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Spektrum der Mediation 27 - Bundesverband Mediation eV

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nähe <strong>der</strong> Platz xy?” Diese Fragen sind gerichtet<br />

auf Störungen <strong>der</strong> Orientierung. Die meist<br />

begleitenden Partnerinnen werden automatisch<br />

gewillt sein, die Fragen für die Betroffenen<br />

zu beantworten, umgekehrt schauen<br />

die Kranken oft fragend auf die Partnerinnen.<br />

antworten können oft nicht gegeben werden.<br />

Die empathie und zugewandtheit <strong>der</strong><br />

Fragenden verhin<strong>der</strong>n mögliche verunsicherung:<br />

„... ach, ist ja auch egal”<br />

„Wie lange sind Sie jetzt aus dem Beruf?” (s. o.)<br />

Wichtiger oft als die Fragen ist die genaue<br />

Beobachtung. relativ leicht lassen sich<br />

hinweise für Störungen <strong>der</strong> räumlichen<br />

Orientierung beobachten: nach <strong>der</strong> Sitzung<br />

wird Gar<strong>der</strong>obe o<strong>der</strong> haustür nicht sicher<br />

gefunden, nach dem Besuch <strong>der</strong> toilette<br />

wird möglicherweise gefragt, wo man sich<br />

hinsetzen darf. Generell liegen antworten<br />

häufig nicht genau auf <strong>der</strong> Frage; die Betroffenen<br />

neigen zum immer wie<strong>der</strong> erneuten<br />

ansprechen <strong>der</strong> gleichen Situation; Flexibilität<br />

und abstraktionsvermögen sind deutlich<br />

eingeschränkt.<br />

Folgerungen für die <strong>Mediation</strong><br />

an Demenz erkrankte Menschen sind, je nach<br />

Schweregrad <strong>der</strong> erkrankung, in ihrer Geschäftsfähigkeit<br />

und Selbstbestimmtheit gestört. in den<br />

meisten Fällen muss sogar im verlauf <strong>der</strong> erkrankung<br />

eine Betreuung eingerichtet werden.<br />

Das Fallbeispiel schil<strong>der</strong>t einen typischen Konfliktfall.<br />

hier ist <strong>der</strong> Betroffene nicht geeignet, an einer<br />

<strong>Mediation</strong> als Beteiligter alleine teilzunehmen.<br />

Unter an<strong>der</strong>em wegen <strong>der</strong> hohen Konzentrationsanfor<strong>der</strong>ung<br />

und <strong>der</strong> denkbaren Problematik, das<br />

mit Sicht auf die später klar gewordene Diagnose,<br />

<strong>der</strong> Konfliktgegner die vereinbarungen in Frage<br />

stellt und nachträglich Klage vor Gericht erhebt.<br />

auch schon <strong>der</strong> leicht durch dementielle verän<strong>der</strong>ungen<br />

beeinträchtigte Mensch befindet sich<br />

„in einer an<strong>der</strong>en Welt” Die Klärung einer Konfliktsituation<br />

auf augenhöhe ist ihm kaum möglich.<br />

es fehlen abstraktionsvermögen, Konzentration<br />

und Kreativität. Die autonomie ist eingeschränkt.<br />

nicht zuletzt die gestörte Gedächtnisleistung beeinträchtigt<br />

das theoretisch denkbare <strong>Mediation</strong>sergebnis.<br />

„Mediative Gespräche” mit Erkrankten<br />

und Angehörigen<br />

an<strong>der</strong>s sieht es hingegen im Bereich <strong>der</strong> präventiven<br />

<strong>Mediation</strong> aus. hier gilt <strong>der</strong> leitspruch, den<br />

Betroffenen ihre Selbstbestimmung zu erhalten<br />

und zu ermöglichen.( § 1 SGB iX: Selbstbestimmung<br />

und teilhabe am leben in <strong>der</strong> Gesellschaft).<br />

<strong>Spektrum</strong> <strong>der</strong> <strong>Mediation</strong> <strong>27</strong>/2007<br />

QUalitÄtSSicherUnG UnD WeiterentWicKlUnG<br />

Geht es um die Belange <strong>der</strong> erkrankten, Unterbringung,<br />

– testamentarische Bestimmungen,<br />

Wunschvorstellungen in die zukunft gerichtet –<br />

halten wir die Durchführung von <strong>Mediation</strong> für<br />

möglich und sinnvoll, dann eher als mediatives<br />

Gespräch bezeichnet zusammen mit den angehörigen.<br />

typisch für die erkrankung ist, dass noch<br />

lange das Konzentrationsvermögen recht gut ist<br />

bei Fragestellungen, die die Betroffenen stark interessieren.<br />

hier ist auch noch gut die Bedürfnislage<br />

zu erarbeiten, wobei das Formulieren erfahrungsgemäß<br />

schwer fällt. es lässt sich in ruhiger<br />

atmosphäre und guter Stimmungslage vieles regeln,<br />

wenn die arbeitseinheiten kurz sind, eine<br />

einfache Sprache benutzt wird und das Spiegeln<br />

nicht nur dem zweck dient, abzusichern, richtig<br />

verstanden zu werden, son<strong>der</strong>n auch die Funktion<br />

einer Formulierungshilfe hat.<br />

Relevanz für die Betroffenen<br />

Die schleichende entwicklung <strong>der</strong> erkrankung,<br />

das meist höhere alter <strong>der</strong> Betroffenen und ein<br />

„Was nicht sein darf, das nicht sein kann” <strong>der</strong> angehörigen,<br />

führt in einer großen zahl von Fällen<br />

dazu, dass notwendige anpassungen, vorbereitungen<br />

einer absehbaren verschlimmerung in<br />

<strong>der</strong> zukunft und die Klärung von Wünschen und<br />

notwendigkeiten unterbleiben. Das Selbstwertgefühl<br />

<strong>der</strong> Betroffenen ist stark in Mitleidenschaft gezogen.<br />

Die angehörigen sind meist verunsichert,<br />

wollen die Kranken nicht belasten und warten auf<br />

ein Wun<strong>der</strong>.<br />

Drängende Fragen wie Patientinnentestament<br />

und vorsorgeverfügung werden nicht angesprochen,<br />

„um die Kranken zu schonen”. Fehlendes<br />

Wissen, wie ein adäquates verhalten aussehen<br />

sollte, fehlende einsicht dafür, dass sich auch die<br />

versorgenden angehörigen um die jeweilige Bedürfnislage<br />

kümmern müssen, Sorge um die zukunft<br />

und schlechtes Gewissen verschlimmern<br />

die Situation auf angehörigenseite.<br />

Praktische Vorgehensweise<br />

Je nachdem, wer die Gespräche initiiert, finden<br />

die Gespräche bei uns zunächst mit den Betroffenen<br />

und den eigentlichen Bezugspersonen (z. B.<br />

Partnerinnen) statt und dann in einer weiteren Sitzung<br />

mit dem gesamten Familiensystem, dann<br />

meist ohne die erkrankten (mehrere Menschen<br />

for<strong>der</strong>n die Konzentrationsfähigkeit zu sehr, die<br />

Geschwindigkeit des verfahrens ist oft so langsam,<br />

dass die an<strong>der</strong>en angehörigen leicht genervt<br />

sind, lösungssuche und ausgestaltung<br />

werden kontraproduktiv langsam) o<strong>der</strong> in umgekehrter<br />

reihenfolge. häufig ist es eine Frage <strong>der</strong><br />

Kosten, ob dann noch ein erläuterndes treffen<br />

mit den Kranken stattfinden soll.<br />

«<br />

Anne Pilartz,<br />

Juristin und Mediatorin<br />

CfM<br />

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