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Das Magazin für Vergabe und Beschaffung

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RECHT I 0121

DR. ALEXANDER DÖRR

Rechtsanwalt bei MENOLD BEZLER

Im diesem Zusammenhang stellt sich für

Kommunen häufig die Frage, welche

rechtlichen Rahmenbedingungen bei

Grundstücksgeschäften gelten, die mit

derartigen Vorgaben verknüpft sind, insbesondere

ob hierdurch vergaberechtliche

Regelungen beachtet werden müssen.

WANN UNTERFÄLLT EINE

GRUNDSTÜCKSVERÄUSSERUNG

DEM VERGABERECHT

Die reine Veräußerung von Grundstücken

unterfällt nicht dem Vergaberecht. Etwas

anderes gilt nur dann, wenn mit der

Veräußerung gleichzeitig eine Beschaffung

durch die veräußernde Kommune einhergeht.

Gleiches gilt, wenn das Grundstücksgeschäft

als Erbbaurechtsvertrag

ausgestaltet ist.

Die vom EuGH im Urteil vom 25.03.2010

(C-451/08) hierfür festgelegten Voraussetzungen

sind mittlerweile auch einfachgesetzlich

in § 103 Abs. 3 S. 2 GWB

verankert.

Ein vergabepflichtiger Bauauftrag liegt

hiernach vor, wenn

1. die Bauleistung gemäß den vom

öffentlichen Auftraggeber genannten

Erfordernissen erbracht wird und

dieser einen entscheidenden Einfluss

auf Art und Planung der Bauleistung

hat und

2. die Bauleistung dem Auftraggeber

unmittelbar wirtschaftlich

zugutekommt.

Anhand dieser Merkmale hat die Rechtsprechung

in der Vergangenheit Fallgruppen

herausgearbeitet, anhand derer im

konkreten Einzelfall die Grundstücksveräußerung

auf ihre „Beschaffungsrelevanz“

zu überprüfen ist.

Die zentrale Voraussetzung des unmittelbaren

wirtschaftlichen Vorteils ist erfüllt,

wenn der Auftraggeber Eigentümer der

Bauleistung oder des Bauwerks wird oder

aufgrund eines sonstigen Rechtstitels

über das Gebäude verfügen kann. Ein

wirtschaftliches Interesse kann auch in

wirtschaftlichen Vorteilen, die der Auftraggeber

aus der Nutzung des Bauwerks

ziehen kann, in einer finanziellen Beteiligung

an der Erstellung des Bauwerks oder

in der Übernahme von Risiken für den Fall

des wirtschaftlichen Fehlschlags liegen.

Sofern die Kommune nur im Rahmen ihrer

bauordnungsrechtlichen Regelungszuständigkeit

handelt, ist diese Grenze noch nicht

überschritten. Verpflichtet sie den Investor

jedoch im Kaufvertrag, ein Bauwerk zu

errichten, das ihr unmittelbar wirtschaftlich

zugute kommt, ist darin eine Beschaffung

zu sehen. Dies wird regelmäßig bei der

Errichtung einer Kindertagesstätte, die

die Stadt anmieten möchte, der Fall sein;

ebenso bei öffentlichen oder Behördenparkplätzen.

Bei sogenannten „Belegungsrechten“

für Wohnungen kommt es auf

die Ausgestaltung des Einzelfalls an. Will

die Stadt über die Wohnungen für einen

langen Zeitraum wie über ihre eigenen

verfügen, dürfte der unmittelbare wirtschaftliche

Vorteil gegeben sein. Lässt sie

sich hingegen nur ein Vorschlagsrecht bei

der Mieterauswahl einräumen, fehlt dieser

wohl regelmäßig.

Der EuGH hat im oben genannten Urteil

darüber hinaus als dritte Voraussetzung

für das Vorliegen eines Bauauftrags

festgestellt, dass der Investor eine von der

Kommune einklagbare Bauverpflichtung

übernommen haben muss. Die Vereinbarung

eines Rückkaufs- oder Widerrufsrechts

für den Fall, dass das Grundstück

nicht oder nicht wie beabsichtigt bebaut

wird, stellt noch keine derartige Bauverpflichtung

dar. In vielen Konstellationen

wird eine Stadt daher ihre Ziele vertraglich

auch so verankern können, dass sie nicht

automatisch ins Vergaberecht „rutscht“.

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