Stahlmarkt 09/2020
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International<br />
Industrie & Technologie<br />
Foto: Jeff Hester and Paul Scowen (Arizona State University), and NASA/ESA<br />
Die Säulen der Schöpfung gehören zu den bekanntesten Aufnahmenvon Hubble.<br />
tigte Energie für Instrumente, Ausrichtung<br />
und Datenübertragung. Zudem<br />
laden die je 2,30 Meter x 11,80<br />
Meter großen Elemente die Batterien<br />
auf, die Hubble während der Reisezeit<br />
auf der Nachtseite der Erde mit<br />
Strom versorgen. Für den Transport<br />
in den niedrigen Orbit wurden sie<br />
zwischen Tank und Ladebucht des<br />
Space Shuttles platziert – aufgerollt<br />
in einer zylinderförmigen Schutzhülle<br />
mit nur 39 Zentimetern Durchmesser.<br />
Möglich machte dies eine Konstruktion<br />
aus einer mit 15 flexiblen<br />
Solarzellen – drei Reihen à fünf Zellen<br />
– beschichteten Mehrschichtfolie. Im<br />
Weltraum angekommen wurden die<br />
beiden aufgerollten Kollektorfelder<br />
von einem nur 2,2 Zentimeter großen<br />
Motor aus Edelstahl Rostfrei aus ihrer<br />
Schutzhülle gezogen und in einen<br />
Stützrahmen aus Edelstahlrohren gespannt.<br />
In zahlreichen Einsätzen haben<br />
sich nichtrostende Chrom- Nickel-<br />
Stähle im Weltall bewährt, da sie den<br />
dort herrschenden, extremen Temperaturunterschieden<br />
besonders gut<br />
gewachsen sind. Zudem können bei<br />
gleicher Temperaturbeständigkeit<br />
und Tragfähigkeit der Komponenten<br />
deutlich dünnere Bleche als bei Alternativmaterialien<br />
verwendet werden.<br />
Hubbles Solarpaneele sind in der rauen<br />
Umgebung des Weltalls während<br />
der 97 Minuten dauernden Umlaufbahn<br />
enormen Temperaturschwankungen<br />
ausgesetzt. Alle 96 Minuten<br />
geht die Sonne auf und wieder unter,<br />
sodass die Kollektoren 16 Mal am Tag<br />
Temperaturwechsel von plus 100<br />
Grad Celsius in der Sonne zu minus<br />
100 Grad Celsius im Schatten aushalten<br />
müssen. Hubbles Solarpaneele<br />
der ersten Generation waren diesen<br />
Anforderungen nicht gewachsen.<br />
Beim Wechsel auf die Sonnenseite der<br />
Erde dehnte sich das Material der ersten<br />
Sonnensegel regelmäßig aus, was<br />
durch fehlerhafte Kompensatoren<br />
nicht wie geplant ausgeglichen wurde.<br />
Die Rahmenkonstruktion bestand<br />
aus dünnen Edelstahlbändern, die zu<br />
kreisförmigen Querschnitten geformt<br />
und abgeflacht wurden. Ihre offenen<br />
Nähte waren so ineinandergesteckt,<br />
dass eine röhrenförmige Struktur entstand.<br />
Durch einen Konstruktionsfehler<br />
und die gleichzeitige Exposition<br />
gegenüber direkter und indirekter<br />
Sonneneinstrahlung dehnten sich die<br />
beiden Rohrelemente unterschiedlich<br />
stark aus. Dieses Zusammenspiel von<br />
unkontrollierten Expansionen und<br />
Kontraktionen verformte die Solarpaneele<br />
jedes Mal derart, dass sekundenlange<br />
Zuckungen das gesamte<br />
Teleskop erschütterten. Mit dem Austausch<br />
der flexiblen Solarflügel gegen<br />
eine neue, steife Version lösten die<br />
Astronauten der Endeavour auch dieses<br />
Problem. Überall dort, wo besondere<br />
Anforderungen an Verbindungen<br />
gefordert sind, kamen an Hubble<br />
tausende Befestigungselemente<br />
aus austenitischem Edelstahl Rostfrei<br />
der Güte 1.4980 zum Einsatz. Für diesen<br />
Werkstoff sprach, dass er – anders<br />
als gehärtete Stähle – keine Beschichtung<br />
benötigt und hohen Temperaturen<br />
ebenso wie hoher Belastung<br />
dauerhaft standhält. Die Eisen- Nickel-<br />
Chrom-Legierung mit Molybdän- und<br />
Titanzusatz zeichnet sich durch hohe<br />
Warmfestigkeit, hervorragende Verarbeitungseigenschaften<br />
sowie Temperaturbeständigkeit<br />
bis 700 Grad<br />
Celsius aus. Gepaart mit der hohen<br />
Duktilität war dieser Werkstoff insbesondere<br />
für vorgespannte Verbindungen<br />
mit Muttern, Halterungen, Gehäusen,<br />
Montageplatten oder Distanzscheiben<br />
unverzichtbar.<br />
Schützende Haut aus Edelstahl<br />
Die Ausrichtung des Teleskops auf<br />
einen Leitstern mit einer Genauigkeit<br />
von 0,01 Bogensekunden übernehmen<br />
jeweils drei Sensoren (Fine Guidance<br />
Sensors, FGS). Zu diesem Zweck<br />
messen sie die Position des HST relativ<br />
zum Leitstern und fixieren dafür<br />
den Stern im Zentrum ihres Blickfeldes.<br />
Wandert der Stern aus diesem<br />
Zentrum heraus, justieren die FGS<br />
Hubble entsprechend neu. Die Kugellager<br />
dieser für die Feinsteuerung<br />
verantwortlichen Sensoren werden<br />
aus Edelstahl Rostfrei der Güte<br />
<strong>09</strong> | <strong>2020</strong> 25