Leben mit - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter
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FÖRDERUNG<br />
Geeignete Anreize im richtigen Augenblick<br />
(entwicklungsnahe Zone)<br />
anbieten<br />
Ein Problem fertiger Förderprogramme<br />
besteht manchmal darin, dass die Eltern<br />
(oder Lehrer) nicht abschätzen können,<br />
ob das Kind einen bestimmten<br />
Schritt verarbeiten kann.<br />
Erwarten Sie nicht, dass ein Kind<br />
lernen kann, wie viel 2 mal 5 sind, wenn<br />
es noch nicht bis 20 zählen kann oder<br />
sich unter der Menge 5 nichts vorstellen<br />
kann. Ebenso ist es sinnlos und kontraproduktiv,<br />
einem Kind beibringen zu<br />
wollen, seine Schuhe zu binden, wenn<br />
es größere Probleme hat, die Jacke zuzuknöpfen.<br />
Gelingt es Ihnen jedoch, Ihre Ziele<br />
auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse des<br />
Kindes abzustimmen, und dabei innerhalb<br />
jener entwicklungsnahen Zone zu<br />
bleiben, die das nötige Maß an Vertrautem<br />
<strong>mit</strong> einem geringen Maß an Neuem<br />
verbindet, entsteht eine gewisse Spannung,<br />
die die Aufmerksamkeit des Kindes<br />
aufrechterhält. Es wird Erfolg erleben<br />
und dennoch die Herausforderung<br />
spüren, die Langeweile und Desinteresse<br />
vorbeugt.<br />
Häufige sorgfältig gewählte Wiederholungen<br />
und Übungseinheiten<br />
anbieten<br />
Ein letztes wichtiges Erziehungs<strong>mit</strong>tel,<br />
das ich hier hervorheben möchte, sind<br />
häufige, sorgfältig ausgewählte Wiederholungen.<br />
Wie die Körpermuskeln<br />
durch Gymnastikübungen muss auch<br />
das Gehirn trainiert werden. Nicht lange<br />
und erschöpfende Übungen, die lediglich<br />
einen Muskelkater verursachen<br />
und/oder die geistigen Fähigkeiten erschöpfen,<br />
führen zum Ziel, sondern kleine,<br />
regelmäßige Übungseinheiten.<br />
Häufige Wiederholungen einzelner<br />
Lernschritte unterstützen unser Gewohnheitsgedächtnis<br />
(prozedurales Gedächtnis).<br />
Bald braucht das Kind keinen<br />
Anreiz seitens des Erziehers mehr, um<br />
das erwünschte Verhalten zu zeigen.<br />
Regelmäßige Übung führt zur Automatisierung<br />
und laut Feuerstein entsteht<br />
daraus bald ein Bedürfnis. Dies kann<br />
man z.B. beim Zimmeraufräumen oder<br />
Zähneputzen beobachten. Wem war<br />
dies als Kind nicht ein Gräuel? Dennoch<br />
entwickelt jeder Mensch so feste Gewohnheiten,<br />
auch wenn er einer Sache<br />
anfänglich wenig zugänglich war.<br />
Gleiches kann sich auch für Lernge-<br />
44 <strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> Nr. 50, Sept. 2005<br />
Erziehungserfolg ergibt sich<br />
aus der Passung zwischen<br />
Interventionsstil des Erziehers<br />
und den Fähigkeiten des<br />
Kindes.<br />
wohnheiten einstellen. Nehmen Sie sich<br />
aber für die Übungseinheiten (viel) Zeit<br />
und erwarten Sie nicht, dass Ihr Kind eine<br />
Aufgabe meistern kann, wenn Sie die<br />
Schritte und Inhalte nicht sorgfältig<br />
überlegt haben. Beim Zimmer-Aufräumen<br />
(sofern Ihnen dies natürlich wichtig<br />
erscheint und der Autonomie Ihres<br />
Kindes dient) könnten Sie z.B. täglich<br />
<strong>mit</strong> dem Wegräumen der abgelegten<br />
Wäsche anfangen – oder <strong>mit</strong> einer anderen<br />
Teilaufgabe, die Ihr Kind schaffen<br />
kann (Janssens). Nehmen Sie sich jeden<br />
Abend die Zeit, Ihrem Kind dabei zu helfen,<br />
bis es dies alleine kann, ohne Unterstützung.<br />
Überwachen Sie es täglich<br />
weiter – und wenn es Monate oder Jahre<br />
dauert –, bis es zur Routine geworden<br />
ist.<br />
Routine hilft besonders dem Kind<br />
<strong>mit</strong> Einschränkungen, selbständiger zu<br />
werden, Situationen richtig zu beurteilen<br />
und richtig zu reagieren. In stressigen<br />
Situationen, wenn das Kind unter<br />
Druck gerät oder Angst hat, wird das<br />
Schach <strong>mit</strong> Harry<br />
Potter: Es lohnt<br />
sich, auf einen kurzfristigen<br />
Erfolg (eine<br />
gegnerische Figur<br />
hinauszuwerfen) zu<br />
verzichten, und den<br />
Endsieg zu planen.<br />
Gewohnheitsgedächtnis die Kontrolle<br />
übernehmen.<br />
Feuerstein beschreibt in diesem Zusammenhang,<br />
wie das Erleben regelmäßiger<br />
kleiner Erfolge in einem bestimmten<br />
Bereich das gesamte Lernverhalten<br />
des Kindes verändern kann, gerade<br />
auch im kognitiven Bereich. Auch<br />
wenn Lernstrukturen zunächst kaum<br />
vorhanden scheinen, können systematische,<br />
kleinschrittige Wiederholungen<br />
sehr weit führen.<br />
Dazu möchte ich das folgende Beispiel<br />
erzählen:<br />
Als mein Sohn sich für eine Freizeit<br />
anmelden wollte, wurde mir bewusst,<br />
dass er unsere Adresse nur teilweise<br />
kannte (wir haben einen langen, komplizierten<br />
Straßennamen und auch der<br />
Ortsteil ist etwas länger). Wir sprachen<br />
deshalb darüber, wie wichtig es ist, dass<br />
Briefe ankommen, und wie schön es ist,<br />
auch dem Bruder schreiben zu können.<br />
Ich fragte ihn dann, ob er wüsste, wo er<br />
unsere Adresse finden konnte, und<br />
schon brachte er mir die Tagespost. Wir<br />
vereinbarten, dass er nun täglich seine<br />
Adresse einmal abschreiben würde, bis<br />
er es ganz auswendig schaffte.<br />
Solche klaren Vereinbarungen sind<br />
für ihn sehr hilfreich. Dann gibt es nie<br />
Probleme oder „Diskussionen“ und<br />
schon gar keine „Verweigerung“. Übrigens<br />
stellt man bei vielen Kindern <strong>mit</strong><br />
<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> fest, dass sie Routineaufgaben<br />
lieben, während sie anderen<br />
Kindern bald langweilig werden.