am Außenmauerwerk standen Kryo-REM-Untersuchungen nach<br />

vor Ort Kryo-Präparation im Vordergrund. Außerdem wurden von allen Proben Dünnschliffe<br />

angefertigt und im Polarisationsmikroskop untersucht. Die zugehörigen Anschnitte standen<br />

für REM/EDX-Untersuchungen zur Verfügung.<br />

4.2.5.1 Gips im Schadensbild der mittelalterlichen Ziegel<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Gipses und deren Auswirkungen werden an<br />

den folgenden 3 Beispielen dargestellt:<br />

1. Abb. 149 zeigt einen mittelalterlichen Ziegel, an dessen Oberfläche stellenweise Salzausblühungen<br />

vorhanden sind. Bei der Untersuchung im Polarisationsmikroskop stellte<br />

sich heraus, daß hier eine zweischichtige Kruste vorliegt (Abb. 150 und 151). Unmittelbar<br />

auf dem Ziegel befinden sich leistenförmige, idiomorphe Gipskristalle (Kristallitgröße bis<br />

0,1 mm), die von einer NaCl-Schicht überlagert werden. Durch die charakteristischen<br />

morphologischen und kristalloptischen Eigenschaften der beiden Salze ist die Identifizierung<br />

und Unterscheidung bereits im PolMi möglich. NaCl ist optisch isotrop und<br />

erscheint unter gekreuzten Polarisatoren einheitlich grau, während der doppelbrechende<br />

Gips aufgrund der verschiedenen Orientierungen der Kristallindividuen Färbungen<br />

zwischen weiß und dunkelgrau aufweist (Abb. 151).<br />

Durch die Untersuchung des Anschnittes im REM wird deutlich, daß im Porenraum des<br />

Ziegels unter der Salzkruste keine Salzanreicherungen vorliegen (Abb. 152).<br />

2. Gipsanreicherungen treten auch in Gefügeinhomogenitäten auf. Dabei ist Gips überwiegend<br />

in Rissen, größeren Poren und Hohlräumen lokalisiert (Abb. 153). Charakteristische<br />

Morphologien sind leistenförmige, hypidiomorphe bis idiomorphe Kristalle. Die<br />

Porosität der umgebenden Ziegelmatrix ist nicht reduziert.<br />

Häufig ist in den betreffenden Hohlräumen neben Gips auch kristallines NaCl vorhanden<br />

(Abb. 153).<br />

3. Grundlegend andere Verhältnisse bezüglich der Lokalisierung des Gipses und seiner<br />

Auswirkungen zeigt das folgende Beispiel:<br />

Im Polarisationsmikroskop ist kein Gips an der Ziegeloberfläche nachweisbar (Abb. 154).<br />

Die Helligkeitsunterschiede der Ziegelmatrix sind angesichts der häufig auftretenden<br />

Farbschwankungen der mittelalterlichen Ziegel kein spezifischer Nachweis für Gips.<br />

Durch die Untersuchung des zugehörigen Anschnittes im REM kann, aufgrund des<br />

Materialkontrastes in der RE-Abbildung, eine Verdichtung des oberflächennahen Porenraumes<br />

erkannt werden (Abb. 155 und 156). Aus der EDX-Analyse ist ersichtlich, daß in<br />

den Poren des Ziegels feinkristalliner Gips abgeschieden wurde (Abb. 157). Der betroffene<br />

Gefügeabschnitt beginnt 0,5 mm unter der Oberfläche und ist 2-3 mm breit.<br />

Weder innerhalb des gipsverdichteten Abschnittes noch in den angrenzenden Ziegelbereichen<br />

liegen Gefügeschäden vor (Abb. 158).


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 139<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

Gips im Schadensbild der<br />

mittelalterlichen Ziegel<br />

Abb. 149:<br />

Mittelalterliche Ziegeloberfläche<br />

mit einzelnen<br />

Salzausblühungen. Der<br />

Pfeil kennzeichnet die<br />

Probenentnahmestelle.<br />

In der Umgebung des<br />

Bohrloches (Trockenbohrung)<br />

sind eventuell<br />

vorhandene Ausblühungen<br />

durch Bohrmehl verdeckt.<br />

Abb. 150:<br />

Salzkruste (weiß) auf<br />

Ziegel.<br />

Bereits im einfach polarisierten<br />

Licht sind morphologische<br />

Unterschiede<br />

innerhalb der Salzkruste zu<br />

erkennen. Der Porenraum<br />

des Ziegels und der<br />

ziegelnahe Teil der Kruste<br />

sind porös (eingefärbt<br />

durch blaues Harz).<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 0,7 mm]<br />

Abb. 151:<br />

Bildbereich aus Abb. 150<br />

unter (nicht vollständig)<br />

gekreuzten Polarisatoren:<br />

Über den leistenförmigen<br />

Gipskristallen unmittelbar<br />

an der Ziegeloberfläche<br />

(weiß bis grau) befindet<br />

sich eine einheitlich graue<br />

NaCl-Schicht.<br />

[PolMi-Aufnahme, + Pol.,<br />

Bildbreite 0,7 mm]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 140<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

Gips im Schadensbild der<br />

mittelalterlichen Ziegel<br />

Abb. 152:<br />

Abfolge von links: NaCl-<br />

Kruste (hell) / Gipskruste<br />

(dunkel, mit markiertem<br />

Feld) / Ziegel.<br />

Das Gefüge hinter der<br />

Kruste zeigt keine Schäden.<br />

Der Porenraum des<br />

Ziegels ist frei, es liegen<br />

keine Salzhorizonte vor.<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

sägerauhen Anschnitt]<br />

Abb. 153:<br />

Im linken oberen Teil des<br />

Bildes sind leistenförmige<br />

Gipskristalle in einer<br />

großen Pore zu erkennen<br />

(weiß-grau, linker Pfeil).<br />

Der übrige Teil dieser Pore<br />

ist mit NaCl gefüllt<br />

(gleichmäßig graue Fläche,<br />

rechter Pfeil).<br />

[PolMi-Aufnahme, + Pol.,<br />

Bildbreite 0,7 mm]<br />

Abb. 154:<br />

Querschnitt eines stark<br />

gipsbelasteten Ziegels<br />

(Oberfläche im Bild links):<br />

Der Gips ist im PolMi nicht<br />

erkennbar. Der farbliche<br />

Unterschied zwischen<br />

linker und rechter Bildhälfte<br />

ist ein Indiz für eine<br />

mögliche Vergipsung, aber<br />

kein spezifischer<br />

Nachweis.<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 141<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

Gips im Schadensbild der<br />

mittelalterlichen Ziegel<br />

Abb. 155:<br />

Gleiche Probe und gleiche<br />

Orientierung wie Abb. 154:<br />

In der rechten Bildhälfte<br />

(heller Bereich) ist der<br />

Porenraum durch Abscheidung<br />

feinkristallinen<br />

Gipses stark verdichtet<br />

(Detail s. Abb. 156).<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

sägerauhen Anschnitt]<br />

Abb. 156:<br />

Detail aus Abb. 155.<br />

Übergangsbereich<br />

zwischen unverdichtetem<br />

und durch Gips verdichtetem<br />

Ziegelgefüge. Der<br />

Rahmen kennzeichnet das<br />

Meßfeld einer EDX-<br />

Analyse (vgl. Abb. 157).<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

sägerauhen Anschnitt]<br />

Abb. 157:<br />

Vergleich des integralen<br />

Elementbestandes eines<br />

unvergipsten Gefügeabschnittes<br />

(blaue Kurve) und<br />

eines vergipsten Bereiches<br />

(rote Kurve) in Abb. 155<br />

bzw. 156.<br />

Durch die erhöhten Caund<br />

S-Gehalte kann Gips<br />

als Ursache der Verdichtung<br />

des Porenraumes<br />

ermittelt werden.<br />

[EDX-Analyse]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 142<br />

Bewertung und Interpretation<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

Gips im Schadensbild der<br />

mittelalterlichen Ziegel<br />

Abb. 158:<br />

Auslaufender<br />

Gipshorizont etwa 3 mm<br />

unter der Oberfläche. Im<br />

Ziegel (rechte Bildhälfte)<br />

sind keine<br />

Gefügeschäden<br />

vorhanden.<br />

[REM-RE-Aufnahme am<br />

sägerauhen Anschnitt]<br />

Gips wurde mikroskopisch in allen Proben der Innenwand nachgewiesen. Bezüglich der<br />

Menge und der Lokalisierung im Gefüge traten jedoch erhebliche Unterschiede auf.<br />

Folgende Fälle konnten unterschieden werden:<br />

1. Dünne Gipssäume an den Ziegeloberflächen<br />

Die Schichtdicken können bis 0,1 mm betragen. Charakteristisch sind die hypidiomorphen<br />

bis idiomorphen Kristallformen. Häufig werden die dünnen Gipssäume von NaCl-Krusten<br />

überlagert.<br />

Geschlossene, größere Flächen bedeckende Gipskrusten, sind auf den Ziegeln des<br />

Innenmauerwerkes nicht vorhanden.<br />

2. In Rissen, größeren Poren und Hohlräumen<br />

In größeren Poren und Hohlräumen oder auf den Flanken von Rissen sind hypidiomorphe,<br />

teilweise idiomorphe Gipskristalle nachweisbar. Es handelt sich um sekundär<br />

gebildete Gipsnester, die vor allem in oberflächennahen Inhomogenitäten der mittelalterlichen<br />

Ziegel auftreten.<br />

In einigen Fällen sind die Hohlräume vollständig salzgefüllt. In diesen Fällen ist neben<br />

Gips fast immer auch NaCl vorhanden.<br />

3. Im oberflächennahen Porenraum<br />

Der Gips befindet sich als feinkristalline Ausscheidung im oberflächennahen Porenraum<br />

des Ziegelgefüges. Dieser Gipsanreicherungshorizont ist 2-3 mm breit und hat eine<br />

Reduzierung der Porosität zur Folge. Diese Verdichtungen haben Auswirkungen auf die<br />

Tiefenprofile der leicht löslichen Salze (Tabelle 14).


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 143<br />

Tabelle 14: Ausgewählte Ergebnisse der chemischen Salzanalysen an Ziegeln des<br />

Innenmauerwerks des Kampischen Hofes in Stralsund (aus Steiger und<br />

Neumann 1995)<br />

Nomenklatur<br />

Tiefensegment 0-5 mm Tiefensegment 5-10mm<br />

Gips [M%] ΣNitrat+Clorid [M%] Gips [M%] ΣNitrat+Clorid [M%]<br />

1 M / 30 / h 5,7 2,3 0,7 8,0<br />

2 M / 30-70 / h 11,0 3,7 2,3 15,0<br />

3 M / 70 / d 0,2 4,7 0,1 4,5<br />

Aus den chemischen Analysen in Tabelle 14 kann zunächst entnommen werden, daß die<br />

höchsten Gipsgehalte immer im oberflächennahen Tiefensegment 0-5 mm vorliegen. Die<br />

stark schwankenden Gipsmengen (errechnet aus dem Sulfatgehalt) liegen zwischen 0,2<br />

und 11 M%.<br />

Die Werte in Zeile 3 repräsentieren eine Salzverteilung, die nicht durch einen<br />

Gipshorizont beeinflußt wird. Der Gipsgehalt ist sowohl im oberflächennahen Segment<br />

(Tiefe 0-5 mm) als auch im Abschnitt 5-10 mm gering (0,2 bzw. 0,1 M%). Auch die<br />

Gehalte an leicht löslichen Salzen sind in beiden Tiefensegmenten etwa gleich hoch (4,7<br />

bzw. 4,5 M%).<br />

Demgegenüber ist aus den Werten der Zeilen 1 und 2 ersichtlich, daß sehr hohe Gipsgehalte<br />

in Oberflächennähe (5,7 bzw. 11 M%) zu einem signifikanten Anstieg der leicht<br />

löslichen Salze (ΣNitrat+Clorid = 8,0 bzw. 15,0 M%) im zweiten Tiefensegment (5-10 mm)<br />

führen.<br />

Durch den mikroskopischen Nachweis des oberflächennahen Gipshorizontes kann die<br />

Ursache der hohen Gehalte an leicht löslichen Salzen im Tiefensegment 5-10 mm geklärt<br />

werden. Die Gefügeverdichtungen behindern den Transport der Salzlösung in Richtung<br />

Ziegeloberfläche. Diese Transportblockade hat stark erhöhte Salzkonzentrationen hinter<br />

dem Gipshorizont zur Folge.<br />

Dieser „Stau“ von leicht löslichen Salzen im Inneren hat nicht zu stärkeren Schäden an<br />

den betreffenden Ziegeln geführt. Auch eine Korrelation zwischen hohen Gipsgehalten<br />

und starker Schädigung läßt sich am Innenmauerwerk nicht nachweisen.<br />

Verdichtungen des oberflächennahen Porenraumes durch Gipsausscheidungen wurden<br />

bereits am Außenmauerwerk des Kampischen Hofes nachgewiesen (vgl. Gliederungspunkt<br />

4.2.3.2). An der Fassade haben diese Gefügeveränderungen bei Gipsgehalten um<br />

10 M% Schäden in Form von Schalenbildung aufgrund thermisch-hygrischer Beanspruchungen<br />

des Ziegel-Gips-Gefüges zur Folge.<br />

Demgegenüber sind am Innenmauerwerk des Kampischen Hofes bei vergleichbar hohen<br />

Gipsgehalten keine Gefügeschäden vorhanden, die direkt oder indirekt auf Gipskristallisation<br />

zurückzuführen sind.<br />

Diese Feststellung ist ein Hinweis, daß wesentliche Faktoren, die an der Fassade zu einer<br />

Schädigung in Gegenwart von Gips führen, im Innenraum nicht vorhanden sind. Das<br />

betrifft vor allem Frostsprengung als Schadensursache. Obwohl aufgrund der baulichen<br />

Situation bei entsprechender Witterung auch im Innenraum Frost auftritt, wird durch die<br />

Gefrierpunkterniedrigung aufgrund der hohen Gehalte an leicht löslichen Salzen keine<br />

Eiskristallisation stattfinden (vgl. Gliederungspunkt 4.2.5.2).


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 144<br />

4.2.5.2 NaCl im Schadensbild der mittelalterlichen Ziegel<br />

Die starken Salzausblühungen sind eines der wesentlichen Probleme am Innenmauerwerk<br />

des S-Flügels des Kampischen Hofes. Die Oberfläche des Ziegels in Abb. 159 ist fast vollständig<br />

von einer weißen Salzschicht bedeckt.<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

NaCl im Schadensbild der<br />

mittelalterlichen Ziegel<br />

Abb. 159:<br />

Starke Salzausblühungen<br />

auf dem Mauerwerk der<br />

südlichen Innenwand des<br />

S-Flügels des<br />

Kampischen Hofes. Die<br />

Ziegeloberfläche ist<br />

vollständig von einer<br />

NaCl-Kruste bedeckt.<br />

An verschiedenen Stellen der Innenwand wurden kleine Ziegelproben entnommen und nach<br />

vor Ort Kryo-Präparation im Kryo-REM untersucht. Zusätzlich erfolgten Dünnschliffuntersuchungen<br />

im Polarisationsmikroskop.<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

In den Kryo-REM-Untersuchungen wurde übereinstimmend nachgewiesen, daß die Salzausblühungen<br />

und -krusten ausschließlich aus NaCl bestehen. Auffällig sind die vielfältigen<br />

Morphologien, wobei folgende, häufig auftretende Formen zu unterscheiden waren:<br />

Ansprache Charakteristika der NaCl-Formen<br />

Salzpusteln Salzaggregate aus gedrungenen, überwiegend hypidiomorphen<br />

oder xenomorphen Kristallen<br />

Lockere Krusten lockere Verwachsungen xenomorpher Kristalle unterschiedlicher<br />

Form und Größe, nur sehr vereinzelt Whisker.<br />

Kompakte Krusten eng verwachsene, xenomorphe Kristalle (Krustendicke bis 100 µm),<br />

stellenweise aufgewölbte Salzplatten (Krustendicke bis 500 µm)<br />

Faserkrusten überwiegend parallele, senkrecht zur Ziegeloberfläche orientierte<br />

kurzstengelige bis gedrungene Kristalle (Palisadenkrusten, Dicke<br />

100-400 µm)<br />

Mehrlagige Krusten feinkristalline Schichten aus kleinen, eng verwachsenen Kristallen<br />

wechseln lagenweise mit freistehenden, stengeligen bis säuligen<br />

Kristallen (Gesamtkrustendicke bis 2 mm)


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 145<br />

Abb. 160 zeigt eine kompakte NaCl-Kruste auf einem Ziegel. Die Salzschicht an der Oberfläche<br />

ist etwa 100 µm dick. Einzelne Kristallindividuen sind kaum zu unterscheiden.<br />

Eine mehrlagige NaCl-Ausblühung ist in den Abb. 161 und 162 dargestellt. Die NaCl-<br />

Morphologien wechseln innerhalb der Kruste mehrfach. Im Verlauf des Krustenwachstums<br />

sind dünne, kompakte NaCl-Schichten entstanden, die durch einzeln stehende, stengelige<br />

Kristalle miteinander verbunden sind.<br />

Die Präparation von Salzkrusten einschließlich angrenzendem Ziegel ermöglichte neben den<br />

Krustenbetrachtungen auch Untersuchungen der Kontaktzone Salzkruste / Ziegel sowie des<br />

Porenraumes unter der Salzschicht.<br />

Der Querschnitt der Grenzfläche einer mehrlagigen NaCl-Kruste mit dem Ziegel ist in Abb.<br />

162 zu sehen. In dieser Aufnahme wird deutlich, daß sich die Kruste zum Zeitpunkt der<br />

Probenentnahme in engem Kontakt mit dem Ziegel befindet. Weiterhin fällt auf, daß<br />

unmittelbar unter der Kruste keine oder nur eine sehr eingeschränkte Porosität im Ziegel<br />

vorhanden war.<br />

Im Porenraum unter der Salzschicht dominieren glatte, filmartige Strukturen (Abb. 163). Nur<br />

sehr vereinzelt sind innerhalb dieser Filme 500 nm- bis 1 µm-kleine Kristalle erkennbar (Abb.<br />

164). Die EDX-Analysen dieser Filme bzw. Kristalle zeigen gegenüber dem Ziegel erhöhte<br />

Na- und Cl-Gehalte (Abb. 165). Der würfelförmige Habitus der kleinen Kristalle entspricht<br />

weitgehend der Gleichgewichtsform des NaCl. Daher ist es wahrscheinlich, daß es sich um<br />

NaCl handelt.<br />

Eine Erhöhung der Tischtemperatur im Kryo-REM bis zum Sublimationspunkt des Wassers<br />

unter Hochvakuumbedingungen (-130°C → -80°C) hat nur vereinzelt zu morphologischen<br />

Veränderungen der überwiegend filmartigen Strukturen im Porenraum geführt, wobei<br />

einzelne, feine Risse in den Salzfilmen entstanden.<br />

Die Untersuchungsfläche einer Kryo-REM-Probe ist auf etwa 5x5 mm beschränkt. Ziegel mit<br />

Schalen- und Schuppenbildung können mit dieser Methode kaum untersucht werden, da<br />

lockere Teile bei der Dimensionierung der Probe durch den Brechvorgang meist abplatzen.<br />

Um Aussagen zu Gefügeveränderungen und -schäden bis in größere Tiefen treffen zu<br />

können, wurden aus größeren Teilstücken der Ziegel Dünnschliffe hergestellt und im Polarisationsmikroskop<br />

untersucht.<br />

Hierbei wurde festgestellt, daß selbst an Ziegeln, die bereits einige cm abgewittert waren,<br />

keine tiefgreifenden Gefügelockerungen vorhanden waren. Erst in unmittelbarer Oberflächennähe<br />

treten Risse auf, die teilweise oder vollständig mit NaCl gefüllt sind (Abb. 166).<br />

In Gegenwart von Salzkrusten sind aus dem Gefügeverband gelöste Ziegelpartikel von den<br />

Salzkristallen der Kruste umschlossen (Abb. 167).<br />

Ein fortgeschrittenes Stadium einer Schädigung in Gegenwart von NaCl zeigt die Abb. 168.<br />

Mehrere Ziegelpartikel werden abgedrückt. Bei höherer Vergrößerung ist in einem Riß hinter<br />

der Ziegelschuppe zu erkennen, daß eine schmale NaCl-Schicht von stengeligen NaCl-<br />

Kristallen angehoben wird (Abb. 169). Im dahinter liegenden Gefüge sind noch keine<br />

Schäden erkennbar.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 146<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

NaCl im Schadensbild der<br />

mittelalterlichen Ziegel<br />

Abb. 160:<br />

Ziegel mit kompakter NaCl-<br />

Kruste (hellgrau). Die<br />

Salzschicht befindet sich in<br />

engem Kontakt mit dem<br />

Ziegel. Einzelne<br />

Kristallindividuen können<br />

innerhalb der Kruste nicht<br />

unterschieden werden.<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 161:<br />

Mehrlagige NaCl-Kruste<br />

mit wechselnden Kristallmorphologien<br />

von einer<br />

Ziegeloberfläche (gleiche<br />

Vergrößerung wie Abb.<br />

160).<br />

Dünne, feinkristalline<br />

Salzschichten werden von<br />

stengeligen Kristallindividuen<br />

angehoben<br />

(Übersicht s. Abb. 162).<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 162:<br />

Gleiche Probe wie in Abb.<br />

161 in der Übersicht.<br />

Die Kruste befindet sich in<br />

engem Kontakt mit der<br />

Ziegeloberfläche. Der<br />

Porenraum unter der<br />

Kruste wirkt dicht.<br />

Durch die Präparation von<br />

Kruste und Ziegel können<br />

sowohl der Ziegel als auch<br />

die Salzschicht untersucht<br />

werden.<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 147<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

NaCl im Schadensbild der<br />

mittelalterlichen Ziegel<br />

Abb. 163:<br />

Porenraum unterhalb der<br />

NaCl-Kruste in Abb. 162.<br />

Es ist keine Porosität<br />

erkennbar. Die Gefügebestandteile<br />

sind von einem<br />

Salzfilm überdeckt (vgl.<br />

Abb. 164 und 165)<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 164:<br />

Salzfilme im oberflächennahen<br />

Porenraum unterhalb<br />

einer NaCl-Kruste. In<br />

den Filmen am Boden<br />

einer Pore sind 500 nm bis<br />

1 µm kleine, idiomorphe<br />

NaCl-Kristalle zu erkennen<br />

(Pfeile). Das zugehörige<br />

EDX-Spektrum zeigt Abb.<br />

165.<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 165:<br />

Elementspektrum einer<br />

Spotmessung im Bereich<br />

der idiomorphen Kristalle in<br />

Abb. 164. Es handelt sich<br />

sehr wahrscheinlich um<br />

NaCl-Kristalle. Die<br />

Elementanalyse dieser<br />

kleinen Strukturen wird<br />

durch die Ziegelmatrix<br />

überlagert.<br />

[EDX-Spektrum]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 148<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

NaCl im Schadensbild der<br />

mittelalterlichen Ziegel<br />

Abb. 166:<br />

Querschnitt eines rückgewitterten<br />

Ziegels (Oberfläche<br />

im Bild links).<br />

In der NaCl-Kruste (weiß)<br />

ist ein brauner Ziegelpartikel<br />

eingeschlossen.<br />

Etwa parallel zur Oberfläche<br />

ist ein NaCl-gefüllter<br />

Riß zu erkennen (Pfeile).<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]<br />

Abb. 167:<br />

Querschnitt eines rückgewitterten<br />

Ziegels (Oberfläche<br />

im Bild links).<br />

Lockere, teilweise hohl<br />

liegende NaCl-Kruste auf<br />

Ziegel. Innerhalb der<br />

Kruste sind Ziegelpartikel<br />

eingeschlossen, die seit<br />

ihrer Absprengung vom<br />

Ziegel mit der Kruste<br />

transportiert werden.<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 2,6 mm]<br />

Abb. 168:<br />

Ecke eines rückgewitterten<br />

Ziegels im Querschnitt<br />

(Oberfläche im Bild oben<br />

und links).<br />

Lockere Ziegelpartikel an<br />

der Oberfläche. In den<br />

Rissen hinter den Partikeln<br />

sind stengelige NaCl-<br />

Kristalle zu erkennen<br />

(Detail s. Abb. 169).<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 5,2 mm]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 149<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

NaCl im Schadensbild der<br />

mittelalterlichen Ziegel<br />

Abb. 169:<br />

Detail aus Abb. 168.<br />

Absprengung einer<br />

Ziegelschuppe durch<br />

NaCl.<br />

Eine dünne NaCl-Schicht<br />

wird von stengeligen<br />

NaCl-Kristallen angehoben.<br />

Durch das Kristallwachstum<br />

wird Druck auf<br />

die Ziegelschuppe ausgeübt.<br />

[PolMi-Aufnahme, I Pol.,<br />

Bildbreite 1,3 mm]<br />

Nach REM-Untersuchungen an Ausblühungen auf Bauwerksoberflächen gelangen Charola<br />

und Lewin (1979) zu der Einschätzung, daß aus der Zusammensetzung von Ausblühungen<br />

und deren Morphologie Schlußfolgerungen zu den chemischen Wechselwirkungsprozessen<br />

und kristallographischen Vorgängen gezogen werden können, die zu ihrer Entstehung<br />

geführt haben.<br />

Die südliche Innenwand des S-Flügels des Kampischen Hofes ist im Gegensatz zur<br />

Außenwand ganzjährig von starken Salzausblühungen bedeckt. Die hieran durchgeführten<br />

Kryo-REM-Untersuchungen haben eine trocknungsartefaktfreie Abbildung der Salze auf den<br />

Ziegeloberflächen ermöglicht. Es handelt sich ausschließlich um NaCl, wobei sehr<br />

unterschiedliche Morphologien auftreten.<br />

Basierend auf den Modellvorstellungen von Arnold und Zehnder (1989) kann aus den<br />

vorgefundenen Salzmorphologien auf unterschiedliche, aber durchweg niedrige Substratfeuchten<br />

geschlossen werden.<br />

Kompakte Salzschichten bzw. Faserkrusten sind aus einem dünnen Salzlösungsfilm an der<br />

Ziegeloberfläche nach außen gewachsen.<br />

Das Auftreten mehrlagiger Krusten deutet auf Schwankungen der Substratfeuchte. Die<br />

lagenweise wechselnden Salzmorphologien sind die Folge zyklischer Änderungen der<br />

Kristallisationsbedingungen. Dabei ist für das Wachstum der stengeligen NaCl-Kristalle eine<br />

geringere Substratfeuchte anzunehmen, wobei nur punktuell ein ausreichendes Angebot an<br />

Salzlösung für das Kristallwachstum vorhanden ist.<br />

Die am Innenmauerwerk des Kampischen Hofes mikroskopisch nachgewiesenen Formen<br />

der NaCl-Ausblühungen und die Salzfilme im Porenraum zeigen Analogien zu Ergebnissen<br />

von REM-Untersuchungen, die Eswaran et al. (1980) an NaCl-Krusten von ariden Böden<br />

durchgeführt haben. Die Autoren treffen folgende Unterscheidungen und Bewertung:<br />

1) Faserkrusten sind typisch für Ausblühungen auf ariden Böden. Durch röntgenographische<br />

Einkristall-Untersuchungen (Gandolfi-Kamera) wurde nachgewiesen, daß die<br />

Kristalle in [110]-Richtung wachsen.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 150<br />

2) Feinstkristalline Aggregate<br />

3) Dünne amorphe Salzfilme werden als Hauptform in den Salzhorizonten arider Böden<br />

bezeichnet. Die Filme umhüllen dabei Bodenbestandteile, Halitaggregate oder kleine<br />

würfelförmige NaCl-Kristalle.<br />

Die Ursachen dieser unterschiedlichen Morphologien werden in der Zusammensetzung der<br />

Salzlösung, vor allem aber in den mikroklimatischen Verhältnissen gesehen.<br />

Durch Kryo-REM-Untersuchungen konnten Salzlösungsfilme im Porenraum der Ziegel des<br />

Innenmauerwerkes des Kampischen Hofes nachgewiesen werden. Die Intensität dieser<br />

Filme auf den Porenwandungen korreliert mit dem Grad der Ausblühungen, d.h. sie treten<br />

verstärkt im oberflächennahen Porenraum von Ziegeln mit starken bis flächendeckenden<br />

Ausblühungen auf. Häufig sind feine Poren vollständig gefüllt.<br />

Die EDX-Analysen der Salzfilme deuten auf Na und Cl als Hauptbestandteile. Chemische<br />

Salzanalysen, die parallel zu den mikroskopischen Untersuchungen durchgeführt wurden,<br />

ergaben jedoch, daß neben hohen Chloridgehalten (2,0 bis 7,5 M%) auch hohe Nitratgehalte<br />

vorliegen (0,3 und 1,7 M%).<br />

Tabelle 15 zeigt zwei Analysebeispiele aus dem oberflächennahen Tiefensegment (0-5 mm).<br />

In diesem Ziegelabschnitt wurden auch die Kryo-REM-Untersuchungen durchgeführt.<br />

Tabelle 15: Beispiele der Zusammensetzung des Salzgemisches im Innenmauerwerk des<br />

Kampischen Hofes (aus Steiger und Neumann 1995)<br />

SO4 2-<br />

Zusammensetzung des Salzgemisches [mg/kg]<br />

Anionen Kationen<br />

NO3 -<br />

Cl -<br />

Na +<br />

K +<br />

Mg 2+<br />

Ca 2+<br />

1 2.451 5.884 30.209 17.620 1.936 1.131 3.320<br />

2 1.339 14.373 75.050 40.090 5.777 876 5.727<br />

Aus Tabelle 15 ist ersichtlich, daß im Innenmauerwerk des Kampischen Hofes ein<br />

Salzgemisch komplexer Zusammensetzung vorliegt. Hauptbestandteile auf der Anionenseite<br />

sind Chlorid und Nitrat, als Kationen sind Natrium, Kalium und Calcium enthalten.<br />

Feuchtemessungen am Ziegelmauerwerk ergaben Werte zwischen 3,2 und 7,7 Gew.%<br />

(Ganß 1994 und Freyburg 1996c). Diese mäßig erhöhten Feuchtegehalte sind aufgrund<br />

der hohen Salzgehalte und der Salzzusammensetzung (Nitrate und Chloride) sehr<br />

wahrscheinlich zum überwiegenden Teil auf eine hygroskopische Wasseraufnahme des<br />

Salzgemisches zurückzuführen.<br />

Die Kryo-REM-Untersuchungen bestätigen diese Annahme. In den Salzfilmen sind nur sehr<br />

geringe Wassergehalte nachweisbar. Einzelne, idiomorphe NaCl-Kristalle, die von Salzfilmen<br />

umgeben sind, deuten auf eine Sättigung der Salzlösung.<br />

Zur Überprüfung dieser Beobachtungen wurden zwei Modellrechnungen durchgeführt.<br />

Nach Steiger und Zeunert (1996) kann das Verhalten eines Salzgemisches auf der Basis der<br />

thermodynamischen Eigenschaften der wässrigen Elektrolytlösungen analysiert werden.<br />

Diese Berechnung der Phasengleichgewichte basiert auf dem Modell von Pitzer (1991), in<br />

dem das thermodynamische Verhalten von Lösungen beschrieben wird.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 151<br />

Den thermodynamischen Berechnungen, die von Steiger (2001) durchgeführt wurden, liegen<br />

folgende Annahmen zugrunde:<br />

1. Aufgrund der größeren Wahrscheinlichkeit, gelöstes Salz im Porenraum vorzufinden,<br />

wurde die niedrigere Salzkonzentration (Zeile 1 in Tabelle 15) mit dem höchsten am<br />

Innenmauerwerk gemessenen Feuchtewert (7,7 Gew.%) kombiniert.<br />

Diese Annahme ist erforderlich, weil aufgrund abweichender Meßstellen die genauen<br />

Ziegelfeuchten, die zu den Salzanalysen in Tabelle 15 gehören, nicht bekannt sind.<br />

2. Der in den Ionenbilanzen (Angabe in meq/kg, nicht dargestellt) auftretende Calciumüberschuß<br />

wird als Calcit betrachtet.<br />

3. Die gesamte Sulfatmenge liegt als Gips vor.<br />

4. Calcit und Gips können aufgrund ihrer geringen Löslichkeit unberücksichtigt bleiben.<br />

5. Es wird eine Raumtemperatur von 20°C angenommen.<br />

Zunächst wurde das theoretische Kristallisationsverhalten des Salzgemisches ermittelt. Im<br />

Ergebnis ist festzustellen, daß ein Salzgemisch der angenommenen Zusammensetzung mit<br />

einer relativen Luftfeuchtigkeit von 73,1% im Gleichgewicht steht. Bei Unterschreitung dieses<br />

Wertes beginnt NaCl zu kristallisieren.<br />

Aus der Berechnung geht weiterhin hervor, daß unterhalb 61,3% r.F. die Kristallisation von<br />

KNO3 beginnt.<br />

Wird zusätzlich die Materialfeuchte berücksichtigt, ergeben die Berechnungen, daß sich das<br />

Salzgemisch im oberflächennahen Porenraum des Ziegels mit einer Luftfeuchtigkeit von<br />

71,3% im Gleichgewicht befindet. Dieser Wert ist niedriger als die Gleichgewichtsfeuchte.<br />

Das bedeutet, daß bereits ein Teil des NaCl in kristalliner Form vorliegen müßte.<br />

75<br />

73,1<br />

71,3<br />

70<br />

NaCl<br />

Na+ (Lsg.)<br />

65<br />

Relative Luftfeuchte [%]<br />

693,0<br />

377,3<br />

Abb. 170: Gehalt an Salzlösung sowie kristallinem NaCl in Abhängigkeit von der relativen<br />

Luftfeuchtigkeit (im Intervall 75% bis 60%)<br />

60<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Gehalte [mmol/kg]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 152<br />

Der Darstellung in Abb. 170 ist sowohl der Anteil an Na-Ionen in der Salzlösung (blaue<br />

Kurve) als auch der Anteil an kristallinem NaCl (rote Kurve) im Luftfeuchtebereich zwischen<br />

75% und 60% zu entnehmen.<br />

Aus dem Verlauf der roten Kurve ist ersichtlich, daß bei 73,1% r.F. die NaCl-Kristallisation<br />

beginnt. Weiterhin wird deutlich, daß bei der Luftfeuchte, die sich über dem Salzgemisch im<br />

Porenraum eingestellt hat (71,3% r.F.), bereits 377,3 mmol/kg (= 54%) des enthaltenen<br />

Natriums als kristallines NaCl neben einer NaCl-gesättigten Lösung vorliegen müßten.<br />

In den Kryo-REM-Untersuchungen sind jedoch fast ausschließlich Salzfilme nachweisbar.<br />

Hieraus muß geschlossen werden, daß im Porenraum der Ziegel eine übersättigte Salzlösung<br />

vorliegt. NaCl wird in amorpher oder kryptokristalliner Form aus der Salzlösung<br />

ausgeschieden. Das bedeutet, daß ein großer Metastabilitätsbereich zwischen Übersättigung<br />

und Keimbildung existieren muß und eine geringe Keimbildungsrate und ein geringes<br />

Kristallwachstum anzunehmen sind. Wahrscheinlich werden die Keimbildung und das<br />

Kristallwachstum sowohl durch die Lösungsgenossen als auch durch die hohe spezifische<br />

Oberfläche der Porenwandungen behindert.<br />

Kristallines NaCl ist – abgesehen von Ausblühungen - nur in den sichtbar geschädigten<br />

Ziegeln nachweisbar. Die NaCl-Kristalle befinden sich in rohstoff- und fertigungsbedingten<br />

Inhomogenitäten (Brennschwindsäume, Hohlräume und größere Poren) bzw. in Rissen.<br />

Trotz erheblicher Rückwitterungen (bis 5 cm) sind mikroskopisch keine tiefgreifenden<br />

Gefügeschäden nachweisbar.<br />

Arnold und Zehnder (1989) haben in Laborversuchen an keramischem Material festgestellt,<br />

daß die Salzkristallisation in größeren Poren beginnt. Im nächsten Schritt entstehen feine<br />

Risse, die sich mit Salzlösung bzw. Salzkristallen füllen und dabei allmählich erweitert<br />

werden. Dieser Prozeß setzt sich fort und führt zu einer kontinuierlichen Rißverbreiterung<br />

und zu einer signifikanten Morphologieänderung der kristallisierenden Salze. Es treten<br />

zunehmend stengelige Formen auf.<br />

Dieses Modell kann grundsätzlich auf die Erklärung der Ziegelschädigung am Innenmauerwerk<br />

des Kampischen Hofes übertragen werden. Durch das Wachstum von NaCl-<br />

Kristallen aus einem Salzlösungsfilm werden Ziegelpartikel zunehmend gelockert und<br />

schließlich vom Restmaterial abgetrennt. Aufgrund der geringen Kristallisationsneigung der<br />

Salzlösung sind für das Kristallwachstum jedoch sehr hohe Übersättigungen erforderlich, die<br />

nur in oberflächennahen Hohlräumen und Rissen einzelner Ziegel geringer Festigkeit und<br />

wahrscheinlich ungünstiger Porositätseigenschaften erreicht werden.<br />

Eine weitere thermodynamische Berechnung wurde zur Bestimmung der Gefrierpunkterniedrigung<br />

durchgeführt. Hierfür wurden die Annahmen 1. bis 4. unverändert zugrunde<br />

gelegt (s.o.), die Temperatur (5.) jedoch variiert. Die Berechnungen haben ergeben, daß bei<br />

sinkenden Raumtemperaturen folgende Stufen durchlaufen werden:<br />

-5°C Umwandlung des NaCl in Hydrohalit (NaCl • 2 H2O)<br />

-19,3°C Beginn der Kristallisation von KNO3<br />

-25,8°C Beginn der Kristallisation des Wassers<br />

Es ist davon auszugehen, daß Temperaturen von -20°C auch in strengen Wintern in den<br />

Innenräumen des Kampischen Hofes nicht erreicht werden.<br />

Damit kann Frost als Schadensursache am Innenmauerwerk ausgeschlossen werden.<br />

Mit KNO3-Kristallisation ist bei konstanten oder sinkenden Temperaturen nicht zu rechnen,<br />

solange die relative Luftfeuchte konstant bleibt oder steigt. Bei Werten unter 61,3%, beginnt<br />

KNO3 aus dem Salzgemisch zu kristallisieren. Bei häufigen Luftfeuchteschwankungen um<br />

diesen Wert ist mit einer verstärkten Schädigung des Ziegelmauerwerkes zu rechnen.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 153<br />

4.2.6 Auswirkungen einer Raumklimatisierung auf die NaCl-Kristallisation am<br />

Innenmauerwerk<br />

Zur Überprüfung der Auswirkungen eines veränderten Raumklimas auf das stark salzbelastete<br />

Mauerwerk erfolgte die Simulation eines möglichen Nutzungsklimas (KIEßL 1998).<br />

Hierzu wurden vom Institut für Bauphysik Holzkirchen (IBP) und dem Wilhelm-Klauditz-<br />

Institut für Holzforschung (WKI) begehbare, hoch wärmegedämmte und diffusionsdichte<br />

Klimakammern entwickelt, die an drei verschiedenen Stellen vor jeweils etwa 12 m 2 große<br />

Teilflächen der Innenwände montiert wurden. Über spezielle Regel- und Meßeinrichtungen<br />

wurde in den Kammern eine konstante Lufttemperatur von 22°C realisiert. Einmal pro Stunde<br />

erfolgte ein Luftwechsel.<br />

Damit bestand die Möglichkeit, die Auswirkungen einer gegenüber der bisherigen<br />

Nutzungssituation (ungeheiztes Speichergebäude) erhöhten Raumtemperatur auf die<br />

vorhandenen Salze mikroskopisch zu untersuchen. Hierzu wurden an ausgewählten Ziegeln<br />

wiederholt Proben entnommen. Die ersten Untersuchungen zur Erfassung des<br />

Ausgangszustandes erfolgten wenige Tage nach der Inbetriebnahme. Eine weitere<br />

Probenentnahme fand nach viermonatiger Betriebszeit der Klimakammer statt.<br />

Alle Proben wurden vor Ort kryo-präpariert und anschließend im Kryo-REM untersucht.<br />

4.2.6.1 Ausgangszustand<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Im Ausgangszustand waren an den Ziegeloberflächen etwa 100 µm starke NaCl-Ausblühungen<br />

vorhanden. Abb. 171 zeigt eine kompakte, palisadenartige NaCl-Kruste.<br />

Im Materialkontrast der Rückstreuabbildung sind an den Oberflächen der Salzschicht dunkle<br />

Flächen erkennbar, aus denen punktuell NaCl-Kristalle als helle Spitzen herausragen (Abb.<br />

172). Eine Erhöhung der Tischtemperatur im Kryo-REM bis zum Sublimationspunkt des<br />

Wassers (-130°C → -80°C) führt zu starken morphologischen Veränderungen (Risse an der<br />

Oberfläche der Salzschicht) und zu geringeren Helligkeitsunterschieden im Rückstreubild<br />

(Abb. 173). Ein Vergleich der EDX-Spektren, die vor und nach der Sublimation<br />

aufgenommen wurden (Abb. 174), zeigt einen deutlich geringeren O-Gehalt nach erfolgter<br />

Sublimation. Es handelt sich um dünne Salzlösungsfilme im Bereich der NaCl-Krusten. Im<br />

Porenraum der Ziegel unter den Krusten sind nur die in 4.2.5.2 detailliert beschriebenen<br />

Salzfilme nachweisbar.<br />

4.2.6.2 Zustand nach viermonatiger Klimatisierung<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Nach viermonatiger Betriebszeit der Klimakammer hatten die Salzausblühungen an der<br />

Wandfläche deutlich zugenommen.<br />

Mikroskopisch waren verschiedene Veränderungen feststellbar. Die Dicke der Krusten hat<br />

sich auf 300 µm erhöht und damit etwa verdreifacht (vgl. Abb. 171 und 175). Außerdem sind<br />

an den Krusten auch morphologische Veränderungen festzustellen. Es treten zunehmend<br />

stengelige Kristalle auf, die sich zwischen der Kruste und dem Ziegel befinden (Abb. 175).<br />

An den Oberflächen der NaCl-Krusten ist keine Salzlösung vorhanden.<br />

Die Salzfilme auf den Porenwandungen treten gegenüber dem Ausgangszustand wesentlich<br />

stärker in Erscheinung (Abb. 176). Feinporen sind nicht mehr zu erkennen.<br />

Mit Hilfe der EDX können im Bereich der Filme Na und Cl als ziegelfremde Bestandteile<br />

ermittelt werden (Abb. 177). Der Feuchtegehalt der Filme ist gering, eine Anhebung der<br />

Kryo-REM-Tischtemperatur von -130°C auf -80°C führt nicht zu morphologischen Veränderungen.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 154<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

Raumklimatisierung<br />

(Ausgangszustand)<br />

Abb. 171:<br />

Krustenmorphologie im<br />

Ausgangszustand (vgl.<br />

Abb. 175).<br />

Kompakte NaCl-Kruste auf<br />

Ziegel. Auf der Krustenoberfläche<br />

sind dunkle<br />

Strukturen zu erkennen<br />

(Pfeil, Detail s. Abb. 172).<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 172:<br />

Die Krustenoberfläche ist<br />

fast vollständig mit einem<br />

Salzlösungsfilm bedeckt<br />

(dunkle Bereiche). Nur die<br />

Kanten einiger NaCl-<br />

Kristalle ragen als helle<br />

Spitzen heraus (Tischtemperatur<br />

-130°C).<br />

EDX-Spektrum s. Abb.<br />

174.<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 173:<br />

Gleicher Bildausschnitt wie<br />

Abb.172 nach Sublimation<br />

des Wassers (Tischtemperatur<br />

-80°C). Die starken<br />

Veränderungen sind die<br />

Folge der Sublimation des<br />

Wassers aus der Salzlösung.<br />

EDX-Spektrum s.<br />

Abb. 174.<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 155<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

Raumklimatisierung (nach<br />

4 Monaten Betriebszeit)<br />

Abb.174:<br />

Vergleich des integralen<br />

Elementbestandes in den<br />

Abb. 172 (rote Kurve) und<br />

Abb. 173 (blaue Kurve).<br />

Der signifikante O-Peak<br />

wird durch den hohen<br />

Wassergehalt der Salzlösungsfilme<br />

in Abb. 172<br />

hervorgerufen.<br />

[EDX-Spektren]<br />

Abb. 175:<br />

Krustenmorphologie nach 4<br />

Monaten Klimatisierung<br />

(vgl. Abb. 171):<br />

Die Krustendicke hat sich<br />

verdreifacht und morphologisch<br />

verändert: Sie ist<br />

porös und nur noch punktuell<br />

mit der Ziegeloberfläche<br />

im Kontakt. Im<br />

entstandenen Hohlraum<br />

dominieren stengelige<br />

NaCl-Kristalle.<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 176:<br />

Oberflächennaher Porenraum<br />

eines Ziegels nach<br />

viermonatiger Betriebszeit<br />

der Klimakammer:<br />

Gesättigte Salzfilme auf<br />

den Porenwandungen.<br />

Kantige Strukturen sind<br />

durch den Filmüberzug<br />

„geglättet“. EDX-Spektrum<br />

s. Abb. 177.<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 156<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

Raumklimatisierung (nach<br />

4 Monaten Betriebszeit)<br />

Abb. 177:<br />

EDX-Spektrum der<br />

Salzfilme in Abb. 176:<br />

Angesichts der morphologischen<br />

Dominanz<br />

dieser Strukturen in der<br />

REM-Aufnahme ist der<br />

Na- und Cl-Gehalt sehr<br />

gering.<br />

[EDX-Spektrum]<br />

Durch die Kryo-REM-Untersuchungen wurde nachgewiesen, daß in der Klimakammer zu<br />

Beginn der Betriebszeit erhebliche Mengen Feuchtigkeit an der Oberfläche des Ziegelmauerwerks<br />

vorhanden waren. Auf den NaCl-Krusten bzw. auf Kluftflächen zwischen NaCl-<br />

Kristallen war sowohl morphologisch als auch mittels EDX-Analyse Salzlösung nachweisbar,<br />

die, im Gegensatz zu den übersättigten Filmen im Porenraum, hohe Wassergehalte aufwies.<br />

Im Porenraum war diese gering konzentrierte Salzlösung nicht nachweisbar. Hieraus kann<br />

geschlossen werden, daß es sich um Kondensationsfeuchte an den Ziegeloberflächen<br />

handelt. Diese Wassereinwirkung auf die NaCl-Krusten hat zu oberflächlichen Anlösungen<br />

der Salzkristalle geführt.<br />

Nach viermonatiger Betriebszeit der Klimakammer sind mikroskopisch erhebliche Unterschiede<br />

gegenüber dem Ausgangszustand nachweisbar.<br />

Aus der Zunahme der Salzkrusten auf den Ziegeln kann geschlossen werden, daß die<br />

Temperierung des Innenraumes der Klimakammer auf 22°C einen verstärkten Transport von<br />

Salzen aus der Wand an die Oberfläche zur Folge hat.<br />

Im Rahmen des interdisziplinären Untersuchungsprogrammes wurden vor und während der<br />

Betriebszeit der Klimakammer Gammasondenmessungen im Mauerwerk durchgeführt<br />

(Hoyer 1996). Mit diesem Verfahren können durch Verwendung einer Gabelsonde, die<br />

schrittweise in zwei parallele Mauerwerksbohrungen eingeführt wird, Dichteänderungen<br />

entlang der Meßstrecke zwischen den Bohrungen nachgewiesen werden. Die Messungen<br />

können beliebig oft wiederholt werden. Eine Trennung zwischen Feuchteänderungen und<br />

anderen die Dichte beeinflussenden Stoffänderungen, z.B. verstärkten Salzkristallisationen,<br />

ist mit diesem Meßverfahren jedoch nicht möglich.<br />

In Abb. 178 ist auf der x-Achse die Meßtiefe im Mauerwerk dargestellt. Der Punkt 0 entspricht<br />

der Ziegeloberfläche. Die Kurven setzen bei 5 mm Tiefe ein, d.h. das Meßverfahren<br />

liefert keine Informationen zum oberflächennahen Ziegelsegment 0-5 mm.<br />

Der Nullpunkt der y-Achse entspricht der Materialdichte zum Ausgangszeitpunkt der<br />

Messungen, im vorliegenden Fall der Inbetriebnahme der Klimakammern.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 157<br />

Dargestellt ist der Verlauf der Dichteänderung über einen Meßzeitraum von einem Jahr.<br />

Nach einem Monat wurde eine Abnahme der Dichte festgestellt, die mit einer Trocknung des<br />

Mauerwerks erklärt wird (Hoyer 1996). Für alle folgenden Meßzeitpunkte ist eine kontinuierliche<br />

Erhöhung der Dichte in Oberflächennähe ersichtlich.<br />

Abb. 178: Auswirkungen einer Raumklimatisierung (konstante Temperierung auf 22°C) auf die<br />

Ziegeldichte über einen Meßzeitraum von 12 Monaten (Gammasondenmessung des WKI<br />

Braunschweig in einer Klimakammer des Kampischen Hofes in Stralsund; aus Hoyer<br />

1996)<br />

Im Ergebnis der Gammasondenmessung ist die Dichteerhöhung nach viermonatiger<br />

Betriebszeit der Klimakammer noch relativ gering. Trotz des geringen Meßeffektes kann<br />

mikroskopisch bereits nachgewiesen werden, daß die Intensität der Salzfilme im<br />

oberflächennahen Porenraum gegenüber dem Ausgangszustand erheblich zugenommen<br />

hat. Die Dichteänderung kann folglich mit einer Verlagerung von Salzen erklärt werden.<br />

Angesichts der starken Filmbildung kann davon ausgegangen werden, daß Feinporen<br />

wahrscheinlich vollständig mit Salzlösung gefüllt sind. Auch bei Untersuchungsbedingungen<br />

im Kryo-REM, die zur Sublimation von Wasser führen würden, zeigen die Salzfilme keine<br />

morphologischen Veränderungen. Das bedeutet, daß der Wassergehalt sehr gering ist. Es<br />

handelt sich folglich um hoch konzentrierte Salzlösung.<br />

Aufgrund der mikroskopischen Beobachtungen ist für den untersuchten oberflächennahen<br />

Bereich (0-5 mm) Grenzflächendiffusion (Kriechen) einer hoch konzentrierten Salzlösung als<br />

maßgeblicher Transportprozeß anzunehmen.<br />

Die Na- und Cl-Gehalte in den EDX-Analysen der Salzfilme sind auffällig niedrig. Aufgrund<br />

der chemisch ermittelten hohen Nitratgehalte (0,3 bis 1,7 M%; Steiger und Neumann 1995)<br />

ist davon auszugehen, daß in den Salzfilmen auch Nitrat in nennenswerten Mengen<br />

enthalten ist.<br />

Die Pt-Bedampfung der Proben hat sich bezüglich der EDX-Analysen der Salzfilme als<br />

nachteilig erwiesen. Durch die Absorption der leichten Elemente in der Pt-Schicht wird die<br />

Detektion von NaCl behindert und der Nachweis von Nitrat vollständig unterbunden.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 158<br />

4.2.7 Auswirkungen einer Kompressenbehandlung auf die Salze im<br />

oberflächennahen Porenraum<br />

Es erfolgte eine zweistufige Kompressenbehandlung der Wandoberfläche in einer Klimakammer.<br />

Zunächst diente eine sogenannte Befeuchtungskompresse dazu, Wasser in das<br />

versalzene Mauerwerk einzubringen. Im zweiten Schritt wurde versucht, über eine verdunstungsaktive<br />

Kompresse möglichst viel Salzlösung aus dem Mauerwerk zu entfernen.<br />

Das Ziel war, den Salzgehalt im Bereich der Ziegeloberfläche kurzzeitig soweit zu verringern,<br />

daß konservatorische Arbeiten durchgeführt werden konnten (Strukturelle Festigung der<br />

Ziegel und Anlegen von Putztestflächen).<br />

Die sichtbare Folge der Kompressenbehandlung war das vollständige Verschwinden von<br />

Salzausblühungen von den Ziegeloberflächen und eine Farbsättigung der Ziegel.<br />

2 Tage nach Abnahme der zweiten Kompresse wurden kleine Ziegelproben entnommen, vor<br />

Ort kryo-präpariert und anschließend im Kryo-REM untersucht.<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Im oberflächennahen Porenraum der Ziegel konnten zwei Zustände unterschieden werden:<br />

1) Es traten zahlreiche Salzwaben auf (Abb. 179). Diese Strukturen wurden bereits bei<br />

feuchter Witterung an hoch NaCl-belasteten Proben des Außenmauerwerkes beobachtet<br />

(vgl. Abb. 142). Die Stege der Waben bestehen aus NaCl.<br />

2) Es konnte Salzlösung im Porenraum des Ziegels nachgewiesen werden, die sich von den<br />

hoch konzentrierten Salzfilmen (vgl. Abb. 176) unterscheidet.<br />

Die Salzlösung weist eine geringe Filmbildung und eine größere Rauhigkeit auf (Abb.<br />

180). Im Materialkontrast der RE-Abbildung erscheint sie dunkler als der Ziegel. Bei<br />

Erhöhung der Kryo-REM-Tischtemperatur in den Bereich des Sublimationspunktes des<br />

Wassers (von -130°C auf -80°C) traten für Salzfilme ungewöhnlich starke morphologische<br />

Veränderungen auf (Abb. 181). Deutliche Unterschiede sind auch in den EDX-Spektren<br />

vorhanden. Der Vergleich in Abb. 182 zeigt einen hohen O-Peak, der für gering<br />

konzentrierte Salzlösungen typisch ist. Die Sublimation führt zu einer signifikanten<br />

Verringerung des O-Peaks. Die Na- und Cl-Gehalte hingegen bleiben unverändert.<br />

Stellenweise waren in feinporigen Bereichen des Ziegelgefüges auch hoch konzentrierte<br />

Salzfilme vorhanden.<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

Kompressenentsalzung<br />

Abb. 179:<br />

Wabenförmige Salzstrukturen<br />

im Porenraum<br />

eines Ziegels nach der<br />

Kompressenentsalzung der<br />

Innenwand. In den Waben<br />

sind Na und Cl<br />

angereichert (vgl. auch<br />

Abb.142).<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 159<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

Kompressenentsalzung<br />

Abb. 180:<br />

Salzlösung (Pfeile) auf den<br />

Wandungen größerer<br />

Poren (Tischtemperatur<br />

-130°C).<br />

Die dunklen Strukturen<br />

können im Materialkontrast<br />

gut vom Ziegel<br />

unterschieden werden.<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 181:<br />

Gleicher Bildausschnitt wie<br />

Abb. 180 nach der<br />

Sublimation des Wassers<br />

(Tischtemperatur -80°C).<br />

Die Helligkeitsunterschiede<br />

im Materialkontrast sind<br />

geringer. Am Boden der<br />

Poren sind rissige<br />

Salzformen mit Relikten<br />

der Pt-Besputterung<br />

erkennbar.<br />

(EDX s. Abb. 182)<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 182:<br />

Vergleich der EDX-<br />

Spektren, aufgenommen<br />

im Bereich der Salzlösung<br />

in den Abb. 180 (rote<br />

Kurve) und 181 (blaue<br />

Kurve). Durch die Sublimation<br />

verringert sich nur<br />

der Wassergehalt in der<br />

Salzlösung. Die beiden<br />

Spektren unterscheiden<br />

sich deutlich in der Höhe<br />

des O-Peaks.<br />

[EDX-Spektren]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 160<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Die Kryo-REM-Untersuchungen wurden an Ziegelproben durchgeführt, die zwei Tage nach<br />

Entfernung der verdunstungsaktiven Kompressen aus dem Mauerwerk entnommen wurden.<br />

Im oberflächennahen Porenraum der Ziegel waren Salzwaben vorhanden, wie sie bereits bei<br />

Untersuchungen am Außenmauerwerk nach Beprobung hoch NaCl-belasteter Ziegel bei<br />

feuchter Witterung auftraten (vgl. Gliederungspunkt 4.2.4.1). Die Wabenwandungen<br />

bestehen aus NaCl.<br />

Es ist ein ursächlicher Einfluß hoher Feuchtigkeit im Porenraum auf die Entstehung dieser<br />

Strukturen anzunehmen. Durch den hohen Wassereintrag mit der ersten Kompresse kommt<br />

es zu Konzentrationserniedrigungen der Salzlösung im Porenraum. Möglicherweise ist die<br />

Abkühlgeschwindigkeit bei der Kryo-Präparation in Teilbereichen der Proben nicht ausreichend<br />

gewesen, um ein „Ausfrieren“ des Wassers aus der Salzlösung zu verhindern. Es<br />

wird angenommen, daß hierbei die wabenförmigen Salzstrukturen entstehen.<br />

Andererseits konnten wasserreiche Salzlösungen weitgehend artefaktfrei abgebildet werden.<br />

Im Porenraum waren Übergänge von Salzlösung zu Salzfilmen im Ergebnis zunehmender<br />

Trocknung der Ziegel zu beobachten.<br />

Die vor und nach der Kompressenbehandlung an einzelnen Steinen durchgeführten<br />

Salzanalysen (Steiger und Neumann 1996) belegen eine Verringerung des Gehaltes an<br />

leicht löslichen Salzen um etwa 75 %.<br />

Ein Abbau der Salzanreicherungen ist auch aus den Dichteveränderungen abzulesen, die<br />

durch Gammasondenmessung ermittelt wurden (Abb. 183). Vor der Entsalzung lag eine<br />

Dichteerhöhung im Ziegel von über 20% vor, die auf Salzanreicherung im Porenraum als<br />

Folge der Klimatisierung zurückzuführen ist (vgl. Gliederungspunkt 4.2.6). Zum Ende der<br />

Kompressenbehandlung ist der Ausgangswert „Null“ wieder erreicht.<br />

Abb. 183: Auswirkungen der Kompressenentsalzung auf die Ziegeldichte (Gammasondenmessung<br />

des WKI Braunschweig in einer Klimakammer des Kampischen Hofes in Stralsund; aus<br />

Hoyer 1996)<br />

Im Ergebnis der mikroskopischen Untersuchungen muß die Salzbelastung im Hinblick auf<br />

konservatorische Maßnahmen trotz Kompressenbehandlung als hoch eingeschätzt werden.<br />

Im oberflächennahen Porenraum und teilweise auch an der Oberfläche sind nach wie vor<br />

erhebliche Salzmengen, insbesondere NaCl, vorhanden. Die Belegung der Porenwandungen<br />

mit Salzlösung oder -filmen verändert die Grenzflächeneigenschaften des Ziegels und hat<br />

damit möglicherweise negative Auswirkungen auf die Anbindung und Haftung von<br />

Konservierungsmaterialien oder Putzen.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 161<br />

4.2.8 Vergleich von Kryo-REM- und REM-Untersuchungen zur NaCl-<br />

Kristallisation am Innenmauerwerk<br />

Durch vergleichende mikroskopische Untersuchungen sollte überprüft werden, inwieweit<br />

herkömmliche Probenentnahme, Transport und REM-Untersuchung, also der Verzicht auf<br />

die aufwendige Kryo-Technik, ausreichen, um Morphologie und Verteilung der Salze im<br />

Porenraum der Ziegel artefaktfrei zu erfassen.<br />

Die Ergebnisse werden an einer repräsentativen Probe beschrieben, die unmittelbar nach<br />

der Entnahme geteilt wurde. An einem Stück erfolgte die sofortige Kryo-Präparation (Bruchfläche<br />

senkrecht zur Oberfläche einschließlich Grenzfläche Ziegel / Salzkruste) und spätere<br />

Kryo-REM-Untersuchung (4.2.8.1). Ein anderer Teil der Probe wurde, wie allgemein üblich,<br />

in eine Kunststoffschachtel verpackt und einige Tage später im Labor präpariert und danach<br />

auf herkömmliche Weise im REM untersucht (4.2.8.2).<br />

4.2.8.1 Kryo-REM-Untersuchung<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Die Bruchfläche des mittels Kryo-Methoden untersuchten Ziegelteilstückes ist in Abb. 184<br />

dargestellt. Es ist praktisch keine Porosität erkennbar. Der Porenraum ist fast vollständig mit<br />

hoch konzentrierter Salzlösung gefüllt. Die zugehörige EDX-Analyse zeigt die bekannten<br />

Peakverhältnisse (Abb. 185). Neben den für Ziegel charakteristischen Elementen sind<br />

zusätzlich Na und Cl nachweisbar. In den Salzfilmen wahrscheinlich vorhandenes Nitrat wird<br />

aufgrund der Absorption durch die Pt-Bedampfung mit der EDX nicht erfaßt.<br />

Die Salzkruste war zum Zeitpunkt der Probenentnahme mit Salzlösungsfilm bedeckt. Im<br />

Materialkontrast der RE-Aufnahme (Abb. 186) ist dieser Film als dunkler Belag auf den<br />

hellen Kluftflächen der Salzkristalle zu erkennen.<br />

4.2.8.2 REM-Untersuchung<br />

Mikroskopische Beschreibung<br />

Abb. 187 zeigt den oberflächennahen Porenraum des auf herkömmliche Weise untersuchten<br />

Ziegelteilstückes der gleichen Probe. Vergrößerung und Abbildungsbedingungen in Abb. 184<br />

und 187 sind identisch. Es ist deutlich zu erkennen, daß der Porenraum des nicht kryobehandelten<br />

Teilstückes dünnere Salzfilme und eine wesentlich höhere Porosität aufweist.<br />

Die bei der Präparation gezielt erzeugte „frische“ Bruchfläche ist von Salzkristallen übersät<br />

(Abb. 188). Bei höherer Vergrößerung wird ersichtlich, daß es sich um überwiegend<br />

idiomorphe NaCl-Kristalle handelt, die in ihrer Gleichgewichtsform (Würfel) kristallisiert sind<br />

(Abb. 189).<br />

Schließlich sind zwischen den Proben auch wesentliche Unterschiede im Bereich der<br />

Salzkrusten vorhanden. Die Abb. 186 und 190 können aufgrund gleicher Vergrößerung und<br />

Abbildungsbedingungen wieder direkt miteinander verglichen werden. Abb. 190 zeigt eine<br />

gegenüber der Kryo-Probe wesentlich porösere Kruste aus stark angelösten NaCl-Kristallen.<br />

Salzlösung ist nicht vorhanden.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 162<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

Kryo-REM ↔ REM<br />

Abb. 184:<br />

Kryo-REM-Untersuchung<br />

Durch Salzfilme verdichteter,<br />

oberflächennaher<br />

Porenraum. Die feineren<br />

Strukturen des keramischen<br />

Scherbens sind<br />

aufgrund des Salzüberzuges<br />

nicht erkennbar.<br />

EDX-Analyse s. Abb. 185.<br />

[Kryo-REM-SE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 185:<br />

Kryo-REM-Untersuchung<br />

EDX-Analyse der Salzfilme<br />

in Abb.184.<br />

Na und Cl gehören nicht<br />

zum Elementbestand der<br />

Ziegelmatrix. Sie sind den<br />

Salzfilmen zuzuordnen.<br />

Nitrat (N) kann aufgrund<br />

der Absorption leichter<br />

Elemente durch die Pt-<br />

Bedampfung nicht<br />

nachgewiesen werden.<br />

[EDX-Spektrum]<br />

Abb. 186:<br />

Kryo-REM-Untersuchung<br />

Salzkruste (NaCl) und<br />

Kontaktzone Kruste /<br />

Ziegel. Auf den Kluftflächen<br />

zwischen den NaCl-<br />

Kristallen der Salzkruste<br />

sind dunkle<br />

Salzlösungsfilme vorhanden.<br />

[Kryo-REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 163<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

Kryo-REM ↔ REM<br />

Abb. 187:<br />

REM-Untersuchung<br />

Gegenüber der Kryo-REM-<br />

Aufnahme (vgl. Abb. 184)<br />

ist der Ziegel wesentlich<br />

offenporiger. Details des<br />

keramischen Scherbens<br />

sind erkennbar. Salzfilme<br />

sind nur noch vereinzelt als<br />

dünne Relikte vorhanden.<br />

[REM-SE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 188:<br />

REM-Untersuchung<br />

NaCl-Ausblühungen (helle<br />

Kristalle) auf der im Labor<br />

„frisch“ erzeugten Bruchfläche.<br />

[REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

Abb. 189:<br />

REM-Untersuchung<br />

NaCl-Ausblühungen (helle<br />

Kristalle) auf der im Labor<br />

„frisch“ erzeugten Bruchfläche<br />

bei höherer Vergrößerung.<br />

Die idiomorphen<br />

Formen sind typisch für<br />

Artefakte.<br />

[REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 164<br />

Interpretation und Bewertung<br />

Kampischer Hof in<br />

Stralsund (Innenwand)<br />

Kryo-REM ↔ REM<br />

Abb. 190:<br />

REM-Untersuchung:<br />

Gegenüber der Kryo-REM-<br />

Aufnahme (vgl. Abb. 186)<br />

ist die NaCl-Kruste stark<br />

verändert. Sie bildet ein<br />

poröses Haufwerk aus<br />

kleinen, stark angelösten<br />

NaCl-Kristallen.<br />

[REM-RE-Aufnahme,<br />

Bruchfläche ⊥ Oberfläche]<br />

An NaCl-haltigen Ziegelproben, die unmittelbar nach der Entnahme aus dem Mauerwerk<br />

geteilt und mittels Kryo-Technik sowie auf herkömmliche Weise im REM untersucht wurden,<br />

ließen sich folgende Unterschiede nachweisen:<br />

Im Bereich der NaCl-Ausblühungen an den Ziegeloberflächen waren zum Untersuchungszeitpunkt<br />

Salzlösungsfilme vorhanden, die nur mittels Kryo-REM erkannt und identifiziert<br />

werden konnten. Durch Anlösung von NaCl-Kristallen (nach Kondensation von Wasser auf<br />

der Wandoberfläche) ist Salzlösung entstanden und in Poren und Hohlräume der Salzkruste<br />

eingedrungen.<br />

Die Morphologien der NaCl-Kristalle in den Ausblühungen zeigen ebenfalls eine<br />

Abhängigkeit von der Präparations- und Untersuchungsmethode. Die starken Anlösungen,<br />

die beim Verzicht auf die Kryo-Technik vorgefunden wurden, sind die Folge von Feuchteeinwirkung<br />

während des Transportes und der Lagerung der Probe.<br />

Die konzentrierten Salzfilme im Porenraum hoch salzbelasteter Ziegel konnten nur im Kryo-<br />

REM erkannt und abgebildet werden. Ein erheblicher Teil der Feinporosität ist durch diese<br />

Salzfilme verschlossen. Bei herkömmlicher REM-Untersuchung kriecht ein Teil des NaCl zur<br />

präparierten Bruchfläche und kristallisiert dort in überwiegend idiomorphen Kristallformen.<br />

Salzkristalle dieser Morphologie an frischen Bruchflächen sind typische Artefakte.<br />

Bei diesem Umlagerungsprozeß wird der Porenraum in erheblichem Maß geöffnet, nur sehr<br />

vereinzelt bleiben Relikte der Salzfilme erhalten.<br />

Der Vergleich zwischen Kryo-REM und REM hat gezeigt, daß zur artefaktfreien Erfassung<br />

und Abbildung eines bauwerksspezifischen Salzgemisches in seinen unterschiedlichen<br />

Konzentrationen und lokalen Verteilungen der Einsatz der Kryo-Technik unverzichtbar ist.<br />

Eine herkömmliche Präparation und REM-Untersuchung von Ziegeln, die NaCl und<br />

Feuchtigkeit enthalten, führt zu erheblichen Veränderungen im Probenmaterial. Die NaCl-<br />

Morphologien und die Verteilung des Salzes im Porenraum, die im REM vorgefunden<br />

werden, entsprechen nicht den Verhältnissen, die zum Zeitpunkt der Probenentnahme im<br />

Ziegel vorgelegen haben. Fehlinterpretationen sind die Folge.


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 165<br />

4.2.9 Modell zum Schadensprozeß am Ziegelmauerwerk des Kampischen Hofes<br />

Aus den Ergebnissen der kombinierten mikroskopischen Untersuchungen (PolMi, REM,<br />

Kryo-REM) können, unter Verwendung von Daten aus Feuchte- und Salzanalysen,<br />

wesentliche Schlußfolgerungen zu den Schädigungsprozessen gezogen werden.<br />

Anhand charakteristischer mikroskopischer Schadensbilder kann unterschieden werden, ob<br />

Gips und Frost oder NaCl-Kristallisation zu den vorliegenden Schäden geführt haben. Die<br />

Wirkungsweise gleicher Salze ist aufgrund der klimatischen Unterschiede am Außen- bzw.<br />

Innenmauerwerk teilweise verschieden, so daß beide Fälle getrennt behandelt werden.<br />

Außenmauerwerk<br />

Eine maßgebliche Beteiligung von Gips am Schadensprozeß ist makroskopisch aus der<br />

Ablösung dünner, oberflächenparalleler Schalen ersichtlich. Mikroskopisch sind Schalen mit<br />

einer Paralleltextur aus Ziegel und Gips nachweisbar. An den betroffenen Ziegeln wurden<br />

Gipskonzentrationen im vordersten Gefügeabschnitt bis etwa 10 M% ermittelt. Die Gehalte<br />

an leicht löslichen Salzen sind mit 0,5 M% Chlorid und 0,3 M% Nitrat vernachlässigbar<br />

gering.<br />

Die makroskopischen und mikroskopischen Schadensbilder entsprechen denen, die an<br />

geschädigten Terrakotten im Außenbereich festgestellt wurden (s. Gliederungspunkt 4.1.6).<br />

Damit kann auf vergleichbare Ursachen und Schadensprozesse geschlossen werden, die für<br />

Terrakotten im Gliederungspunkt 4.1.8 dargelegt wurden. Durch Frosteinwirkung auf gestaute<br />

Feuchtigkeit bzw. durch thermisch-hygrische Beanspruchungen von Gipshorizonten<br />

entstehen aufgefächerte, durch Gips sekundär stabilisierte Paralleltexturen, die sich als<br />

dünne Schalen ablösen.<br />

Ziegelschäden infolge NaCl–Kristallisation sind makroskopisch durch sandende bis schuppende<br />

Oberflächen, teilweise mit erheblichen Rückwitterungstiefen, zu erkennen. Aus den<br />

mikroskopischen Untersuchungen konnte ein ursächlicher Zusammenhang zwischen auftretenden<br />

Schäden und der Lage der Kristallisationsfront abgeleitet werden. Stehen<br />

Lösungstransport und Verdunstungsrate an der Oberfläche im Gleichgewicht, treten trotz<br />

hoher Gehalte an leicht löslichen Salzen (1,3 M% Chlorid, 0,3 M% Nitrat, Gips


4. Untersuchungsergebnisse und Diskussion - Ziegelmauerwerk 166<br />

Innenmauerwerk<br />

Obwohl es sich um einen ungeheizten Speicherraum handelt, in dem im Winter zeitweise<br />

Frost herrscht, treten die für Gips-Frost-Prozesse typischen Schadensbilder – Ablösung<br />

dünner Schalen oder größerer Partikel - am Innenmauerwerk nicht auf.<br />

Gips ist jedoch in der gleichen Größenordnung wie am Außenmauerwerk nachweisbar (0,2<br />

bis 11 M%). Aus den mikroskopischen Untersuchungen ist ersichtlich, daß bei hohen Gipskonzentrationen<br />

2-3 mm breite, oberflächennahe Gipshorizonte vorhanden sind, in denen<br />

der Porenraum des Ziegels durch feinkristallinen Gips verstopft ist.<br />

Am Außenmauerwerk führen diese Gefügeveränderungen zu einer Trocknungsbehinderung<br />

und damit zu einer Erhöhung der Frostanfälligkeit. Es entstehen zunächst Risse und im<br />

weiteren Verlauf aufgefächerte Paralleltexturen aus Ziegel und Gips.<br />

In den Gipshorizonten der Ziegel des Innenmauerwerkes sind keine Risse vorhanden. Die<br />

Gipskristallisation hat weder direkt noch indirekt zu einer Gefügeschädigung geführt. Damit<br />

kann die Rolle des Gipses im Schadensprozeß der Ziegel des Innenmauerwerkes trotz<br />

hoher Gipsgehalte vernachlässigt werden. Hauptursache dieses Unterschiedes ist der<br />

Umstand, daß die Gipshorizonte im Innenraum nur geringen thermisch-hygrischen<br />

Beanspruchungen ausgesetzt sind.<br />

Die Verdichtung des oberflächennahen Porenraumes durch Gipsausscheidung führt zu<br />

einem signifikanten Anstieg der Konzentrationen leicht löslicher Salze unmittelbar hinter dem<br />

vergipsten Abschnitt. Die Chlorid- und Nitratgehalte steigen auf das Vierfache der üblichen<br />

Werte und betragen 8-15 M%. Aufgrund der hohen Konzentrationen leicht löslicher Salze<br />

kann Frost als Schadensfaktor für die Ziegel des Innenmauerwerkes ausgeschlossen<br />

werden. Thermodynamische Berechnungen auf der Basis eines realen Salzgemisches<br />

ergaben eine Gefrierpunkterniedrigung auf ca. -25° C.<br />

In den sichtbar geschädigten Ziegeln des Innenmauerwerkes wurden geringe Gipsmengen<br />

(


5. Zusammenfassung 167<br />

5 ZUSAMMENFASSUNG<br />

Die über zehnjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Baustoffanalyse mittels Licht- und<br />

Elektronenmikroskopie waren der Anlaß zur Darstellung der mikroskopischen Methodik und<br />

der auf diesem Wege erreichbaren Erkenntnisse - und zwar am Beispiel keramischer<br />

Materialien von vier berühmten Baudenkmälern:<br />

1. Terrakotten (19. Jh.) am Schweriner Schloß<br />

2. Terrakotten (19. Jh.) am Holstentor in Lübeck<br />

3. Terrakotten (14. Jh.) an der Johanniskirche in Tartu (Estland)<br />

sowie<br />

4. Ziegel (14. und 19. Jh.) am Kampischen Hof in Stralsund<br />

Für die historischen Terrakotten mit ihrem vielfältigen Spektrum unterschiedlicher<br />

Schadensbilder in eng benachbarten Oberflächenbereichen war der Einsatz mikroskopischer<br />

Methoden aus zwei Gründen zwingend erforderlich. Erstens wegen der starken Beschränkungen<br />

auf unauffällige Probengrößen und zweitens wegen der dadurch vertretbaren großen<br />

Probenzahl zwecks statistischer Sicherheit der wissenschaftlichen Aussagen.<br />

Als besonders hilfreich erwies sich die Baustoffmikroskopie auch für die stufenweise<br />

Erfassung der Auswirkungen einzelner Konservierungsschritte auf die geschädigten Gefüge<br />

als Grundlage für eine Dauerhaftigkeitsprognose sanierter Bereiche.<br />

Für die Ziegel des Kampischen Hofes ergab sich als wesentliche Aufgabe die<br />

Interpretation der mikroskopischen Verwitterungsbilder im Zusammenhang mit den Feuchteverhältnissen<br />

und der Salzwanderung unter dem Einfluß klimatischer Schwankungen bzw.<br />

Unterschiede am Innen- und Außenmauerwerk.<br />

Hierzu mußte die mikroskopische Schadensanalyse durch die Beobachtungen dynamischer<br />

Veränderungen am Objekt und in Simulationsversuchen im Labor erweitert werden.<br />

Die Erfassung der sehr komplexen Transport- und Kristallisationsvorgänge leicht löslicher<br />

Salze (Chloride und Nitrate) auf Oberflächen und im Inneren unterschiedlich stark gebrannter<br />

Ziegel erforderten eine Probenfixierung durch Kryo-Schock vor Ort und die entsprechende<br />

Weiterbehandlung der Proben einschließlich Untersuchung in der Kryo-Probenkammer des<br />

Rasterelektronenmikroskops.<br />

Der Vorteil der umfassenden mikroskopischen Analyse verwitternder Baustoffe liegt in<br />

der Ablesbarkeit der Entwicklungsstadien des eigentlichen Schadens, unabhängig von<br />

augenfälligen, aber wenig aussagekräftigen Merkmalen des makroskopischen Bildes.<br />

Voraussetzung hierfür ist jedoch die Kombination der verschiedenen mikroskopischen<br />

Abbildungs- und Analysetechniken. Nur auf diese Weise können Einzelaspekte, die im<br />

Lichtmikroskop, REM bzw. Kryo-REM erkannt werden, zu einem sich ergänzenden Gesamtbild<br />

umfassender Aussagefähigkeit vereint werden.<br />

Dazu folgende Beispiele aus den Untersuchungen an historischen keramischen Baustoffen:<br />

Terrakotten<br />

Lokale Farbunterschiede der Terrakotten lenkten zunächst den Verdacht auf Anstriche<br />

oder Engobierungen. Mikroskopisch konnten jedoch oberflächennahe Materialinhomogenitäten<br />

im Scherbengefüge (Schwankungen im Ca/Fe-Verhältnis) als Ursachen nachgewiesen<br />

werden.


5. Zusammenfassung 168<br />

Unter schwarzen Oberflächen von Terrakotten wurden im Lichtmikroskop Reste von<br />

Farbschichten sichtbar, deren Pigmente (Gelbe und Rote Ocker) am gleichen Präparat<br />

mittels EDX-Analyse im REM bestimmt werden konnten. Zusätzlich wurde im mikroskopischen<br />

Bereich eine Langzeitschutzwirkung der alten Fassung für die Terrakottaoberfläche<br />

ableitbar.<br />

Abbildung und EDX-Analyse von mikrometerfeinen Auflagerungen und Krusten an<br />

Oberflächen und Bruchflächen ermöglichten Rückschlüsse auf die Entstehung, z.B. die<br />

Mobilisierung von Vanadiumverbindungen aus dem keramischen Scherben.<br />

Gleichzeitig konnte an Dünnschliffen (senkrecht zu Verwitterungsfläche und Brennhaut) die<br />

Reduzierung offener Oberflächenporen erkannt und auf eine Verminderung der Verdunstungsgeschwindigkeit<br />

geschlossen werden.<br />

Der Vergleich von Terrakottaproben verschiedener Objekte hat gezeigt, daß identische<br />

Belastungssituationen (Gips und Frost) charakteristische Gefügeveränderungen zur Folge<br />

haben. Damit können allgemein wirksame Einflüsse von örtlichen Besonderheiten<br />

unterschieden werden.<br />

Nicht nur an Terrakotten, sondern für die meisten Baudenkmäler stellt sich immer wieder die<br />

Frage: Führt die alleinige Gipskristallisation direkt zu einer Schädigung ? Für die untersuchten<br />

Terrakotta-Objekte kann diese Frage eindeutig verneint werden. Durch die<br />

Abscheidung feinkristallinen Gipses im oberflächennahen Porenraum werden jedoch<br />

Bedingungen geschaffen, die aufgrund ihrer Wirkung als Trocknungsblockade bei gleichzeitig<br />

lokal verringerter Frostbeständigkeit häufig schadensauslösend sind.<br />

Die Existenz solcher Gipshorizonte an äußerlich intakten Terrakotten ist daher als Vorschädigung<br />

anzusehen.<br />

Ziegel<br />

Auch an den Außenwänden der Ziegelmauern des Kampischen Hofes treten durch Gipsausscheidungen<br />

begünstigte Frostschäden auf.<br />

Dagegen zeigen stark vergipste Ziegel der Innenwände keine Gefügezerstörungen, die auf<br />

Gips/Frost-Prozesse zurückführbar sind. Eiskristallisation als wesentlicher Faktor dieses<br />

Prozesses entfällt aufgrund der Gefrierpunkterniedrigung durch hohe Konzentrationen leicht<br />

löslicher Salze.<br />

Schadensprozesse mit leicht löslichen Salzen erfordern mikroskopische Momentaufnahmen.<br />

Diese gelingen durch blitzartiges Einfrieren des augenblicklichen Zustandes<br />

mittels Kryoschock, anschließender Kryofixierung und Untersuchung im REM mit Kryo-<br />

Zusatz.<br />

Anderenfalls, z.B. bei herkömmlicher Präparation und REM-Untersuchung, ist bereits bei<br />

geringen Feuchtegehalten mit Umlagerungs- und Kristallisationsprozessen im Probenmaterial<br />

zu rechnen, die zu Fehlinterpretationen führen können.<br />

Schäden durch NaCl-Kristallisation stehen in direktem Zusammenhang mit der Lage der<br />

Kristallisationsfront. Sie wird bestimmt durch die Porosität, bereits vorhandene Gefügeschäden,<br />

den Feuchte- und Salzgehalt und die klimatischen Verhältnisse. An Ziegeln mit<br />

homogenem, offenem Porengefüge, dessen Wegsamkeiten nicht durch schwer lösliche<br />

Salze verstopft oder durch Rißsysteme unterbrochen sind, treten lediglich Ausblühungen auf.


5. Zusammenfassung 169<br />

In Gegenwart oberflächenparalleler Risse und an hoch porösen Ziegeln erfolgt - bei gleicher<br />

Salzbelastung - die NaCl-Kristallisation innerhalb oder hinter dem vorgeschädigten Gefügeabschnitt.<br />

Vor allem zyklische Beanspruchungen (Lösung und anschließende Kristallisation<br />

des NaCl) führen zu Gefügelockerungen und in die Tiefe fortschreitenden Schäden.<br />

Die artefaktfreie Abbildung von Ausblühungen leicht löslicher Salze mittels Kryo-REM<br />

erlaubt Rückschlüsse auf die derzeitige Substratfeuchte im vorderen Mauerwerksabschnitt.<br />

Aus den Morphologien der NaCl-Ausblühungen (kompakte Krusten, Faserkrusten bzw.<br />

einzelne stengelige Kristalle) ist auf eine geringe Feuchte im Ziegel bzw. auf konzentrierte<br />

Salzlösungen zu schließen. Lagenweise wechselnde Kristallformen innerhalb einer Kruste<br />

sind die Folge zyklischer NaCl-Transportschübe, ausgelöst durch Feuchteschwankungen.<br />

Proportional zur Stärke der Ausblühungen an den Oberflächen treten Salzfilme im<br />

Porenraum der Ziegel auf. Aus chemischen Salzanalysen geht hervor, daß im Salzgemisch<br />

NaCl dominiert und in untergeordneter Menge Nitrate enthalten sind. Thermodynamische<br />

Berechnungen ergaben, daß die Salzfilme stark übersättigt sind. Es konnte noch nicht<br />

geklärt werden, inwieweit Keimbildung und Kristallwachstum gehemmt sind und/oder ein<br />

hoher Metastabilitätsbereich für das Salzgemisch vorliegt.<br />

Die Auswirkungen langfristiger oder kurzzeitiger Klimaereignisse auf die Feuchte- und<br />

Salzverteilung im vorderen Abschnitt der Ziegel können durch Kryo-REM-Untersuchung<br />

erfaßt werden.<br />

Kondenswasserniederschläge infolge Taupunktunterschreitung führten zu Anlösungen der<br />

Salzausblühungen.<br />

Eine mehrmonatige Temperierung einer Innenwandfläche auf 22°C hatte einen Salztransport<br />

in Richtung Oberfläche über Grenzflächendiffusion (Kriechen) zur Folge, was zu<br />

verstärkten Ausblühungen führte. Im Porenraum der betreffenden Ziegel wurde zwar eine<br />

Zunahme der Salzfilme beobachtet, aber kein vermehrtes Kristallwachstum.<br />

Entgegen der verbreiteten Auffassung, daß in einem porösen, mit der Raumluft in Verbindung<br />

stehenden System keine übersättigten Lösungen zu erwarten sind, konnten mittels<br />

Kryo-REM - gestützt durch thermodynamische Berechnungen - übersättigte Salzlösungen<br />

im Porenraum von Ziegeln nachgewiesen werden. In diesen Salzfilmen sind jedoch nur<br />

einzelne, sehr kleine NaCl-Kristalle vorhanden, so daß hohe Kristallisationsdrücke, wie sie<br />

von CORRENS UND STEINBORN (1939) für stark übersättigte Salzlösungen postuliert werden,<br />

nicht zu erwarten sind. Eine gefügeschädigende Wirkung der Salzfilme kann aus den<br />

durchgeführten Untersuchungen nicht abgeleitet werden. Hinweise auf Scherspannungen,<br />

die nach der Theorie von PÜHRINGER (1983) durch Verformungen von Salzfilmen infolge<br />

zyklischer Trocknung bzw. Wasseraufnahme entstehen und zu Schäden am keramischen<br />

Scherben führen sollen, liegen nicht vor.<br />

Der Einfluß der Salzzusammensetzung auf das Kristallisationsverhalten der Salzfilme ist<br />

noch nicht geklärt. Aussagen, inwieweit Keimbildung und Kristallwachstum gehemmt sind<br />

bzw. ein hoher Metastabilitätsbereich für das Salzgemisch charakteristisch ist, erfordern<br />

vertiefende Untersuchungen.<br />

Die umfassende Deutung des mikroskopischen Untersuchungsmaterials erfolgte stets<br />

im Vergleich mit Ergebnissen bauphysikalischer und chemischer Untersuchungen sowie mit<br />

thermodynamischen Berechnungen.<br />

Umgekehrt bedürfen auch die Bauphysik und die Baustoff-Chemie der Unterstützung durch<br />

die Analyse mikroskopischer Schadensbilder in ihren Entwicklungsstadien.


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Bericht


6. Literatur 174<br />

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HOLST J.CH. (1999): Mündliche Mitteilung, Büro für Bauforschung und Denkmalpflege<br />

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KIEßL, K. (1998): Beanspruchung historischer Wände bei Raumklimaänderungen - Ergebnisse<br />

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Schwerin. In: Pilotobjekt Kampischer Hof Stralsund. Broschüre zum Kolloquium „Forschung<br />

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In: Deutscher Verein für Materialprüfung (DVM), Tagungsband zur 16. Vortragsveranstaltung<br />

des Arbeitskreises „Rastermikroskopie in der Materialprüfung“ 16, 261-266


6. Literatur 175<br />

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LEWIN S.Z. und CHAROLA A.E. (1980): Aspects of crystal growth and recrystallization<br />

mechanism as revealed by Scanning Electron Microscopy. Scanning Electron Microscopy<br />

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MAAGE M. (1990): Frostbeständigkeit und Porengrößenverteilung in Ziegeln (Teil 1 und 2).<br />

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MATTEINI M. (1994): Theorie und Chemie über die Anwendung von Ammoniumcarbonat,<br />

Bariumhydroxid und Ionenaustauschharzen. In: Kolloquium über Reinigungs- und Festigungsmethoden<br />

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In: Tagungsband zur 13. Internationalen Baustofftagung (ibausil), Weimar, 24.-26.9.199,<br />

Band 1, 0791-0811<br />

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NATO-CCMS PILOT STUDY (1991): Conservation of Historic Brick Structures. Proceedings of<br />

the 4th Expert Meeting. Amersfoort, 25.-27. October 1990 (Hrsg.: Umweltbundesamt), Berlin<br />

NATO-CCMS PILOT STUDY (1992): Conservation of Historic Brick Structures. Proceedings of<br />

the 5th Expert Meeting. Berlin, 17.-19. October 1991 (Hrsg.: Umweltbundesamt), Berlin<br />

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Berlin<br />

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NIESEL K. (1979): Zur Verwitterung von Baustoffen in schwefeloxidhaltiger Atmosphäre -<br />

Literaturdiskussion. Fortschr. Miner. 57 (1), 68-124


6. Literatur 176<br />

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Hamburg<br />

NEUMANN H.-H. (1994): Aufbau, Ausbildung und Verbreitung schwarzer Gipskrusten, dünner<br />

schwarzer Schichten und Schalen sowie damit zusammenhängender Gefügeschäden an<br />

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NOLL W. (1991): Alte Keramiken und ihre Pigmente. Studien zu Material und Technologie.<br />

E. Schweizerbart´sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart<br />

PIIRI L., GRASSEGGER G., ILOMETS T. (1996): Chemisch-analytische und Gefüge-Untersuchungen<br />

umweltbedingter Schadensprozesse von historischen Terrakotta-Plastiken und<br />

glasierten Ziegelsteinen der St. Johanniskirche in Tartu. In: Tagungsband des 4. Internationalen<br />

Kolloquiums „Werkstoffwissenschaften und Bauinstandsetzen“, Technische<br />

Akademie Esslingen, 17.-19.12.1996, Band I, 43-55<br />

PILTZ G. (1970): Porengrößenverteilung im Ziegelscherben und ihre Bedeutung für die<br />

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im Durchlicht. 3. Aufl. (Hrsg.: Schumann, H. und Kordner, F.), E. Schweitzerbart´sche<br />

Verlagsbuchhandlung, Stuttgart<br />

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6. Literatur 177<br />

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m.b.H., 3. Aufl.<br />

SALMANG H. (1958): Die Keramik. Physikalische und chemische Grundlagen. Springer-<br />

Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg, 4. Aufl.<br />

SASSE H.R., HONSINGER D., BURCHHARD W.G., CLOOTH G. (1992): Beurteilung der Qualität<br />

von Gesteinsimprägnierungen mittels REM. In: Deutscher Verein für Materialprüfung (DVM),<br />

Tagungsband zur 15. Vortragsveranstaltg. des Arbeitskreises „Rastermikroskopie in der<br />

Materialprüfung“ 15, 71-81<br />

SCHMIDT P.F. (1993): Signalverarbeitung in einem Raster-Elektronenmikroskop. In: Kursbuch<br />

zur Praxis der Raster-Elektronenmikroskopie und der Mikrobereichsanalyse. Grundkursus.<br />

Kursus-Unterlagen der Universität Münster/Westfalen<br />

SCHRADER M. (1997): Mauerziegel als historisches Baumaterial. Ein Materialleitfaden und<br />

Ratgeber. Edition: anderweit, Suderburg-Hösseringen<br />

SCHUMANN I. (1997): Zur nachträglichen Bestimmung der Brenntemperatur und zum Einfluß<br />

der Brenntemperatur auf die chemische Beständigkeit von Ziegeln. <strong>Dissertation</strong>, Shaker<br />

Verlag, Aachen<br />

SCHUNKE B. (1992): Chemische und IR-Untersuchungen des Chemischen Labors der MPA<br />

Bremen. Unveröffentlichter Untersuchungsbericht<br />

SCHWIETE H.E. und LUDWIG U. (1969): Über den Einfluß der Porosität auf die Eigenschaften<br />

von Ziegeln und keramischen Baukörpern. Die Ziegelindustrie, 17/18, 384-397<br />

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Unveröffentlichter Bericht<br />

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In: Schriften der Hochschule für Architektur und Bauwesen - Universität, Weimar<br />

STEIGER M. und NEUMANN H.-H. (1995): Chemische Salzanalysen am Innenmauerwerk des<br />

Kampischen Hofes, Stralsund. Unveröffentlichte Laborergebnisse, Institut für Anorganische<br />

und Angewandte Chemie der Universität Hamburg


6. Literatur 178<br />

STEIGER M. und NEUMANN H.-H. (1996): Zwischenbericht über vergleichende Salzmessungen<br />

in Klimakammer III vor und nach der Entsalzungsmaßnahme. Unveröffentlichte<br />

Laborergebnisse, Institut für Anorganische und Angewandte Chemie der Universität<br />

Hamburg<br />

STEIGER M. und ZEUNERT A. (1996): Crystallization properties of salt mixtures: Comparison of<br />

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on Deterioration and Conservation of Stone - Proceedings. Möller Druck und Verlag GmbH,<br />

535-544<br />

STEIGER M. (1998): Untersuchungen zur Salzbelastung des Ziegelmauerwerks am<br />

Kampischen Hof. In: Pilotobjekt Kampischer Hof Stralsund. Broschüre zum Kolloquium<br />

„Forschung für den Denkmalschutz 1985 bis 1998, Brauweiler, 1.-2. Sept. 1998, Hrsg.:<br />

Deutsches Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege Fulda e.V., 9-14<br />

STEIGER M. (2001): Unveröffentlichte Modellrechnung. Institut für Anorganische und<br />

Angewandte Chemie der Universität Hamburg<br />

SUNAGAWA I. (1981): Characteristics of crystal growth in nature as seen from the morphology<br />

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THOMAS, W.N. (1938): Building Research Station Technical Paper No.5. H. M. Stationary<br />

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VOSKUIL J. (1958): Mikroskopische Untersuchungen an niederländischen Ziegeln. Die<br />

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WALLASCH S. (1995): Das Forschungsprojekt „Erhaltung historischer Terrakotta“-Schadenserfassung,<br />

Materialuntersuchung, Konservierung. In: Denkmalschutz und Denkmalpflege in<br />

Mecklenburg-Vorpommern, Heft 2, 41-49<br />

WATSON A. (1957): Surface growth of salt crystals as a contributory cause of frost damage to<br />

bricks. Brit. Ceramic Soc. Trans. and Journal, 56 (7), 366-368<br />

WEISS G. (1992): Die Eis- und Salzkristallisation im Porenraum von Sandsteinen und ihre<br />

Auswirkungen auf das Gefüge unter besonderer Berücksichtigung gesteinsspezifischer<br />

Parameter. (<strong>Dissertation</strong>sschrift) In: Münchner Geowissenschaftliche Abhandlungen, Reihe B<br />

(Allgemeine und Angewandte Geologie), Verlag F.Pfeil, München<br />

WENDLER E. (1994): Erhaltung historischer Terrakotten, Schloß Schwerin: Zustandserfassung.<br />

Versuche zur Entsalzung und Festigung (Musterfläche 1). Unveröffentlichter<br />

Bericht, Fachlabor für Konservierungsfragen Dr. Wendler, München<br />

WENDLER E. (1995): Erhaltung historischer Terrakotten, Schloß Schwerin: Zustandserfassung.<br />

Versuche zur Entsalzung und Festigung (Musterfläche 2), Unveröffentlichter<br />

Bericht, Fachlabor für Konservierungsfragen Dr. Wendler, München<br />

WENDLER E. (1997): Erhaltung historischer Terrakotten, Schloß Schwerin: Objektanwendung<br />

von Schlämmsystemen (Musterfläche 2), Unveröffentlichter Bericht, Fachlabor für<br />

Konservierungsfragen Dr. Wendler, München


6. Literatur 179<br />

WILIMZIG M., FAHRIG N., MEYER C., BOCK, E. (1993): Biogene Schwarze Krusten auf<br />

Gesteinen. Bautenschutz und Bausanierung, 16, 22-25<br />

WITTENBURG CH. (1995): Entsalzungsversuche an Terrakotta-Reliefplatten des Schweriner<br />

Schlosses. Unveröffentlichter Bericht, Institut für Anorganische und Angewandte Chemie der<br />

Universität Hamburg, 1995<br />

WOLF B. (1992): Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen am Schweriner Schloß<br />

vom 6.-8.4.1992. Unveröffentlichter Untersuchungsbericht, Institut für Chemie und Biologie<br />

des Meeres, AG Geomikrobiologie der Universität Oldenburg<br />

ZEHNDER K. (1982): Verwitterung von Molassesandsteinen an Bauwerken und in Naturaufschlüssen.<br />

In: Beitr. Geol. Schweiz, Geotech. Ser. 61


Lebenslauf<br />

Persönliche Daten<br />

Name Frank Schlütter<br />

Geburtsdatum: 20.07.1957<br />

Geburtsort: Erfurt<br />

Familienstand: verheiratet, 1 Tochter<br />

Wissenschaftlicher Werdegang<br />

04/2002 Promotion an der Bauhaus-Universität Weimar<br />

09/1983 - 08/1988 Studium der Kristallographie an der Karl-Marx-Universität Leipzig<br />

Abschluß: Diplom-Kristallograph<br />

09/1980 - 04/1982 Abitur an der Volkshochschule Erfurt<br />

09/1964 - 07/1974 Allgemeinbildende Oberschule in Erfurt<br />

Berufstätigkeit<br />

seit 01/1990 <strong>Amtliche</strong> <strong>Materialprüfungsanstalt</strong> Bremen (MPA) am<br />

Institut für Werkstofftechnik (IWT) in Bremen<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

• Materialkundliche Untersuchungen in denkmalbezogenen<br />

Forschungsprojekten<br />

• Licht- und rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen an<br />

baulichem Kunst- und Kulturgut<br />

• Gutachterliche Tätigkeit<br />

09/1988 - 09/1989 Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar<br />

(heute: Bauhaus Universität Weimar)<br />

Sektion Baustoffverfahrenstechnik, Wissenschaftsbereich Chemie<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

• Chemische Untersuchungen zu Kristallisationsvorgängen in<br />

gipsgebundenen Baustoffen<br />

• Lehrtätigkeit<br />

VEB Nachrichtenanlagenbau Leipzig<br />

09/1974 - 12/1976 Berufsausbildung<br />

Facharbeiter für Nachrichtentechnik<br />

01/1977 - 08/1983 Aufbau, Inbetriebnahme und Wartung von Nachrichtenanlagen

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