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Anwaltsblatt 2006/11 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Rechtsprechung<br />

608<br />

8070<br />

9. 1. 1987, 86/18/0212). Seit der der AVG-Novelle 1998,<br />

BGBl I 1998/158, ist dies anders. Mit ihrem Inkrafttreten<br />

ist die leidige Unterscheidung zwischen formellen und materiellen<br />

Mängeln gefallen. Sämtliche Mängel sind damit verbesserbar.<br />

Dazu zählt zwar nicht die Stichhältigkeit, wohl<br />

aber das Fehlen jedweder Begründung von Rechtsmitteln.<br />

Berufungsanträge ohne jegliche Begründung bezeichnet der<br />

VwGH als „leere Berufungen“. „Leere Berufungen“, vom<br />

Anwalt verfasst, kamen – wie in der Judikatur nachlesbar<br />

(24. 5. 2005, 2004/05/0200) – seit 1999 durchaus vor.<br />

Der VwGH hat dieser Usance nun einen Riegel vorgeschoben.<br />

Unter Berufung auf die Rsp des OGH zu § 84<br />

ZPO wertet der Gerichtshof das Einbringen „leerer“<br />

Rechtsmittelschriftsätze durch einen Rechtsanwalt als Verbesserungsmissbrauch,<br />

der zur sofortigen Zurückweisung<br />

des Rechtsmittels führt. Wird das Rechtsmittel hingegen<br />

ohne Rechtsanwalt erhoben, reicht es für eine Verbesserbarkeit<br />

hin, wenn der Rechtsmittelwerber zum Ausdruck<br />

bringt, dass er eine bestimmte Entscheidung bekämpfen will.<br />

Gebühren- und Steuerrecht<br />

In welche Richtung sich damit das Problem verlagert,<br />

liegt auf der Hand: Bislang Unvertretenen wird man nicht<br />

abraten, zwecks Fristwahrung selbst eine „leere Berufung“<br />

einzubringen. Erst nach Erhalt des Verbesserungsauftrages<br />

empfiehlt es sich, die Übernahme der Vertretung anzuzeigen.<br />

Diese Vorgangsweise mag im Einzelfall hilfreich sein;<br />

rechtsstaatlich befriedigend ist sie nicht.<br />

An den Gesetzgeber sei daher der Wunsch geäußert: Anstatt<br />

– wie zuletzt im Entwurf zum Verfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz<br />

<strong>2006</strong> (396 MEntw 22. GP) –<br />

eine Verlängerung der höchstzulässigen Entscheidungsfrist<br />

von 6 auf 8 Monate anzustreben, sollte besser eine gesetzliche<br />

Grundlage geschaffen werden, die die Behörden ermächtigt,<br />

die Berufungsfrist auch im Verwaltungsverfahren<br />

zu erstrecken. § 245 BAO könnte für eine Neufassung<br />

des § 63 AVG Pate stehen; die Bestimmung hat sich in der<br />

Praxis vielfach bewährt.<br />

Peter Kastner<br />

§§ 85, 86 a BAO – Nochmals § 85 BAO – Unwirksamkeit von E-Mail-Eingaben bei der Finanzverwaltung!<br />

Eine per E-Mail erstattete Eingabe fällt weder in den Anwendungsbereich des § 85 Abs 1 und 2 noch<br />

in den des § 86 a Abs 1 BAO und ist daher – anders als im AVG – unwirksam, selbst wenn der damit<br />

angefochtene Bescheid die E-Mail-Adresse des Referenten angeführt hat.<br />

VwGH 25. 1. <strong>2006</strong>, 2005/14/0126.<br />

Sachverhalt:<br />

Der Bf stellte an die bel Beh am 23. 9. 2005 per E-Mail<br />

einen Devolutionsantrag betreffend zuvor eingebrachter<br />

Anträge auf Zuerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages<br />

für die Jahre 2000 bis 2002. Noch am selben<br />

Tag wurde ihm ebenfalls per E-Mail mitgeteilt,<br />

dass gem §§ 85 ff BAO für Anbringen zur Geltendmachung<br />

von Rechten im Abgabenverfahren grundsätzlich<br />

die Schriftform vorgesehen sei. Der per E-Mail<br />

eingelangte Devolutionsantrag müsse daher zurückgewiesen<br />

werden. Es stehe dem Antragsteller selbstverständlich<br />

frei, den Antrag schriftlich einzubringen.<br />

Mit einem weiteren E-Mail vom 26. 9. 2005 ersuchte<br />

dieser um formale Erledigung seines Antrages.<br />

Spruch:<br />

Abweisung als unbegründet gem § 35 Abs 1 VwGG.<br />

Aus den Gründen:<br />

Da die Frage, ob der gegenständliche Devolutionsantrag<br />

zulässigerweise per E-Mail gestellt werden konnte,<br />

nicht nach AVG, sondern nach der von der bel Beh angewandten<br />

BAO zu beurteilen ist, kann weder das Erk<br />

des VwGH v 3. 9. 2003, 2002/03/0139 noch die vom<br />

Bf zit Literaturstelle (Parschalk, in IT-LAW.AT, E-Mail<br />

– elektronische Post im Recht 167 ff) die Ansicht stützen,<br />

dass die von der bel Beh im angef B vertretene<br />

Rechtsauffassung unrichtig wäre. Auch die in der Beschwerde<br />

geäußerte Ansicht, in einer per E-Mail erstatteten<br />

Eingabe könne „bestenfalls“ (gemeint wohl:<br />

schlechtestenfalls) ein Formgebrechen gesehen werden,<br />

welches zu einem Mängelbehebungsverfahren<br />

hätte führen müssen, ist mit der anzuwendenden<br />

Rechtslage schon deshalb nicht in Einklang zu bringen,<br />

weil ein E-Mail weder in den Anwendungsbereich des<br />

§ 85 Abs 1 und 2 noch in den des § 86 a Abs 1 BAO<br />

fällt. Auch der Umstand, dass der angef B die E-<br />

Mail-Adresse des Referenten anführt, vermag eine<br />

Rechtsgrundlage, wonach E-Mails außerhalb der im<br />

angef B zit VO nach § 86 a BAO als Eingaben zugelassen<br />

werden, nicht zu ersetzen.<br />

Anmerkung:<br />

1. Gem § 85 Abs 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung<br />

von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen<br />

vorbehaltlich der Zulässigkeit mündlicher Anbringen gem<br />

§ 85 Abs 3 BAO (dazu s AnwBl 10/<strong>2006</strong>) grundsätzlich<br />

schriftlich einzureichen. Gem § 86 a Abs 1 Satz 1 und 2<br />

BAO können schriftliche Anbringen aber auch telegrafisch,<br />

Österreichisches <strong>Anwaltsblatt</strong> <strong>2006</strong>/<strong>11</strong>

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