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Die gelebte indigene Perspektive auf Entwicklung

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Wer sind die <strong>indigene</strong>n Völker?<br />

Gruppe bilden (Rojas 1993:64). Dass dies eine unsachgemäße Vereinheitlichung darstellt,<br />

wird insbesondere deutlich, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass allein in<br />

Lateinamerika 400 verschiedene <strong>indigene</strong> Völker unterschieden werden, die zahlenmäßig,<br />

politisch, kulturell sowie von ihrer Sozialorganisation und ihrem Grad der Zugänglichkeit<br />

zur westlichen Gesellschaft (die ebenfalls ein begriffliches Konstrukt ist) äußerst<br />

unterschiedliche Merkmale <strong>auf</strong>weisen (Krotz 1993:20).<br />

Der Begriff ‚indigen’ findet heute seine Verwendung im soziologischen, politischen und<br />

auch rechtlichen Wortschatz und hat im L<strong>auf</strong>e der Geschichte eine deutliche Modifizierung<br />

erfahren: weg von der kolonialen Natur des von außen klassifizierenden Begriffes hin zum<br />

Gebrauch des Wortes im Sinne eines selbstbewussten und stolzen Auftretens der<br />

Betroffenen selbst im Kampf um ihre Rechte. Während Bonfil zu Beginn der 1970er<br />

Jahren in erster Linie <strong>auf</strong> die Kolonialbeziehung in Zusammenhang mit dem Konzept des<br />

‚Indio’ <strong>auf</strong>merksam machte und wiederholt el indio als el colonizado (den Kolonisierten)<br />

bezeichnete 14 (Mires 1992:16), konnte Stavenhagen 20 Jahre später die jüngsten<br />

<strong>Entwicklung</strong>en hinsichtlich der Begriffsanwendung in seine Analyse mit einbeziehen:<br />

„Von einem Wort mit diskriminierenden Nebenbedeutungen, das hauptsächlich als Stigma von<br />

den Vertretern der dominanten Gesellschaft verwendet wurde, hat es sich zu einem Begriff<br />

gewandelt, der kulturelle und soziologische Unterschiede anerkennt und auch bei zahlreichen<br />

Anlässen zu einer symbolischen Kampfansage für den Widerstand, die Verteidigung der<br />

Menschenrechte und die Veränderung der Gesellschaft geworden ist.” Stavenhagen (1994:22).<br />

Zusammenfassend komme ich zu dem Schluss, dass einerseits <strong>indigene</strong> Völker oder<br />

Indianer als Ethnien bezeichnet werden können, umgekehrt allerdings unter Ethnien nicht<br />

ausschließlich indianische Gruppen zu verstehen sind. <strong>Die</strong> Ethnie fungiert meines<br />

Erachtens als übergeordnete Kategorie vor allem im wissenschaftlichen Sprachgebrauch<br />

oder in Abgrenzung verschiedener Ethnien (oder Kulturen) untereinander, während die<br />

Bezeichnung des Indianischen sich eher <strong>auf</strong> etwas Konkretes, das es noch näher zu<br />

definieren gilt, bezieht und in Abgrenzung zu einer als national zu bezeichnenden<br />

Gesellschaft gebraucht wird. Der Frage nach dem Konkreten des Indianischen werde ich in<br />

den nächsten zwei Unterkapiteln nachgehen, wo es um seine Definitionsversuche geht.<br />

14 Hierbei sei angemerkt, dass sich Bonfil nicht nur <strong>auf</strong> den europäischen Kolonialismus bezieht, sondern<br />

insbesondere <strong>auf</strong> dessen Ablöse durch einen ‚internen Kolonialismus’, der die Situation der <strong>indigene</strong>n Völker<br />

in den unabhängigen Nationalstaaten bis in die Gegenwart kennzeichnet.<br />

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