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KUNST KULTUR JOKER 11

Das Modell einer künstlichen Landschaft

Olafur Eliasson gibt in der Fondation Beyeler mit der Installation „Life“ ein Bild fürs Leben

Noch ist kein Wasserläufer

zu sehen. Sind die eigentlich

sensibel gegenüber Farben und

stören sich womöglich an dem

giftig wirkenden Grün? Olafur

Eliasson sollte es wissen,

schließlich liegt ihm schon seit

Jahren an einer Wahrnehmung

von Natur und Kunst, die den

menschlichen Blick zugunsten

eines „biozentrischen“ aufgibt.

Aber vielleicht ist es einfach zu

kalt in diesem Frühjahr. Ein frostiger

Wind liegt in der Fondation

Beyeler über Schwimmfarn,

Entengrütze, Froschbeiß und

Wassernuss. Manche der Wasserpflanzen

sehen ein bisschen

so aus wie vertrocknete Hortensienblütenblätter,

andere wie die

Muschelblume ragen ein gutes

Stück aus dem Wasser. Mitunter

werden sie vom braunen

Steg abgeschnitten, der über die

Wasserwelt führt, so dass sie

aus diesem hervorzuwachsen

scheinen.

Für menschliche Augen nicht

ganz unwesentlich: der dänischisländische

Künstler hat für seine

neue Installation „Life“ die

Glasfassade des Renzo Piano-

Baus entfernt. Was beim Architekten

ein Spiel mit Transparenz,

Museum und Teich

war, nimmt Eliasson nun ernst

und flutet die vorderen Ausstellungsräume.

Claude Monets

Seerosen-Triptychon wird für

Pianos Architektur als auch für

dessen Aufhebung durch Eliasson

Inspiration gewesen sein.

Und so kommt es, dass auf der

leuchtend grün gefärbten Wasserfläche

die unterschiedlichsten

Pflanzen treiben oder aus

Töpfen an die Wasseroberfläche

wachsen. An die Stelle der

Malerei oder die Erinnerung an

Monets Garten in der Normandie

ist nun eine Teichlandschaft

getreten, die bis Mitte Juli –

die Installation hat kein festes

Ende, sondern orientiert sich

am pflanzlichen Wachstum –

noch einige Veränderungen erleben

wird. Nachts geht von ihr

blaues Licht aus und sie wird

dann noch ganz andere Tiere als

Wasserläufer anziehen. Wie

schon öfters hat Olafur Eliasson

mit dem Schweizer Landschaftsarchitekten

Günter Vogt

zusammengearbeitet, gemeinsam

haben sie 2001 etwa einen

Entengrützeteich im Kunsthaus

Bregenz angelegt, auch er war

über einen Steg begehbar.

Olafur Eliasson, der auf Island

aufgewachsen ist und in Berlin

ein Studio mit Fachleuten der

unterschiedlichsten Disziplinen

aufgebaut hat, ist seit den 1990er

Jahren bekannt für aufwändige

Installationsansicht, Fondation Beyeler, Riehen/Basel, 2021

Courtesy of the artist; neugerriemschneider, Berlin; Tanya Bonakdar

Gallery, New York / Los Angeles

© 2021 Olafur Eliasson, Foto: Pati Grabowicz

Installationsansicht, Fondation Beyeler, Riehen/Basel, 2021, Courtesy of the artist;

neugerriemschneider, Berlin; Tanya Bonakdar Gallery, New York / Los Angeles

© 2021 Olafur Eliasson Foto: Pati Grabowicz

temporäre Installationen, die

mit den Mitteln von Technik

und Kultur natürliche Phänomene

und Landschaften nachahmen.

Nicht selten, um auf die

Zerstörung von Lebensräumen

aufmerksam zu machen. Doch

um Menetekel zu sein, sind die

künstlichen Sonnenaufgänge

oder Wasserfälle doch zu ästhetisch

und zu gewaltig. Sie

vereinen eher Menschen in der

Betrachtung von Phänomenen.

Eine solche erhabene Gruppenerfahrung

wird – Corona

geschuldet – „Life“ nicht werden

und als Flanierparcours ist

die Wegstrecke dann doch zu

kurz, auch wenn sie Blicke in

den gegenüberliegenden Park

inszeniert. Wer das Werk dieses

globalisierten Künstlers kennt,

dem dürfte auch die Farbe bekannt

vorkommen. Sie stammt

von Uranin, einer Chemikalie,

die unter anderem dafür

verwendet wird, unterirdische

Wasserverläufe verfolgen zu

können. Sie sieht ziemlich giftig

aus, ist aber harmlos und hat

so auch die Ansprüche der Zürcher

Aktivisten von Extinction

Rebellion erfüllt, als diese vor

drei Jahren die Limmat färbten,

um auf den Klimawandel hinzuweisen.

Und so passt sie auch

in das Oeuvre von Olafur Eliasson,

bewirkt sie doch einerseits

alarmierende Bilder, die für

den schlechten Zustand unseres

Planeten stehen können, andererseits

schafft sie auch faszinierende

Ansichten.

Diese Ambivalenz überlagert

überhaupt das Werk von Olafur

Eliasson, mit dem er weltweit

Erfolge feiert. In seiner Ausstellung

„Symbiotic Seeing“ letztes

Jahr im Kunsthaus Zürich liefen

die Besucherinnen und Besucher

an einer Wand mit unzähligen

Zeitungsausschnitten und

Statements vorbei, die über die

drohende Zerstörung der Samenbank

auf Spitzbergen oder

Solarenergie berichteten. Zuvor

konnten sie durch eine in die

Wand eingelassene Linse, die

den Querschnitt einer Kugelalge

simulierte, auf den Platz vor

dem Kunsthaus schauen, auf

dem die Passanten Kopf standen.

Doch bevor der Mensch

das Bewusstsein der Kugelalge

adaptiert, müssten wohl noch

ganz andere Bewusstseinsveränderungen

vorgehen.

Olafur Eliasson, Life.

Fondation Beyeler, Baselstr.

101, Basel-Riehen. Mo-So 10-

18 Uhr, Mi 10-20 Uhr. Bis Juli.

www.visit.life.fondationbeyler.

ch (mit Live-Kamera)

Annette Hoffmann

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