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FINDORFF GLEICH NEBENAN Nr. 17

FINDORFF GLEICH NEBENAN ist das Stadtteilmagazin für Findorff und Bremen für Handel, Dienstleistung, Kultur & Politik

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q YOSRA AL SAID IM INTERVIEW<br />

» Meine Falafel sind frisch und selbstgemacht.«<br />

Ich unterrichtete sie in Englisch und kochte mit ihnen. Als im<br />

selben Jahr der Krieg ausbrach, wuchs die Anzahl der Waisenkinder<br />

auf bis zu 600 im Jahr 2014. Ihre Eltern waren getötet<br />

oder vom al-Assad-Regime inhaftiert worden. Im Jahr 2014<br />

kam ich für 68 Tage ins Gefängnis, weil ich mich um die Kinder<br />

gekümmert hatte, deren Eltern gegen al-Assad waren. Ich sagte<br />

ihnen, dass ich keine Gegnerin von al-Assad sei, sondern mich<br />

um die verwaisten Kinder kümmern wollte. Sie schlugen und<br />

folterten mich. Niemand wollte verstehen, dass sie ihren Krieg<br />

führen, doch den Kindern eine Chance geben sollten ! Die<br />

Kinder, deren Väter beim Militär dienen und pro al-Assad sind,<br />

erhalten jede Unterstützung bis zum Studienplatz. Doch Kinder<br />

sind Kinder. Wir sollten keine Unterschiede machen und allen<br />

Bildung und Schutz zukommen lassen.<br />

des Tages nichts mehr vornehmen, weil nie klar ist, wie lange es<br />

dauern wird oder auch, wann man an die Reihe kommt. Außerdem<br />

kann es vorkommen, dass dir die Papiere vor deinen Augen<br />

zerrissen werden, wenn ein einziges Papier fehlt. In Barzeh hat<br />

meine Nachbarin gekocht und auf die Kinder aufgepasst, wenn<br />

ich krank war. Das ist hier anders. Ich bin gut vernetzt und habe<br />

gute FreundInnen, aber der Zusammenhalt der Menschen in<br />

Damaskus ist noch viel größer. Alle Familienmitglieder wohnen<br />

normalerweise im gleichen Stadtteil. Alle helfen sich gegenseitig.<br />

In Syrien habe ich die Männer so wahrgenommen, dass<br />

sie niemals fragten, wie es mir geht oder was ich möchte. Sie<br />

drehen sich sehr um sich selbst. In Deutschland erlebe ich, dass<br />

ein Mann seine Frau durchaus in allen Angelegenheiten befragt<br />

und die Beziehungen gleichberechtigt sind.<br />

Wie hat Ihre Flucht aus Syrien ausgesehen ?<br />

Was wünschen Sie sich für die Zukunft ?<br />

Nach meiner Inhaftierung musste ich das Land verlassen. Mein<br />

Mann, der sich nicht vorstellen konnte, im Ausland zu leben,<br />

brachte mich und meine Kinder bis zur Grenze des Libanon.<br />

Von Beirut aus flogen wir in die Türkei, wo wir zunächst sieben<br />

Monate blieben. Dann fuhren wir mit dem Boot nach Griechenland<br />

und reisten mit dem Bus, zu Fuß und zuletzt mit der Bahn<br />

einen Monat lang weiter bis nach Bremen.<br />

Seit wann lernen oder sprechen Sie Deutsch ?<br />

Vor fünf Jahren bin ich mit meinen Kindern in Deutschland<br />

angekommen. Meine Tochter hat binnen zwei Monaten ihre<br />

Prüfung des Sprachniveaus B1 erfolgreich abgelegt. Ich habe<br />

die Sprache nicht so schnell wie meine Tochter gelernt. Ich<br />

lerne immer noch dazu.<br />

Wie leben Sie in Bremen ?<br />

Ich wohne in Findorff mit dreien meiner fünf Kinder. Mein<br />

Sohn und eine Tochter gehen zur Schule. Eine Tochter arbeitet<br />

im Martinshof. Zwei Töchter studieren außerhalb Bremens.<br />

Ich wünsche mir, dass meine beiden Kinder, die noch zur Schule<br />

gehen, studieren können. Meine Tochter möchte Design oder<br />

Architektur studieren. Mein Sohn möchte vielleicht Ingenieur<br />

werden. Meine zweite Tochter, die im Martinshof arbeitet,<br />

spart auf eine Wohnung. Zudem wäre es schön, wenn »Falafel<br />

Queen« in Findorff noch bekannter werden würde. Es kommen<br />

immer wieder Leute, die staunen, dass es mich schon seit über<br />

zwei Jahren auf dem Findorffmarkt gibt. Am Tag der Eröffnung<br />

habe ich nur zehn Rollos verkauft. Letzten Samstag waren es<br />

70. Meine Falafel sind frisch und selbstgemacht. Ich verwende<br />

immer frisches Öl. Und wer sie probiert, kommt wieder. Ich<br />

wünsche mir für den neuen Feinkostladen in der Hemmstraße,<br />

dass er gut anlaufen wird – und es bald wieder möglich sein<br />

wird, Sitzplätze anbieten zu können. Langfristig würde ich<br />

gerne einen Saal haben, in dem ich für Hochzeiten, Verlobungen<br />

oder Geburtstage die Feiern ausrichte. Ich würde den Raum<br />

selbst designen und für das Essen sorgen, so dass die GastgeberInnen<br />

sich um nichts kümmern bräuchten.<br />

Wir sind weiter für Sie da ! TAKE AWAY als außer Haus<br />

Verkauf Mittwoch bis Montag 12 - 14:30 Uhr und<br />

18 - 21 Uhr, am Samstag ab 18.00 Uhr. Dienstag<br />

Ruhetag · Findorffstraße 114 · 28215 Bremen<br />

Telefonische Vorbestellungen unter 0421 566 25 66<br />

oder per E-Mail an info@maharani-bremen.de<br />

Alle Infos zum aktuellen Mittagstisch und unserer<br />

Speisekarte auf www.maharani-bremen.de<br />

Wie schaffen Sie es, als alleinerziehende Mutter Ihre Selbstständigkeit<br />

und das Familienleben parallel zu managen ?<br />

Alle Kinder sind tagsüber außer Haus, während ich auf dem<br />

Findorffmarkt bin. So bekommen wir es gut hin. Die ersten drei<br />

Monate, in denen ich noch kein Auto hatte, haben mir meine<br />

Kinder sehr geholfen, die Lebensmittel nach Marktschluss nach<br />

Hause zu tragen. Auch samstags helfen sie oft noch gerne mit.<br />

Was für Unterschiede zwischen den BewohnerInnen von<br />

Damaskus und Bremen sind Ihnen besonders aufgefallen ?<br />

Vieles ist anders. Zum Frühstück isst man bei uns zum Beispiel<br />

Falafel oder Fatteh. Das ist Hummus mit Brot, Joghurtsoße,<br />

Tahin und etwas Fleisch. Das Frühstück ist also kräftig – für<br />

einen guten Start in den Tag. In Bremen gefällt mir das Verkehrsnetz<br />

sehr gut, wie die Straßenbahn. Auch werden Termine<br />

eingehalten. Das ist in Syrien nicht unbedingt so. Wenn man<br />

einen Termin in der Behörde hat, braucht man sich für den Rest<br />

▼ ÜBER YOSRA AL SAID<br />

Yosra Al Said wurde 1973 in Syrien geboren – ein Land, das seit<br />

einem Militärputsch 1963 die nationalistische »Arabisch-Sozialistische<br />

Baath-Partei« regiert. Nach dem Tod von Präsident<br />

Hafiz al-Assad im Jahr 2000 regiert sein Sohn Baschar al-Assad.<br />

Ein friedlicher Protest gegen das Regime al-Assads im Zuge des<br />

»Arabischen Frühlings« in 2011 war Auslöser für einen Bürgerkrieg,<br />

der bis heute andauert. Yosras Vater diente als General<br />

unter Hafiz al-Assad. Da er aus der Pension zurück in den Militärdienst<br />

gerufen worden wäre, ist er mit Yosras ältester Tochter<br />

nach Schweden geflüchtet. Dort leben mittlerweile auch ihre<br />

Mutter und Geschwister. Yosra galt als Gegnerin von al-Assad,<br />

weil sie sich um verwaiste Kinder gekümmert hat. Mehr unter<br />

»Falafel Queen Bremen« auf »facebook«. Der Feinkostladen<br />

startet im März in der Hemmstraße 273.<br />

Interview: Nicole Henze, Foto: Martin Bockhacker ▲<br />

<strong>FINDORFF</strong> <strong>GLEICH</strong> <strong>NEBENAN</strong> | 08

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