flip-Joker_2021-05
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KUNST KULTUR JOKER 11
Das Modell einer künstlichen Landschaft
Olafur Eliasson gibt in der Fondation Beyeler mit der Installation „Life“ ein Bild fürs Leben
Noch ist kein Wasserläufer
zu sehen. Sind die eigentlich
sensibel gegenüber Farben und
stören sich womöglich an dem
giftig wirkenden Grün? Olafur
Eliasson sollte es wissen,
schließlich liegt ihm schon seit
Jahren an einer Wahrnehmung
von Natur und Kunst, die den
menschlichen Blick zugunsten
eines „biozentrischen“ aufgibt.
Aber vielleicht ist es einfach zu
kalt in diesem Frühjahr. Ein frostiger
Wind liegt in der Fondation
Beyeler über Schwimmfarn,
Entengrütze, Froschbeiß und
Wassernuss. Manche der Wasserpflanzen
sehen ein bisschen
so aus wie vertrocknete Hortensienblütenblätter,
andere wie die
Muschelblume ragen ein gutes
Stück aus dem Wasser. Mitunter
werden sie vom braunen
Steg abgeschnitten, der über die
Wasserwelt führt, so dass sie
aus diesem hervorzuwachsen
scheinen.
Für menschliche Augen nicht
ganz unwesentlich: der dänischisländische
Künstler hat für seine
neue Installation „Life“ die
Glasfassade des Renzo Piano-
Baus entfernt. Was beim Architekten
ein Spiel mit Transparenz,
Museum und Teich
war, nimmt Eliasson nun ernst
und flutet die vorderen Ausstellungsräume.
Claude Monets
Seerosen-Triptychon wird für
Pianos Architektur als auch für
dessen Aufhebung durch Eliasson
Inspiration gewesen sein.
Und so kommt es, dass auf der
leuchtend grün gefärbten Wasserfläche
die unterschiedlichsten
Pflanzen treiben oder aus
Töpfen an die Wasseroberfläche
wachsen. An die Stelle der
Malerei oder die Erinnerung an
Monets Garten in der Normandie
ist nun eine Teichlandschaft
getreten, die bis Mitte Juli –
die Installation hat kein festes
Ende, sondern orientiert sich
am pflanzlichen Wachstum –
noch einige Veränderungen erleben
wird. Nachts geht von ihr
blaues Licht aus und sie wird
dann noch ganz andere Tiere als
Wasserläufer anziehen. Wie
schon öfters hat Olafur Eliasson
mit dem Schweizer Landschaftsarchitekten
Günter Vogt
zusammengearbeitet, gemeinsam
haben sie 2001 etwa einen
Entengrützeteich im Kunsthaus
Bregenz angelegt, auch er war
über einen Steg begehbar.
Olafur Eliasson, der auf Island
aufgewachsen ist und in Berlin
ein Studio mit Fachleuten der
unterschiedlichsten Disziplinen
aufgebaut hat, ist seit den 1990er
Jahren bekannt für aufwändige
Installationsansicht, Fondation Beyeler, Riehen/Basel, 2021
Courtesy of the artist; neugerriemschneider, Berlin; Tanya Bonakdar
Gallery, New York / Los Angeles
© 2021 Olafur Eliasson, Foto: Pati Grabowicz
Installationsansicht, Fondation Beyeler, Riehen/Basel, 2021, Courtesy of the artist;
neugerriemschneider, Berlin; Tanya Bonakdar Gallery, New York / Los Angeles
© 2021 Olafur Eliasson Foto: Pati Grabowicz
temporäre Installationen, die
mit den Mitteln von Technik
und Kultur natürliche Phänomene
und Landschaften nachahmen.
Nicht selten, um auf die
Zerstörung von Lebensräumen
aufmerksam zu machen. Doch
um Menetekel zu sein, sind die
künstlichen Sonnenaufgänge
oder Wasserfälle doch zu ästhetisch
und zu gewaltig. Sie
vereinen eher Menschen in der
Betrachtung von Phänomenen.
Eine solche erhabene Gruppenerfahrung
wird – Corona
geschuldet – „Life“ nicht werden
und als Flanierparcours ist
die Wegstrecke dann doch zu
kurz, auch wenn sie Blicke in
den gegenüberliegenden Park
inszeniert. Wer das Werk dieses
globalisierten Künstlers kennt,
dem dürfte auch die Farbe bekannt
vorkommen. Sie stammt
von Uranin, einer Chemikalie,
die unter anderem dafür
verwendet wird, unterirdische
Wasserverläufe verfolgen zu
können. Sie sieht ziemlich giftig
aus, ist aber harmlos und hat
so auch die Ansprüche der Zürcher
Aktivisten von Extinction
Rebellion erfüllt, als diese vor
drei Jahren die Limmat färbten,
um auf den Klimawandel hinzuweisen.
Und so passt sie auch
in das Oeuvre von Olafur Eliasson,
bewirkt sie doch einerseits
alarmierende Bilder, die für
den schlechten Zustand unseres
Planeten stehen können, andererseits
schafft sie auch faszinierende
Ansichten.
Diese Ambivalenz überlagert
überhaupt das Werk von Olafur
Eliasson, mit dem er weltweit
Erfolge feiert. In seiner Ausstellung
„Symbiotic Seeing“ letztes
Jahr im Kunsthaus Zürich liefen
die Besucherinnen und Besucher
an einer Wand mit unzähligen
Zeitungsausschnitten und
Statements vorbei, die über die
drohende Zerstörung der Samenbank
auf Spitzbergen oder
Solarenergie berichteten. Zuvor
konnten sie durch eine in die
Wand eingelassene Linse, die
den Querschnitt einer Kugelalge
simulierte, auf den Platz vor
dem Kunsthaus schauen, auf
dem die Passanten Kopf standen.
Doch bevor der Mensch
das Bewusstsein der Kugelalge
adaptiert, müssten wohl noch
ganz andere Bewusstseinsveränderungen
vorgehen.
Olafur Eliasson, Life.
Fondation Beyeler, Baselstr.
101, Basel-Riehen. Mo-So 10-
18 Uhr, Mi 10-20 Uhr. Bis Juli.
www.visit.life.fondationbeyler.
ch (mit Live-Kamera)
Annette Hoffmann