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24 KULTUR JOKER nachhaltig
Die wahre Geschichte von Jesus, Maria Magdalena und Judas
Das neue Buch „Die außergewöhnlichste Liebe aller Zeiten“ von Franz Alt
Franz Alt war schon immer
ein streitbarer Geselle. Der 1938
in Untergrombach Geborene
hat später Politikwissenschaften,
Geschichte, Philosophie
und Theologie studiert. Er hat
sich als politischer Journalist,
langjähriger Fernsehmoderator,
Buchautor, Vortragsredner, Umwelt-
und Friedensaktivist (Anti-
Atom-Bewegung, Rüstungsgegner,
Solarpionier, Stuttgart-21…)
stets prononciert als Anwalt der
sozial Schwachen und Benachteiligten
geäußert und sich für
eine „bessere Welt“ im Sinne
der Bewahrung und Pflege der
Schöpfung eingesetzt. Richtschnur
dabei war sein tiefer
christlicher Glaube, oder besser,
sein eigenes emanzipatorisches
Verständnis davon. Sein gegenüber
der herrschenden Dogmatik
der Amtskirche revolutionäres
Jesusbild führte ihn wiederholt
in theologische Konflikte mit
der Kirchenhierarchie und 1988
zum Austritt aus der CDU, als
diese eine weitere Nutzung der
Atomenergie propagierte. Sein
jüngstes Buch „Die außergewöhnlichste
Liebe aller Zeiten“
ist nichts weniger als ein Frontalangriff
auf wesentliche Inhalte
der biblischen Glaubenslehre,
insbesondere die Ostergeschichte
betreffend.
Die Evangelien der Bibel –
unvollständig und falsch übersetzt?
Ist Jesus von Nazareth wirklich
am Kreuz gestorben und
als Sohn Gottes auferstanden,
war Maria Magdalena die sündige
„Hure“, als die sie von den
Kirchenvätern dargestellt wurde
und war Judas der „gemeine Verräter“,
der seinen Meister gegen
Silberlinge ausgeliefert hat? Diesen
Fragen spürt Franz Alt nach,
verneint sie kategorisch und setzt
dagegen: Der besondere Mensch
Jesus habe in Abgrenzung zum
zu seinen Lebzeiten herrschenden
Tempelkult in Jerusalem ein
neues Gottes- und Menschenbild
entwickelt. Gott ist für ihn sein
„Abba“, das meint aramäisch
mütterlicher oder gütiger Vater.
Dessen Lehre verkündete
er nach seiner Taufe durch Johannes
in seiner Muttersprache
aramäisch als „Heiler“, indem
er durch Galiläa zog und sich
mit den “Schwachen, den Hungernden,
den Kranken, den Gefangenen,
den Kindern und den
Frauen“ solidarisierte. Eine Lehre
von der friedvollen Liebe aller
Menschen zueinander. In diesem
Geiste scharte er Anhänger um
sich, darunter auch Maria Magdalena
und Judas. Beide wurden,
so Alt, die engsten und geliebten
Vertrauten und Ratgeber von
Jesus. Im Falle von Maria Magdalena
war dies, gemessen am
damals herrschenden Frauenbild,
ein eklatanter Tabubruch. Judas
habe, entgegen der biblischen
Behauptung, Jesus nicht verraten,
sondern ihn in Jesu Auftrag
und auf dessen Geheiß der Obrigkeit
übergeben. Jesus wollte
selbst – im Einklang mit seinem
„Abba“ – ans Kreuz, um für seine
Botschaft bis zum Äußersten
zu gehen.
Diese Thesen bedurften freilich
der Untermauerung. Franz
Alt sieht sie in der Korrektur
von entscheidenden Übersetzungsfehlern
in den auf dem
Konzil von Nicäa im Jahr 325
als verbindliche Glaubenslehre
festgesetzten Evangelien, die
nur in der damaligen griechischen
Amtssprache überliefert
sind. Die aramäischen Urschriften
dagegen sind nicht erhalten.
Daher könne nur eine Rückübersetzung
vom Griechischen ins
Aramäische mehr Klarheit schaffen
und Alt beruft sich auf eine
solche durch den evangelischen
Theologen und Altphilologen
Günther Schwarz (gest. 2009).
Ein Beispiel: Jesus kündigt im
(griechischen) Matthäusevangelium,
als er seine Apostel auf
Golgatha schlafend antraf, seine
Kreuzigung und den Verrat seiner
Person durch einen der Ihren
an. In der Rückübersetzung ins
Aramäische klingt die Stelle
aber so: „Ihr schlummert und
ruht? Das Ende ist gekommen.
Der rechte Augenblick ist da. Ich
bin gewillt, übergeben zu werden
in die Gewalt der Toren. Steht
auf! – Ich muss gehen! Seht! Er,
der mich übergeben muss – Er
ist da.“ Der angebliche schnöde
Verrat aus Gewinnsucht wird
hier zum abgesprochenen Auftrag
an Judas, der sich als Vertrauter
Jesu und als einzig gebürtiger
Jerusalemer am besten
dafür eignete. Alt liefert im Buch
noch zahlreiche weitere und ähnliche
Beispiele für Falschinterpretationen,
insbesondere zum
nicht eindeutig bewiesenen Tod
und der in der Bibel behaupteten
Auferstehung Jesu. Zudem verweist
er auf erst vor einigen Jahren
entdeckte aramäische Evangelientexte
von Maria Magdalena
und Judas, die bisher von den
Amtskirchen nicht als relevant
anerkannt worden sind. Letztere
enthielten wertvolle Hinweise
auf das Verhältnis von Jesus zu
Maria Magdalena und Judas,
welches Alt als die „außergewöhnlichste
Liebesgeschichte
aller Zeiten“ bezeichnet.
Der Autor behauptet, dass der
offizielle Bibeltext an entscheidenden
Stellen von ordnungstheologischem
„Wunschdenken“
geprägt ist und dem befreienden
„jesuanischen“ Weg der allseitigen
Liebe in wesentlichen
Aspekten widerspricht. Er setzt
die Forderung dagegen, dem „jesuanischen“
Weg der allseitigen
Liebe und Fürsorge zu folgen
und resümiert: „Kirchen können
vergehen, Jesus wird bleiben…
der soziale Jesus der Bergpredigt
zur Überwindung der weltweiten
sozialen Ungerechtigkeiten,
der ökologische Jesus für die
Bewahrung der Schöpfung, der
pazifistische Jesus für eine effizientere
Friedens- und Abrüstungspolitik
im Atomzeitalter
und der feministische Jesus, der
mit seiner Gefährtin Maria Magdalena
vorgelebt hat, was echte
Gleichberechtigung von Mann
und Frau bewirken kann“.
Das Buch enthält noch eine
ganze Reihe weiterer Aspekte,
die gläubige Christen dazu
veranlassen können, weniger
auf eine künftige jenseitige Seligkeit
oder die „unfehlbare“
Autorität der Amtskirchen zu
bauen, sondern in der Nachfolge
des „wahren Jesu“ aktiv an der
Schaffung eines menschen- und
naturfreundlichen friedvollen
Diesseits mitzuarbeiten. Es ist
spannend geschrieben und lädt
zur geistigen Auseinandersetzung
ein. Sicherlich eine Stärke
des Textes, der seine aufklärerische
Wirkung in christlichen
Kreisen haben wird. Deshalb,
auch und gerade mit Blick auf
die rapide wachsende Legitimationskrise
der Kirchen, ist Alts
Buch sehr zu empfehlen.
Dies kann jedoch nicht darüber
hinwegtäuschen, dass der Autor
sich, zumindest was die theologischen
Implikationen betrifft,
auf einem ähnlich dünnen wissenschaftlichen
Quellen-Eis wie
die herkömmliche Theologie
bewegt. Und jeder Mensch kann
auch ohne jeglichen religiösen
Überbau und auch ohne Jesus die
Notwendigkeit der dringenden
Transformation der überwiegend
destruktiven Entwicklungen unserer
Lebenswelt erkennen und
sich dagegen engagieren.
Das Buch ist im Freiburger
Herder-Verlag erschienen und
zum Preis von 24 Euro im Buchhandel
erhältlich. Mehr Informationen
zum Autor auf seiner
Homepage: www.sonnenseite.
com
Erich Krieger
Michael Paul: „Scharfmacher“
Michael Paul:
„Radioaktive
Kochtöpfe“
Foto: Elektrizitätswerke
Schönau
(EWS)
Foto: Elektrizitätswerke Schönau (EWS)
Gefahren nuklearer Energieerzeugung
Virtuelle Ausstellung „100 gute Gründe gegen Atomkraft“
Zum 35. Jahrestag der
Tschernobyl-Katastrophe eröffneten
die EWS gemeinsam
mit dem Freiburger Kulturaggregat
e.V. und „.ausgestrahlt“
am 26. April die virtuelle Ausstellung
„100 gute Gründe gegen
Atomkraft“.
Vor 35 Jahren, am 26. April
1986, explodierte der Atomreaktor
in Tschernobyl. Fast
genau ein Vierteljahrhundert
später, am 11. März 2011, kam
es zur zweiten großen Katastrophe
der zivilen Kernkraftnutzung,
dem Super-GAU in
Fukushima. Beide Ereignisse
kosteten vielen Menschen das
Leben und verseuchten die
betroffenen Gebiete für Jahrhunderte.
In Deutschland, bis
dahin Treiber der nuklearen
Forschung und Energiegewinnung,
befeuerten die Katastrophen
einen langen Disput um
die Kernenergie, der letztlich
im Ausstieg aus der Atomkraftnutzung
mündete.
Zu diesem Anlass präsentieren
die EWS Elektrizitätswerke
Schönau, der Freiburger
Kulturverein Kulturaggregat
e.V. und die Anti-Atom-
Organisation „.ausgestrahlt“
die virtuelle Sonderausstellung
„100 gute Gründe gegen
Atomkraft“ mit Illustrationen
des Künstlers Michael Paul.
Pandemiebedingt muss die
Ausstellung ins Internet verlegt
werden. Dafür hat das
Kulturaggregat einen Raum
in seiner Online-Präsenz geschaffen.
Die „HILDAv5.0“
bildet nicht nur die Räumlichkeiten
des Vereins nach, sie
wurde von vorneherein als Ort
der Begegnung und sozialen
Interaktion geschaffen.
In der Online-Ausstellung
steuern die Besucher*innen
ihren Avatar wie im Computerspiel
durch die Räumlichkeiten.
Begegnen sich die
Teilnehmer*innen, können sie
per Video-Chat miteinander in
Kontakt treten.
Virtuelle Ausstellung: „100
gute Gründe gegen Atomkraft“.
Bis 10.05.2021.