Der Augustdorfer: Brauerei Strate
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Natur • Garten • Tiere<br />
Seit ich den Befall an meinen Büschen bemerkt habe, ist<br />
mir der Spaß an der anfangs so gelobten „Raupe Nimmersatt“<br />
fast vergangen. Ich verbringe viel Zeit damit, die<br />
Raupen in der Hecke ausfindig und ihnen den Garaus zu<br />
machen. Die Gartenschere spielt dabei eine große Rolle.<br />
Immerhin ist der Buchs so vital, dass er auch nach dem<br />
stärksten Rückschnitt wieder austreibt. Die breit angebotenen<br />
Spritzmittel verlangen in der Regel Folgeanwendungen,<br />
weil inzwischen neue Eier gelegt wurden oder weitere<br />
Larven aus bereits gelegten Eiern geschlüpft sind.<br />
Trotz dieser Unannehmlichkeiten: Die literarische Raupe<br />
hat dadurch nicht an Wert bei mir verloren.<br />
Klaus Mai<br />
Zunächst muss die Ameisenjungfer, ein Insekt, das oberflächlich<br />
einer Libelle ähnelt, einen sandigen und trockenen<br />
Platz für die Eiablage finden. Da muss es auch Beutetiere<br />
für die Larven geben. In der Senne ist das kein<br />
Problem. An Abbrüchen und Wegrändern sorgen Überstände<br />
für trockene Bereiche darunter und für rieselnden Sand.<br />
Aber nicht nur in der freien Landschaft sind diese Bedingungen<br />
erfüllt: auch an Hauswänden mit Dachüberstand,<br />
unter gestapeltem Brennholz, wo die Sonne für trockenen<br />
Sand sorgt. Richtig gestaunt habe ich über die kleinen<br />
Trichter zwischen den Blaubasaltsteinen, mit denen der<br />
Boden in unserem Carport gepflastert ist. Man findet sie<br />
aber nur im Randbereich zur Sonne hin.<br />
Kleinod in der Senne, die Ameisenjungfer<br />
von Klaus Mai<br />
Mein Vater, der alte Oberförster, hat mich mit ihm bekannt<br />
gemacht, dem Ameisenlöwen. Das war vor vielen Jahren<br />
am „Telefonweg“, der von der „breiten<br />
Naht“ durch die Kammersenne in die<br />
damals sogenannte Wildnis führte.<br />
Ich war ein kleiner Junge von 8 oder 9<br />
Jahren und der Ameisenlöwe ein winziges<br />
Tierchen, das am Rande des besagten<br />
Telefonweges Trichter in den Sennesand<br />
gebaut hatte, um darin Ameisen<br />
zu erbeuten. Ich sehe uns noch heute,<br />
wie wir vorsichtig einen solchen Trichter<br />
aufgenommen haben, um am Grunde<br />
den Erbauer zu finden, die Larve<br />
der „Ameisenjungfer“. Mit schräg nach<br />
vorn und zur Seite gerichteten Borsten<br />
und einer gewaltigen Saugzange erreichen<br />
sie die Größe und Form eines<br />
kleinen Fingernagels. Zurück auf den<br />
Boden gesetzt sind sie in kürzester Zeit<br />
rückwärts laufend wieder im Sand verschwunden.<br />
Schon die winzigsten Larven, soeben aus dem Ei geschlüpft,<br />
bauen ihren Trichter, indem sie, im Sand eingegraben,<br />
mit Ruckbewegungen von Kopf und Zange die<br />
darauf liegenden Sandkörner fortschleudern. Dabei bewegen<br />
sie sich rückwärts im Kreis. Innerhalb von wenigen<br />
Stunden entsteht so der Fangtrichter. Unten liegen<br />
die Zangen bereit für die über die schrägen Seitenwände<br />
hereinrutschenden Ameisen und anderen Kleininsekten.<br />
Sollte es einem verzweifelten Beutetier gelingen, an der<br />
schrägen Wand zurückzuklettern, löst der rollende Sand<br />
bei dem lauernden Ameisenlöwen hektische weitere Sandwürfe<br />
aus, die den „Hang“ und damit die Beute ins Rutschen<br />
bringen können.<br />
Unten im Trichter warten gnadenlos die Zangen des Ameisenlöwen.<br />
Zunächst lähmt ein Gift die Beute, anschließend<br />
wird sie ausgesaugt, und der nutzlose Rest mit einer<br />
letzten Schleuderbewegung von Kopf und Zangen aus dem<br />
Trichter geworfen. Was so einfach zu beobachten ist, steht<br />
doch in einem komplexen Zusammenhang und lässt einen<br />
immer wieder staunen und wundern:<br />
Die schmalen, mit Sand gefüllten Fugen<br />
signalisieren der Ameisenjungfer:<br />
Dies ist ein geeigneter Ort für die Ablage<br />
deiner Eier. Aber auch die kleinsten<br />
Larven von wenigen Millimeter Größe<br />
lassen staunen. Sie bauen ihre Trichter<br />
so, dass sie sich gegenseitig nicht behindern.<br />
Fantastisch, wie schaffen sie<br />
das? Sie müssen unterscheiden können<br />
zwischen dem Sandflug von den Bauarbeiten<br />
des Nachbarn und dem Sandgeriesel<br />
des Beutetiers.<br />
Nach einem Jahr etwa, aber auch länger, wenn das Nahrungsangebot<br />
etwas dürftiger war, hat die im Sand lebende<br />
Larve eine bestimmte Größe und Reife erreicht. Sie<br />
verpuppt sich in einer kleinen sandigen Kugel von etwa<br />
8 bis 10 mm Durchmesser. Die liegt unterhalb ihres letzten<br />
Trichters. Nach einigen Wochen entwickelt sich darin<br />
das fertige Insekt, die schmucklose, aber dennoch wunderschöne<br />
Ameisenjungfer. Die Begeisterung für dieses<br />
winzige Tier hat sie zum Insekt des Jahres 2010 gemacht.<br />
Naturfreunde, die ihren Blick nicht nur oberhalb der Erde<br />
auf Pflanzen, Säugetiere und Vögel richten, sondern auch<br />
direkt auf den nackten Boden, können die Trichter überall<br />
finden. Nur die Bedingungen müssen stimmen: trockener<br />
Sand, Schutz gegen Regen von oben und von der Sonne<br />
beschienen. Verwandte der Ameisenjungfer gibt es auch<br />
auf Reisen zu finden. Am kretischen Strand unter der Sonnenliege,<br />
in Südamerika oder in den Wacholder- und Heidelandschaften<br />
von Kroatien.<br />
Klaus Mai<br />
<strong>Der</strong> <strong>Augustdorfer</strong>/ Oktober - November '20 49 49