12.10.2020 Aufrufe

Der Augustdorfer: Brauerei Strate

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Augustdorfer</strong> Lebensgeschichten<br />

Ihrem starken Willen folgend, zog sie die Konsequenzen.<br />

Nach der Schule, mit 14 Jahren, verließ sie das Elternhaus<br />

und zog zur Schwester ihrer Mutter nach Zagreb. Durch<br />

großes Glück erhielt sie die Stelle des Kindermädchens<br />

im Haus eines Professors. In der Abendschule lernte sie<br />

Deutsch. Das Angebot kam von einer Rentnerin, einer<br />

gebürtigen Deutschen. Marija hatte gehofft, dass sie die<br />

Sprache etwas schneller erlernen könnte, aber die Frau<br />

war eben keine Lehrerin für Sprache. So sangen sie vor<br />

allem viele deutsche Lieder.<br />

Die Arbeit in der Familie fand leider ein schnelles Ende,<br />

als der Professor aus Zagreb in eine andere Stadt zog. Ihre<br />

Erfahrungen bei der Kindererziehung konnte Marija noch<br />

bei zwei weiteren Arbeitsstellen einsetzen. Das erste Mal<br />

in der Familie ihres 2. Bruders, der auch in Zagreb lebte.<br />

Ein weiteres Mal kann man fast als Traumjob bezeichnen.<br />

Marija und Husref<br />

(Husso) Alispahic<br />

„Ich nicht sprechen, meine Frau sagen“<br />

(Teil eins von zwei)<br />

Dieser so oft von Marija gehörte Satz ihres Ehemannes<br />

Husso beschreibt eigentlich eine sehr vorteilhafte Situation<br />

am Anfang ihres gemeinsamen Lebens in Deutschland.<br />

1968 traf die BRD ein Anwerbeabkommen mit Jugoslawien.<br />

Und die allerwenigsten, die nach Deutschland kamen,<br />

sprachen die Sprache des Gastlandes.<br />

Marija stammt aus einer wohlhabenden Familie in Kroatien.<br />

Die Großeltern hatten viel Land in der Region Vukovar<br />

nahe der serbischen Grenze. Nach der Kollektivierung unter<br />

Tito, im neu geschaffenen sozialistischen Jugoslawien,<br />

blieb den Eltern nur noch ein geringer Teil des Landes<br />

für die Landwirtschaft. Aber es reichte gerade, um Marijas<br />

älteren Bruder auf ein Gymnasium zu schicken. Die Eltern<br />

hatten größere Pläne mit ihm. Und dafür mussten Schulgeld,<br />

Miete und Verpflegung vom Einkommen abgezweigt<br />

werden.<br />

Eine befreundete Studentin aus Zagreb, die neben dem<br />

Studium in der Schweiz arbeitete, vermittelte ihr eine<br />

Stelle als Haushaltshilfe in der Familie eines Industriellen<br />

mit fünf Kindern. Das jüngste kam gerade in die Schule,<br />

und der älteste Sohn war in ihrem Alter und arbeitete<br />

bereits beim Vater in der Fabrik.<br />

Weil die Studentin krank geworden war und sie nicht in<br />

die Schweiz begleiten konnte, war Marija zum ersten Mal<br />

in ihrem Leben völlig allein auf sich gestellt. Während der<br />

Bahnfahrt liefen deshalb die Tränen. Am Ziel angekommen,<br />

fand sie zuerst nicht die aus Kroatien stammende<br />

Frau, die ihr weiterhelfen sollte. Aber letztlich fragte sie<br />

sich erfolgreich durch, und ihre Arbeit begann am nächsten<br />

Morgen damit, dass sie auf den Speicher zu einer großen<br />

Kleiderkiste geführt wurde und sich einen passenden<br />

Badeanzug aussuchen sollte. Außerdem sollte sie sich etwas<br />

zum Anziehen einpacken. Marija nahm eine Jacke.<br />

Für sie überraschend fuhr sie mit der Familie in Urlaub an<br />

einen See. „Was habe ich da wohl jeden Abend gemacht?<br />

Ich habe meine Sachen gewaschen, denn ich hatte ja<br />

nichts zum Wechseln dabei.“<br />

Diese Arbeitsstelle ist Marija noch immer in sehr angenehmer<br />

Erinnerung. Die „Eltern“ seien auch für sie als Angestellte<br />

immer wie Eltern gewesen. Und natürlich lernte<br />

sie hier die deutsche Sprache so perfekt, wie sie sich das<br />

schon vorher gewünscht hatte.<br />

Für Marija, die Tochter, sahen die Vorstellungen der Eltern<br />

etwas einfacher aus: „Das schöne Kind sollte so schnell<br />

wie möglich heiraten und natürlich Kinder kriegen.“ Das<br />

war überhaupt nicht in Marijas Interesse. Zum 10. Geburtstag<br />

hatte sie von der Großmutter eine Singer-Nähmaschine<br />

bekommen. Damit war für sie das Tor zu ihrem<br />

Berufswunsch aufgestoßen. Sie nähte Kleider für Puppen<br />

und Anspruchsvolleres für ihre Freundinnen. Ihr Wunsch<br />

nach einer entsprechenden Ausbildung fand bei der Mutter<br />

volles Verständnis. Ihr Vater wollte sich nicht damit<br />

abfinden.<br />

<strong>Der</strong> <strong>Augustdorfer</strong>/ Oktober-November '20<br />

31

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!