23.12.2012 Aufrufe

Anwaltsblatt 2006/11 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

Anwaltsblatt 2006/11 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

Anwaltsblatt 2006/11 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Abhandlungen<br />

580<br />

Gründe nicht angibt, aus denen es diese Beweise für<br />

nicht stichhältig erachtet.<br />

Als mit einem inneren Widerspruch behaftet wird<br />

der Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen<br />

dann angesehen, wenn das Urteil entscheidungswesentliche<br />

Erwägungen enthält, die nach den<br />

Gesetzen logischen Denkens einander ausschließen.<br />

Es geht somit um die Feststellung verschiedener Tatsachen<br />

oder um Schlussfolgerungen tatsächlicher<br />

Art, die nach den Gesetzen logischen Denkens nicht<br />

nebeneinander bestehen können (zB verschiedene<br />

Angaben über den Tatort, soweit dieser Frage im gegebenen<br />

Zusammenhang entscheidende Bedeutung für<br />

die Schuldfrage zukommt).<br />

Keine oder nur offenbar unzureichende Gründe<br />

liegen hingegen vor, wenn für den Ausspruch über eine<br />

entscheidende Tatsache überhaupt keine Gründe<br />

oder nur solche angeführt sind, aus denen sich nach<br />

den Denkgesetzen oder nach allgemeiner Lebenserfahrung<br />

ein Schluss auf die zu begründende Tatsache<br />

entweder überhaupt nicht ziehen lässt, oder der logische<br />

Zusammenhang kaum noch erkennbar ist. Erfasst<br />

werden Verstöße gegen die Logik, gegen die Denkgesetze<br />

und gegen gesichertes (allgemeines) Erfahrungswissen.<br />

Aktenwidrigkeit des Urteils wiederum liegt vor,<br />

wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer<br />

Urkunde oder Aussage etwas angeführt wird, was deren<br />

Inhalt nicht bildet, wenn also der Inhalt einer Aussage<br />

oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig<br />

oder in verzerrender Weise unvollständig<br />

wiedergegeben wird.<br />

Im Hinblick auf die sich aus dem Vorgesagten ergebende<br />

Aufspaltung von Feststellungs- und Begründungsebene<br />

im Rahmen der Z 5 lässt sich somit der<br />

Anwendungsbereich der Z 5 (iSd vorstehend referierten<br />

Position) insgesamt wie folgt beschreiben: 20)<br />

" Undeutlichkeit: Feststellungs- und Begründungsebene,<br />

" Unvollständigkeit: nur Begründungsebene,<br />

" innerer Widerspruch: Feststellungs- und Begründungsebene,<br />

" keine oder offenbar unzureichende Gründe: nur<br />

die Begründungsebene,<br />

" Aktenwidrigkeit: nur die Begründungsebene.<br />

Was bedeutet dieser differenzierende Standpunkt<br />

nun? Nichts anderes, als dass es bei der Undeutlichkeit<br />

zu Überschneidungen kommen kann. Ist nämlich<br />

nach der vorreferierten Position bei einer undeutlichen<br />

Feststellung dennoch für das Rechtsmittelgericht<br />

klar, dass die Tatrichter die entscheidenden Tatsachen<br />

feststellen wollten, liegt keine Nichtigkeit nach<br />

Z 9 oder Z 10 vor, sondern allenfalls eine nach Z 5, sofern<br />

die Unvollständigkeit nach Z 5 angefochten<br />

wurde (da es bezüglich der Nichtigkeit nach Z 5 keine<br />

Aspekte der Abgrenzung von Mängelrüge und Rechtsrüge im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren<br />

Autor: Dr. Adrian Eugen Hollaender, Wien<br />

amtswegige Wahrnehmung gibt). Z 9 und 10 betreffen<br />

demnach nur den Willen der Tatrichter, der für<br />

das Rechtsmittelgericht unzweideutig feststehen muss,<br />

um materielle Nichtigkeit zu vermeiden, während Z5<br />

die gelungene Darstellung betrifft (deshalb wird die<br />

Rüge nach Z 5 auch Darstellungsrüge genannt).<br />

Nach dieser differenzierenden Position würde auch<br />

die klassische Faustregel, 21) dass der Mangel an Feststellungen<br />

über das Vorhandensein der einzelnen Tatbestandsmerkmale<br />

nach Z 9 anzufechten ist, während<br />

das Fehlen einer Begründung dafür, warum ein Tatbestandsmerkmal<br />

als erwiesen angenommen worden ist,<br />

nach Z 5 zu bekämpfen ist (das bedeutet also: Feststellungsmängel<br />

> Z 9 a, 9 b, 9 c und 10; hingegen Begründungsmängel<br />

> Z 5) nicht – oder zumindest nicht ausnahmslos<br />

– zutreffend sein.<br />

VI. Fazit<br />

1. Angesichts der insofern bis heute fortbestehenden<br />

Uneinigkeit zwischen Lehre und Judikatur (aber<br />

auch der Judikatur selbst in ihrer zeitlichen Entwicklung<br />

und zudem in der – wie dargestellt – auch heute<br />

teilweise unterschiedlichen Behandlung der einzelnen<br />

Fallgruppen der Z 5) empfehlen in dieser wichtigen<br />

Frage manche praxisbezogene Formbücher 22) auch<br />

heutzutage vorsorglich die doppelte (also „aushilfsweise“<br />

zusätzliche) Geltendmachung von Feststellungsmängeln<br />

unter Z5 und Z9. Dies mag im Interesse<br />

des Rechtsschutzes pragmatisch erscheinen, 23) verwischt<br />

aber jede Abgrenzung und begünstigt eigentlich<br />

nur die Unsicherheit bei den Rechtsmittelwerbern<br />

und vermehrt solcherart die bestehende Konfusion. 24)<br />

Was kann also gegen eine solche, dem Rechtsschutz<br />

abträgliche Uneinheitlichkeit der vertretenen Positionen<br />

in einer für die Anfechtung schöffengerichtlicher<br />

(und analog dazu auch anderer) Urteile wesentlichen<br />

Kernfrage getan werden? Wie kann nun zu deren<br />

Aufklärung und somit zu einer – die diesbezüglich<br />

wünschenswerte und rechtsstaatlich wesentliche<br />

Rechtssicherheit im Rechtsmittelverfahren ermöglichenden<br />

– Lösung beigetragen werden?<br />

2. Entweder man entscheidet sich für die Ansicht der<br />

überwiegenden Lehre, alle mangelnden Feststellungen<br />

mit dem Nichtigkeitsgrund der Z5zu relevieren<br />

und solcherart unter den Begriff des „unvollständigen<br />

20) Vgl Ratz, aaO.<br />

21) Heidrich, Urteile und andere Entscheidungen im Strafverfahren 169.<br />

22) Zöchling, Schriftsätze, Urteile, Rechtsmittel in Strafsachen 3 263,<br />

Bsp 2.<br />

23) Zumal es in einer Nichtigkeitsbeschwerde freilich rechtlich nicht<br />

schadet, gilt doch in Bezug auf die ziffernmäßige Einordnung der<br />

Nichtigkeitsgründe insofern der Grundsatz „falsa demonstratio<br />

non nocet“.<br />

24) Siehe auch FN 6.<br />

Österreichisches <strong>Anwaltsblatt</strong> <strong>2006</strong>/<strong>11</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!