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Das Magazin für Vergabe und Beschaffung
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TITEL I 0121
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muss der Ausschreiber bisweilen die Echtheit eingereichter
öffentlicher Urkunden prüfen. Wenn
Behörden öffentliche Urkunden auf elektronischem
Wege ausstellen und mit Verifizierungsschlüsseln
in der Blockchain hinterlegen würden,
könnte die Echtheit der übermittelten Urkunde
sehr leicht überprüft werden.
Aber Blockchain ist kein Selbstzweck. Es muss
abgewogen werden, welche Anwendungsfelder
für die Bereiche Ausschreibung und Vergabe
realistisch und effizient sind – und welcher Aufwand
zur Umsetzung gegenübersteht! Ob diese
Technologie in den nächsten 5-10 Jahren für die
Ausschreibung und Vergabe von öffentlichen
Projekten eingesetzt wird, wagen wir daher eher
zu bezweifeln. Selbstverständlich werden wir die
Blockchain-Technologie aber weiter beobachten.
Die Entwicklung von künstlicher Intelligenz
nimmt rapide zu. Welchen Einfluss wird diese
zukünftig auf den E-Commerce haben?
Ja, die Zukunftstechnologie von einst hat längst
den Sprung in den Alltag geschafft. »Siri, wie
funktioniert eigentlich Künstliche Intelligenz?«
Wir haben bestimmt alle bereits erste Erfahrungen
mit der Spracherkennung gemacht. Im
Rahmen der KI wird unter anderem das sogenannte
Machine Learning (deutsch: Maschinelles
Lernen) immer wichtiger. Maschinelles Lernen
ist der Bereich der Künstlichen Intelligenz, der
sich mit dem selbstständigen Erschließen von
Zusammenhängen auf Basis von Datensätzen
beschäftigt. So erhalten wir beispielsweise im (privaten)
E-Commerce-Bereich bei der Auswahl von
Produkten automatisch weitere Produktempfehlungen.
Predictive Analytics kann im E-Commerce
zu entscheidenden Wettbewerbsvorteilen führen.
Mit Preissuchmaschinen haben Verbraucher die
Möglichkeit, aktuelle und günstige Produkte
zu finden und über Links den entsprechenden
Onlineshop auszuwählen.
Doch werden Künstliche Intelligenz und Predictive-Analytics
auch auf den Bereich Ausschreibung
und Vergabe Einfluss haben? Sicherlich lassen
sich Teilbereiche mit Hilfe dieser Trendtechnologien
ersetzen. Aus unserem eVergabe-System
heraus hat der Auftraggeber beispielsweise einen
direkten Zugriff in die Lieferantensuche. Die
Lieferantensuche bietet ihm eine umfangreiche
Datenbank mit qualifizierten Lieferanten. Die
Daten der manuell ausgewählten Firmen können
per Schnittstelle direkt übernommen werden.
Zukünftig könnten dem Auftraggeber so – je
nach Vergabeart und seiner ausgeschriebenen
Maßnahme/Leistung – potenzielle Bieter automatisch
für die Angebotsaufforderung vorgeschlagen
werden.
Aber es gibt auch Teilbereiche bzw. Aufgaben
innerhalb der eVergabe, die sich auch zukünftig
nicht automatisieren lassen, wie zum Beispiel
die Erstellung von Leistungsbeschreibungen und
letztlich die Auswertung
der Angebote.
Immer mehr kleine Handwerksbetriebe
verschwinden vom Markt und werden durch
große Unternehmen ersetzt. Wie bewerten
Sie diese Entwicklung?
Wir bedauern sehr, dass immer mehr kleine
Handwerksbetriebe vom Markt verschwinden.
Wir empfehlen daher gerade den kleinen
Betrieben sich an öffentlichen Ausschreibungen
– auch im Rahmen von Bietergemeinschaften
– zu beteiligen. Denn der Beschaffungsbedarf
der öffentlichen Hand ist trotz bzw. wegen der
gegenwärtigen Pandemie im großen Umfang
vorhanden. Und je mehr kleine Handwerksbetriebe
an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen,
umso mehr Auftraggeber lernen sie kennen. Dies
erhöht ihre Chancen wesentlich, zukünftig ggf.
auch im Kontext von beschränkten Ausschreibungen
und/oder freihändigen Vergaben bzw.
Verhandlungsvergaben ohne Teilnahmewettbewerb
direkt zur Angebotsabgabe aufgefordert zu
werden und bestenfalls den Zuschlag zu erhalten.
Dennoch sollten kleine Unternehmen ausschließlich
an solchen Ausschreibungen teilnehmen, die
sie später auch bewältigen können. Dies gilt in
fachlicher und wirtschaftlicher Hinsicht.
Alle öffentlichen Auftraggeber und alle kleinen/
großen Unternehmen haben bei der Durchführung
von EU-weiten und/oder nationalen Vergabeverfahren
eines gemeinsam: die Verpflichtung
zur eVergabe. Es ist daher eine große Chance für
Unternehmen aller Branchen sich an öffentlichen
Aufträgen zu beteiligen. Selten war der Aufwand
zur Teilnahme so gering.
Gibt es einen Wunsch, den Sie
abschließend noch äußern möchten?
Ja. Ich wünsche mir ganz dringend, dass die Bundesregierung
endlich mit dem Breitbandausbau
vorankommt. Einerseits werden die Arbeitgeber
aufgefordert, ihre Mitarbeiter ins Home-Office zu
schicken, andererseits versäumt es die Regierung,
die Grundlagen zu schaffen. Ohne stabile
Leitungen für alle, macht die Digitalisierung der
Arbeitsplätze wenig Sinn.
Sehr geehrte Frau Schäffer, herzlichen Dank
für dieses Gespräch.