HR Today 3 2020
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Thema Recruiting<br />
Ist der Fachkräftemangel ein Mythos?<br />
In gewissen Bereichen gibt es wenig Kandidaten.<br />
Dass immer mehr Unternehmen Mühe haben,<br />
Fachkräfte zu finden, liegt jedoch auch an ihrer<br />
fehlenden Flexibilität. Wer eierlegende Wollmilchsäue<br />
sucht, findet einfach nur wenige Mitarbeitende.<br />
Wer die Augen öffnet und ein breiteiStockphoto<br />
Foto: zVg<br />
Frank Rechsteiner<br />
Den Suchradius öffnen<br />
Die Arbeitswelt verändert sich rasant, doch Firmen halten an überkommenen Methoden und<br />
Prozessen fest. Weshalb der Fachkräftemangel teilweise hausgemacht ist und welche Kompetenzen<br />
ein Recruiter künftig braucht, erläutert Executive-Search-Experte Frank Rechsteiner im Gespräch.<br />
Text: Corinne Päper<br />
Herr Rechsteiner, alle reden von der Arbeitswelt<br />
4.0. Wer sich aber umsieht, hat das Gefühl, wir<br />
bewegen uns noch immer in der alten Industriewelt.<br />
Machen sich Firmen zu wenig Gedanken<br />
über Bewerbende?<br />
Frank Rechsteiner: Das kann man so nicht sagen.<br />
Sie sind eher in ihrer alten Arbeitgebermentalität<br />
gefangen. Die meisten Firmen wissen zwar<br />
rein theoretisch, dass sich der Arbeitsmarkt in<br />
einen Arbeitnehmermarkt verwandelt hat. Die<br />
Transformation in den Firmen verläuft jedoch<br />
recht schleppend. Es ist wie in einer Paarbeziehung:<br />
Nur weil ich weiss, dass ich meinen Partner<br />
schlecht behandle, heisst das nicht, dass ich<br />
es morgen besser mache. Es fehlt in den Unternehmen<br />
schlicht an Vorbildern. Menschen, die<br />
den ersten Schritt machen, um Neues im Recruiting<br />
auszuprobieren. Dazu braucht es in der Geschäftsleitung<br />
und in den Fachabteilungen ein<br />
anderes Führungsverständnis und neue Prozesse.<br />
Das <strong>HR</strong> kann einen Anstoss zur Veränderung<br />
geben, weil das Wissen zum Systemwandel<br />
dort vorhanden ist. Die Geschäftsleitung und die<br />
Fachabteilungen müssen sich jedoch zum Wandel<br />
verpflichtet fühlen. Nur dann ist Veränderung<br />
möglich.<br />
Wie nehmen Sie Recruiter wahr?<br />
Ihnen fehlt vielfach die Kompetenz und der Mut,<br />
mit den Fachabteilungen zu kommunizieren. Sie<br />
drücken sich vor dieser Basisaufgabe und suchen<br />
auf Fachmessen ihr Heil in neuen Tools. Dadurch<br />
können sie ihre Kandidatenzahl zwar vervielfachen,<br />
wer seine Hausaufgaben aber nicht macht,<br />
schafft es nicht, geeignete Bewerber anzuziehen.<br />
Er ist durch seine veralteten Prozesse viel zu langsam<br />
und schon deshalb für Bewerber wenig attraktiv.<br />
«Potenzielle Arbeitnehmende<br />
möchten über Social Media<br />
erfahren, was von aussen<br />
bei einem Unternehmen<br />
nicht sichtbar ist.»<br />
Frank Rechsteiner, Inhaber<br />
Hype Group<br />
Tiktok, Snapchat, Instagram & Co: Müssen<br />
Firmen überall dabei sein?<br />
Recruiter sollten sich überlegen, ob diese Kanäle<br />
zur Recruitingstrategie und zur Zielgruppe passen<br />
und sie die Ressourcen haben, diese regelmässig<br />
zu bespielen. Es gibt unglaublich viele «tote»<br />
Firmenprofile auf Xing, denen zu entnehmen ist:<br />
We are hiring. Das interessiert doch keinen Menschen.<br />
Jedenfalls nicht jene, die bereits einen Job<br />
haben. Die wechseln ihn nicht wegen einer solchen<br />
Anzeige. Potenzielle Arbeitnehmende<br />
möchten über Social Media erfahren, was von<br />
aussen bei einem Unternehmen nicht sichtbar<br />
ist. Beispielsweise, wie man dort arbeitet, welche<br />
Technologien beim Kunden verwendet oder wie<br />
Mitarbeitende entwickelt werden. Um gute Kandidaten<br />
zu erreichen, muss man tatsächlich<br />
nicht jeden Hype mitmachen.<br />
32 <strong>HR</strong> <strong>Today</strong> 3 | <strong>2020</strong>