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Leben mit - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter

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Mundtherapie bei Morbus <strong>Down</strong><br />

Ein Ratgeber für Eltern von<br />

Kleinkindern<br />

Autor: Alexandra Benardis-Schnek:<br />

Verlag: Schulz-Kirchner, Idstein 2005<br />

ISBN 3-8248-0380-1<br />

Preis: 7,80 Euro<br />

64 Seiten, kartoniert<br />

Morbus <strong>Down</strong>? Es wundert schon,<br />

wenn eine Broschüre, die 2005<br />

erscheint, im Titel die Bezeichnung<br />

„Krankheit“ (Morbus) führt. Seit vielen<br />

Jahren versuchen wir immer wieder<br />

deutlich zu machen, dass das <strong>Down</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong> eine genetische Besonderheit<br />

darstellt, aber keine Krankheit. Kinder<br />

<strong>mit</strong> <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> können zusätzliche<br />

Beeinträchtigungen haben, die erkannt<br />

und behandelt werden müssen, und sie<br />

erkranken auch häufiger aufgrund von<br />

<strong>Syndrom</strong>-spezifischen Schwächen; aber<br />

die Trisomie selbst ist keine Krankheit!<br />

Vielleicht ist diese an Krankheit orientierte<br />

Sicht auch der Grund, dass<br />

überwiegend sehr rigide Behandlungsmaßnahmen<br />

beschrieben werden, die<br />

nach einem zeitlich genau vorgegebenen<br />

Tagesplan (S. 20) durchgeführt werden<br />

sollen. Eine solche stark strukturierte<br />

Arbeitsform wird in der Frühförderung<br />

seit über 20 Jahren als ungünstig<br />

angesehen.<br />

Nicht angemessen ist auch die Empfehlung,<br />

das Kind von Geburt an nach<br />

einem festen Zeitplan zu füttern (S. 44)<br />

und die „Häufigkeit des Schreiens nach<br />

verhaltenstherapeutischen Prinzipien“<br />

zu verstärken, um „das Kind allmählich<br />

an ein längeres Schreien hin(zu)führen“<br />

(S. 45).<br />

Bedenklicher aber finde ich die<br />

überwiegend technischen Hilfen, die angeboten<br />

werden. So wird zum Erlernen<br />

des Saugens auf verschiedene „Fingerfeeder“<br />

verwiesen und nur auf die Anbahnung<br />

des Fläschchentrinkens. Heute<br />

werden aber fast alle Kinder <strong>mit</strong><br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> erfolgreich gestillt und<br />

falls es dabei am Anfang Schwierigkeiten<br />

gibt, sind verschiedene Hilfen möglich.<br />

(Dazu gibt es spezielle Ratgeber<br />

und auch Hinweise in entsprechender<br />

Fachliteratur!)<br />

Besonders ausführlich wird in der<br />

Broschüre auf die Behandlung <strong>mit</strong> Gaumenplatten<br />

eingegangen. Dabei werden<br />

für den Einsatz einer Platte keine Kriterien<br />

genannt, geschweige denn die<br />

wichtigen Kontraindikationen, auf die<br />

Castillo-Morales ausdrücklich hinweist!<br />

In der Broschüre wird lediglich die Frage<br />

gestellt: „Welche Platte braucht mein<br />

Kind?“ Ein detaillierter Zeitplan <strong>mit</strong> genauen<br />

Angaben zum Tragen einer Tagesplatte<br />

und einer ergänzenden Nachtplatte<br />

(!) wird beschrieben (S. 52). Ausführlich<br />

wird sogar auf Platten <strong>mit</strong> Dorn<br />

eingegangen (die unter endoskopischer<br />

Überwachung eingesetzt werden müssen),<br />

um dann abschließend festzustellen,<br />

dass Kinder <strong>mit</strong> <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

diese Platten nicht nötig haben!<br />

Auf die wichtigen <strong>mit</strong>tlerweile fast<br />

20 Jahre alten Erfahrungen <strong>mit</strong> Gaumenplatten<br />

wird jedoch nicht eingegangen.<br />

Wir kennen heute nicht nur kurzzeitige<br />

Ergebnisse, sondern können<br />

auch vergleichen, ob und welche langfristigen<br />

Unterschiede sich ergeben zwischen<br />

Kindern, die eine Platte getragen<br />

haben, und solchen, die keine Platte hatten.<br />

Diese Erfahrungen sprechen nicht<br />

für eine Gaumenplatte und haben deshalb<br />

dazu geführt, dass heute nur noch<br />

selten eine Platte verordnet wird! (Überlegen<br />

sollte man auch, warum Gaumenplatten<br />

in anderen Ländern keine Rolle<br />

spielen.)<br />

Eine Anmerkung noch zum Trinkund<br />

Esstraining: Ab dem siebten bis<br />

achten Monat sollte danach für die Anbahnung<br />

von Kaubewegungen <strong>mit</strong> einem<br />

speziellen Übungsprogramm begonnen<br />

werden. Auch hier fehlt mir der<br />

Alltagsbezug! Altersgerechte Angebote<br />

zum Erlernen des Kauens halte ich für<br />

wichtig, möchte aber doch betonen,<br />

PUBLIKATIONEN<br />

dass Kinder <strong>mit</strong> <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> weniger<br />

spezielle Maßnahmen benötigen,<br />

sondern im Alter von etwa neun bis<br />

zehn Monaten durchaus lernen können,<br />

wie andere Kleinkinder auch an Zwieback<br />

oder Dinkelstange zu lutschen und<br />

zu kauen. Nach dem Füttern <strong>mit</strong> dem<br />

Löffelfüttern wird ohne übliche Zwischenschritte<br />

das selbstständige Essen<br />

<strong>mit</strong> dem Löffel beschrieben. Aber vor<br />

diesem Essen <strong>mit</strong> dem Löffel kommt das<br />

Essen <strong>mit</strong> den Fingern. Dazu braucht<br />

das Kind angemessene Angebote (z.B.<br />

Brot-, Apfel-, Melonenstückchen), um<br />

dies zu lernen – und eventuell auch einige<br />

besondere Hilfen, jedoch sollte die<br />

Orientierung zuerst daran erfolgen, welche<br />

normale alltagsintegrierte Unterstützung<br />

möglich ist.<br />

Orofaciale Hilfen für Kinder <strong>mit</strong><br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> sind wichtig. Schade ist<br />

deshalb, dass in der Broschüre ein verengter<br />

und veralteter Ansatz vertreten<br />

wird.<br />

Etta Wilken<br />

<strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> Nr. 50, Sept. 2005 65

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