vsao Journal Nr. 4 - August 2021
Spannung- Von Masten bis Muskeln Nephrologie - Zystennieren – ein schwieriges Erbe Analgetika - Neuropathische Schmerzen Politik - Medizin und Klimaschutz
Spannung- Von Masten bis Muskeln
Nephrologie - Zystennieren – ein schwieriges Erbe
Analgetika - Neuropathische Schmerzen
Politik - Medizin und Klimaschutz
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<strong>vsao</strong><br />
<strong>Nr</strong>. 4, <strong>August</strong> <strong>2021</strong><br />
<strong>Journal</strong><br />
Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />
Spannung<br />
Von Masten bis Muskeln<br />
Seite 24<br />
Nephrologie<br />
Zystennieren – ein schwieriges Erbe<br />
Seite 44<br />
Analgetika<br />
Neuropathische Schmerzen<br />
Seite 47<br />
Politik<br />
Medizin und Klimaschutz<br />
Seite 6
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2 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Inhalt<br />
Spannung<br />
Von Masten bis Muskeln<br />
Coverbild: Till Lauer<br />
Editorial<br />
5 Jetzt wirds spannend<br />
Politik<br />
6 «Ärzte haben besondere<br />
Verantwortung»<br />
Weiterbildung /<br />
Arbeitsbedingungen<br />
9 «Ich wollte mehr Erfahrung gewinnen»<br />
Auf den Punkt gebracht<br />
2 Belästigung, Sexismus und<br />
Geschlechterungleichheit in den<br />
Spitälern der Westschweiz<br />
7 Unisanté mit Spitalrose geehrt<br />
8 Forschen lernen<br />
9 Der UHU-Blick<br />
Perspektiven<br />
44 Aktuelles aus der Nephrologie:<br />
Autosomal-dominante polyzystische<br />
Nierenerkrankung (ADPKD)<br />
Zystennieren – ein schwieriges Erbe<br />
47 Aus der «Therapeutischen Umschau» –<br />
Neuropathische Schmerzen:<br />
Pharmakotherapie<br />
54 Künstler der Medizin<br />
mediservice<br />
55 Briefkasten<br />
56 Selbständiges Leben im eigenen<br />
Zuhause bis ins hohe Alter<br />
58 Impressum<br />
<strong>vsao</strong><br />
2 Neues aus den Sektionen<br />
22 <strong>vsao</strong>-Inside<br />
23 <strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />
Fokus: Spannung<br />
24 Swissgrid – immer unter Spannung<br />
29 Eine sanfte Methode der Konfliktlösung<br />
32 Schmetterlinge im Kopf<br />
34 Erlösung bringen saure Gurken<br />
38 No health without mental health<br />
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4 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Editorial<br />
Jetzt wirds<br />
spannend<br />
Catherine Aeschbacher<br />
Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />
Als diese Zeilen entstanden, befand sich ganz Europa im<br />
Fussballfieber. Wenn Sie diese Zeilen jetzt lesen, ist es<br />
bereits wieder abgeklungen. Wie ansteckend dieses Fieber<br />
ist, hat der Sieg der Schweiz über Frankreich gezeigt:<br />
Selbst völlig Abstinente und Immune haben sich über das Resultat<br />
gefreut und sich die entscheidenden Szenen wenigstens im Nachgang<br />
angesehen. Die Spannung in den letzten Minuten hat wohl niemanden<br />
kaltgelassen.<br />
Während Langeweile von den meisten Menschen als unbehaglich,<br />
als ein zu füllendes Vakuum empfunden wird, ist Spannung ein Lustgewinn,<br />
sofern sie vom richtigen Objekt ausgeht und sich in wohlaustarierten<br />
Massen hält. Ganz egal, ob es sich um einen Penalty oder<br />
die knarrende Tür in einem grusligen Film handelt.<br />
In der vorliegenden Nummer befassen wir uns mit Spannungen aller<br />
Art, wobei wir unser Augenmerk eher auf die weniger lustvollen<br />
richten. Im Fokus stehen seelische Spannungen, die Mediation als<br />
Spannungsabbau oder die Versorgung psychisch Kranker in den<br />
Ländern des Südens, aber auch Muskelkrämpfe, das Lampenfieber<br />
oder das Schweizer Hochspannungsnetz. Dieses verläuft zwar über<br />
unsere Köpfe hinweg, spannt aber sozusagen ein unsichtbares Netz<br />
unter unseren Füssen, ohne das unser normaler Alltag abstürzen<br />
würde. Zwischen den einzelnen Beiträgen finden sich Bilder des<br />
Tänzers Marco Volta. Die Fotografin Nicole Herzel hat Körperspannung<br />
in ihrer ästhetischsten Form eingefangen.<br />
Um mehr als um Spannungen am Arbeitsplatz geht es in einer grossangelegten<br />
Studie, die von der Sektion Waadt unter ihren Mitgliedern<br />
durchgeführt worden ist. Im Zentrum stehen Fragen wie Sexismus und<br />
Diskriminierung. Es zeigt sich, dass fast die Hälfte der Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer entweder selbst Opfer oder Zeuge von abschätzigen<br />
Bemerkungen oder anzüglichen Handlungen geworden sind.<br />
Die Resultate sowie ein Kommentar dazu finden sich in der Rubrik<br />
«Weiterbildung/Arbeitsbedingungen». Aus der Waadt kommt jedoch<br />
auch ein Lichtblick: Die <strong>vsao</strong>-Spitalrose geht an Unisanté in Lausanne.<br />
Was diese Institution preiswürdig macht, steht in der Rubrik «<strong>vsao</strong>».<br />
In der Rubrik «Politik» schliesslich befassen wir uns im Nachgang<br />
des Neins der Schweizer Bevölkerung zum CO 2<br />
-Gesetz mit dem Klimaschutz.<br />
Wir fragen eine Vertreterin und einen Vertreter der jungen<br />
Ärzteschaft, wo sie Möglichkeiten für mehr Klimaschutz in der<br />
Medizin sehen.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 5
Politik<br />
Eine Arbeitsgruppe unter dem Dach der<br />
FMH feilt derzeit an einer Strategie zum<br />
Thema Ärzteschaft und Klimawandel.<br />
Bald sollen dazu Entscheide fallen.<br />
«Ärzte haben<br />
besondere<br />
Verantwortung»<br />
Schwarzer Sonntag für die Schweizer Klimajugend:<br />
Im Juni verwarf das Stimmvolk alle drei Umweltvorlagen.<br />
Was sagt die künftige Ärztegeneration dazu?<br />
Ein Gespräch mit Federico Mazzola (<strong>vsao</strong>) und Bea Albermann (swimsa).<br />
Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />
6 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Politik<br />
Bild: myboys.me/Adobe Stock<br />
Bea und Federico, Ihr habt in Euren<br />
Verbänden ganz unterschiedliche<br />
Funktionen (siehe Kasten «Zu den<br />
Personen»). Was Euch verbindet, ist<br />
der Einsatz fürs Klima. Wie kam es<br />
dazu?<br />
Bea Albermann: Ich fing an, Medizin zu<br />
studieren, um zu verstehen, wie die Gesundheit<br />
aller Menschen bestmöglich<br />
geschützt und gefördert werden kann.<br />
Schnell habe ich aber festgestellt, dass<br />
mir das Studium kaum Antworten auf<br />
die komplexen Gesundheitsfragen des<br />
21. Jahrhunderts bietet. Daher mein Engagement<br />
bei der swimsa. Schockierend<br />
war für mich dann folgende Feststellung:<br />
Wie konnte es sein, dass es weltweit wissenschaftlicher<br />
Konsens ist, dass die Klimakrise<br />
die grösste Bedrohung für die Gesundheit<br />
ist – dies jedoch in unserem Studium<br />
nicht ein einziges Mal erwähnt wird?<br />
Je mehr ich las, desto mehr realisierte ich:<br />
Die Klimakrise betrifft das Leben der Patientinnen<br />
und Patienten und meine künftige<br />
Arbeit als Ärztin direkt – und trotzdem<br />
unternimmt die Schweizer Gesundheitspolitik<br />
nichts. Das muss sich ändern.<br />
Federico Mazzola: Als Student hatte ich in<br />
der swimsa erste Berührungspunkte mit<br />
dem Thema Klimawandel und Gesundheit,<br />
hatte es jedoch nur am Rande verfolgt.<br />
Inzwischen ist diese Problematik in<br />
meinem Leben zunehmend wichtig geworden.<br />
So richtig angefangen hat es vor<br />
drei Jahren mit der Entscheidung, mich<br />
Zu den Personen<br />
Federico Mazzola ist Assistenzarzt im<br />
dritten Jahr. Aktuell arbeitet er in der<br />
Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie<br />
am Universitätsspital Zürich.<br />
Der 27-Jährige interessiert sich nebst<br />
seinem Fachgebiet für Lehre und<br />
Gesundheitspolitik. Beim <strong>vsao</strong> gehört<br />
er der Geschäftsleitung der Sektion<br />
Zürich an und betreut deren Nachwuchsförderung.<br />
Zuvor war er Präsident<br />
der Sektion Solothurn.<br />
Bea Albermann (24) studiert an der<br />
Universität Zürich Medizin im fünften<br />
Jahr. Als berufliche Schwerpunkte<br />
schweben ihr Public Health, Gesundheitspolitik,<br />
Lehre sowie Kinder- und<br />
Jugendmedizin vor. Derzeit amtiert die<br />
ehemalige swimsa-Präsidentin und<br />
Jugenddelegierte für die WHO im<br />
Studierendenverband als Planetary-<br />
Health-Delegierte für die FMH.<br />
vegetarisch zu ernähren. Ich will meinen<br />
Teil dazu beitragen und meine Stimme<br />
nutzen, um allen eine bessere und nachhaltigere<br />
Zukunft zu ermöglichen.<br />
Seit Dezember beschäftigt Ihr Euch<br />
in einer Arbeitsgruppe der FMH mit<br />
dem Klimawandel (siehe Kasten<br />
«Die Klimastrategie der Ärzteschaft»).<br />
Mit welchen Zielen?<br />
Federico Mazzola: Das Hauptziel besteht<br />
darin, dass die Ärzteschaft einen substanziellen<br />
Beitrag leistet, indem sie effektive<br />
und grundlegende Massnahmen definiert,<br />
die ein nachhaltiges Gesundheitssystem<br />
und eine nachhaltige Gesundheitspolitik<br />
fördern. Die Unterziele sollen sowohl das<br />
Individuum als auch die Ärztinnen und<br />
Ärzte als Gesamtheit ansprechen.<br />
Bea Albermann: Wir brauchen in der Bevölkerung<br />
und Politik Verständnis dafür,<br />
dass die Klimakrise schon jetzt ein gesundheitlicher<br />
Notfall ist und es gesunde<br />
Menschen nur auf einer gesunden Erde<br />
gibt. Die Ärzteschaft hat diesbezüglich<br />
eine besondere Verantwortung, die sie aktuell<br />
zu wenig wahrnimmt. Das Schweizer<br />
Gesundheitswesen, inklusive der Lieferketten,<br />
muss seine Treibhausgasemissionen<br />
möglichst schnell auf netto null senken.<br />
Was bedingt, dass die klimaneutrale<br />
Gesundheitsversorgung bis 2030 als politisches<br />
Ziel festgelegt wird.<br />
Die politische Grosswetterlage sieht<br />
anders aus. Sowohl das CO 2<br />
-Gesetz als<br />
auch die Pestizid- und die Trinkwasserinitiative<br />
sind unlängst an der Urne<br />
gescheitert. Überrascht?<br />
Bea Albermann: Nein. Was mich jedoch im<br />
Vorfeld überrascht hat: dass die gesundheitlichen<br />
Vorteile von Umweltschutz<br />
kaum im Fokus standen. Im Abstimmungsbüchlein<br />
des Bundes zum Beispiel<br />
wurden die lebensbedrohlichen Gesundheitsfolgen<br />
von CO 2<br />
-Emissionen nirgends<br />
erwähnt.<br />
Federico Mazzola: Jein – und wenn, dann<br />
am ehesten beim CO 2<br />
-Gesetz. Den Unmut<br />
und die Unsicherheit in der Bevölkerung<br />
konnte man jedoch in den Wochen vor der<br />
Abstimmung spüren.<br />
Die Klimastrategie<br />
der Ärzteschaft<br />
Beide vertreten den medizinischen<br />
Nachwuchs, und beide engagieren sich<br />
für eine gesunde Zukunft. Deshalb ist<br />
es naheliegend, dass sich swimsa und<br />
<strong>vsao</strong> auch mit den Klimaveränderungen<br />
befassen. Auf Initiative der Medizinstudierenden<br />
entstand letztes Jahr<br />
die Idee, sich in der Ärzteschaft gemeinsam<br />
für das Thema einzusetzen.<br />
Vergangenen September stimmte die<br />
Delegiertenversammlung (DV) der<br />
FMH einem Antrag der zwei Verbände<br />
oppositionslos zu. Damit anerkannte<br />
die FMH den Klimawandel als substanzielle<br />
Bedrohung für die regionale und<br />
globale Gesundheit. Und die DV unterzeichnete<br />
im Namen aller Ärztinnen<br />
und Ärzte das swimsa-«Manifest für<br />
eine gesunde Zukunft».<br />
Zudem erhielt die FMH den Auftrag,<br />
eine Arbeitsgruppe mit Vertretungen<br />
der Dachorganisationen inklusive der<br />
swimsa ins Leben zu rufen. Dieses<br />
zwölfköpfige Gremium feilt derzeit an<br />
einer Strategie zu den Handlungsmöglichkeiten<br />
der Ärzteschaft in der<br />
Schweiz. Ziel ist es, dass die FMH ihre<br />
Position nutzt, um Mitglieder und<br />
Öffentlichkeit über die Zusammenhänge<br />
zwischen dem Klimawandel, der<br />
Umwelt und der Gesundheit aufzuklären.<br />
Sie soll sich insbesondere dafür<br />
einsetzen, dass die Schweiz ihre Massnahmen<br />
gegen den Klimawandel<br />
verstärkt und beschleunigt und den<br />
Schutz der Gesundheit bei allen politischen<br />
Entscheidungen miteinbezieht.<br />
In einigen Wochen werden sich die DV<br />
der FMH und die Ärztekammer mit den<br />
Vorschlägen befassen.<br />
Wo seht Ihr die Gründe für das<br />
dreifache Nein?<br />
Federico Mazzola: Bei der Trinkwasserund<br />
der Pestizidinitiative hat die Bevölkerung<br />
wohl vor allem den Zusammenhang<br />
mit der Gesundheit nicht ganz realisiert.<br />
Ich meine damit: Gibt es wirklich jemanden,<br />
der gerne Pestizidrückstände im Wasser<br />
mittrinkt? Zudem werden immer mehr<br />
Bioprodukte verkauft – warum dann nicht<br />
auch unsere wortwörtlichen «Lebens»mittel<br />
an einem höheren Standard messen?<br />
Betreffend das CO 2<br />
-Gesetz sehe ich andere<br />
Faktoren als entscheidend an. Unternehmen,<br />
die viel Kohlendioxid produzieren,<br />
verfügen über grosse finanzielle Mittel<br />
und im Abstimmungskampf über entsprechend<br />
viel politische Macht, obwohl die<br />
Vorlage im Parlament mehrheitsfähig war.<br />
Das Gesetz zielte indes auf viele finanzielle<br />
«Zuschläge» auf persönlicher Ebene,<br />
und das hat wahrscheinlich viele Leute<br />
verunsichert. In meinem persönlichen<br />
Umfeld war häufig zu hören: Wird das<br />
wirklich etwas ändern?<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 7
Politik<br />
zu teuer sei. Was ich absurd finde, da die<br />
eskalierende Klimakrise die soziale Ungerechtigkeit<br />
verstärkt und vulnerable<br />
Gruppen am stärksten betrifft.<br />
Federico Mazzola: Das Nein der Jungen<br />
war definitiv der überraschende Teil der<br />
Abstimmung. Man darf nicht vergessen,<br />
dass die Stimmbeteiligung in dieser<br />
Altersgruppe leider sehr tief ist. Gerade<br />
Junge haben meist nicht grosse finanzielle<br />
Ressourcen und Angst vor höheren Preisen.<br />
Viele argumentieren auch mit hohem<br />
persönlichen Einsatz (Abfalltrennung,<br />
Velofahren etc.), welcher ausreiche. Obwohl<br />
das lobenswert ist: Veränderungen<br />
auf nationaler Ebene sind um einiges effektiver,<br />
was vielleicht nicht verstanden<br />
oder gesehen wurde.<br />
«Die Klimakrise ist schon jetzt ein gesundheitlicher<br />
Notfall», warnt Bea Albermann.<br />
Bea Albermann: Gegenfrage: Woher sollen<br />
die Menschen denn wissen, inwiefern ihre<br />
eigene Gesundheit von einer gesunden<br />
Umwelt abhängt? Im Gegensatz zu anderen<br />
Ländern wurde in der Schweiz kaum<br />
über die Zusammenhänge zwischen der<br />
Coronapandemie als Zoonose und den<br />
komplexen systemischen Umweltkrisen<br />
wie Waldzerstörung, industrielle Landwirtschaft,<br />
Biodiversitätsverlust und Erderwärmung<br />
berichtet. Zudem haben die<br />
Gegenkampagnen wissenschaftlich falsche<br />
Fakten verbreitet. Obwohl die WHO<br />
von allen Ländern einen «Health in All<br />
Policies»-Ansatz fordert, gibt es in der<br />
Schweizer Politik keine gesundheitlichen<br />
Folgeabschätzungen, auf die sich die Bevölkerung<br />
beziehen könnte. Es wird kaum<br />
über Umweltkrisen als Gesundheitskrisen<br />
gesprochen.<br />
Gemäss Abstimmungsanalysen<br />
schienen vor allem die 18- bis<br />
34-Jährigen der CO 2<br />
-Vorlage wenig<br />
abzugewinnen. Woran liegts?<br />
Bea Albermann: Die Bevölkerung hat im<br />
letzten Jahr ihren gesamten Alltag auf den<br />
Kopf gestellt, um die eigene Gesundheit<br />
und die der Mitmenschen zu schützen.<br />
Davon waren junge Menschen besonders<br />
betroffen, und ihre Bedürfnisse fanden bei<br />
politischen Entscheiden viel zu wenig Beachtung.<br />
Darum könnte es sein, dass diese<br />
Generation aktuell wenig Vertrauen in die<br />
Politik hat und glaubt, dass die präsentierten<br />
Lösungen ihren Interessen und ihrer<br />
Zukunft nicht gerecht werden. Diese Sicht<br />
wurde eventuell durch die Behauptung<br />
befeuert, dass Klimaschutz unsozial und<br />
Wie sieht die Unterstützung für Klimaanliegen<br />
bei den jungen Ärztinnen und<br />
Ärzten bzw. den Medizinstudierenden<br />
aus? Ist da tatsächlich eine Mehrheit<br />
für den Klimaschutz?<br />
Federico Mazzola: Schwierig zu sagen. Im<br />
Alltag geht es oft um Kritik an Ressourcenverschwendung<br />
und fehlendem Recycling<br />
in den Spitälern – Menschen kritisieren<br />
das, was sie sehen und erleben. Die Verbindung<br />
zwischen Klima und Gesundheit<br />
ist leider zu wenig präsent, obwohl Corona<br />
das Bewusstsein erhöht hat. Zugleich denke<br />
ich, dass die Notwendigkeit des Klimaschutzes<br />
mittlerweile vor allem für die<br />
junge Ärzteschaft ein kaum zu unterschlagender<br />
Fakt ist. Und sobald einem die Zusammenhänge<br />
dahinter persönlich klar<br />
werden, haben wir definitiv eine Mehrheit.<br />
Bea Albermann: Das nationale Positionspapier<br />
zu Klimawandel und Gesundheit,<br />
welches ein Netto-Null-Ziel für die Emissionen<br />
in der Schweiz bis 2030 und Klimagerechtigkeit<br />
fordert, wurde 2019 in<br />
der swimsa oppositionslos angenommen.<br />
Seitdem setzen sich immer mehr Medizinstudierende<br />
auf lokaler, regionaler und<br />
nationaler Ebene für mehr Gesundheitsschutz<br />
durch Klimaschutz ein. Das Problem<br />
ist, dass planetare Gesundheit als<br />
Querschnittsthema an den Universitäten<br />
noch fast nirgends und nicht ausreichend<br />
unterrichtet wird. Dies wäre aber entscheidend,<br />
um zu vermitteln, welche zentrale<br />
Rolle der Umweltschutz für die Gesundheit<br />
der Menschen spielt. Daher verlangt<br />
die swimsa die schweizweite Integration<br />
der planetaren Gesundheit und der<br />
mit ihr verbundenen Handlungsmöglichkeiten<br />
in das Curriculum.<br />
Aus Federico Mazzolas Sicht ist<br />
«die Verbindung von Klima und Gesundheit<br />
bei jungen Ärztinnen und Ärzten<br />
im Alltag leider zu wenig präsent».<br />
Über die Klimastrategie der FMH<br />
entscheiden am Ende mehrheitlich<br />
ältere Ärztinnen und Ärzte.<br />
Was braucht es, um Sie von den<br />
Lösungsvorschlägen zu überzeugen?<br />
Bea Albermann: Für mich ist das keine<br />
Frage von Jung versus Alt, sondern ob wir<br />
der Überzeugung sind, dass wir unser ganzes<br />
Leben lang dazulernen und einander<br />
empathisch zuhören können. Nachhaltige<br />
Lösungen finden wir nur im Dialog mit<br />
allen Beteiligten – nicht durch ein Pingpong<br />
von Überzeugungen. Das ist ja auch<br />
die Voraussetzung für jedes erfolgreiche<br />
Arzt-Patienten-Gespräch. Deshalb habe<br />
ich mich dafür eingesetzt, dass die Strategie<br />
in einer breit zusammengesetzten<br />
Gruppe erarbeitet wird und zum Entwurf<br />
eine Vernehmlassung bei den Mitgliederorganisationen<br />
stattfindet. Denn für den<br />
Übergang zu einem gesunden, emissionsfreien<br />
Gesundheitssystem müssen wir zusammenarbeiten.<br />
Federico Mazzola: Zuerst braucht es den<br />
Willen der Ärzteschaft, sich für eine gesündere<br />
Zukunft einzusetzen. Diese Voraussetzung<br />
ist mit unserem Beruf eigentlich<br />
intrinsisch erfüllt. Dann geht es darum,<br />
die ältere Generation zu überzeugen,<br />
Entscheidungen zu treffen, welche auch<br />
zum Nutzen und Schutz der jüngeren<br />
sind. Die Strategie soll optimistische, aber<br />
konkrete Ziele und Massnahmen vorschlagen,<br />
welche auf Fakten beruhen.<br />
Nachhaltigkeit bringt viel Potenzial für<br />
uns Ärztinnen und Ärzte, doch genauso<br />
für all unsere Patienten – dafür müssen<br />
wir uns einsetzen!<br />
Bilder: zvg<br />
8 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
«Ich wollte mehr<br />
Erfahrung gewinnen»<br />
Auch Belegarztpraxen bieten Weiterbildung an. Top oder Flop?<br />
Der <strong>vsao</strong> hat seine Mitglieder gefragt (siehe Kasten) –<br />
und Sarah Schwabe-Nguyen, angehende Fachärztin Gynäkologie/Geburtshilfe.<br />
Sie kennt das Modell aus eigener Erfahrung.<br />
Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />
Frau Schwabe, wie kam es dazu, dass<br />
Sie einen Teil ihrer Weiterbildungszeit<br />
bei einer Belegärztin absolviert haben?<br />
Meine Chefin im Spital machte uns Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte darauf aufmerksam,<br />
dass es ab einem gewissen Weiterbildungsstand<br />
möglich ist, eine Rotationsstelle<br />
in der vertraglich angebundenen<br />
Belegarztpraxis zu übernehmen – unter<br />
Anrechnung an die Weiterbildung. Wir<br />
pflegten eine kollegiale Zusammenarbeit<br />
mit den Belegärzten, und so habe ich<br />
Veronika Dombi, die in Hombrechtikon<br />
eine Frauenarztpraxis führt, kennen gelernt<br />
und konnte mit ihr zusammenarbeiten.<br />
«Ab einem gewissen Weiterbildungsstand»:<br />
Was hiess das bei Ihnen?<br />
Ich war in meinem dritten Jahr als Assistenzärztin<br />
Gynäkologie und Geburtshilfe,<br />
als ich das Angebot annahm. Ein idealer<br />
Moment, weil ich mir auch aus familiären<br />
Gründen eine etwas geregeltere Arbeitszeit<br />
wünschte. Meine Anstellung bei Frau<br />
Dombi dauerte dann von Frühling 2018 bis<br />
Ende 2019, in Teilzeit und mit eigener<br />
Sprechstunde.<br />
Warum haben Sie sich für diese Lösung<br />
entschieden?<br />
Ich konnte mir schon immer vorstellen, in<br />
einer Praxis tätig zu sein. Aber der Spitalalltag<br />
vereinnahmt uns Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte derart, dass man gar nicht<br />
an Alternativen denkt. Mir fiel jedoch zunehmend<br />
auf, wie wenig Praxisbezug meine<br />
Tätigkeit im Spital hatte. Eine korrekte<br />
Jahreskontrolle mit Kolposkopie zum Beispiel<br />
gehörte kaum zu unseren Aufgaben,<br />
ebenso endokrinologische Probleme wie<br />
Verhütungsberatung, Sterilitätsabklärungen,<br />
Hormonersatztherapie oder Perimenopause.<br />
Bezüglich Schwangerschaftsultraschall<br />
oder Mammaultraschall fühlte ich<br />
mich ebenfalls unsicher und noch nicht<br />
genügend ausgebildet. Das sind so viele<br />
wichtige Kompetenzen, über die man in<br />
einer Praxis verfügen muss. Zudem fand<br />
ich die Vorstellung schön, Schwangere<br />
vom Beginn bis zur Geburt zu begleiten.<br />
Bild: zvg<br />
«Für alle, die in einer Praxis tätig sein möchten,<br />
finde ich die Lösung empfehlenswert», sagt<br />
Dr. med. Sarah Schwabe-Nguyen über ihre Zeit<br />
in einer Belegarztpraxis.<br />
Zur Umfrage<br />
Für die jungen Ärztinnen und Ärzte ist sie<br />
zentral: die Weiterbildung. Deshalb führt<br />
der <strong>vsao</strong> im Rahmen eines Feedbackpools<br />
regelmässig Umfragen dazu durch. So<br />
kann er die Verbandsarbeit gezielt auf die<br />
Anliegen seiner Mitglieder ausrichten.<br />
Bei der jüngsten Befragung ging es um die<br />
Möglichkeit, einen Teil der Weiterbildung<br />
in Belegarztpraxen zu machen. Je nach<br />
Fachrichtung werden sechs bis zwölf<br />
Monate angerechnet. Eine Lösung, von<br />
der aber viele nichts wissen: Zwei Drittel<br />
der Teilnehmenden kannten sie zuvor<br />
nicht. Die Meinungen der wenigen Personen<br />
mit eigenen Erfahrungen sind überwiegend<br />
positiv – mit einigen kritischen<br />
Begleitkommentaren. Als Vorteile werden<br />
vor allem die besseren Arbeitsbedingungen<br />
gesehen, z. B. bezüglich Selbständigkeit<br />
und individueller Betreuung. Die<br />
Aussagen zu den Nachteilen beziehen sich<br />
mit Ausnahme von Bedenken betreffend<br />
Fachkompetenzen eher auf Punkte, die<br />
nicht direkt mit dem Modell zu tun haben.<br />
40 Prozent der Befragten lassen offen, ob<br />
die Weiterbildung in Belegarztpraxen<br />
gefördert werden sollte. Fast gleich viele<br />
bejahen die Frage. Beide Werte dürften<br />
mit dem verbreiteten Fehlen persönlicher<br />
Erfahrungen bzw. dem mangelnden<br />
Wissen über dieses Angebot zusammenhängen.<br />
Mehr zum Thema unter <strong>vsao</strong>.ch/Medien<br />
und Publikationen/Studien und Umfragen/<br />
Feedback-Pool.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 9
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Was waren Ihre Erwartungen vor dem<br />
Stellenantritt?<br />
Ich wollte mehr Erfahrung im ambulanten<br />
Bereich gewinnen, selbständiger arbeiten<br />
und in Diagnostik und Entscheidungsfindung<br />
mehr Sicherheit erlangen. Deshalb<br />
freute ich mich auf eine eigene Sprechstunde,<br />
um Patientinnen kontinuierlich<br />
zu betreuen. Es war mir auch wichtig, dass<br />
sich meine Lehrärztin Zeit für mich nahm,<br />
für die Klärung von Fragen und die Vermittlung<br />
von Wissen. Darüber hinaus interessierte<br />
mich das Führen einer Praxis:<br />
Worauf muss man dabei achten, welche<br />
administrative Abläufe gibt es? Und last,<br />
but not least freute ich mich auf flexiblere<br />
Arbeitszeiten und eine bessere Work-Life-<br />
Balance.<br />
Haben sich diese Erwartungen erfüllt?<br />
Ja, fast durchgehend. Im ambulanten Bereich<br />
der Gynäkologie fühle ich mich nun<br />
viel sicherer – obschon es natürlich immer<br />
noch viele Bereiche gibt, in denen ich<br />
mehr Übung benötige und dazulernen<br />
muss. Frau Dombi hat mich stets unterstützt<br />
und gefördert. Da es an niedergelassenen<br />
Gynäkologinnen und Gynäkologen<br />
mangelt, war sie allerdings oft sehr beschäftigt,<br />
und es fehlte dann manchmal<br />
doch an Zeit fürs Unterrichten. Dies fand<br />
ich schade, konnte es indes aufgrund der<br />
Umstände verstehen.<br />
Wo sehen Sie die Vorteile der Weiterbildung<br />
in Belegarztpraxen?<br />
Vorab: Es gibt in einer Praxis ebenso viele<br />
Vorteile wie im Spital. Das finde ich wichtig<br />
zu sagen, denn die beiden Modelle<br />
schliessen sich ja nicht gegenseitig aus.<br />
Nach meinem Eindruck habe ich in der<br />
Praxis das grössere Spektrum an Patientinnen<br />
gesehen als in der Klinik. So kam<br />
ich mit seltenen, komplexen Krankheitsbildern<br />
in Berührung und konnte mein<br />
Wissen erweitern. Durch meine eigene<br />
Sprechstunde schliesslich lernte ich rasch,<br />
selbständig zu arbeiten.<br />
Die Kontinuität in der Betreuung der Patientinnen<br />
ist ein weiterer Punkt. Zwar fällt<br />
mir als betreuende Ärztin dadurch eine<br />
grosse Verantwortung zu, aber das forderte<br />
mich im positiven Sinn. Bei Bedarf hatte<br />
ich eine Eins-zu-eins-Betreuung, auch<br />
um Fälle wenn nötig vor- oder nachzubesprechen.<br />
Und wenn ich mal wieder<br />
Spitalluft schnuppern wollte, begleitete<br />
ich die Belegärztin ins Spital, um zu operieren<br />
oder eine Geburt zu erleben. Ein<br />
weiterer Vorteil sind die erwähnten besseren<br />
Arbeitszeiten und -bedingungen und<br />
die entsprechend bessere Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie.<br />
Nachteile?<br />
Dazu fällt mir nicht viel ein. Doch, ich<br />
habe gesehen, wie viel Organisation und<br />
Administration das Führen einer Praxis<br />
benötigt. Inwiefern dies nun ein Vor- oder<br />
ein Nachteil ist, ist schwierig zu sagen. Ich<br />
selbst war froh zu erfahren, an was man<br />
alles denken muss, wenn man in die berufliche<br />
Selbständigkeit geht.<br />
Ihr persönliches Fazit?<br />
Für alle, die irgendwann in einer Praxis<br />
arbeiten möchten, finde ich die Lösung<br />
absolut empfehlenswert. Man kann auch<br />
mit kleinen Kindern seine Facharztausbildung<br />
voranbringen. Bei einer 50-Prozent-Anstellung<br />
ist aktuell ein Jahr anrechenbar.<br />
Schön wäre es, wenn man die<br />
Anrechenbarkeit auf ein Jahr bei 100 Prozent<br />
und dementsprechend zwei Jahre bei<br />
50 Prozent erhöhen könnte. Im Vorstand<br />
der Schweizerischen Gesellschaft für<br />
Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG)<br />
wurde dieser Wunsch bereits besprochen<br />
und unterstützt.<br />
Wer sich für die Weiterbildung in Belegarztpraxen interessiert, findet unter sbv-asmi.ch/weiterbildungsstaetten sämtliche dafür anerkannten Praxen.<br />
Bild: pressmaster/Adobe<br />
10 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Stopp Diskriminierung!<br />
Häufig vereint eine Person verschiedene Merkmale in<br />
sich, die sie für eine diskriminierende Behandlung<br />
besonders anfällig machen: z. B. ihr Geschlecht,<br />
eine ausländische Herkunft, ihre Hautfarbe, ihre<br />
Religionszugehörigkeit, ihr Alter und ihre soziale Stellung.<br />
Solche Personen laufen Gefahr, mehrfach und in verschiedenen<br />
Zusammenhängen Diskriminierungen ausgesetzt zu sein.<br />
Ausserdem bewirken die verschiedenen Merkmale zusammen<br />
eine stärkere und häufigere Diskriminierung.<br />
Doch diese Definition hat weder etwas mit<br />
dem <strong>vsao</strong> noch mit Ärztinnen und Ärzten zu<br />
tun – oder doch? Sowohl die letzte Mitgliederumfrage<br />
des Dachverbands als auch<br />
die kürzlich von der Sektion Waadt<br />
durchgeführte Umfrage zu Diskriminierungen<br />
im beruflichen Umfeld<br />
zeigen erschreckende Ergebnisse.<br />
Über die Hälfte der antwortenden<br />
Personen hat im Rahmen ihrer beruflichen<br />
Tätigkeit Diskriminierung<br />
(mit)erlebt. So berichtet ein<br />
Mitglied: «Mein Chef stellt keinen<br />
‹-ic› ein oder niemanden, ‹der auf<br />
dem Kamel ins Spital kommt›.» Auch<br />
unsere Sektionsjuristinnen und -juristen<br />
sind in ihren Beratungen nicht selten<br />
mit dem Thema konfrontiert.<br />
Solche Tatsachen rufen nach Taten! Genau<br />
aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit unseren<br />
Sozialpartnern SBK und H+ eine Arbeitsgruppe gegründet.<br />
Dabei wollen wir auf die häufigsten Diskriminierungen aufmerksam<br />
machen und dadurch ein respektvolles Miteinander<br />
fördern. Und welches sind nun Diskriminierungsmerkmale bei<br />
Ärztinnen und Ärzten? Von Betroffenen wurden wiederholt<br />
genannt: Frau, Ausländerin und Mutter oder junge Frau mit<br />
Migrationshintergrund. Und was ebenso aufhorchen lässt:<br />
Nicht nur die Mütter fühlen sich diskriminiert, sondern auch<br />
Kinderlose, weil sie oft für Eltern einspringen müssen und auch<br />
sonst sehr flexibel eingesetzt werden.<br />
Damit noch nicht genug, denn Diskriminierungen kommen<br />
von allen Seiten: von Kolleginnen und Kollegen, von Vorgesetzten<br />
und von Patienten. Eine weitere – nicht selten genannte –<br />
Diskriminierung ist demnach auch, als Ärztin nicht ernst<br />
genommen zu werden. Dies äussert sich unter anderem darin,<br />
dass die Frau nicht als Ärztin wahrgenommen und mit einer<br />
Pflegefachperson verwechselt wird. «Frau Doktor, wann kommt<br />
der richtige Doktor?» Oder: «Ich habe heute noch nie einen Arzt<br />
Auf den<br />
Punkt<br />
gebracht<br />
gesehen» (obwohl schon drei Ärztinnen auf Visite waren).<br />
Das sind zwei typische Beispiele.<br />
Eine Frau muss aber nicht Mutter sein, um mehrfach<br />
diskriminiert zu werden, sondern kann «nur» jung sein und<br />
attraktiv aussehen. Auch von Belästigungen durch Kollegen<br />
berichten die Befragten. (In einem engen Flur): «Sehr schön, wie<br />
Sie mit Ihrem Oberschenkel an mir vorbeigeschrammt sind!»<br />
Die Vermutung liegt nahe, dass man es als Mann einfacher hat<br />
– es sei denn, man arbeitet in der Gynäkologie und<br />
dazu noch als Ausländer. Doch das Diskriminierungsthema<br />
<strong>Nr</strong>. 1 ist zweifelslos Schwangerschaft<br />
und Mutterschaft. Wobei es bereits<br />
ausreicht, im gebärfähigen Alter zu<br />
sein. So musste sich etwa eine Teilzeit<br />
angestellte Ärztin anhören: «Jetzt<br />
gibt es Hausfrauenanästhesie»,<br />
oder eine Oberärztin wurde vom<br />
Chef als «Hausfrauen-Oberärztin»<br />
betitelt.<br />
Und gut gemeint ist übrigens<br />
nicht immer gut gemacht: Ein<br />
Chefarzt hat einer Mitarbeiterin<br />
geraten, den Job aufzugeben und<br />
daheim zu bleiben, anstatt nach einer<br />
Reduktion des Pensums zu fragen. Die<br />
Erklärung «Meine Frau hat das auch so<br />
gemacht» rettet die Situation nicht.<br />
Sarina Keller,<br />
Leiterin Weiterbildung und Recht /<br />
stv. Geschäftsführerin <strong>vsao</strong><br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 11
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Aus der «Revue Médicale Suisse»*<br />
Belästigung, Sexismus und<br />
Geschlechterungleichheit in den<br />
Spitälern der Westschweiz<br />
Der Standpunkt der Ärzte in Weiterbildung**<br />
Dr. med. Agathe Greiser Evain a , Dr. med. Margherita Plebani a , Dr. med. Alexandre Dumusc a und Sandrine Devillers a<br />
Die Frage des Sexismus und der<br />
Geschlechterungleichheit im<br />
medizinischen Bereich ist bekannt,<br />
und die Spitäler in der<br />
Westschweiz sind davon nicht ausgenommen.<br />
Der Verband Schweizerischer Assistenz-<br />
und Oberärztinnen und -ärzte, Sektion<br />
Waadt, hat seine Mitglieder zu diesem<br />
Thema befragt. 44 Prozent der Teilnehmer<br />
(67 bis 186 Teilnehmer, je nach<br />
Frage) waren Opfer/Zeuge von sexistischen<br />
Bemerkungen. 76 Prozent haben<br />
schwangerschaftsfeindliche Äusserungen<br />
gehört. 62 Prozent der schwangeren<br />
Frauen haben nicht von den im Arbeitsgesetz<br />
vorgesehenen Schutzmassnahmen<br />
profitiert. 82 Prozent der Mütter erleben<br />
die Mutterschaft als Karrierehemmnis.<br />
Die Personalabteilungen und Direktionen<br />
haben die Verantwortung sicherzustellen,<br />
dass die problematischen Verhaltensweisen<br />
gemeldet und Massnahmen ergriffen<br />
werden. Die Familienplanung muss aufgewertet<br />
und der Mutterschutz gemäss<br />
Arbeitsgesetz konsequent umgesetzt werden.<br />
* Der Beitrag erschien erstmals in der Revue<br />
Médicale Suisse <strong>2021</strong>; 17: 850-3<br />
** Association suisse des médecins assistant·e·s et<br />
chef·fe·s de cliniques, Section Vaud (ASMAV),<br />
CHUV, 1011 Lausanne<br />
agathe.evain@asmav.ch | margherita.plebani@<br />
asmav.ch | alexandre.dumusc@asmav.ch |<br />
sandrine.devillers@asmav.ch<br />
a<br />
Bemerkung: Aus Gründen der thematischen<br />
Kohärenz wurde eine geschlechterneutrale<br />
Sprache verwendet, wenn möglich mit<br />
Verwendung von neutralen Begriffen.<br />
Einleitung<br />
Die Fragen rund um Sexismus und Geschlechterungleichheit<br />
sind in zahlreichen<br />
Berufsfeldern aktuell und wurden von den<br />
Medien, insbesondere in Zusammenhang<br />
mit dem Frauenstreik vom 14. Juni 2019,<br />
hervorgehoben. Ob Lohnungleichheiten,<br />
gläserne Decke, Belästigung: Verschiedene<br />
Probleme von Frauen aller Alters- und Bildungsstufen<br />
wurden angeprangert. Diese<br />
schweizweite Mobilisierung erinnert daran,<br />
dass sogar in wirtschaftlich stabilen<br />
Ländern wie der Schweiz, die sozialen<br />
Ungleichheiten zwischen Männern und<br />
Frauen weiterbestehen.<br />
2019 haben Medizinstudentinnen im<br />
Kanton Waadt, die über die sexistischen<br />
Verhaltensweisen in ihren Ausbildungsstätten<br />
beunruhigt waren, das Kollektiv<br />
CLASH (Collectif de lutte contre le<br />
sexisme en milieu hospitalier) gegründet.<br />
Die weibliche Population ist bei den<br />
Ärzten in der Altersgruppe der 24- bis<br />
44-Jährigen [1] übervertreten. Man beobachtet<br />
also eine klare Tendenz zur Feminisierung<br />
des Berufs. Diese globale Tendenz<br />
kann man in einem ähnlichen Ausmass in<br />
den USA beobachten. [2] Gemäss Statistik<br />
2018 der Verbindung der Schweizer Ärzte<br />
(FMH), beträgt bei den AssistenzärztInnen<br />
der Frauenanteil 58,6 Prozent, während<br />
er, je höher die Karrierestufe ist,<br />
kontinuierlich sinkt und bei den OberärztInnen<br />
noch 47,9 Prozent und bei den<br />
KaderärztInnen lediglich 12,4 Prozent beträgt.<br />
[3]<br />
Die immer wichtigere Stellung der<br />
Frauen im Gesundheitswesen verändert<br />
unweigerlich gewisse Paradigmen: Die<br />
Aufgabenteilung, die stufenweise Abkehr<br />
Sexism and gender<br />
inequalities in<br />
hospitals of Western<br />
Switzerland: junior<br />
doctors perspectives<br />
Sexism and gender inequalities are<br />
well-known issues in medical community<br />
and hospitals are also concerned.<br />
The Swiss Junior Doctors Association,<br />
local branch (canton of Vaud) conducted<br />
a survey about this topic. 44%<br />
of participants (67-186 junior doctors<br />
answered the survey) have been victims<br />
or witnessed sexist remarks. 76%<br />
heard hostiles speeches about pregnancy.<br />
62% of pregnant women did<br />
not benefit from measures provided by<br />
Swiss law. 82 % of mothers experienced<br />
pregnancy as a career-limiting<br />
event. Human resources and management<br />
have responsibility for reporting<br />
discriminatory behavior and taking<br />
appropriate actions. Having children<br />
should be valued and pregnant women<br />
protected according to Swiss law,<br />
which should be enforced without<br />
conditions.<br />
vom Prinzip der «dauernden Erreichbarkeit»<br />
des Arztes, die Integration der Elternschaft<br />
ins Berufsleben. Diese Fragen<br />
werden übrigens vom Bundesgesetz über<br />
die Gleichstellung von Frau und Mann<br />
(GlG) geregelt. Dies geschieht jedoch nicht<br />
ohne Schwierigkeiten: unangemessenes<br />
Verhalten, Benachteiligung der schwangeren<br />
Frauen und stillenden Mütter, Be-<br />
12<br />
4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
einträchtigung der Karriere bei Mutterschaft,<br />
ungleiche Beförderungsbedingungen.<br />
Zu all diesen Themen wird unser<br />
Verband regelmässig um Hilfe gebeten.<br />
Der Verband Schweizerischer Assistenzund<br />
Oberärztinnen und -ärzte, Sektion<br />
Waadt (ASMAV), hat deshalb entschieden,<br />
diese Problematik in den Spitälern der<br />
Westschweiz mittels Mitgliederumfrage<br />
zu evaluieren.<br />
Methodik<br />
Wir haben sämtlichen Mitgliedern unserer<br />
Sektion (1879 ÄrztInnen, d. h. Aktivund<br />
Passivmitglieder) einen elektronischen<br />
Fragebogen mit 9 Fragen zum Thema<br />
Belästigung (davon 3 offene Fragen)<br />
und 7 Fragen (davon 3 offene Fragen) zum<br />
Thema Mutterschaft, Schwangerschaft<br />
und deren Auswirkungen auf die Karriere<br />
zukommen lassen. Die Fragen wurden mit<br />
Hilfe eines im Arbeitsrecht spezialisierten<br />
Anwalts formuliert, welcher für die Ärzte<br />
in Aus- und Weiterbildung tätig ist.<br />
Die Daten wurden mit der Plattform<br />
www.sondageonline.ch vom 27. Januar bis<br />
14. März 2020 erhoben. Die Teilnahme an<br />
der Umfrage war anonym.<br />
Ergebnisse<br />
186 Personen haben an der Umfrage teilgenommen,<br />
davon 79 Prozent Frauen. Die<br />
Anzahl Antworten sind je nach Frage unterschiedlich,<br />
mit einem Minimum von<br />
67 Antwortenden. Bestimmte Fragen waren<br />
den Frauen vorbehalten, die eine<br />
Schwangerschaft durchgemacht hatten.<br />
Abbildung 1. Problematische Verhaltensweisen<br />
Frage: Welche Funktion übte die Person aus, die diese problematischen Äusserungen machte oder<br />
dieses problematische Verhalten aufwies? (Mehrere Antworten möglich).<br />
Kader/Chefärztin oder -arzt<br />
Oberärztin oder -arzt<br />
Pflegefachfrau/-mann<br />
Assistenzärztin oder -arzt<br />
Andere<br />
Praktikantin<br />
Vom unangemessenen Verhalten<br />
zur Belästigung<br />
71 Prozent der Befragten waren Opfer oder<br />
Zeuge von Belästigungen gegenüber einer<br />
Assistenzärztin/einem Assistenzarzt und<br />
36 Prozent gegenüber einer Oberärztin/<br />
einem Oberarzt. Die gemeldeten Vorfälle<br />
betreffen hauptsächlich den am Arbeitsplatz<br />
ausgeübten Druck (91 von 186 Antworten<br />
beinhalten Herabsetzung gegenüber<br />
KollegInnen und 81 von 186 Antworten<br />
berufliche Diskreditierung), die<br />
sexistischen und sexuell anzüglichen Bemerkungen<br />
(83 von 186 Antworten) und<br />
den autoritären Führungsstil, der ein problematisches<br />
Arbeitsklima fördert (71 von<br />
186 Antworten), beschreiben Situationen,<br />
in denen man «angebrüllt» wird. 60 Prozent<br />
der Urheber von problematischen<br />
Äusserungen oder Verhaltensweisen sind<br />
Männer, 40 Prozent sind Frauen. Diese<br />
Verhaltensweisen gehen vor allem von<br />
ÄrztInnen in hohen hierarchischen Positionen<br />
aus (Abbildung 1). Die Personen in<br />
Aus- und Weiterbildung sind mehrheitlich<br />
Zielscheiben dieser schädlichen Verhaltensweisen.<br />
Unter den erwähnten Verhaltensweisen<br />
findet man eine auf geschlechterspezifische<br />
Stereotypen basierte Diskriminierung,<br />
die in der Regel negativ behaftet ist<br />
und auf Frauen zielt. Beispielsweise sexistische<br />
Äusserungen vor PatientInnen oder<br />
69%<br />
41%<br />
24%<br />
24%<br />
12%<br />
1% n = 160<br />
0% 20%<br />
40%<br />
60% 80%<br />
Abbildung 2. Meldung einer Schwangerschaft<br />
Frage: Haben Sie Angst verspürt, als es darum ging Ihre Schwangerschaft in Ihrer Klinik bekanntzugeben?<br />
Es wurden nur die Antworten der Teilnehmerinnen, die eine Schwangerschaft durchgemacht<br />
haben, berücksichtigt.<br />
Nein<br />
Ein wenig Angst<br />
Grosse Angst<br />
0% 20%<br />
21%<br />
27%<br />
40%<br />
52%<br />
n = 73<br />
60%<br />
Abbildung 3. Haltung gegenüber den schwangeren Frauen<br />
Frage: Hören Sie (oder haben Sie solche gehört), feindliche Äusserungen gegenüber schwangeren<br />
Frauen in Ihrem Arbeitsumfeld?<br />
Nie<br />
Manchmal<br />
Häufig<br />
0% 20%<br />
25%<br />
27%<br />
40%<br />
48%<br />
n = 169<br />
60%<br />
schwierige Aufgaben, die häufiger einem<br />
männlichen Kollegen anvertraut werden.<br />
Die Opfer haben Mühe ihr Schweigen<br />
zu brechen: 51 Prozent sprechen mit einem/einer<br />
Kolleg/in darüber, 23 Prozent<br />
wenden sich an ihre/n Vorgesetzte/n und<br />
31 Prozent unternehmen nichts. Nur<br />
4 Prozent gelangen an die interne Beratungsstelle.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 13
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Schutz der schwangeren und stillenden<br />
Ärztin<br />
Stimmung im Falle einer möglichen<br />
Schwangerschaft<br />
79 Prozent der Befragten beschreiben eine<br />
Angst bei der Ankündigung ihrer Schwangerschaft<br />
(Abbildung 2). Das Umfeld hängt<br />
zudem mit diesen Zahlen zusammen, da<br />
75 Prozent der Befragten Zeuge von feindseligen<br />
Äusserungen gegenüber schwangeren<br />
Frauen waren (Abbildung 3). Zum<br />
Beispiel: «Die Nächste, die auf die<br />
schlechte Idee kommt, schwanger zu<br />
werden, bekommt eine Abtreibungspille<br />
in ihr Kaffee» ist eine Bemerkung einer<br />
Kaderärztin, die von einer Befragten zitiert<br />
wird. Fast die Hälfte aller von einer<br />
Schwangerschaft betroffenen Frauen waren<br />
Opfer von feindseligen Bemerkungen<br />
in Zusammenhang mit einer möglichen<br />
Schwangerschaft und 40 Prozent erklären,<br />
dass Druck auf sie ausgeübt wurde,<br />
um sie von einer Schwangerschaft abzubringen<br />
(Abbildung 4).<br />
Meldung einer Schwangerschaft:<br />
Praktische Aspekte<br />
86 Prozent (n = 68) der Befragten haben<br />
ihre Schwangerschaft zuerst ihren Vorgesetzten<br />
gemeldet (53 Prozent dem Chefarzt/der<br />
Chefärztin, 36 Prozent einer/m<br />
anderen Vorgesetzten und 3 Prozent den<br />
Human Ressources. 46 Prozent (n = 68)<br />
wurden von den Human Ressources<br />
brieflich kontaktiert, 9 Prozent telefonisch<br />
und 22 Prozent gar nicht. In 24 Prozent der<br />
Fälle haben die Human Ressources die<br />
betroffene Person spontan kontaktiert.<br />
Nur 36 Prozent (n = 69) hatten ein Gespräch<br />
betreffend ihrer Rechte mit ihren<br />
Verantwortlichen und/oder den Human<br />
Ressources. 58% (n = 67) erachten die erhaltenen<br />
Informationen als ausreichend.<br />
Anpassung der Arbeitsbedingungen<br />
Das Arbeitsgesetz (ArG) und seine Verordnungen<br />
verlangen eine Reihe von Anpassungen<br />
am Arbeitsplatz, um die Gesundheit<br />
der Mutter und des Kindes zu schützen.<br />
[4] Bei nur 37 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen<br />
wurden die gesetzlich<br />
vorgesehenen Anpassungen vollumfänglich<br />
umgesetzt. Dies beinhaltet die Beschränkung<br />
der täglichen Arbeitszeit auf<br />
9 Stunden, die Befreiung von der Nachtarbeit<br />
und dem Nachtpikett, die Anpassungen<br />
des Arbeitsplatzes (Abbildung 5).<br />
In den offenen Antworten berichten die<br />
ÄrztInnen von einer Gesetzesanwendung<br />
mit Widerständen oder nach Gutdünken<br />
der Hierarchie oder von einer Anpassung<br />
Abbildung 4. Druck gegenüber einem Schwangerschaftsprojekt<br />
Frage: Wurden Sie oder sind Sie unter Druck gesetzt worden, um Sie von einem Schwangerschaftsprojekt<br />
abzubringen?<br />
Es wurden nur die Antworten der Teilnehmerinnen berücksichtigt.<br />
Vollumfänglich eingehalten<br />
Teilweise eingehalten<br />
Mehrheitlich nicht eingehalten<br />
der Dienstplanung, die nicht den effektiv<br />
geleisteten Arbeitszeiten entspricht.<br />
Die Mutterschaft als Karrierehemmnis<br />
Wir haben uns auch für die Frage nach den<br />
Auswirkungen der Mutterschaft auf die<br />
Spitalkarriere und den Schwierigkeiten<br />
bei der Vereinbarkeit von Privat- und<br />
Familienleben nach dem Mutterschaftsurlaub<br />
interessiert. 82 Prozent (n = 78) der<br />
betroffenen Befragten erklären, dass die<br />
Geburt eines Kindes ihre Karriere gebremst<br />
hat. 12 Prozent (n = 76) orten in der<br />
Mutterschaft den Grund für die nicht erfolgreiche<br />
Bewerbung für eine leitende<br />
Stelle. Folgende Hauptschwierigkeiten<br />
werden genannt:<br />
– die Verlängerung der Weiterbildung<br />
– die fehlende Flexibilität und vorausschauende<br />
Dienstplanung<br />
– die Schwierigkeit, Kinderbetreuungslösungen<br />
zu finden, die mit den Arbeitszeiten<br />
im Spital kompatibel sind<br />
– der ungenügende Zugang zu Teilzeitstellen<br />
0% 20%<br />
26%<br />
37%<br />
37%<br />
40%<br />
n = 67<br />
60%<br />
Abbildung 5. Anwendung des Arbeitsgesetzes<br />
Frage: Falls Sie schwanger sind (oder waren), wurden die Schutzbestimmungen für schwangere<br />
Frauen und stillende Mütter allgemein eingehalten?<br />
Es wurden nur die Antworten der Teilnehmerinnen, die eine Schwangerschaft durchgemacht<br />
haben, berücksichtigt.<br />
Häufige Bemerkungen<br />
Einige Bemerkungen<br />
Nein, nie<br />
Nicht betroffen<br />
6%<br />
0% 20%<br />
22%<br />
34%<br />
38%<br />
40%<br />
n = 133<br />
60%<br />
– die Bestrafung von MitarbeiterInnen<br />
mit reduziertem Pensum<br />
– das Ungleichgewicht bei der Erfüllung<br />
der Haushalts- und Erziehungsaufgaben<br />
durch die Eltern<br />
– die abschreckende Wirkung auf Mütter,<br />
eine akademische Laufbahn einzuschlagen<br />
– Elternschaft wird mit mangelndem<br />
beruflichem Einsatz gleichgesetzt<br />
– der unlautere Wettbewerb der Kollegen<br />
ohne Familienverantwortung, die einer<br />
Vollzeitbeschäftigung nachgehen und<br />
auch über die gesetzlichen Grenzen<br />
hinaus arbeiten können.<br />
Nach dem Mutterschaftsurlaub bemängeln<br />
16 Prozent der Befragten zudem Verstösse<br />
gegen die Schutzbestimmungen für<br />
stillende Mütter am Arbeitsplatz, insbesondere<br />
die dazu notwendige Zeit und<br />
die entsprechend angepassten Räumlichkeiten.<br />
14 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Tabelle 1. Ansätze zur Bekämpfung von diskriminierenden Verhaltensweisen<br />
Vorschläge der ASMAV, um die identifizierten Probleme in Zusammenhang mit unangemessenem<br />
Verhalten, mangelndem Respekt gegenüber der schwangeren Frau und stillenden Mutter sowie der<br />
Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu beheben.<br />
ASMAV: Association suisse des médecins assistant·e·s et chef·fe·s de cliniques, Section Vaud<br />
(ASMAV); CLASH: Collectif de lutte contre le sexisme en milieu hospitalier; FHV: Fédération des<br />
hôpitaux vaudois; HR: Human Ressources.<br />
Situation<br />
Problematische Verhaltensweisen<br />
Einhaltung der Bestimmung<br />
zum Schutz der schwangeren<br />
Frauen und der stillenden<br />
Mütter<br />
Vereinbarkeit von<br />
Privat leben und Beruf<br />
Vorschläge<br />
Diskussion<br />
Ein Führungsstil, der überdacht<br />
werden muss<br />
Die sexistischen Verhaltensweisen sind<br />
ein Dauerthema, auch bei der Ärzteschaft.<br />
Für Ärztinnen ist es nach wie vor schwierig,<br />
hinsichtlich ihrer beruflichen Fähigkeiten<br />
gleichermassen wie ihre männlichen<br />
Kollegen anerkannt zu werden.<br />
Unsere Zahlen bestätigen, was andere,<br />
grössere Studien bereits gezeigt haben. [5]<br />
Es sind häufig die Vorgesetzten, die solche<br />
Verhaltensweisen an den Tag legen. Dies<br />
kann negative Auswirkungen auf die Weiterbildung<br />
und die Karriere der betroffenen<br />
Person haben und sie zudem davon<br />
abhalten, die Vorfälle zu melden. Bei dieser<br />
Problematik geht es um komplexe<br />
Machtfragen, die sich auf verschiedenste<br />
Weise äussern können, von derben und<br />
Eine transparente und neutrale Meldung der Fälle fördern<br />
und ermöglichen, bei gleichzeitigem Schutz der meldenden<br />
Person.<br />
Sensibilisierung und Ausbildung des Kaderpersonals zu den<br />
Fragen von Sexismus und Belästigung.<br />
Förderung einer Null-Toleranz und Anwendung von<br />
Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung, unabhängig von<br />
der hierarchischen Stellung des Urhebers.<br />
Sicherstellung der Überwachung der problematischen<br />
Situationen.<br />
Entwicklung einer Sensibilisierungsstrategie: Das Kollektiv<br />
CLASH, die ASMAV und die FHV arbeiten zusammen an der<br />
Umsetzung einer Pilot-Sensibilisierungskampagne in zwei<br />
Waadtländer Spitälern im Jahr <strong>2021</strong>.<br />
Bei Meldung einer Schwangerschaft systematische Durchführung<br />
eines Gesprächs zwischen HR, Vorgesetztem und<br />
der betroffenen Ärztin, mit Erläuterung der geltenden<br />
Bestimmungen.<br />
Klare Sanktionsandrohung im Falle der Nichteinhaltung.<br />
Regelmässige Kontrolle der gesetzlichen Bestimmungen<br />
durch die HR-Abteilung bei der betroffenen Ärztin.<br />
Aufwertung des personalärztlichen Dienstes als Ansprechpartnerin<br />
bei Fragen.<br />
Vereinfachung und Automatisierung des Stellvertretungsprozesses<br />
bei Mutterschaftsurlaub.<br />
Beantwortung der Frage der Elternschaft im Verlauf der<br />
Aus- und Weiterbildung.<br />
Optimierung des Angebots für die Kinderbetreuung und<br />
Anpassung an die Spitalarbeitszeiten.<br />
Förderung der Teilzeitarbeit und des Jobsharings,<br />
einschliesslich bei Männern.<br />
Aufwertung des Vaterschafts- und Elternurlaubs.<br />
sexistischen Witzen bis zur Diskriminierung,<br />
die zur Verletzung der Integrität der<br />
Person führen kann. Es ist schwierig zu<br />
beurteilen, ob Sanktionen verhängt werden<br />
und welche Auswirkungen diese haben.<br />
Es gibt aber Studien, die eine geringe<br />
Zufriedenheit gegenüber den getroffenen<br />
Massnahmen aufzeigen. [6] Der Führungsstil,<br />
der insbesondere auf der autoritären<br />
Hierarchie der Kaderärzte und einem Gesetz<br />
des Schweigens beruhen, ist vermutlich<br />
einer der Gründe, die dies erklären<br />
können.<br />
Praktische<br />
Auswirkungen<br />
– Die Belästigung bleibt ein verbreitetes<br />
Problem in den Spitälern. Sie<br />
betrifft sowohl die geschlechterbezogenen<br />
Diskriminierungen als auch<br />
den autoritären Führungsstil.<br />
– Eine Verbesserung der Prävention<br />
und der bei problematischen Verhaltensweisen<br />
ergriffenen Massnahmen<br />
ist notwendig. Dazu braucht es<br />
obligatorische Kurse für Ärzte in<br />
Kaderfunktionen sowie auch das<br />
Ergreifen von Sanktionen, die den<br />
betroffenen Personen mitgeteilt<br />
werden müssen.<br />
– Allzu häufig ist die Mutterschaft<br />
Synonym für Ängste, Spannungen<br />
im Team und Hindernisse in der<br />
Karriere. Dieses Problem erfordert<br />
eine aufmerksame Analyse. Die<br />
Feminisierung des Berufs erfordert<br />
einen Paradigmenwechsel.<br />
– Die Stellvertretung bei Mutterschaft<br />
muss systematisch und punktuell<br />
funktionieren, um die Auswirkungen<br />
auf das Team und die Schuldgefühle<br />
der schwangeren Frauen zu<br />
reduzieren.<br />
– Die gesetzlichen Bestimmungen im<br />
Falle einer Schwangerschaft müssen<br />
automatisch zur Anwendung kommen<br />
und ihre Einhaltung sollte<br />
durch die Human Ressources sichergestellt<br />
werden.<br />
– Die Vereinbarkeit von Beruf und<br />
Familie muss verbessert werden,<br />
insbesondere mit dem Zugang zu<br />
Kinderbetreuungslösungen, die mit<br />
den Arbeitszeiten in den Spitälern<br />
kompatibel sind.<br />
– Die Sektionen des Verbands Schweizerischer<br />
Assistenz- und Oberärztinnen<br />
und -ärzte, als Vertreter der<br />
ÄrztInnen in Ausbildung, sind<br />
Schlüsselpartner für die Ausarbeitung<br />
von Lösungen zur Verbesserung<br />
des Arbeitsklimas.<br />
Eine Reihe von Konsequenzen<br />
Was die Schwierigkeiten angeht, mit welchen<br />
die schwangeren Frauen an ihrem<br />
Arbeitsplatz konfrontiert sind, zeigen Studien,<br />
dass der Stress, dem die Ärztinnen<br />
ausgesetzt sind, das Risiko von Geburtskomplikationen<br />
erhöht. [7] Wir denken,<br />
dass der mangelhafte Schutz der schwangeren<br />
Frauen sowie die fehlende Unterstützung<br />
beim Stillen mit negativen gesundheitlichen<br />
Folgen für die Mutter und<br />
das Kind einhergehen. Dazu kommen<br />
noch die Schuldgefühle und die Diskriminierung<br />
der Mütter am Arbeitsplatz, insbesondere<br />
wegen der Mutterschaftsurlaube,<br />
die nicht in genügendem Masse durch<br />
Ersatzpersonal ausgeglichen werden und<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 15
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
damit zu einer Mehrbelastung für die<br />
KollegInnen führen. [8] Gemäss Buddeberg-Fischer<br />
et al. der Universität Zürich<br />
sind die Ärztinnen mit Familienverpflichtungen<br />
diejenigen, die in ihrer Karriere<br />
am wenigsten Fortschritte erzielen und<br />
auch die geringste Unterstützung durch<br />
ein Mentoring erfahren. [9] Die Schwierigkeit,<br />
Mutterschaft und Karriere im gegenwärtigen<br />
System in Einklang zu bringen,<br />
reduziert für diese kompetenten und motivierten<br />
Fachpersonen den Zugang zu beruflichen<br />
Kaderfunktionen. [8]<br />
«Die Pflegenden schlecht behandeln»:<br />
Die Ethik muss im Fokus stehen<br />
Aus ethischer Sicht muss man sich fragen,<br />
warum gerade im medizinischen Bereich,<br />
die gesetzlichen Schutzmassnahmen häufig<br />
nicht eingehalten werden. Sind Spitäler<br />
oder auch Pflegeeinrichtungen nicht<br />
in der Lage, den Schutz ihrer eigenen<br />
Angestellten zu gewährleisten? Es müssen<br />
Massnahmen ergriffen werden. Insbesondere<br />
muss die Meldung solcher diskriminierenden<br />
Verhaltensweisen gefördert<br />
und die Wirksamkeit solcher Aktionen<br />
garantiert werden, unabhängig von der<br />
hierarchischen Stellung des Urhebers.<br />
In einem Beruf, der immer weiblicher<br />
wird, ist es Zeit, für eine ruhige und gesunde<br />
Arbeitsatmosphäre zu sorgen, unabhängig<br />
vom Geschlecht der Person, damit<br />
die Person ihren Lebensentwurf bestmöglich<br />
parallel zu ihren beruflichen Zielen<br />
entwickeln kann.<br />
Anstatt ein Kind als Hindernis für den<br />
beruflichen Erfolg zu sehen, sollte die<br />
Elternschaft als selbstverständliches, sozial<br />
aufwertendes und für die persönliche<br />
Weiterentwicklung wichtiges Element in<br />
den Karriereplan eingebaut werden. Es ist<br />
daher unabdingbar, die noch heute offenbar<br />
gegensätzlichen Werte in ein Gleichgewicht<br />
zu überführen: die Einsatzbereitschaft<br />
in der Arbeit und die elterliche Erfüllung.<br />
Lösungen sind möglich!<br />
Aufgrund ihrer praktischen Erfahrung,<br />
hat die ASMAV einige Lösungswege identifiziert,<br />
um gegen die diskriminierenden<br />
Verhaltensweisen in der Praxis vorzugehen<br />
(siehe Tabelle 1).<br />
Fazit<br />
Der Ärztenachwuchs wird immer weiblicher,<br />
aber die Geschlechterungleichheit,<br />
insbesondere in Zusammenhang mit der<br />
Mutterschaft, dauert an. Die Einführung<br />
von konkreten Massnahmen zur Förderung<br />
der Meldungen und zur Reduktion<br />
von Ungleichheiten kann mittels Partnerschaft<br />
zwischen der HR-Abteilung, den<br />
ChefärztInnen und den ÄrztInnen in Weiterbildung,<br />
vertreten durch die Sektionen<br />
des Verbands Schweizerischer Assistenzund<br />
Oberärztinnen und -ärzte (<strong>vsao</strong>), ins<br />
Auge gefasst werden. Die Elternschaft<br />
muss ohne Tabus in die berufliche Laufbahn<br />
der ÄrztInnen, unabhängig vom Geschlecht,<br />
integriert werden und sollte kein<br />
Hindernis mehr darstellen. Diese Problematik<br />
könnte durchaus bereits während<br />
des Medizinstudiums thematisiert werden.<br />
Interessenkonflikte:<br />
Die Autoren haben keine Interessenkonflikte in<br />
Zusammenhang mit diesem Artikel gemeldet.<br />
Referenzen<br />
1. Hostettler S, Kraft E.<br />
FMH-Ärztestatistik 2019 – hohe<br />
Abhängigkeit vom Ausland.<br />
Schweiz Arzteztg 2020; 101: 450-5.<br />
2. Association of<br />
American Medical College.<br />
The State of Women in Academic<br />
Medicine. 2018–2019. Verfügbar<br />
unter: www.aamc.org/members/<br />
gwims/statistics/489870/ stats16.<br />
html.<br />
3. Hostettler S, Kraft E.<br />
FMH-Ärztestatistik 2018. Wenig<br />
Frauen in Kaderpositionen.<br />
Schweiz Arzteztg 2019; 100: 411-6.<br />
4. Staatssekretariat für<br />
Wirtschaft (SECO), Mutterschaft<br />
für Arbeitnehmerinnen. 2016.<br />
Verfügbar unter: https://www.seco.<br />
admin.ch/seco/de/home/Arbeit/<br />
Arbeitsbedingungen/mutterschutz.html<br />
dokumente/<br />
Publikationen_Dienstleistungen/<br />
Publikationen_Formulare/Arbeit/<br />
Arbeitsbedingungen/Broschueren/<br />
mutterschutz_07_14_de.pdf.<br />
download. pdf/<br />
mutterschutz_07_14_fr.pdf.<br />
5. *Fnais N, et al.<br />
Harassment and Discrimination in<br />
Medical Training: a Systematic<br />
Review and Meta-Analysis. Acad<br />
Med 2014; 89: 817-27.<br />
6. Bates CK, et al. It Is<br />
Time for Zero Tolerance for Sexual<br />
Harassment in Academic<br />
Medicine. Acad Med 2018: 93:<br />
163-5.<br />
7. **Kin C, et al. Female<br />
Trainees Believe that Having<br />
Children Will Negatively Impact<br />
Their Careers: Results of a<br />
Quantitative Survey of Trainees at<br />
an Academic Medical Center. BMC<br />
Med Educ 2018; 18: 260.<br />
8. Halley MC, et al.<br />
Physician Mothers’ Experience of<br />
Workplace Discrimination: a<br />
Qualitative Analysis. BMJ 2018;<br />
363: k4926.<br />
9. **Buddeberg-Fischer B,<br />
et al. The Impact of Gender and<br />
Parenthood on Physicians’<br />
Careers--Professional and Personal<br />
Situation Seven Years after<br />
Graduation. BMC Health Serv Res<br />
2010; 10: 40.<br />
* Lektüre empfohlen<br />
** Lektüre unbedingt<br />
empfohlen<br />
16<br />
4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Unisanté mit<br />
Spitalrose geehrt<br />
Corona hat seine Schatten auch auf die ärztliche Weiterbildung geworfen.<br />
Vielerorts wurde das Angebot zeitweilig eingeschränkt. Wie es anders geht,<br />
macht Unisanté in Lausanne vor – der neue Preisträger der <strong>vsao</strong>-Spitalrose.<br />
Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />
Bild: zvg<br />
Tue Gutes und rede darüber:<br />
Diese Devise steht der Auszeichnung<br />
Pate, die der <strong>vsao</strong><br />
seit 2014 vergibt. «Tue Gutes»<br />
obliegt den Gesundheitseinrichtungen,<br />
welche die Arbeitssituation der jungen<br />
Ärzteschaft mit gezielten Massnahmen<br />
verbessern wollen. Und darüber zu reden,<br />
macht sich der <strong>vsao</strong> zu seiner vornehmen<br />
Pflicht, indem er jährlich eine Institution<br />
für gelungene Ergebnisse ehrt. Eben mit<br />
der Spitalrose, einer Skulptur mit Widmung<br />
und Zertifikat.<br />
Bei der jüngsten Preisvergabe ging es<br />
um die Auswirkungen der Coronakrise auf<br />
die Verbandsmitglieder. Denn deren Weiterbildung<br />
zur Erlangung des Facharzttitels<br />
geriet seit Frühling 2020 in Bedrängnis.<br />
Viele Kliniken und Spitäler waren<br />
durch die hohe Zahl an COVID-19-Patientinnen<br />
und -Patienten am Anschlag, und<br />
Wahleingriffe konnten bzw. durften nicht<br />
mehr stattfinden. «Deshalb lag es uns am<br />
Herzen, zu zeigen, dass es auch in solchen<br />
Lagen Wege gibt, das Weiterbildungsangebot<br />
aufrechtzuerhalten», erklärt <strong>vsao</strong>-Co-<br />
Vizepräsidentin Patrizia Kündig.<br />
Strahlen um die Wette: Unisanté-Direktor Jacques Cornuz und Agathe Evain, Präsidentin der<br />
<strong>vsao</strong>-Sektion Waadt, bei der Preisübergabe<br />
Zwei Halbtage für freie<br />
Weiterbildung<br />
Unisanté in Lausanne ist diesbezüglich<br />
ein Musterbeispiel. Das Universitätszentrum<br />
für Allgemeinmedizin und Gesundheitswesen<br />
wartet mit vielfältigen Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
auf, darunter<br />
zwölf Kolloquien, verschiedenste Module<br />
und ein <strong>Journal</strong> Club. Alle Veranstaltungen<br />
für ein breites Publikum sind mittels<br />
Videokonferenz zugänglich, und trotz der<br />
Pandemie sind monatlich zwei Halbtage<br />
für die freie Weiterbildung reserviert – unabhängig<br />
vom Beschäftigungsgrad. «Zu<br />
den neuen Lösungen zählen etwa die Onlineplattform<br />
‹CHUVclass› oder E-Learning<br />
im Bildungszentrum des Universitätsspitals<br />
Waadt», ergänzt Agathe Evain,<br />
Präsidentin der <strong>vsao</strong>-Sektion Waadt.<br />
Auch sonst geizt sie nicht mit Lob für<br />
den Preisträger: «Frauen wie Männer profitieren<br />
von einer breiten Palette an Teilzeitstellen,<br />
und die Assistenz- und Oberärztinnen<br />
und -ärzte werden von administrativen<br />
Aufgaben entlastet.» Punkten<br />
kann die Gesundheitseinrichtung weiter<br />
mit unkomplizierten Anpassungen der<br />
Arbeitszeiten bzw. des Beschäftigungsgrads,<br />
zum Beispiel im Zusammenhang<br />
mit Schwangerschaft sowie Mutterschafts-<br />
und Vaterschaftsurlaub. Für Letzteren<br />
werden 20 Tage gewährt, deutlich<br />
mehr als vorgeschrieben und üblich.<br />
«Die Lehre steht im Zentrum»<br />
Bei Unisanté freut man sich sehr über die<br />
Auszeichnung durch den <strong>vsao</strong>: «Es ist für<br />
uns eine Ehre, eine so wichtige Anerkennung<br />
zu erhalten», sagt Direktor Jacques<br />
Cornuz. «Die Lehre steht bei uns im Zentrum,<br />
und wir wollen unseren Einsatz für<br />
eine Weiterbildung auf hohem Niveau<br />
fortführen – unter welchen Umständen<br />
auch immer. Die Spitalrose spornt uns an,<br />
diesen Weg weiter zu beschreiten.»<br />
Mehr zum Thema unter https://<strong>vsao</strong>.ch/<br />
aerztliche-weiterbildung/<strong>vsao</strong>-spitalrose/<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 17
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Forschen lernen<br />
Hat das nicht schon<br />
jemand gemacht?<br />
Viele Forschende zeichnen sich<br />
durch einen löblichen Tatendrang<br />
aus. Nachdem sie<br />
die Studienfrage formuliert<br />
haben, stürzen sie sich gerne direkt in<br />
die Datensammlung. Ich muss sie dann<br />
jeweils daran erinnern, dass noch etliche<br />
Schritte nötig sind, bevor es ans Eingemachte<br />
gehen kann.<br />
Zunächst müssen wir nämlich die<br />
Notwendigkeit des Projektes nachweisen.<br />
Stellt die Studie eine klinisch relevante<br />
Frage, und ist diese tatsächlich noch<br />
unbeantwortet? Um diese Fragen zu<br />
erörtern, müssen wir die zum Thema<br />
existierende Literatur auswerten, und<br />
zwar am besten in der Form eines<br />
systematischen Reviews.<br />
Eine systematische Literaturanalyse<br />
ist wichtig, weil<br />
• wir damit die Notwendigkeit unseres<br />
Projektes begründen können, zum<br />
Beispiel indem wir die Unterschiede<br />
zwischen unserer Studie und der<br />
existierenden Evidenz aufzeigen<br />
können;<br />
• eine solche oft bei Anträgen für<br />
Forschungsgelder und von Ethikkommissionen<br />
verlangt wird;<br />
• die daraus resultierende Literaturliste<br />
eine wichtige Grundlage beim Verfassen<br />
unseres Artikels darstellt;<br />
• diese bei grossen Projekten oft als<br />
eigenständige Publikation veröffentlicht<br />
werden kann.<br />
Im Gegensatz zu einem narrativen<br />
Review zeichnet sich ein systematischer<br />
Review durch eine klar definierte Methodologie<br />
aus, welche die folgenden<br />
Schritte enthält:<br />
• Definition der klinischen Frage entsprechend<br />
dem PICO-Prinzip (welches wir<br />
im letzten Beitrag bereits kennengelernt<br />
haben);<br />
• systematische Suche der relevanten<br />
Literatur;<br />
• Beurteilung der gefundenen Evidenz in<br />
Bezug auf deren Qualität und die<br />
Anwendbarkeit auf unsere Studienfrage;<br />
• falls möglich eine Zusammenfassung<br />
der Evidenz in einer Meta-Analyse.<br />
Diese Schritte werden wir in den kommenden<br />
Ausgaben beleuchten.<br />
Lukas Staub,<br />
klinischer Epidemiologe,<br />
Redaktionsmitglied<br />
des<br />
<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>s<br />
18 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Der UHU-Blick<br />
Vom Abszess reingelegt<br />
Es wird einem nicht umsonst<br />
immer wieder (sei es im Studium<br />
oder aber spätestens als<br />
UHU) nahegelegt, die Krankengeschichte<br />
vor dem eigentlichen Patientenkontakt<br />
zu studieren. In Stresssituationen<br />
sollte man sich zumindest einen<br />
groben Überblick über die Vorgeschichte<br />
des Patienten verschaffen (sagt man).<br />
Der Grund, dass dies den Studenten und<br />
Studentinnen immer wieder eingetrichtert<br />
wird, erfährt man spätestens dann,<br />
wenn man in der folgenden Situation<br />
steckt:<br />
Es herrscht Hektik auf der Notfallstation.<br />
Assistenz- und Oberärzteschaft<br />
sowie Pflegefachpersonal sind hochbeschäftigt,<br />
da möchte man sich als UHU<br />
unbedingt auch nützlich machen. So geht<br />
man dann vom einen direkt zum nächsten<br />
Patienten und lässt exakt jenen Teil<br />
«Lesen der Patientenakte» aus. Stattdessen<br />
begnügt man sich mit einem lässigen<br />
Blick auf die Patiententafel. Bei gut<br />
entwickelter Mnestik wird immerhin der<br />
Name gespeichert oder sogar der Anmeldegrund.<br />
Wenn man Pech hat, muss dann<br />
eben auf die erlernten «SABA»-Skills<br />
(Selbstbewusstes Auftreten bei Ahnungslosigkeit)<br />
zurückgegriffen werden.<br />
So traf ich auf einen jungen, attraktiven<br />
Herrn, der meiner Erinnerung nach<br />
zu einer Nachkontrolle seines Abszesses<br />
auf der Notfallstation vorstellig wurde.<br />
Wo sich der Abszess genau befand, war<br />
mir jedoch zu jenem Zeitpunkt unbekannt.<br />
Zum Einstieg stellte ich also<br />
zunächst (ganz selbstbewusst) einige<br />
allgemeine Fragen wie «Ist es besser<br />
geworden?», «Haben Sie noch Schmerzen?»<br />
oder «Hat es aufgehört zu bluten?»,<br />
um so der alles entscheidenden Frage<br />
«Darf ich mal draufschauen?» möglichst<br />
lange auszuweichen. Nachdem ich sie<br />
(noch immer ganz selbstbewusst) gestellt<br />
hatte, liess der freundliche Patient ohne<br />
zu zögern fröhlich seine Hose runter und<br />
präsentierte mir stolz sein Hinterteil. Auf<br />
gut Glück guckte ich also mal zwischen<br />
die Pobacken (immer noch sehr auf<br />
selbstbewusstes Auftreten bedacht) und<br />
konnte, siehe da, glücklicherweise noch<br />
die letzten Spuren des verheilten Abszesses<br />
erblicken. Gott sei Dank wusste der<br />
Patient selbst noch, wo sich der Abszess<br />
befand, und gab mir freiwillig einen Tipp<br />
zur potentiellen Lage. Oder versuchte<br />
auch er es (ganz selbstbewusst) auf gut<br />
Glück?<br />
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Lungenfibrose – Diagnostik<br />
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Seite 45<br />
Geriatrie<br />
Der «unkooperative» ältere Patient<br />
Seite 49<br />
Politik<br />
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Neues aus<br />
den Sektionen<br />
Zürich /<br />
Schaffhausen<br />
Geschäftsleitung feiert<br />
Wiedersehen<br />
Der Sommer ist da, und unsere Geschäftsleitung<br />
ist geimpft! Wegen der Lockerungen<br />
war es uns Mitte Juni wieder möglich,<br />
im Garten der neuen Geschäftsstelle die<br />
erste physische Geschäftsleitungssitzung<br />
dieses Jahres durchzuführen.<br />
Das sonnige Wetter und das Wiedersehen<br />
nach einem ganzen Jahr führte zu<br />
spannenden Diskussionen: Themen waren<br />
unter anderem die Reduktion der<br />
Sollarbeitszeit, die Unterstützung der<br />
Elterninitiative sowie unsere Stellungnahme<br />
zur neuen Kaderarztentlöhnung<br />
der Zürcher Stadtspitäler. Zur Elterninitiative<br />
veröffentlichten wir auf unserer<br />
Website und auf docdoc einen sehr geschätzten<br />
Beitrag zum Vaterschaftsurlaub.<br />
(Schaut doch vorbei und macht bei<br />
unserer Umfrage mit!)<br />
Im Weiteren besprachen wir unsere<br />
MV <strong>2021</strong>, die – gemäss Plan – mit dem Komiker<br />
Fabian Unteregger als Special Guest<br />
am 2. September im Mariott Hotel Zürich<br />
stattfinden wird. Die Einladung und das<br />
Programm folgen noch vor den Sommerferien.<br />
Apropos Kommunikation mit Euch,<br />
wir haben eine neue docdocSerie eingeführt:<br />
«Fachärzt*innen und ihre Erfahrungen».<br />
Mithilfe der Interviewserie wollen<br />
wir unsere Erfahrungen teilen, voneinander<br />
lernen und einander inspirieren. Falls<br />
jemand von Euch seinen Gang durch die<br />
Weiterbildung mit uns teilen möchte und<br />
angehenden Ärztinnen und Ärzten wertvolle<br />
Tipps mitgeben will, so kann man<br />
sich via kommunikation@<strong>vsao</strong>zh.ch bei<br />
uns melden.<br />
Es lohnt sich auch, uns auf den sozialen<br />
Netzwerken – Instagram, Twitter,<br />
LinkedIn – zu folgen, um unsere neuesten<br />
Posts und Inhalte nicht zu verpassen!<br />
Anna Wang, Präsidentin VSAO Zürich/<br />
Schaffhausen<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 21
<strong>vsao</strong><br />
<strong>vsao</strong>-Inside<br />
Nadine Noëmi Ramseier<br />
Wohnort: Sumiswald BE<br />
Beim <strong>vsao</strong> seit: <strong>2021</strong><br />
Der <strong>vsao</strong> für Dich in Kürze:<br />
Interessant, lehr- und<br />
abwechslungsreich<br />
Keine(r) da! Wenn eine Erfahrung<br />
beim <strong>vsao</strong> für sie bisher<br />
prägend war, dann diese.<br />
Denn Nadine Ramseiers<br />
Stellenantritt am 1. Februar <strong>2021</strong> fiel mit<br />
der kurz zuvor vom Bundesrat wegen<br />
Corona beschlossenen Homeoffice<br />
Pflicht zusammen. Und so gestaltete sich<br />
der Einstieg im Zentralsekretariat in Bern<br />
«ein bisschen speziell», wie es die 20Jährige<br />
in ihrer zurückhaltenden Art formuliert.<br />
Will heissen: Da kaum jemand im<br />
Büro war, lernte sie ihre neuen Kolleginnen<br />
und Kollegen erst allmählich und vor<br />
allem online kennen.<br />
Was ihrer Freude über die Wahl des<br />
Arbeitgebers glücklicherweise keinen<br />
Abbruch tat. Sie könne voll und ganz<br />
hinter dessen Zielen und Ideen stehen.<br />
«Beispielsweise wie sich der Verband für<br />
die Arbeitsbedingungen und die Weiterbildung<br />
der jungen Ärztinnen und Ärzte<br />
einsetzt.» Genauso entspricht ihr das<br />
Betätigungsfeld in der sechsköpfigen<br />
Abteilung Service und Projekte. «Meine<br />
Hauptaufgabe ist es, Fragen und Anliegen<br />
der Mitglieder schriftlich oder per<br />
Telefon zu beantworten. Dazu mache ich<br />
Mutationen in unserem System, etwa bei<br />
privaten Adresswechseln. In der Buchhaltung<br />
wiederum beschäftige ich mich<br />
mit Rechnungsversänden, Mahnungen,<br />
Zahlungseingängen und Umbuchungen.»<br />
Die gelernte Kauffrau, die auch als<br />
Serviceangestellte gearbeitet hat, ist<br />
100prozentig bei der Sache – nicht nur<br />
nach Pensum im Arbeitsvertrag. Sie möge<br />
alle ihre Aufgaben, da diese sehr spannend<br />
seien und man immer wieder Neues<br />
dazulerne. «Gleichzeitig ist es abwechslungsreich.»<br />
Ein Stichwort, das auch gut<br />
zur privaten Nadine Ramseier passt.<br />
«Ich treibe allgemein gerne Sport, aber<br />
hauptsächlich spiele ich Volleyball.<br />
Zudem zeichne und male ich, bin oft in<br />
der Natur und unternehme gerne etwas<br />
mit Freunden und der Familie.» Sie wolle<br />
noch viel entdecken und kennen lernen,<br />
vor allem andere Länder.<br />
Und natürlich die anderen Mitglieder<br />
des Teams im Zentralsekretariat, die dort<br />
nun wieder häufiger anzutreffen sind …<br />
Bild: zvg<br />
22 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
<strong>vsao</strong><br />
<strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />
Stillen nach dem<br />
Mutterschaftsurlaub<br />
Bild: zvg<br />
Gerne würde ich nach Ende<br />
meines Mutterschaftsurlaubes<br />
mein Kind weiter<br />
stillen. Welche Rechte<br />
kann ich als stillende Mutter geltend<br />
machen?<br />
Rechte von stillenden Müttern, welche im<br />
Arbeitsgesetz und dessen Verordnungen<br />
enthalten sind:<br />
• Eine stillende Mutter darf nur mit ihrem<br />
Einverständnis beschäftigt werden.<br />
In den ersten acht Wochen nach der<br />
Niederkunft besteht für die Mutter ein<br />
absolutes Arbeitsverbot. Sie kann<br />
insgesamt 16 Wochen Mutterschaftsurlaub<br />
beziehen, davon sind indes nur<br />
14 Wochen zwingend bezahlt. Bis zur<br />
16. Woche nach der Geburt kann sie es<br />
auch ablehnen, nachts zu arbeiten<br />
(zwischen 20 Uhr und 6 Uhr). Ihr<br />
Arbeitgeber muss ihr eine gleichwertige<br />
Arbeit am Tag anbieten. Wenn er das<br />
nicht kann, darf die stillende Mutter zu<br />
Hause bleiben und erhält 80 Prozent<br />
ihres Lohns.<br />
• Die Arbeitgeber sind dafür verantwortlich,<br />
dass die Gesundheit ihrer Angestellten<br />
sowie des Neugeborenen nicht<br />
gefährdet wird. Die Arbeitsbedingungen<br />
dieser Mütter müssen von diesem<br />
Zeitpunkt an entsprechend angepasst<br />
werden.<br />
• Eine stillende Mutter darf keine gemäss<br />
Risikoanalyse gefährlichen oder<br />
beschwerlichen Arbeiten ausführen.<br />
Ihr muss eine gleichwertige ungefährliche<br />
Arbeit angeboten werden, und<br />
wenn das nicht möglich ist, hat sie das<br />
Recht, zu Hause zu bleiben und trotzdem<br />
ihren Lohn zu beziehen (80 Prozent<br />
ihres Lohns) (Art. 62, 64 ArGV1).<br />
• Eine stillende Mutter darf nicht mehr<br />
als neun Stunden pro Tag arbeiten,<br />
auch wenn in ihrem Arbeitsvertrag<br />
mehr Stunden vorgesehen sind (Art. 60<br />
Abs. 1 ArGV1). Diese Kategorie von<br />
Arbeitnehmerinnen darf deshalb nicht<br />
für den Pikettdienst aufgeboten werden.<br />
Während dieser Zeit sollte die hinterlegte<br />
Sollarbeitszeit entsprechend<br />
angepasst werden.<br />
• Eine stillende Mutter hat das Recht, sich<br />
unter geeigneten Bedingungen hinzulegen<br />
und auszuruhen (ein Ruheraum<br />
muss im Unternehmen eingerichtet<br />
werden) (Art. 34 ArGV3).<br />
• Eine stillende Mutter darf nicht zur<br />
Schichtarbeit mit einem Schichtsystem,<br />
das eine regelmässige Rückwärtsrotation<br />
vorsieht (Nacht – Abend – Morgen)<br />
herangezogen werden oder mehr als<br />
drei Nächte am Stück arbeiten (Art. 14<br />
Mutterschutzverordnung).<br />
Entlöhnte Stillpausen:<br />
Stillenden Müttern sind die für das Stillen<br />
oder für das Abpumpen von Milch<br />
erforderlichen Zeiten freizugeben. Davon<br />
wird im ersten Lebensjahr des Kindes<br />
(52 Wochen) als bezahlte Arbeitszeit<br />
angerechnet:<br />
• bei einer täglichen Arbeitszeit von bis zu<br />
4 Stunden: mindestens 30 Minuten<br />
• bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr<br />
als 4 Stunden: mindestens 60 Minuten;<br />
• bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr<br />
als 7 Stunden: mindestens 90 Minuten<br />
Diese Zeiten können je nach den physiologischen<br />
Bedürfnissen des Kindes am<br />
Stück oder verteilt bezogen werden. Es<br />
handelt sich bei diesen Bestimmungen<br />
nur um Mindestzeiten, die an die bezahlte<br />
Arbeitszeit anzurechnen sind.<br />
Sollte das Kind aus physiologischen<br />
Gründen längere Stillzeiten benötigen,<br />
darf die stillende Mutter der Arbeit auch<br />
länger fernbleiben (siehe auch Artikel 35a<br />
ArG). Die benötigte Zeit, die über die<br />
festgelegten Minima hinausgeht, wird<br />
ohne anderslautende Abmachung<br />
zwischen dem Arbeitgebenden und der<br />
betroffenen Arbeitnehmerin nicht als<br />
bezahlte Arbeitszeit angerechnet.<br />
Eine solche Abmachung kann auch eine<br />
Reduktion der täglichen Arbeitszeit<br />
vorsehen.<br />
Die Arbeitnehmerin verfügt unabhängig<br />
davon, ob sie im Betrieb stillt oder<br />
den Arbeitsplatz zum Stillen verlässt,<br />
über dieselbe bezahlte Stillzeit. Diese<br />
Bestimmung gilt auch für Frauen, die<br />
ihre Milch abpumpen.<br />
Wichtig:<br />
Solange Sie stillen, ist die max. Arbeitszeit<br />
auf 9 Stunden pro Tag zu beschränken,<br />
unabhängig davon, was vertraglich<br />
vereinbart worden ist, und die Leistung<br />
von Pikettdiensten ist nicht zulässig. Dies<br />
gilt jedoch nur für das erste Jahr nach der<br />
Geburt, somit insgesamt für 52 Wochen.<br />
Sandra P. Leemann,<br />
Juristin der Sektionen<br />
Aargau, Solothurn, St.<br />
Gallen/Appenzell, Thurgau<br />
und Zentralschweiz<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 23
Swissgrid –<br />
immer unter<br />
Spannung<br />
Das Schweizer Übertragungsnetz ist quasi die Autobahn für den<br />
Stromfluss. Es dient nicht nur dem Import und Export von elektrischer<br />
Energie, sondern auch dem Transport von den Kraftwerken in<br />
die Verbraucherzentren. Lokale Anbieter übernehmen dann die<br />
Feinverteilung bis in die Haushalte.<br />
Sandra Jedrinovic, Communication & Stakeholder Affairs, Swissgrid<br />
24 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus<br />
Das Schweizer Übertragungsnetz ist<br />
eines der stabilsten der Welt. Dies<br />
auch dank der engen Vernetzung mit<br />
dem europäischen Verbundnetz:<br />
Je enger ein Netz geknüpft ist, desto<br />
geringer sind die Auswirkungen bei<br />
Störfällen.<br />
6700 Kilometer Leitungen, 12000<br />
Strommasten, 147 Schaltanlagen<br />
und 41 Verbindungen ins Ausland<br />
– das ist die physische Beschaffenheit<br />
des Schweizer Übertragungsnetzes.<br />
Als nationale Netzgesellschaft<br />
und Eigentümerin des Schweizer<br />
Höchstspannungsnetzes verantwortet<br />
Swissgrid diese Infrastruktur sowie den<br />
Betrieb und die Sicherheit der Anlagen.<br />
Das Höchstspannungsnetz gehört zur<br />
kritischsten Infrastruktur der Schweiz.<br />
Höchstspannung bedeutet 220000 oder<br />
380000 Volt. Das Übertragungsnetz<br />
transportiert Energie von den Kraftwerken,<br />
beispielsweise von den grossen<br />
Speicherkraftwerken in den Alpen in die<br />
Verbraucherzentren im Mittelland. Das<br />
Höchstspannungsnetz ist somit das Rückgrat<br />
der Schweizer Stromversorgung.<br />
Die richtige Spannung ist zentral für<br />
das Funktionieren des Netzes; ist sie zu<br />
hoch oder zu tief, fliesst der Strom nicht,<br />
wie er sollte. Die Spannungshaltung ist eine<br />
der Kernaufgaben von Swissgrid. In der<br />
Schweiz wird die Spannung hauptsächlich<br />
von Kraftwerken geregelt, die direkt ins<br />
Übertragungsnetz einspeisen. Mit ihren<br />
Generatoren können sie Blindenergie<br />
produzieren oder absorbieren und so die<br />
Spannung beeinflussen. Blindenergie ist<br />
die zum Aufbau von elektromagnetischen<br />
Feldern in einem Wechselstromnetz benötigte<br />
Energie.<br />
Auch bei unvorhergesehenen Ereignissen<br />
muss die Netzsicherheit im Übertragungsnetz<br />
zu jeder Zeit gewährleistet sein: Das<br />
Sturmtief Vaia hat im Oktober 2018 vier<br />
Masten auf dem Albulapass umgeknickt,<br />
doch Versorgungsunterbrüche gab es<br />
keine.<br />
Der Her(t)zschlag des<br />
Übertragungsnetzes<br />
Fettpölsterchen hat das Übertragungsnetz<br />
keine. Es kann elektrische Energie nicht<br />
speichern. Deshalb müssen Produktion<br />
und Verbrauch stets im Gleichgewicht<br />
sein. Ist dem Fall liegt die Netzfrequenz –<br />
quasi der Puls des Übertragungsnetzes –<br />
bei 50 Hertz. Wird diese Marke verletzt,<br />
steigt also die Frequenz über 50 Hertz oder<br />
sinkt sie darunter, greift Swissgrid ein.<br />
Mittels Regelleistung, die von den Kraftwerksbetreibern<br />
zur Verfügung gestellt<br />
wird, gleicht Swissgrid ein allfälliges Ungleichgewicht<br />
zwischen Produktion und<br />
Verbrauch wieder aus. Steigt der Stromverbrauch,<br />
lässt Swissgrid von den Kraftwerken<br />
mehr Energie ins Netz einspeisen.<br />
Sinkt dieser, wird die Produktion zurückgefahren.<br />
Die Netzleitstellen in Aarau und Prilly<br />
bilden das Hirn des Übertragungsnetzes.<br />
Sie sind mit modernster Technologie ausgerüstet.<br />
Während 24 Stunden am Tag und<br />
365 Tagen im Jahr sorgen die Operateurinnen<br />
und Operateure im Echtzeitbetrieb<br />
dafür, dass der Strom ohne Unterbruch<br />
fliesst und das Netz sicher und stabil ist.<br />
Swissgrid produziert selbst keinen<br />
Strom, sondern transportiert über<br />
das Übertragungsnetz (in der Karte<br />
ersichtlich) die von den Kraftwerken<br />
produzierte Energie zu den<br />
Verbrauchszentren.<br />
Bilder: © Swissgrid AG<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 25
Fokus<br />
Im Herzen Europas – aber dennoch<br />
bald ausgeschlossen?<br />
Unabdingbar für die Schweizer Versorgungssicherheit<br />
ist auch die Vernetzung<br />
in Europa. Als zentrale Stromdrehscheibe<br />
spielt die Schweiz hier eine bedeutende<br />
Rolle. Geboren wurde das europäische<br />
Verbundnetz in der Schweiz mit dem<br />
«Stern von Laufenburg». Im aargauischen<br />
Fricktal wurden 1958 die Stromnetze von<br />
Deutschland, Frankreich und der Schweiz<br />
zusammengeschaltet, das ist die Grundlage<br />
für den heutigen grenzüberschreitenden<br />
Strommarkt. Diese enge Vermaschung<br />
mit dem europäischen Netz durch mittlerweile<br />
41 grenzüberschreitende Leitungen<br />
trägt zur Stabilität und sicheren Stromversorgung<br />
bei. Je enger ein Netz geknüpft<br />
ist, desto geringer sind die Auswirkungen<br />
auf dessen Stabilität, sollte mal ein Knoten<br />
reissen. Diese enge Vernetzung erlaubt zudem<br />
den Schweizer Stromproduzenten im<br />
Sommer den Export von elektrischer<br />
Energie nach Europa und im Winter deren<br />
Import. Entsprechend eng arbeitet Swissgrid<br />
mit den europäischen Übertragungsnetzbetreibern<br />
zusammen.<br />
Dieses Erfolgsmodell ist aber zunehmend<br />
gefährdet. Die stark vernetzte<br />
Schweiz hängt von den Gegebenheiten in<br />
den Nachbarstaaten ab. Die Stabilität des<br />
europäischen Verbundnetzes basiert auf<br />
dem Prinzip, dass sich alle Teilnehmer an<br />
dieselben Spielregeln halten. Die Europäische<br />
Union treibt die Entwicklung des<br />
Binnenmarktes für Strom konsequent voran.<br />
Die Schweiz ist allerdings von dieser<br />
Entwicklung ausgeschlossen. In der Folge<br />
entfernen sich die europäischen Regeln<br />
für den Netz- und Marktbetrieb immer<br />
weiter von den entsprechenden Schweizer<br />
Regularien. Es hätte dagegen ein Heilmittel<br />
gegeben: ein Stromabkommen mit der<br />
EU. Da der Bundesrat die Verhandlungen<br />
zum Rahmenabkommen abgebrochen<br />
hat, sieht es für das Stromabkommen<br />
nicht gut aus. Die EU machte das Rahmenabkommen<br />
zur zwingenden Voraussetzung<br />
für den Abschluss des Stromabkommens.<br />
Ohne Stromabkommen und damit ohne<br />
Mitspracherecht spitzt sich die Lage für<br />
die Schweiz weiter zu: Es besteht die Gefahr,<br />
dass sie zukünftig weniger Strom importieren<br />
kann. Dies kann sich insbesondere<br />
im Winterhalbjahr negativ auf die<br />
Versorgungssicherheit auswirken, denn<br />
dann ist die Schweiz auf Stromimporte angewiesen.<br />
Je länger eine klare Regelung<br />
mit der EU fehlt, desto mehr Handlungs-<br />
Bilder: © Swissgrid AG<br />
26 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Instandsetzungsarbeiten auf<br />
dem Albulapass im Frühling 2019.<br />
Ein Blick in die Netzleitstelle<br />
Aarau, die eine Hirnhälfte des<br />
Übertragungsnetzes.<br />
freiheit verliert die Schweiz. Deswegen hat<br />
Swissgrid ihr Engagement in den europäischen<br />
Gremien deutlich intensiviert und<br />
setzt auf enge Zusammenarbeit und technische<br />
Lösungen mit den Übertragungsnetzbetreibern.<br />
Keine Energiewende ohne<br />
leistungsstarkes Netz<br />
Die Energiewende ist ein zentrales Thema,<br />
verändert sie doch die gesamte Stromökonomie.<br />
Das Stromsystem befindet sich<br />
im grössten Umbruch seiner Geschichte.<br />
Die Anforderungen haben sich in den letzten<br />
Jahren verändert: Es gibt neue erneuerbare<br />
Energiequellen und Kraftwerke,<br />
die ans Netz gehen, und auch der Stromkonsum<br />
ist stetig gewachsen. Die Solarund<br />
Windenergie wird in ganz Europa<br />
ausgebaut, und somit wird auch die Energieproduktion<br />
dezentraler und volatiler.<br />
Dies kann zu Engpässen im Übertragungsnetz<br />
führen. Deshalb ist die Modernisierung<br />
des Übertragungsnetzes der Schlüssel<br />
für eine nachhaltige Zukunft. Dem<br />
trägt Swissgrid mit dem «Strategischen<br />
Netz» Rechnung. Bei der Entwicklung des<br />
Netzes der Zukunft legt Swissgrid Wert auf<br />
die Versorgungssicherheit, die Umweltverträglichkeit<br />
und den volkswirtschaftlichen<br />
Nutzen. Ziel ist es, das Netz möglichst<br />
effizient zu nutzen, zu optimieren<br />
oder zu verstärken, bevor – als letzte Option<br />
– Ausbaumassnahmen ergriffen werden.<br />
Mit dem «Strategischen Netz» leistet<br />
Swissgrid einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung<br />
der Energiewende. Lange Verfahren<br />
und Einsprachen verzögern jedoch<br />
die schnelle Modernisierung des Übertragungsnetzes.<br />
Es bleibt spannend<br />
Die Kombination von fehlendem Stromabkommen,<br />
starkem Ausbau von erneuerbaren<br />
Energien mit volatiler Produktion<br />
und schleppendem Netzausbau stellt für<br />
den Betrieb des Übertragungsnetzes eine<br />
Herausforderung dar. Die Spezialistinnen<br />
und Spezialisten von Swissgrid bleiben<br />
deshalb für die Zukunftsfähigkeit des<br />
Schweizer Übertragungsnetzes und damit<br />
für eine sichere und stabile Stromversorgung<br />
der Schweiz engagiert.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 27
Fokus<br />
Bild: Nicole Herzel/ hwieherzel.com<br />
28<br />
4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus<br />
Eine sanfte<br />
Methode der<br />
Konfliktlösung<br />
Spannungen am Arbeitsplatz belasten nicht nur die direkt Betroffenen.<br />
Eine Mediation kann das gegenseitige Verständnis fördern und<br />
Konflikte lösen. Voraussetzungen sind aber das Einverständnis aller<br />
und die absolute Unabhängigkeit und Neutralität des Mediators.<br />
Valérie Schegin, Mediatorin, IPRP, Beraterin, cabinet AlterAlliance<br />
«Das totalitäre Denken<br />
zeichnet sich dadurch<br />
aus, dass es das Ende des<br />
Konflikts bereits in<br />
Betracht zieht.»<br />
(Hannah Arendt) [1]<br />
Der Konflikt spiegelt ein Spannungsverhältnis<br />
oder sogar einen Gegensatz wider,<br />
indem er das Aufeinandertreffen von gegensätzlichen<br />
Gefühlen, Interessen oder<br />
Positionen suggeriert. Die Erscheinungsformen<br />
und schädlichen Auswirkungen<br />
eines Konflikts veranlassen uns dazu, ihn<br />
im Wesentlichen als negativ zu betrachten.<br />
Wird er jedoch auf der Ebene eines<br />
einfachen Missverständnisses oder einer<br />
Meinungsverschiedenheit angegangen,<br />
kann der Konflikt eine positive Rolle spielen:<br />
Er bietet die Möglichkeit, eine auf Gegensätzlichkeit<br />
basierende Beziehung zu<br />
transformieren und den Weg zu Lösungen<br />
und sogar zu echten Synergien zu öffnen,<br />
an die zu Beginn niemand gedacht hätte.<br />
Einen solchen Nutzen erreichen wir nur,<br />
wenn wir die negative Situation überwinden<br />
können. Dabei muss jeder einzelne<br />
Protagonist selber nach Lösungen suchen<br />
und die entsprechenden Schlüsse daraus<br />
ziehen. Wir tendieren von Natur aus dazu,<br />
vor Konflikten zu fliehen oder uns darin<br />
einzuschliessen, statt nach einem Ausweg<br />
zu suchen. Dieses Verhalten kann dank einer<br />
Mediation durch eine Drittperson in<br />
den meisten Fällen günstig beeinflusst<br />
werden.<br />
Akzeptanz auf allen Seiten<br />
Die Mediation besteht darin, die zwischen<br />
den Parteien bestehenden Spannungen zu<br />
begleiten und einer Lösung zuzuführen,<br />
indem die Bedingungen für ein gegenseitiges<br />
Zuhören geschaffen werden. Dies ermöglicht<br />
wiederum, von einem Zerwürfnis<br />
zu einem gegenseitigen Verständnis<br />
überzugehen, um schlussendlich so weit<br />
wie möglich zu gemeinsam konstruierten<br />
Lösungen zu kommen. Die Lösungen werden<br />
umso nachhaltiger, je mehr sie von<br />
den Betroffenen selber erarbeitet wurden.<br />
Es bringt also nichts, die Mediation zu erzwingen.<br />
Ohne die vorbehaltlose Unterstützung<br />
der Betroffenen während des<br />
ganzen Prozesses würde man riskieren,<br />
lediglich eine «Scheinvereinbarung» abzuschliessen,<br />
die möglicherweise zu einer<br />
gegenseitigen Enttäuschung und erneuten<br />
Spannungen führen würde.<br />
Da die Personen, die in einen Konflikt<br />
verwickelt sind, selten die Initiative ergreifen,<br />
wird der Einsatz eines internen<br />
oder externen Mediators üblicherweise<br />
vom Arbeitgeber vorgeschlagen. Die erste<br />
Schwierigkeit besteht also darin, sich zu<br />
vergewissern, dass die Mediation eine adäquate<br />
Lösung ist und von allen Parteien<br />
akzeptiert wird. Dabei geht es darum, eine<br />
eigentliche Situationsanalyse vorzunehmen.<br />
Diese erfolgt aufgrund von objektiven<br />
Kriterien, die das Ausmass des Konflikts<br />
(Dauer, Schweregrad) berücksichtigen,<br />
und von subjektiven Kriterien, die<br />
das Erlebte und den Willen zur Mediation<br />
eines jeden Einzelnen berücksichtigen.<br />
Im Lauf dieser Evaluation muss zudem in<br />
vertraulichem Rahmen auch die Meinung<br />
der Schlüsselpersonen im Bereich Prävention<br />
(z.B. Arbeitsmedizin oder Personalvertretung)<br />
eingeholt werden.<br />
Die Analyse in einem konfliktgeladenen<br />
Kontext, in welchem die Emotionen<br />
häufig einen Höhepunkt erreichen, die<br />
durch Widerstände oder Instrumentalisierung<br />
verstärkt werden, darf nicht unterschätzt<br />
werden. Wir empfehlen daher, eine<br />
Mediation erst ins Auge zu fassen,<br />
wenn sämtliche für die Evaluation relevanten<br />
Informationen zum Kontext eingeholt<br />
wurden.<br />
Unabhängigkeit, Neutralität und<br />
Unparteilichkeit<br />
Die Rolle des Mediators führt uns zur etymologischen<br />
Herkunft des Wortes «mediare»,<br />
in der Mitte sein. Entsprechend sind<br />
die Neutralität, die Unabhängigkeit und<br />
die Unparteilichkeit der externen Fachperson<br />
unabdingbar, um die Spannungen<br />
zu lösen, egal wie gravierend diese sind.<br />
Die Information über die ethischen Leitli-<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 29
Einschreiten, bevor alles zusammenfällt:<br />
Mediation ist ein niederschwelliges<br />
Instrument, Spannungen zu lösen und<br />
gegenseitiges Verständnis zu fördern.<br />
Fallbeispiel<br />
Mediation zwischen zwei<br />
Arbeitskolleginnen, die<br />
mittels einer Vereinbarung<br />
zu Verbesserungen im<br />
Bereich des Verhaltens,<br />
der Organisation und der<br />
Führung die Rückkehr zu<br />
einem kollegialen Arbeitsklima<br />
ermöglicht hat.<br />
Von der Direktion einer privatwirtschaftlich<br />
tätigen Firma werden wir gebeten, uns<br />
um ein sich verschlechterndes Verhältnis<br />
zwischen zwei Mitarbeiterinnen zu kümmern;<br />
eine informelle interne Mediation<br />
hat zu keinem Erfolg geführt. Die beiden<br />
betroffenen Assistentinnen bilden ein<br />
Tandem, arbeiten für die gleiche Abteilung,<br />
teilen ein Büro, betreuen gemeinsame<br />
Dossiers und Kunden, üben die<br />
gleiche Funktion aus und haben die gleichen<br />
Vorgesetzten.<br />
Unser Prozess besteht darin, gemeinsame<br />
Überlegungen zum Erlebten jeder Person,<br />
zur möglichen weiteren Zusammenarbeit<br />
und zur aktiven Suche nach im Alltag<br />
implementierbaren Lösungen zu ermöglichen.<br />
Ziel ist eine dauerhafte Steigerung<br />
der Ausgeglichenheit und der Effizienz.<br />
Auf den ersten Blick scheint die Situation<br />
festgefahren: ein sehr verkrusteter persönlicher<br />
Konflikt, der durch die engen Platzverhältnisse<br />
noch verstärkt wird.<br />
Die erste Assistentin ist jünger, arbeitet<br />
aber schon 15 Jahre an dieser Stelle. Sie<br />
kennt die Firmenkultur, verfügt über viel<br />
Autonomie in ihrer Arbeit und ist es seit<br />
vielen Jahren gewohnt, mit einer befreundeten<br />
Kollegin im gleichen Büro zu arbeiten,<br />
deren Abgang mit der Ankunft der<br />
zweiten Assistentin zusammenfällt.<br />
Die zweite Assistentin wurde vor einem<br />
Jahr rekrutiert. Sie hat während 20 Jahren<br />
in verschiedenen Firmen gearbeitet. Sie<br />
hat eine starre Haltung auf der Beziehungsebene,<br />
die den Anschein der Überlegenheit<br />
erweckt. Sie arbeitet minutiös und erbringt<br />
eine Arbeitsleistung über die erforderliche<br />
Präsenzzeit hinaus. Die Kollegin erachtet<br />
dies als pingeliges und ineffizientes Getue.<br />
Kristallisation der Spannungen um die<br />
Persönlichkeiten, die Haltungen und die<br />
Gewohnheiten der beiden Assistentinnen:<br />
Die gegenseitige Anerkennung ihrer jeweiligen<br />
beruflichen Kompetenzen wird<br />
weitgehend durch die ungleich empfundene<br />
Arbeitsteilung beeinträchtigt.<br />
Hinzu kommt eine absolute interpersonelle<br />
«Inkompatibilität», die reflexartige<br />
Angriffsreaktionen, Rechtfertigungen oder<br />
Behauptungen sowie heftige Auseinandersetzungen<br />
auslöst. Jede ist der Ansicht, die<br />
Situation könne nur durch eine physische<br />
Trennung gelöst werden, sprich durch den<br />
Abgang der jeweils anderen Person.<br />
Im Plenum kann ein Verständnis für das<br />
Erlebte der jeweiligen Personen entwickelt<br />
werden, was wiederum ermöglicht, die<br />
Erwartungen in Sachen Beziehungsentwicklung<br />
in Richtung Funktions und<br />
Verhaltensweisen zu lenken (gemeinsame<br />
Roadmap: Haltung in der Beziehung,<br />
Arbeitsmethodik …). Dank dem kann ein<br />
Verständnis für die Absichten der anderen<br />
Person, die jeweils negativ besetzt waren,<br />
entwickelt werden.<br />
Verbesserungen auf Ebene Führung und<br />
Organisation gehen ebenfalls aus den<br />
Gesprächen hervor. Dies führt insbesondere,<br />
mit Beteiligung der Direktion, zu<br />
einer Reorganisation der Arbeitsräumlichkeiten<br />
und der Arbeitszeiten, zu getrennten<br />
Funktionen und zu einer klareren<br />
Aufteilung der Dossiers, die eine bessere<br />
Zusammenarbeit ermöglicht.<br />
30 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus<br />
Bild: © Adobe<br />
nien [2] der Mediation und die Rolle des<br />
Mediators in diesem Verfahren ist von<br />
grosser Bedeutung. Dabei ist es wichtig,<br />
dass die involvierten Parteien die Regeln<br />
und Grundsätze in diesem Verfahren akzeptieren.<br />
Deshalb wird eine externe Mediation<br />
von einem professionellen Mediator<br />
durchgeführt, auch wenn dieser vom<br />
Arbeitgeber bestimmt wird. Dies ist in der<br />
Regel wirksamer, als wenn sich interne<br />
Fachpersonen darum kümmern. Das zeigt<br />
die Tatsache, dass wir manchmal nach einer<br />
erfolglosen internen Mediation beigezogen<br />
werden.<br />
Die absolute Neutralität bietet den<br />
Vorteil, dass man einfacher eine neutrale<br />
(man lässt sich nicht durch seine persönlichen<br />
Ansichten und Werte in seinem Urteil<br />
stören) und unabhängige (man ergreift<br />
nicht Partei oder begünstigt die eine oder<br />
andere Person) Haltung einnehmen kann.<br />
Damit ist es auch einfacher, an allfälligen<br />
Widerständen zu arbeiten (verstehen, ohne<br />
zu versuchen zu überzeugen).<br />
Aber Unabhängigkeit lässt sich nicht<br />
per Dekret verordnen. Der Mediator muss<br />
sie verkörpern und die Protagonisten<br />
müssen dies auch so wahrnehmen. Da<br />
die Teilnahme an einer Mediation auf der<br />
freien und aufgeklärten Einwilligung der<br />
Konfliktparteien basiert, kann sie nicht<br />
ohne vorgängige Einzelgespräche mit den<br />
involvierten Personen erfolgen.<br />
Mediation als strukturierter,<br />
zweistufiger Prozess<br />
Stufe 1 – individuelle Gespräche<br />
Auf dieser Stufe führt man mit den Protagonisten<br />
vertrauliche freie oder mittels<br />
Leitfaden strukturierte Einzelgespräche<br />
von je 90 Minuten. Diese Stufe bedingt,<br />
dass der Mediator Zeit zum Reden und<br />
zum Zuhören bietet, die jedem ermöglicht,<br />
sich frei über das Erlebte zu äussern<br />
(individuelle Schilderung). So können<br />
mögliche Missverständnisse aus dem Weg<br />
geräumt, Ängste in Zusammenhang mit<br />
der Mediation besprochen und die hintergründigen<br />
Interessen der involvierten<br />
Personen erkundet werden. Jedes Detail<br />
zählt, um die bestmögliche Vertrauenssituation<br />
zu schaffen. Insbesondere die<br />
Gleichbehandlung jedes Protagonisten<br />
(detaillierte methodische Information zusätzlich<br />
zu den mündlichen Informationen,<br />
gleiche Redezeit, Neutralität und<br />
Vertraulichkeit des Ortes, keine Notizen<br />
usw.).<br />
Stufe 2 – Plenum<br />
Auf dieser Stufe werden die Personen für<br />
eine Dauer von ca. 3 Stunden zusammengeführt.<br />
Damit wird der Übergang zum eigentlichen<br />
Mediationsgespräch markiert.<br />
Das Mediationsgespräch ist gekennzeichnet<br />
als:<br />
– eine Zeit des kollektiven Austauschs<br />
über die Meinungsverschiedenheiten<br />
und Empfindungen. Ziel ist, ein gemeinsames<br />
Verständnis über die Meinungsverschiedenheiten<br />
und das emotionale<br />
Erleben zu entwickeln. Nicht selten entwickelt<br />
sich die Mediation zu einem gegenseitigen<br />
Zuhören, d.h., sobald der<br />
Standpunkt eines jeden Einzelnen akzeptiert<br />
und anerkannt wurde, zu einem<br />
respektvollen und offenen Gespräch.<br />
Diese Phase der «Katharsis» begünstigt<br />
die Herausbildung eines Wendepunktes,<br />
der den Übergang von der Konfrontation<br />
(gemeinsames Ziel aus den Augen verloren)<br />
zu einer Übereinstimmung über<br />
die Meinungsverschiedenheiten markiert<br />
und damit eine Zusammenarbeit<br />
zu ihrer Lösung ermöglicht.<br />
– eine Zeit der Begleitung bei der Suche<br />
nach Lösungswegen und dem gemeinsamen<br />
Aufbau einer gemeinsamen Roadmap<br />
(formalisiert oder nicht), deren organisatorische<br />
Aspekte mit dem Arbeitgeber<br />
besprochen werden. Ziel ist, zu<br />
einer für die Protagonisten und den Arbeitgeber<br />
akzeptablen oder sogar befriedigenden<br />
Lösung zu kommen. Denn die<br />
Konfliktlösung beschränkt sich nur selten<br />
auf die relationalen Aspekte, sondern<br />
beinhaltet auch die Arbeitsbedingungen,<br />
die mit dem Arbeitgeber besprochen<br />
werden müssen.<br />
Nach dem Abschlussgespräch zur Mediation<br />
empfiehlt sich in der Regel eine Nachbesprechung,<br />
um eine dauerhafte Umsetzung<br />
der Lösungen zu ermöglichen.<br />
«Die einzig gute Kontroverse<br />
ist diejenige über die<br />
gut ausgeführte Arbeit.»<br />
(Yves Clot) [3]<br />
Die Mediation besitzt heilende Eigenschaften.<br />
Sie ist eine Möglichkeit zur Lösung<br />
von Meinungsverschiedenheiten,<br />
die Flexibilität, Schnelligkeit und Effizienz<br />
verbindet sowie Kosten, Verzögerungen<br />
und die Unwägbarkeiten eines juristischen<br />
Konflikts vermeidet. Dieser Ansatz<br />
darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen,<br />
dass es sich um eine nachgelagerte<br />
Behandlungsmethode für nicht vermeidbare<br />
Schwierigkeiten handelt und nicht<br />
um eine präventive Massnahme zur Bekämpfung<br />
der Risiken an der Quelle. Wir<br />
haben auch gesehen, dass sie keinesfalls<br />
auf alle Situationen angewendet werden<br />
kann. In der Regel weil die Betroffenen<br />
kein Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit<br />
haben, da jeder das Gefühl hat,<br />
er habe seinen Teil bereits geleistet oder<br />
müsse dies schon gar nicht erst tun. Die<br />
Mediation wird also in der Verlängerung<br />
einer effektiven Präventionskultur der<br />
psychosozialen Risiken ihre volle Wirkung<br />
entfalten und, so hoffen wir, zur Besänftigung<br />
von Meinungsverschiedenheiten<br />
beitragen können.<br />
Bibliographie<br />
1. Hannah Arendt, Elemente und<br />
Ursprünge totaler Herrschaft, 1951,<br />
Harcourt Brace & Co<br />
2. Code de conduite européen pour les<br />
médiateurs, 2004<br />
3. Yves Clot, Le travail à cœur. Pour en<br />
finir avec les risques psychosociaux, 2010,<br />
La découverte psychiatrie moderne,<br />
Editions du Temps, Paris, 1998, p. 12.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 31
Fokus<br />
Schmetterlinge<br />
im Kopf<br />
Wenn es vor einem Auftritt nicht im Bauch flattert, sondern in Kopf<br />
und Magen, hat man Lampenfieber. Das trifft nicht nur jene, die im<br />
Rampenlicht stehen, sondern viele, die etwas präsentieren müssen.<br />
Es gibt Wege, damit positiv umzugehen.<br />
Julia Heinrichs Diplompsychologin, Regisseurin und Trainerin für<br />
Kommunikation und Auftrittskompetenz. www.facetta.ch<br />
Gäbe es kein Lampenfieber,<br />
bräuchte es auch keine Souffleusen<br />
und die Welt des Theaters<br />
wäre vielleicht eine andere.<br />
Es ist kein Zufall, dass die Ursprünge<br />
des in Frankreich seit Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
gebräuchlichen Ausdrucks<br />
«fièvre de rampe», im Deutschen auch<br />
«Rampenfieber», der Theaterwelt zugeschrieben<br />
werden und er im Jargon der<br />
Schauspieler für die Aufregung vor dem<br />
Auftritt steht.<br />
Die Herkunft des Begriffs könnte aber<br />
auch technischer geprägt sein, da die<br />
Gaslampen, die die Theaterbühne beleuchteten,<br />
die Darstellerinnen und Darsteller<br />
durch ihre Hitze zu Schweissausbrüchen<br />
getrieben haben. Die meisten<br />
Bühnenkünstler, wie Sänger, Musikerinnen,<br />
Schauspielerinnen und Tänzer, erleben<br />
vor ihrem Auftritt Symptome von<br />
Nervosität, Aufregung, Stress, Anspannungen<br />
oder auch Eustress.<br />
Heute wird Lampenfieber umgangssprachlich<br />
in vielen Situationen verwendet,<br />
bei denen sich jemand meistens vor<br />
einer Gruppe Menschen exponiert, um<br />
eine bewertbare Leistung zu erbringen.<br />
Das kann die Situation vor einer Kamera<br />
sein, ein Bewerbungsgespräch, ein Referat,<br />
oder auch eine Ansprache bei einer<br />
Familienfeier – Ereignisse, bei denen viele<br />
Menschen Versagensängste haben. In der<br />
psychologischen Forschung werden unter<br />
dem Begriff «performance anxiety» neben<br />
Lampenfieber auch Formen wie z. B. «Auftrittsangst»,<br />
«Podiumsangst», «Vorstartangst»<br />
(im Sport) und «Kanonenfieber»<br />
(befällt u. U. Soldaten) untersucht.<br />
Vom Kribbeln zur Panik<br />
In diesen Situationen treten ganz archaische<br />
Phänomene auf. Je nachdem, wie wir<br />
die Situation – meist unbewusst – bewerten,<br />
kann aus einem positiven leichten<br />
Kribbeln – ähnlich dem Gefühl von Verliebtheit<br />
– eine Panikattacke werden. Dazu<br />
reicht mitunter die Anwesenheit einer<br />
bestimmten Person z. B. eines Kritikers.<br />
Zum Glück ist Lampenfieber aber kein<br />
grundlegender Charakterzug, sondern –<br />
im ausgeprägten Zustand – ein vorübergehender<br />
Angstzustand oder eine soziale<br />
Phobie, die sich in bestimmten, individuell<br />
wahrgenommenen Situationen als<br />
Herausforderung zeigt.<br />
Das physisch und psychisch spürbare<br />
positive Phänomen des Lampenfiebers<br />
äussert sich in Form vermehrter Neurotransmitter-<br />
und Stresshormonausschüttung.<br />
Der Körper reagiert mit Erhöhung<br />
des Cortisol- und des Adrenalinspiegels,<br />
die die Durchblutung in Gehirn und Muskeln<br />
fördern. Das führt zu gesteigerter<br />
Konzentration und Fokussierung, schneller<br />
Reaktionsfähigkeit, grosser Wachheit<br />
und Präsenz in einem produktiven Energielevel.<br />
Vor langer Zeit wurde im Yerkes-<br />
Dodson-Gesetz beschrieben, dass zwischen<br />
der physiologischen Aktivierung<br />
und der Leistungsfähigkeit ein umgekehrt<br />
U-förmiger Zusammenhang besteht.<br />
Demzufolge führt zu viel Lampenfieber<br />
zu negativ konnotierten Symptomen wie<br />
feuchten Händen, zittriger Stimme (oft<br />
höher werdend), weichen Knien, innere<br />
Unruhe, eventuell Übelkeit, Bauchschmerzen,<br />
Durchfall, Vergesslichkeit bis<br />
hin zum Blackout. Obwohl es uns völlig<br />
klar ist, dass es keine reale Bedrohung<br />
gibt, hat der Kopf in diesem Moment keinen<br />
direkten Zugriff auf den Körper und<br />
keine oder nur eine eingeschränkte Kontrollmöglichkeit<br />
über ihn. Die vermeintliche<br />
Gefahrensituation hat unser Reptilienhirn<br />
aktiviert, und wir sind mit den<br />
entsprechenden körperlichen Reaktionen<br />
auf Flucht oder Kampf vorbereitet. Dem<br />
Grosshirn ist klar, dass weder Flucht noch<br />
Kampf nötig sind, trotzdem fürchtet sich<br />
die Person. Die Furcht kann zu tonischer<br />
Immobilität führen, um sich vor dem vermeintlichen<br />
Angreifer tot zu stellen. Dies<br />
wird oft als lähmender, hilfloser und<br />
blockierender Zustand auf der Bühne beschrieben.<br />
So ist es nicht verwunderlich,<br />
dass in der darstellenden Kunst häufig zu<br />
äusseren Mitteln gegriffen wird, um das<br />
überschüssige Lampenfieber in den Griff<br />
zu bekommen. Während Doping im Sport<br />
mittlerweile moralisch verwerflich ist,<br />
werden Drogen, Alkohol und Medikamente<br />
in der Bühnenkunst immer noch weitgehend<br />
tabuisiert statt thematisiert. Dabei<br />
wird je nach Branche auf etwas anders zugegriffen.<br />
Gerade im Theater nehme ich<br />
eine Abnahme von Drogen- (u. a. Kokain,<br />
Alkohol) und eine Zunahme von Medika-<br />
32 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Auf die Bühne ins grelle Licht<br />
zu treten, kostet Energie.<br />
Damit das Lampenfieber zu<br />
einer positiven Kraft wird,<br />
helfen bestimmte Techniken<br />
und Rituale.<br />
Bild: © Anna Jurkovska / Adobe<br />
menteneinnahmen wahr. Es ist bekannt,<br />
dass über ein Viertel der Orchestermusiker<br />
Betablocker einnehmen, um den Auftritt<br />
zu bewältigen. Dies hat zur Folge, dass<br />
das Selbstbild leidet und die betreffende<br />
Person sich als Mogelpackung empfinden<br />
kann (Impostor-Syndrom). Die eigenen<br />
Ressourcen zur Bewältigung von Auftrittssituationen<br />
werden nicht mehr adäquat<br />
wahrgenommen.<br />
Fallbeispiel<br />
Wege aus der Blockade<br />
Dabei ist Lampenfieber im Grunde gut in<br />
den Griff zu bekommen. In der Arbeit mit<br />
Schauspielerinnen und Schauspielern in<br />
meinen Coachings arbeite ich parallel auf<br />
kognitiver, z. B. mit dem Lazarus-Stress-<br />
Modell, und auf körperlicher Ebene. Dabei<br />
setze ich zunächst auf Bottom-up-Techniken,<br />
um im vegetativen Nervensystem<br />
den Parasympathikus als Antagonisten zu<br />
Prägend war für mich die Arbeit mit einer Schauspielerin, die eine belastende und<br />
herausfordernde Rolle in einer meiner Inszenierungen spielte. Wegen einer zunehmend<br />
mangelhaften Abgrenzung der Person zur Rolle bekam sie Angst zu spielen.<br />
Durch die entstehende Angst vor der Angst nahm sie die Rolle ins Privatleben mit.<br />
Wir probierten daraufhin verschiedene Methoden wie Feldenkrais®, Alexandertechnik®,<br />
Yoga, Gyrokinesis®, Progressive Muskelentspannung und Meditation aus, damit<br />
sie sich ein individuelles Ritual schaffen konnte, um sich selbst zu schützen. Zu Beginn<br />
aktivierte sie den VagusNerv nach der Traumatherapie von Peter Levine, führte Atemtechniken<br />
durch und wendete die KlopfAkupressur (EFT) an. Auch scheinbar banale<br />
Techniken sind oft sehr effektiv. Z.B. für zwei Minuten Powerposen einzunehmen,<br />
was sie zum Abschluss durchführte, um dem Körper (Bottomup) mitzuteilen, dass die<br />
Situation hier freundlich und entspannt sei. Ihre Rituale führten sie zu einem kraftvollen,<br />
präzisen, kontrollierten und beeindruckenden Spiel sowie einer positiv erlebten<br />
Trennung von Rolle und Person nach dem Auftritt.<br />
stärken und mit dem Sympathikus in Ausgleich<br />
zu bringen. Um natürliches Lampenfieber<br />
langfristig positiv nutzen zu<br />
können, setze ich auf Methodenvielfalt in<br />
Form von Ritualen, die geübt und wiederholt<br />
werden müssen, damit sie ihre volle<br />
Wirkung entfalten. Die Techniken, mit denen<br />
das Lampenfieber positiv genutzt<br />
werden kann, sind den Techniken sehr<br />
ähnlich, mit denen die Balance im vegetativen<br />
Nervensystem hergestellt, und der<br />
oft ersehnte Flowzustand («der moderne<br />
heilige Gral») erreicht werden kann<br />
(s. Kasten).<br />
Auch für Psychologen und Ärzteschaft<br />
kann es meines Erachtens sinnvoll<br />
sein, für besonders belastende Situationen<br />
oder für ein permanent belastendes<br />
Umfeld persönliche Rituale zu entwickeln.<br />
So kann man die Arbeit langfristig<br />
gesund und freudvoll ausführen und<br />
nimmt sie nicht «mit nach Hause». Entscheidend<br />
ist, dass die Person – in welcher<br />
belastenden Situation auch immer – lernt,<br />
dass sie selbst etwas tun kann, um der<br />
empfundenen Ohnmacht aktiv etwas entgegenzusetzen.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 33
Fokus<br />
Erlösung bringen<br />
saure Gurken<br />
Muskelkrämpfe sind ein alltägliches Phänomen. In der Regel löst sich<br />
die Spannung durch Dehnen oder den Biss in eine saure Gurke.<br />
Halten Krämpfe an oder treten sie regelmässig auf, ist eine genauere<br />
Abklärung angebracht.<br />
Dr. med. Roland Stieger, Dr. med. Manuela Birrer, Gefässzentrum, Kantonsspital Baden<br />
34<br />
4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus<br />
Bild: Nicole Herzel/ hwieherzel.com<br />
Beim Sport, mitten in der Nacht<br />
oder sitzend – der Muskelkrampf<br />
ist ein häufig vorkommendes<br />
Phänomen, das uns<br />
und unsere Patienten aus dem Takt werfen<br />
kann. Meist sind Wade oder Oberschenkel<br />
betroffen, die unfreiwillige<br />
Kontraktion der Skelettmuskulatur ist<br />
schmerzhaft und kann hartnäckig sein.<br />
Es gibt verschiedene Hypothesen über<br />
die Entstehung von Muskelkrämpfen. Die<br />
vielversprechendste beschreibt fehlerhafte<br />
Reflexmuster im neuromuskulären<br />
Funktionsbereich. Dem gegenüber steht<br />
eine seit langem diskutierte These, dass<br />
Muskelkrämpfe als Folge einer Dehydrierung<br />
oder einer Elektrolyt-Dysbalance<br />
entstehen. Letztere wurde erstmals bereits<br />
vor über einem Jahrhundert wissenschaftlich<br />
dokumentiert. Und was ist generell<br />
mit Muskelschmerzen? Dieser Artikel<br />
streift diese Thematik in Kürze. Wem<br />
nun doch nur nach American Football,<br />
Red Flags und saure Gurken ist, soll aufstehen,<br />
die Beine dehnen und direkt zum<br />
letzten Teil des Artikels schreiten.<br />
Der Muskelkrampf auf molekularer<br />
Ebene<br />
Wie ein Muskelkrampf im Detail entsteht,<br />
ist bis heute nicht vollständig geklärt. Der<br />
erste wissenschaftliche Nachweis von «exercise-associated<br />
muscle cramps» (EAMC)<br />
stammt aus dem Jahr 1908, als dieses<br />
Phänomen bei Bergarbeitern beschrieben<br />
wurde, die in einer Umgebung mit hoher<br />
Luftfeuchtigkeit und grosser Hitze arbeiten<br />
mussten. [1]<br />
Hieraus stammt unter anderem auch<br />
die These, dass Muskelkrämpfe im Rahmen<br />
von Elektrolytverarmung und Dehydratation<br />
entstehen. Die These wurde bis<br />
heute weiterverfolgt. Man postuliert, dass<br />
es bei massivem Schwitzen ohne adäquaten<br />
Flüssigkeits- und Elektrolytersatz zu<br />
einer erhöhten Osmolarität der extrazellulären<br />
Flüssigkeit kommt, was eine Migration<br />
von interstitieller Flüssigkeit nach<br />
sich zieht. Dadurch kommt es zu einem<br />
erhöhten Druck auf Nervenstrukturen<br />
und einer veränderten Erregbarkeit der<br />
Muskelzellen. Die entsprechenden Elektrolytverschiebungen<br />
konnten in vivo jedoch<br />
bisher nicht bestätigt werden. So zeigen<br />
Untersuchungen an Marathonläufern<br />
und Triathlonsportlern, dass es keinen signifikanten<br />
Unterschied zwischen der<br />
Konzentration der Blutelektrolyte (Kalium,<br />
Magnesium, Natrium etc.) gibt bei<br />
Sportlern mit EAMC und bei EAMC-freien<br />
Probanden. [2]<br />
Dem steht eine neue, neuromuskuläre<br />
Hypothese gegenüber. Es soll sich um einen<br />
fehlerhaften Rückenmarkreflex handeln,<br />
an dem zwei Messfühler beteiligt<br />
sind: Die Muskelspindeln, welche die<br />
Muskellänge messen, sowie das Golgi-<br />
Sehnen-Organ, das die Spannung eines<br />
Muskels erfasst und reflektorisch eine<br />
Hemmung der Muskelkontraktion bewirkt:<br />
Durch die Erschöpfung der Muskelfaser<br />
entsteht ein Ungleichgewicht zwischen<br />
dem steigenden Erregungsantrieb<br />
an den Muskelspindeln und dem abnehmenden<br />
hemmenden Antrieb aus den<br />
Golgi-Sehnen-Organen. Dies führt zu<br />
einer erhöhten -Motoneuronen-Aktivität<br />
und in der Folge zu Muskelkrampf. [2]<br />
Die klinische Ätiologie von<br />
Muskelkrämpfen<br />
Es lassen sich drei Gruppen von Muskelkrämpfen<br />
definieren:<br />
1. idiopathisch (am häufigsten)<br />
2. Im Rahmen von Erschöpfung<br />
«exercise- associated muscle cramps»<br />
(EAMC)<br />
3. Sekundär bei anderen medizinischen<br />
Erkrankungen [3]<br />
Zu den sekundären Ursachen von Beinkrämpfen<br />
gehören:<br />
– strukturelle/mechanische Ursachen:<br />
Plattfüsse, Hypermobilitätssyndrom<br />
etc. Langes Sitzen mit ungünstiger<br />
Beinhaltung<br />
– neurologische Erkrankungen: Morbus<br />
Parkinson, Myopathien, Neuropathien<br />
– Stoffwechsel-/Flüssigkeits- und Elektrolytstörungen.<br />
Extrazelluläre Volumendepletion<br />
kann z. B. durch Diuretika,<br />
übermässiges Schwitzen ohne ausreichenden<br />
Salzersatz oder Flüssigkeitsentzug<br />
während der Hämodialyse<br />
entstehen. Stoffwechselstörungen, die<br />
mit Beinkrämpfen assoziiert sein<br />
können wie z. B. Diabetes, Hypoglykämie,<br />
Alkoholismus, Hypothyreose etc.<br />
– Medikamente: inhalative lang wirksame<br />
Beta-Agonisten (LABA), kaliumsparende<br />
und thiazidartige Diuretika und<br />
Statine<br />
– etc.<br />
Schnittstelle zum Krampf:<br />
Myalgie oder Muskelschmerzen<br />
Muskelschmerzen sind ein häufig auftretendes<br />
medizinisches Problem. Übermässige<br />
Anstrengung, Traumata und virale<br />
Infektionen gehören zu den gängigen<br />
Auslösern. Während viele Ursachen gutar-<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 35
eher für eine organische Ursache. Treten<br />
Krämpfe oder Schmerzen sporadisch auf<br />
und ohne klaren Provokationsfaktor, kann<br />
es teils sehr aufwendig sein, die Ursache<br />
zu eruieren. Es gilt pragmatisch zu bleiben,<br />
Phänomene dieser Art sind eher als<br />
harmlos zu werten, es liegt selten eine organische<br />
Pathologie vor.<br />
Beinahe alle kennen es,<br />
dieses Stechen und<br />
Brennen in der Wade oder<br />
im Oberschenkel. Muskelkrämpfe<br />
sind weit verbreitet,<br />
ihre Ursachen aber immer<br />
noch nicht restlos geklärt.<br />
tig und selbstbegrenzend sind, kann die<br />
Myalgie aber auch der Vorbote einer Erkrankung<br />
mit erheblicher Morbidität sein.<br />
Es ist deshalb sinnvoll, diffuse von fokalen<br />
Muskelschmerzen zu unterscheiden und<br />
Literatur<br />
1. Edsall et al, 1908. A disorder due to<br />
exposure to intense heat: Characterized<br />
clinically chiefly by violent muscular<br />
spasms and excessive irritability of the<br />
muscles. Preliminary note. J. Am. Med.<br />
Assoc. LI, 1969–1971.<br />
2. Bergeron et al. Muscle Cramps<br />
during Exercise – Is It Fatigue or Electrolyte<br />
Deficit? Current Sports Medicine Reports<br />
2008; 7: 50–55.<br />
3. Gaia et al, Muscle cramps: A<br />
comparison of the two-leading hypothesis,<br />
<strong>Journal</strong> of Electromyography and<br />
Kinesiology 41 (2018): 89–95.<br />
4. UpToDate, Approach to the patient<br />
with myalgia, Literature review current<br />
through: Apr <strong>2021</strong>.<br />
5. UpToDate, Nocturnal leg cramps,<br />
Literature review current through: Apr<br />
<strong>2021</strong>.<br />
6. Symptomatic treatment for muscle<br />
cramps (an evidence-based review) Report<br />
of the Therapeutics and Technology<br />
Assessment Subcommittee of the American<br />
Academy of Neurology February 22,<br />
2010, DOI: https://doi.org/10.1212/<br />
WNL.0b013e3181d0ccc<br />
7. Wolter, Tipps bei Muskelkrämpfen.<br />
Saure Muskeln? Saure Gurken! physiopraxis<br />
2017; 15(01): 46-48, DOI:<br />
10.1055/s-0042-119499<br />
8. Miller KC et al. Reflex inhibition of<br />
electrically induced muscle cramps in hypo<br />
hydrated humans. Med Sci Sports Exerc<br />
2010; 42: 953–961.<br />
nach Provokationsfaktoren zu suchen.<br />
Myalgien haben teilweise ähnliche Ursachen<br />
wie banale Beinkrämpfe. Es sollten<br />
aber insbesondere bei diffusen Myalgien<br />
weitere systemische Differentialdiagnosen<br />
z. B. aus dem Formenkreise der rheumatischen<br />
Erkrankungen, Vitamin-D-<br />
Mangel bis hin zu somatischen Manifestationen<br />
der Depression in Betracht gezogen<br />
werden. [4]<br />
Die häufigsten Ursachen für eine lokalisierte<br />
Myalgie sind Überlastung, Weichteilerkrankungen<br />
(wie Bursitis, Trauma<br />
oder Infektion), myofasziales Schmerzsyndrom,<br />
Muskelinfarkt oder Kompartmentsyndrom.<br />
Unabhängig vom Muskelgewebe können<br />
Patienten Schmerzen als Muskelschmerzen<br />
beschreiben, auch wenn andere<br />
Gewebetypen involviert sind wie z. B.<br />
bei einem Erysipel die Subcutis oder bei<br />
einer tiefen Beinvenenthrombose die Gefässe.<br />
Beispiele von Muskelschmerz nach<br />
Tageszeit oder Provokationsform<br />
Belastungsabhängige Myalgien im Rahmen<br />
einer Claudicatio intermittens der<br />
Beinmuskulatur sind das Kardinalsymptom<br />
der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit<br />
der unteren Extremitäten.<br />
Nächtliche Wadenkrämpfe sind ein<br />
häufiges Phänomen und können die Nachtruhe<br />
erheblich stören. Die Symptome resultieren<br />
aus unwillkürlichen Muskelkontraktionen,<br />
die meist die Wade oder den<br />
Fuss betreffen. Sie müssen von anderen<br />
nächtlichen Beinbeschwerden oder -bewegungen,<br />
einschliesslich des Restless- Legs-<br />
Syndroms [5] abgegrenzt werden.<br />
Treten die Muskelphänomene immer<br />
unter derselben Situation auf, spricht dies<br />
Was wirkt bei idiopathischen und<br />
ermüdungsbedingten Muskelkrämpfen?<br />
– Dehnen: hilft im Akutfall und prophylaktisch<br />
(z. B. auch vor dem ins Bett gehen).<br />
– Magnesium: wird seit langem bei Krämpfen<br />
eingesetzt, die tatsächliche Wirkung<br />
konnte aber nie bewiesen werden.<br />
– Chinin: verhindert Krämpfe, birgt allerdings<br />
hohe toxische Risiken. [6] Zur Erinnerung:<br />
Chinin ist ein Malariamedikament!<br />
Schweppes Tonic Water enthält<br />
71 mg Chinin pro Liter, zu wenig, um<br />
Wirkung oder Nebenwirkung zu haben.<br />
– Gewürzgurkenwasser: 1 ml/kg Körpergewicht<br />
reduziert die Krampfdauer signifikant.<br />
Die «Essiggurkenstory»:<br />
Bei extrem heissem Wetter im Jahr 2000<br />
trafen im Football die Philadelphia Eagles<br />
auf die Dallas Cowboys. Ein Dutzend der<br />
Cowboys mussten aufgrund von Krämpfen<br />
das Spiel abbrechen, während die Eagles<br />
keinen Spieler verloren und das Spiel<br />
gewannen. Ihre Geheimwaffe war Gurkenwasser!<br />
[7] Dies veranlasste eine wissenschaftliche<br />
Arbeit, in der tatsächlich gezeigt<br />
werden konnte, dass Gewürzgurkenwasser<br />
die Alpha-Motoneuronen-Aktivität<br />
in krampfender Muskulatur reduziert –<br />
bei unbekanntem Mechanismus. Es wird<br />
spekuliert, dass allenfalls der Geschmack<br />
der Essigsäure im Rachen dabei entscheidend<br />
ist, denn der Wirkungseintritt soll<br />
sofort sein! [8]<br />
Red Flags bei Muskelkrämpfen /<br />
Muskelschmerzen sind:<br />
– sekundäre Formen insbesondere bei<br />
neurologischen oder Stoffwechselerkrankungen<br />
– der auf ähnliche Provokation konstant<br />
immer wieder auftretende Muskelschmerz.<br />
Bild: © Adobe<br />
36 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus<br />
Bild: Nicole Herzel/ hwieherzel.com<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 37
Fokus<br />
No health<br />
without mental<br />
health<br />
Psychische Erkrankungen sind in ressourcenarmen Ländern genauso<br />
verbreitet wie in Industriestaaten. Die fachgerechte Versorgung jedoch<br />
ist kaum vorhanden. Es besteht ein Spannungsfeld aus Bedarf und<br />
Angebot, das schnell abgebaut werden muss.<br />
Monika Müller, MD-PhD, und Catrina Mugglin, MD-PhD,<br />
Co-Präsidentinnen für Delta – develop life through action, 3000 Bern, Schweiz<br />
Wenn wir uns Gedanken zur<br />
medizinischen Entwicklungshilfe<br />
machen, ist die<br />
erste Assoziation oft die<br />
Bekämpfung von Mangelernährung, Verbesserung<br />
sanitärer Einrichtungen zur<br />
Unterbrechung von Transmissionsketten<br />
infektiöser Erkrankungen, Behandlung<br />
von HIV, Malaria und Tuberkulose und<br />
Impfprogramme. Dies, obwohl die epidemiologische<br />
Transition auch die ressourcenarmen<br />
Länder erreicht hat und die<br />
«non-communicable diseases», zu denen<br />
auch psychische Erkrankungen gehören,<br />
wichtiger werden [1, 2].<br />
Lange Zeit dachte man, dass psychische<br />
Erkrankungen lediglich ein Problem<br />
der Industriestaaten darstellen. Verschiedene<br />
internationale Untersuchungen haben<br />
gezeigt, dass psychische Erkrankungen<br />
in ressourcenarmen Ländern zunehmen<br />
[3, 4]. Die «global burden of disease<br />
study» ist die umfassendste Studie zur<br />
Untersuchung verschiedener Erkrankungen<br />
in Bezug auf ihre Mortalität und Morbidität.<br />
Forscher untersuchen systematisch<br />
369 Erkrankungen und deren Folgeerscheinungen<br />
in 204 Ländern. Dabei<br />
wird nicht nur ihre Häufigkeit untersucht,<br />
sondern auch, wie einschränkend eine<br />
Erkrankung im Alltag ist und wie sie die<br />
Lebensqualität der Betroffenen beeinflusst.<br />
Psychische Erkrankungen sind mit<br />
Box 1<br />
grossen Beeinträchtigungen im Alltag verbunden<br />
und sind in allen Altersgruppen<br />
und beiden Geschlechtern für 14 Prozent<br />
der «years lived with disability» verantwortlich<br />
(siehe Box 1) [3, 5]. Weltweit ist bei<br />
Menschen im erwerbsfähigen Alter Depression<br />
der zweithäufigste Grund für<br />
verminderte Lebensqualität und Suizid<br />
die dritthäufigste Todesursache [3].<br />
Die Konsequenzen von psychischen<br />
Erkrankungen reichen über Gesundheitseinschränkungen<br />
der Betroffenen hinaus<br />
Indikatoren zur Erfassung der Krankheitsbelastung<br />
Verschiedene Indikatoren ermöglichen die Quantifizierung der Krankheitslast und<br />
bieten somit die Möglichkeit, Folgen von Erkrankungen für die Bevölkerung direkt<br />
miteinander zu vergleichen.<br />
YLL (Years of life lost): Verlorene Lebensjahre aufgrund vorzeitigen Todes. Eine Krankheit<br />
kann dazu führen, dass eine Person frühzeitig stirbt, also ohne diese Krankheit noch<br />
jahrelang hätte leben können. Der vorzeitige Tod wird im Vergleich zur Lebenserwartung<br />
eines bestimmten Landes ermittelt.<br />
YLD (Years lived with disability): Lebensjahre mit Einschränkungen. Krankheiten<br />
gehen oft mit Einschränkungen im Alltag einher. Wie stark diese Einschränkungen sind,<br />
wird über sogenannte «disability weights» bewertet. Diese nehmen für perfekte Gesundheit<br />
den Wert 0 und für Tod den Wert 1 an. In Umfragen wird dann ermittelt, als wie<br />
schlimm ein bestimmter Krankheitszustand bewertet wird. Diese Gewichte werden mit<br />
der Zeit, die in diesem Zustand verbracht wird, multipliziert, und ergeben die «years<br />
lived with disability».<br />
DALY (Disability-adjusted life years): Behinderungsbereinigte Lebensjahre, es handelt<br />
sich somit um Jahre «verlorener» Gesundheit. Sie werden berechnet aus der Summe der<br />
durch vorzeitigen Tod verlorene Lebensjahre (YLL) und der mit Krankheit oder Behinderung<br />
gelebten Lebensjahre (YDL).<br />
Das Lancet ermöglicht die Visualisierung dieser Indikatoren basierend auf den Daten der<br />
«global burden of disease study», sodass der Leser regionale Unterschiede und Zeittrends<br />
verschiedener Erkrankungen und Risikofaktoren studieren kann.<br />
(https://www.thelancet.com/lancet/visualisations/gbd-compare).<br />
38<br />
4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus<br />
Bild: Nicole Herzel/ hwieherzel.com<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 39
Fokus<br />
Box 2<br />
Betreutes Wohnen «Snehatheeram» in Kerela, Südindien,<br />
für schwer psychisch kranke und obdachlose Frauen<br />
Mini ist 45 Jahre alt und leidet an einer<br />
paranoiden Schizophrenie, die über Jahre<br />
nicht behandelt wurde. Nach der Geburt<br />
ihres Kindes hat sie eine schwere Psychose<br />
entwickelt, in der sie sich stark bedroht<br />
gefühlt hat. In dieser Situation hat sie ihr<br />
neugeborenes Kind umgebracht. Dieses<br />
traurige Phänomen, «Infantizid» genannt,<br />
ist ein bekanntes Problem bei unbehandelten<br />
Psychosen nach der Niederkunft. Es<br />
unterstreicht die Wichtigkeit einer adäquaten<br />
psychiatrischen Versorgung der<br />
Betroffenen. «Ich hatte ein sehr schweres<br />
Leben. Meine Eltern waren Holzsammler,<br />
und ich habe nie die Schule besucht. Mein<br />
Mann starb, als ich schwanger war. Nach<br />
der Geburt des Kindes ging es mir nicht<br />
gut, ich habe grosse Angst gehabt, verfolgt<br />
zu werden. Schliesslich bin im Gefängnis<br />
gelandet. Die Leute haben gesagt, ich hätte<br />
mein Kind umgebracht. Ich kann mich<br />
nicht mehr an diese Zeit erinnern. Die<br />
Leiterinnen von ‹Snehatheeram› haben<br />
ermöglicht, dass ich vom Gefängnis nach<br />
Kerela umziehen konnte. Hier habe ich<br />
endlich meinen Seelenfrieden. Die Tabletten<br />
helfen mir, und ich kann die Realität<br />
wieder von der Vorstellung unterscheiden.<br />
Ich habe alles, was ich brauche, Essen mit<br />
Curry und Fisch, Kleidung und Liebe.»<br />
Ausflug mit den Bewohnerinnen an<br />
den indischen Golf<br />
Fisch ist ein wichtiges Nahrungsmittel<br />
im wasserreichen Kerela. Bewohnerinnen<br />
und Betreuerinnen säubern den frisch<br />
gefangenen Fisch, der von einem Anwohner<br />
gespendet wurde.<br />
Menschen mit schweren psychischen<br />
Erkrankungen haben oft Schwierigkeiten,<br />
den Alltag alleine zu bewältigen und sind<br />
auf längerfristige Unterstützung angewiesen.<br />
Delta unterstützt das betreute Wohnprojekt<br />
«Snehatheeram», damit obdachlose<br />
Frauen mit schwerer psychischer<br />
Erkrankung oder geistiger Behinderung<br />
trotz fehlendem sozialem Netz professionelle<br />
Behandlung und einen sicheren<br />
Wohnort erhalten. Unter anderem fördern<br />
wir die Integration der betroffenen Frauen<br />
in die Gesellschaft, indem wir regelmässig<br />
Ausflüge mit den Bewohnerinnen ermöglichen.<br />
Zudem sind die Frauen in die täglichen<br />
Arbeiten im Haushalt und der dazugehörenden<br />
Landwirtschaftszone<br />
integriert, was zur Tagesstrukturierung als<br />
wichtige psychosoziale Basisintervention<br />
beiträgt.<br />
[6]. Psychische Erkrankungen sind mit Armut<br />
[7], Stigmatisierung und sozialer Benachteiligung<br />
[8] der Betroffenen und ihrer<br />
Familien verknüpft. Sie haben auch<br />
relevante ökonomische Konsequenzen<br />
[9]. Chisholm et al haben den Zusammenhang<br />
der zu erwartenden volkswirtschaftlichen<br />
Vorteile bei adäquater Therapie<br />
von Depression und Angststörungen untersucht<br />
[9]. Der wirtschaftliche Gewinn,<br />
abgebildet durch wiedergewonnene Arbeitsfähigkeit<br />
und Produktivität dank einer<br />
adäquaten Therapie, übersteigt die<br />
durch die Behandlung entstandenen Kosten<br />
um ein Mehrfaches. Dieser Zusammenhang<br />
wurde in Industriestaaten wie<br />
auch in ressourcenarmen Ländern festgestellt.<br />
Im Jahr 2016 formulierte die UN zum<br />
ersten Mal die Promotion von psychischer<br />
Gesundheit und Prävention von psychischen<br />
Erkrankungen als Teil der «sustainable<br />
development goals» [10]. Nicht zu<br />
vergessen ist, dass absolut gesehen die<br />
meisten Menschen mit psychischen Erkrankungen<br />
in den bevölkerungsreichen<br />
Ländern des globalen Südens leben. Somit<br />
wächst der Bedarf an professionellen Versorgungsstrukturen<br />
in ressourcenarmen<br />
Ländern.<br />
Psychiatrische Unterversorgung in<br />
ressourcenarmen Ländern<br />
Gemäss WHO tragen die Versorgungssysteme<br />
dem wachsenden Problem nur ungenügend<br />
Rechnung [11], was zu einer<br />
grossen Versorgungslücke führt. Im Jahr<br />
2000 hat die WHO das «mental health atlas<br />
project» ins Leben gerufen, um weltweit<br />
die vorhandenen Ressourcen im Bereich<br />
der psychiatrischen Versorgung abzubilden<br />
[12]. Die Datenerhebung stützt<br />
sich auf die Angaben der Gesundheitsministerien<br />
der WHO-Mitgliedsstaaten. In<br />
ressourcenarmen Ländern erhalten rund<br />
90 Prozent aller Betroffenen mit einer psychischen<br />
Erkrankung keine fachgerechte<br />
Versorgung [12–14]. In Industriestaaten<br />
erhält jeder fünfte Betroffene mit schwerer<br />
depressiver Störung den minimalen<br />
Behandlungsstandard, wohingegen in<br />
ressourcenarmen Ländern lediglich einer<br />
von 27 Betroffenen eine adäquate Behandlung<br />
bekommt [15]. Im Durchschnitt ist in<br />
ressourcenarmen Ländern ein Facharzt<br />
oder eine Fachärztin für zwei Millionen<br />
Einwohner zuständig, in Industriestaaten<br />
für 11500 Einwohner [12, 16, 17]. Unterversorgte<br />
Länder geben 0,25 Dollar pro Person<br />
und Jahr für psychische Erkrankungen<br />
aus und wenden lediglich ein Prozent<br />
der jährlichen Gesamtgesundheitsausgaben<br />
für psychische Gesundheit auf, wobei<br />
hauptsächlich psychiatrische Kliniken finanziert<br />
werden [12, 16]. Sozialpsychiatrische,<br />
gemeindenahe Einrichtungen fehlen<br />
[16, 18].<br />
Die Versorgungsforschung hat gezeigt,<br />
dass die moderne psychiatrische<br />
Versorgung auf einer sorgfältigen Balance<br />
zwischen stationärer und gemeindenaher<br />
Psychiatrie beruht [19]. Während rund 97<br />
Prozent der Industriestaaten diese Angebote<br />
kombinieren, ist das in nur rund der<br />
Hälfte der ressourcenarmen Länder der<br />
Fall. Die Behandlung beschränkt sich in<br />
der Regel auf vormundschaftliche Langzeitplatzierungen<br />
in psychiatrischen Kliniken<br />
bei praktisch inexistentem ambulantem<br />
Sektor. Falls ambulante Angebote<br />
vorhanden sind, sind sie weitgehend privat<br />
organisiert und von öffentlichen finanziellen<br />
Mitteln abgeschnitten. Die Betrof-<br />
Bilder: zvg<br />
40 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus<br />
Bild: Nicole Herzel/ hwieherzel.com<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 41
Fokus<br />
fenen bezahlen den Grossteil ihrer Gesundheitsausgaben<br />
selbst. Dies verstärkt<br />
die Unterversorgung zusätzlich, da die<br />
Betroffenen sich adäquate professionelle<br />
Behandlung aus eigener Finanzkraft nicht<br />
leisten können.<br />
Box 3<br />
Delta – develop life through action ermöglicht fachgerechte<br />
Behandlung und Betreuung von Menschen<br />
mit psychischen Erkrankungen in ressourcenarmen<br />
Ländern<br />
Sie möchten sich ebenfalls für unterversorgte<br />
psychisch kranke Menschen in<br />
ressourcenarmen Ländern einsetzen, Ihre<br />
zeitlichen Ressourcen sind aber limitiert?<br />
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Arbeit durch einen jährlichen Beitrag!<br />
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Psychische Erkrankungen sind somit<br />
die am meisten vernachlässigten Gesundheitsprobleme<br />
in ressourcenarmen Ländern.<br />
Auch die internationale Gemeinschaft<br />
versagt weitgehend, wenn es um die<br />
Finanzierung von Programmen zur Förderung<br />
der psychischen Gesundheit geht:<br />
Nur 0,85 Dollar per DALY (Behinderungsbereinigte<br />
Lebensjahre, s. Box 1) geben<br />
staatliche Entwicklungsfonds für psychische<br />
Erkrankungen aus. Demgegenüber<br />
stehen 144 Dollar für HIV/AIDS und 48<br />
Dollar für Tuberkulose und Malaria [14,<br />
20]. Dies unterstreicht die Wichtigkeit von<br />
NGO im Bereich psychischer Gesundheit.<br />
Delta – develop life through action ermöglicht<br />
als Schweizer Start-up-NGO fachgerechte<br />
Behandlung von Menschen mit<br />
psychischen Erkrankungen in ressourcenarmen<br />
Ländern. Wir engagieren uns in der<br />
Ausbildung von Fachkollegen, übernehmen<br />
Behandlungskosten für Patienten,<br />
die sich eine adäquate Therapie aus eigener<br />
Finanzkraft nicht leisten können, unterstützen<br />
einheimische Institutionen im<br />
Aufbau ihrer Gesundheitsdienstleistungen<br />
und fördern die Integration von Betroffenen<br />
in Beruf und Gesellschaft (Box 2<br />
und 3).<br />
Referenzen<br />
1. Santosa, A., and P. Byass, Diverse<br />
Empirical Evidence on Epidemiological<br />
Transition in Low- and Middle-Income Countries:<br />
Population-Based Findings from INDEPTH<br />
Network Data. PLoS One, 2016. 11(5): p. e0155753.<br />
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prevalence, and years lived with disability for<br />
354 diseases and injuries for 195 countries and<br />
territories, 1990–2017: a systematic analysis for<br />
the Global Burden of Disease Study 2017. Lancet,<br />
2018. 392(10159): p. 1789–1858.<br />
3. Collaborators, G.B.o.D., Global, regional,<br />
and national incidence, prevalence, and years<br />
lived with disability for 354 diseases and injuries<br />
for 195 countries and territories, 1990–2017:<br />
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Disease Study 2017. Lancet, 2018. 392(10159):<br />
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common mental disorders: a systematic review<br />
and meta-analysis 1980–2013. International<br />
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5. Whiteford, H. A., et al., Global burden of<br />
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Disease Study 2010. Lancet, 2013. 382(9904):<br />
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6. Patel, V., et al., The Lancet Commission on<br />
global mental health and sustainable development.<br />
The Lancet, 2018. 392(10157): p. 1553–1598.<br />
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middle-income countries. Lancet, 2011. 378(9801):<br />
p. 1502–14.<br />
8. Thornicroft, G., et al., Evidence for<br />
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stigma and discrimination. The Lancet,<br />
2016. 387(10023): p. 1123–1132.<br />
9. Chisholm, D., et al., Scaling-up treatment<br />
of depression and anxiety: a global return on<br />
investment analysis. Lancet Psychiatry, 2016.<br />
3(5): p. 415–24.<br />
10. United Nations, Sustainable Development<br />
Goals. Geneva. 2016. https://sustainabledevelopment.un.org/<br />
11. WHO, Mental Health Action Plan<br />
2013–2020. WHO Press, World Health Organization,<br />
Geneva, Switzerland, 2013. www.who.int<br />
12. WHO, Mental Health Atlas 2017.<br />
World Health Organisation. Geneva. 2017.<br />
13. Patel, V., and M. Prince, Global mental<br />
health: a new global health field comes of age.<br />
JAMA, 2010. 303(19): p. 1976–7.<br />
14. Patel, V., et al., The Lancet Commission<br />
on global mental health and sustainable<br />
development. Lancet, 2018. 392(10157): p. 1553–<br />
1598.<br />
15. Thornicroft, G., et al., Undertreatment of<br />
people with major depressive disorder in 21<br />
countries. Br J Psychiatry, 2017. 210(2): p. 119–124.<br />
16. Saxena, S., et al., Resources for mental<br />
health: scarcity, inequity, and inefficiency.<br />
The Lancet, 2007. 370(9590): p. 878–889.<br />
17. Kakuma, R., et al., Human resources for<br />
mental health care: current situation and<br />
strategies for action. Lancet, 2011. 378(9803):<br />
p. 1654–63.<br />
18. Thornicroft, G., T. Deb, and C. Henderson,<br />
Community mental health care worldwide:<br />
current status and further developments. World<br />
Psychiatry, 2016. 15(3): p. 276–286.<br />
19. Thornicroft, G., and M. Tansella,<br />
Components of a modern mental health service:<br />
a pragmatic balance of community and hospital<br />
care: overview of systematic evidence. Br J<br />
Psychiatry, 2004. 185: p. 283–90.<br />
20. Charlson, F. J., et al., Donor Financing of<br />
Global Mental Health, 1995–2015: An Assessment<br />
of Trends, Channels, and Alignment with the<br />
Disease Burden. PLoS One, 2017. 12(1):<br />
p. e0169384.<br />
42 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
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Perspektiven<br />
Aktuelles aus der Nephrologie:<br />
Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD)<br />
Zystennieren –<br />
ein schwieriges Erbe<br />
Zysten lassen das Nierenvolumen wachsen und verschlechtern die Nierenfunktion<br />
zusehends. Die Entwicklung und Auswirkungen sind individuell jedoch sehr<br />
unterschiedlich. Die gute Nachricht: Die Krankheit ist behandelbar.<br />
Prof. Dr. med. Andreas Serra MPH, Klinik Hirslanden, Kompetenzzentrum für ADPKD, Zürich<br />
Einzelne Zysten können überall<br />
im Körper vorkommen, auch an<br />
den Nieren. Solche einzelnen<br />
Zysten sind mit dem Begriff<br />
Nierenzysten gemeint. Diese einfachen<br />
Zysten in den Nieren treten häufig auf<br />
und sind oft unproblematisch. Anders bei<br />
der autosomal-dominanten polyzystischen<br />
Nierenerkrankung (ADPKD), umgangssprachlich<br />
Zystennieren genannt.<br />
Damit wird eine genetische Erkrankung<br />
bezeichnet, welche durch eine zunehmende<br />
Anzahl an Zysten an und in den<br />
Nieren charakterisiert wird. Diese Zysten<br />
verdrängen das gesunde Gewebe nach<br />
und nach und können je nach unterschiedlichem<br />
individuellem Verlauf früher<br />
oder später zum Funktionsverlust der<br />
Nieren führen. Die Erkrankung betrifft<br />
auch andere Organe. Es ist wichtig, diesen<br />
Unterschied zu machen, da die<br />
Behandlung und Prognose von Nierenzysten<br />
und ADPKD verschieden ist.<br />
Weltweit geht man von etwa 10 bis<br />
30 Millionen Betroffenen aus, ungefähr<br />
einer von 400 bis 1000 Menschen hat die<br />
Erkrankung, unabhängig von Geschlecht<br />
und Herkunft. Die Diagnose gilt als gesichert,<br />
wenn Vater oder Mutter von ADPKD<br />
betroffen sind und in mindestens einer<br />
Niere drei Zysten vorhanden sind (über 15<br />
Jahre und bis zu einem Alter von 40 Jahren)<br />
oder mehr als zwei Zysten in beiden<br />
Nieren (bei einem Alter über 40 Jahre).<br />
Ursache klar, Entwicklung weniger<br />
Biologisch gesehen sind sogenannte Zilien<br />
der Auslöser für die Zystenbildung. Zilien<br />
sind wenige Mikrometer lange Organellen.<br />
Sie ragen bei den meisten Säugetieren<br />
aus den Oberflächen der Zellen heraus<br />
und dienen als Sensor des Extrazellulärraums.<br />
Bei ADPKD liegt eine Fehlfunktion<br />
dieser Zilien vor, wodurch Organe, hier die<br />
Nieren, in ihren physiologischen Aufgaben<br />
beeinträchtigt sind. In der Folge<br />
kommt es zu einem stetigen und wahrscheinlich<br />
lebenslangen Wachstum von<br />
Zysten in beiden Nieren. Die Zysten führen<br />
insgesamt zu einer Vergrösserung der<br />
Nieren. Gleichzeitig wird funktionsfähiges<br />
Nierengewebe verdrängt. Damit verschlechtert<br />
sich nach und nach die Nierenfunktion.<br />
Die Nierengrösse ausgedrückt als<br />
Nierenvolumen (Englisch: Total Kidney<br />
Volume, Abkürzung TKV) gibt den Rauminhalt<br />
beider Nieren an, meist angegeben<br />
in Millilitern, das entspricht dem Gewicht<br />
beider Nieren in Gramm. Das TKV von gesunden<br />
Nieren beträgt im Durchschnitt<br />
240 Gramm, das TKV von ADPKD-Betroffenen<br />
je nach Stadium bis zu mehreren<br />
Kilogramm. Das TKV ist ein wichtiger<br />
Wert zur Abschätzung der Prognose, insbesondere<br />
zur Abschätzung des zukünftig<br />
zu erwartenden Nierenfunk tionsverlustes.<br />
Hierbei wird anhand der Mayo-Klassifikation<br />
in Stadien von A bis E eingeteilt, wobei<br />
A die beste Prognose hat. Das TKV ist<br />
zudem ein wichtiges Mass der Krankheitsaktivität:<br />
Eine Zunahme des TKV von fünf<br />
und mehr Prozent pro Jahr entspricht oft<br />
einer (rasch) progressiven ADPKD-Erkrankung.<br />
Die Nierenfunktion eines jeden ADP-<br />
KD-betroffenen Menschen entwickelt sich<br />
sehr individuell; eine Beobachtung der<br />
bisherigen Entwicklung lässt einen Ausblick<br />
in die Zukunft nur mit grossen Einschränkungen<br />
zu. Selbst innerhalb der<br />
gleichen Familie kommt es häufig vor,<br />
dass bei dem einen Patienten die Nierenfunktion<br />
lange stabil ist und wenige oder<br />
auch keine Symptome und Beschwerden<br />
auftreten. Bei einem anderen Patienten<br />
derselben Familie kann jedoch die Erkrankung<br />
viel schneller fortschreiten.<br />
Mit dem Medikament Tolvaptan<br />
( Jinarc) kann der progressive Nierenfunktionsverlust<br />
vermindert werden. In der<br />
Schweiz beginnt die Möglichkeit der Verordnung<br />
bei einem Nierenvolumen von<br />
750 ml (Summe beider Nieren) und sofern<br />
die Nierenfunktion grösser als 30 ml/min/<br />
1,73 m 2 ist. Daneben müssen Kriterien erfüllt<br />
sein, welche eine rasche Progression<br />
der Krankheit anzeigen. Zusätzlich muss<br />
die Verschreibung durch den Vertrauensarzt<br />
der Krankenkasse bewilligt werden<br />
und das Zentrum muss vom Bundesamt<br />
für Gesundheit für die Tolvaptan-Therapie<br />
ermächtigt sein. Das Medikament<br />
44<br />
4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
hemmt in der Niere die Wasseraufnahme,<br />
indem es das Hormon Vasopressin im<br />
Sammelrohr der Nieren daran hindert, die<br />
Kanäle für Wasser zu öffnen. Es handelt<br />
sich somit um ein Aquaretikum. Die Therapie<br />
vermindert die Krankheitsprogression<br />
um circa 40 bis 50 Prozent.<br />
Weitere Folgen<br />
Bei der ADPKD handelt sich um eine systemische<br />
Erkrankung. Das heisst, neben<br />
den Nieren können viele andere Organsysteme<br />
betroffen sein: die Leber, das Gehirn,<br />
die Bronchien, das Bindegewebe und das<br />
Verdauungssystem.<br />
Zysten in der Leber sind ungefähr<br />
bei 75 bis 80 Prozent der von ADPKD<br />
betroffenen Patienten nachweisbar. Man<br />
spricht dann von einer Zystenleber, wenn<br />
in der Leber viele Zysten sichtbar sind. Es<br />
scheint, dass Frauen häufiger und stärker<br />
von Leberzysten betroffen sind. Für diese<br />
Vermutung spricht auch die grössere<br />
Häufigkeit von Leberzysten bei Frauen,<br />
die schon einmal schwanger waren. Aus<br />
diesem Grund rate ich von östrogenhaltigen<br />
Verhütungsmitteln ab. Auf die Nieren<br />
haben Östrogene zwar nach jetzigem Erkenntnisstand<br />
keinen Einfluss, aber auf<br />
die Häufigkeit und Grösse von Zysten in<br />
der Leber. Auf die Funktion der Leber<br />
wirkt sich auch eine grosse Anzahl von<br />
Zysten kaum aus. Selbst bei einer starken<br />
Durchdringung mit Zysten bleibt die Leberfunktion<br />
normalerweise lange fast<br />
vollständig erhalten. Das Problem ist<br />
hauptsächlich die Grösse dieses Organs.<br />
Eine Zystenleber kann fünf bis acht Kilogramm<br />
schwer werden und zu Schmerzen,<br />
Appetitmangel und Malnutrition führen.<br />
Die Behandlung der Leberzysten ist nicht<br />
einfach. In seltenen Fällen kann eine<br />
Fensterierung von Leberzysten helfen, die<br />
Schmerzen zu lindern. Das ist nur bei einzelnen<br />
grossen Zysten möglich. Für eine<br />
Vielzahl von kleinen Zysten ist diese Methode<br />
leider nicht geeignet. Es gibt auch<br />
Daten, die zeigen, dass möglicherweise<br />
der Einsatz von Somatostatinanaloga das<br />
Zystenleberwachstum vermindern kann.<br />
Der Entscheid zu einer Therapie mit<br />
Somatostatinanaloga muss sorgfältig und<br />
individuell erfolgen. Es können in den<br />
Leberzysten Infektionen entstehen. Die<br />
Diagnose von solchen infizierten Leberzysten<br />
ist schwierig. Häufig ist eine<br />
PET-CT-Untersuchung notwendig, um<br />
den Verdacht zu bestätigen. Eine Therapie<br />
mit Antibiotika ist oft für mehrere Wochen<br />
notwendig.<br />
Es besteht ein erhöhtes Risiko für das<br />
Vorliegen von Hirnaneurysma. In der<br />
Allgemeinbevölkerung treten Aneurysmen<br />
bei zwei bis drei Prozent auf, bei AD-<br />
PKD-Patienten jedoch bei neun bis zwölf<br />
Prozent. Hinzu kommt, dass das Risiko<br />
mit dem Lebensalter zunimmt, auf über<br />
20 Prozent. Zusätzlich besteht eine familiäre<br />
Häufung von Hirnaneurysma, wodurch<br />
in manchen Familien bei jedem<br />
dritten ADPKD-betroffenen Familienmitglied<br />
ein Aneurysma vorliegt. Aneurysmen<br />
verursachen meist keine Beschwerden,<br />
die Betroffenen wissen meist nichts<br />
davon. Wenn ein solches Gefäss plötzlich<br />
reisst, besteht akute Lebensgefahr durch<br />
eine Hirnblutung. Ich rate deshalb allen<br />
Patienten mit der Diagnose ADPKD zu einer<br />
MRI-Untersuchung des Gehirns mit<br />
der konkreten Fragestellung nach dem<br />
Vorliegen von Aneurysmen. Dieses Aneurysma-Screening<br />
mittels MRI TOF ist<br />
ohne Kontrastmittel möglich. Bei negativem<br />
Befund sollte das MRI alle zehn Jahre<br />
wiederholt werden.<br />
Eine Hypertonie entwickelt sich bei<br />
der Mehrzahl der Patienten im jungen Erwachsenenalter.<br />
Bei ADPKD oder auch bei<br />
der möglichen Vererbung dieses Gendefektes<br />
sollte der obere Blutdruckwert im<br />
Mittel bei 115 mmHg liegen, der untere<br />
Wert im Mittel bei 75 mmHg. Die Blutdruckeinstellung<br />
sollte sanft erfolgen, das<br />
heisst, der Zielblutdruck sollte über einen<br />
Zeitraum von Wochen oder sogar Monaten<br />
angestrebt werden. Mit Erreichung<br />
des Zielblutdrucks wird die Krankheitsprogression<br />
um circa 25 Prozent reduziert<br />
(HALT-Studie).<br />
Fazit<br />
Zusammenfassend ist die ADPKD-/Zystennierenerkrankung<br />
eine Systemerkrankung,<br />
welche behandelbar ist. Handle<br />
with care ist der Grundsatz des Kompetenzzentrums<br />
für ADPKD, welches circa<br />
400 ADPKD-Patienten betreut und davon<br />
120 Patienten mit Tolvaptan behandelt.<br />
Weiterführende Informationen finden<br />
sich im Buch «Zystennieren – ADPKD»<br />
von Rosi Brack und Andreas Serra, erschienen<br />
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Perspektiven<br />
Aus der «Therapeutischen Umschau»*<br />
Neuropathische<br />
Schmerzen:<br />
Pharmakotherapie<br />
Übersichtsarbeit<br />
Florian Reisig und Michael Harnik<br />
Klinik für Anästhesiologie und Schmerztherapie, Inselspital, Universität Bern<br />
Einführung in das Thema<br />
Laut Definition der Internationalen Gesellschaft<br />
für das Studium des Schmerzes<br />
(IASP) handelt es sich bei Neuropathien<br />
um Schmerzen, die durch eine Läsion<br />
oder eine Erkrankung des somatosensorischen<br />
Systems verursacht werden» [6].<br />
Typischerweise werden «Plussymptome»<br />
(brennende, elektrisierende, paro xysmal<br />
einschiessende Schmerzen, Allodynie<br />
und Hyperalgesie) und «Minussymptome»<br />
(Sensibilitätsstörungen) beschrieben.<br />
Aktuell wird von einer Prävalenz von 6.9 %<br />
bis 10 % in der Allgemeinbevölkerung ausgegangen<br />
[7].<br />
* Der Artikel erschien ursprünglich in der<br />
«Therapeutischen Umschau» (2020), 77(6),<br />
274–280. mediservice <strong>vsao</strong>-Mitglieder können<br />
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Details s. unter www.hogrefe.ch/downloads/<strong>vsao</strong>.<br />
Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung<br />
6,9 bis 10 %<br />
Es können einerseits monokausale Störungen<br />
vorliegen, aber eben auch «multifokale<br />
Neuropathien», deren Erkennung<br />
und Behandlung komplexer Strategien<br />
bedürfen. Patienten mit vorbestehender<br />
Neuropathie oder Risikofaktoren sind gefährdet<br />
für sog. «Double Crush»-Ereignisse,<br />
und sollten umsichtig behandelt werden<br />
[8]. Ein praktisches, klinisches Beispiel<br />
dafür wäre das überstrenge Einhalten<br />
der Ischämiezeiten (Tourniquet) bei<br />
Extremitäteneingriffen bei Patienten mit<br />
vorstehender, peripherer Polyneuropathie.<br />
Im Idealfall wird primär auf die Anwendung<br />
eine Blutsperre verzichtet und<br />
diese nur bei Bedarf eingesetzt.<br />
DiagnoseTrias: Schmerzanamnese,<br />
klinische Untersuchung und<br />
Fragebogen<br />
In der Diagnosestellung von neuropathischen<br />
Schmerzen haben sich technisch<br />
aufwendige Untersuchungsverfahren wie<br />
die «quantitative sensorische Testung<br />
(QST)» fest in der differenzierten Diagnostik<br />
etabliert. Aufgrund der Verfügbarkeit<br />
kommen sie meist nur bei besonderen<br />
Fragestellungen, bei Gutachten oder im<br />
Studiensetting zum Einsatz [1, 2]. In der<br />
Regel ist im primären Assessment die<br />
Schmerzanamnese und die klinische Untersuchung<br />
führend. Diese sollte gemäss<br />
den aktuellen Empfehlungen im Lancet<br />
von 2018 durch einen standardisierten<br />
Fragebogen ergänzt werden: «subjektive<br />
Schmerzerfassungen sind essentiell für<br />
die Diagnose und Bewertung vom NP, ungeachtet<br />
der Verfügbarkeit von zunehmend<br />
komplexeren Methoden, um Nervenläsion<br />
beurteilen zu können. (…)<br />
Screening Fragebögen sind ein erster<br />
Schritt zur Diagnosesicherung des neuropathischen<br />
Schmerzes (…)» [3].<br />
Im Schmerzzentrum am Berner Inselspital<br />
fiel die Wahl auf den «Douleur Neuropathique<br />
(DN-4)». Dieser wurde standardisiert<br />
in den präklinischen Screeningfragenbogen<br />
«Berner Screening Questionnaire<br />
(BSQ)» aufgenommen [4]. Die<br />
zugrundeliegende Literatur belegt für den<br />
DN-4 eine Sensitivität von 88 % und Spezifität<br />
von 93 %, sowie eine gute Korrelation<br />
(r = 0.39, p < 0.01) mit der Schwere der Neuropathie.<br />
Bei diabetischer Polyneuropathie<br />
ergab sich ein Zusammenhang mit<br />
erhöhten HbA1c-Werten (r = 0.21, p < 0.01)<br />
und war vergleichbar mit dem deutschen<br />
Gold-Standard «painDETECT» (Sensitivität<br />
61 % und Spezifität 92 %) [5]. Eine neuere<br />
Arbeit empfiehlt ebenfalls die Durchführung<br />
des DN4-Fragebogens bei Vd. a.<br />
postoperative neuropathische Schmerzen:<br />
Ein Score von mindestens 4 von 10 Punkten<br />
am Operationstag oder am ersten<br />
postoperativen Tag war ein signifikanter<br />
Risikofaktor für die Entwicklung von<br />
chronischen postoperativen neuropathischen<br />
Schmerzen [41].<br />
Kausale Ursachen gezielt behandeln –<br />
auch medikamentös<br />
Einer kausalen Behandlungsstrategie<br />
kommt bei NP natürlich der grösste Stellenwert<br />
zu. So ist die Optimierung der medikamentösen<br />
Therapie im Rahmen eines<br />
Diabetes mellitus von höchster Relevanz –<br />
neben der Ernährungsanpassung des Pa-<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 47
Perspektiven<br />
tienten. Weitere Beispiele sind die frühzeitige<br />
antivirale und die konsequente<br />
topische Therapie einer Herpes-Zoster-<br />
Infektion, die optimale immunsuppressive<br />
Therapie bei der Multiplen Sklerose (MS)<br />
oder auch die Anpassung von Chemotherapeutika<br />
im Rahmen der sogenannten «Chemotherapie-induzierten<br />
Polyneuropathie<br />
(CIP)» – wann immer dies möglich ist.<br />
Perioperative Prävention von<br />
neuropathischen Schmerzen<br />
Die sorgfältige Planung und Durchführung<br />
operativer Eingriffe zur Vermeidung<br />
von Kollateralschäden der versorg enden<br />
48<br />
Zusammenfassung<br />
Nerven im Operationsgebiet sind für Chirurgen<br />
eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem<br />
treten Neuropath ien regelhaft als<br />
postoperative Komplikation auf. Bespielhaft<br />
sei die Interkostalneuralgie nach Thorakotomie<br />
oder videoassistierte Thorakoskopie<br />
(66 %) genannt [9]. Die Affektion<br />
des Nervus saphenus nach simplen Knieeingriffen<br />
wird in der Literatur mit bis zu<br />
22 % beziffert [10] und die Verletzung des<br />
Nervus cutaneus femoris lateralis bei der<br />
Spongiosa-Entnahme am Beckenkamm<br />
mit bis zu 11 % [11]. Treten NP erst postoperativ<br />
auf, spricht man heutzutage gemäss<br />
der neuen ICD-11 Klassifikationen auch<br />
Die Identifizierung und Behandlung von neuropathischen Schmerzen (NP) stellt auch<br />
heute noch eine grosse Herausforderung für ein interdisziplinäres Behandlungsteam<br />
dar. Die spezifische Pharmakotherapie ist eine wichtige Säule einer multimodalen<br />
Therapiestrategie, die langfristig einem biopsychosozialen Modell folgen sollte. Die<br />
klassischen WHO-Stufe-I-Analgetika versagen jedoch bei der Behandlung des reinen<br />
NP. Dauertherapien mit Opioiden der Stufe II und III bergen nach heutigen<br />
Kenntnissen langfristig Risiken für die Patienten, die den mittelfristigen Behandlungserfolg<br />
kaum mehr rechtfertigen. Deshalb sind Kenntnisse zur Dosierung, Anwendung<br />
und Nebenwirkungen der First-Line-Medikamente wie Trizyklische Antidepressiva<br />
(TCA), Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hammer (SNRI) und Gabapentinoide<br />
essenziell. Man sollte stets dem Konzept «start low, go slow» folgen, eine gute Patientenedukation<br />
ist hierbei entscheidend. Auch topische Therapieformen wie Lidocain und<br />
Ambroxol können eine sinnvolle Ergänzung des Therapieregimes sein, das vom Patienten<br />
aktiv mitgetragen wird. Die Hochdosistherapie mit Capsaicin-Pflastern (8 %)<br />
bleibt jedoch in den Händen der Schmerzspezialisten. In der perioperativen Prävention<br />
neuropathischer Schmerzen konnte für systemische Medikamentengaben bisher kein<br />
nachhaltiger Nachweis erbracht werden. Für die perineurale Medikamentenapplikation<br />
von Lokalanästhetika durch Nervenblockaden ergeben sich jedoch für Thorax- und<br />
Mammachirurgische Eingriffe sowie für die Sectio caesarea Hinweise für eine Prävention<br />
von chronischen, postoperativen Schmerzen (CPOP). Bei Systemerkrankungen wie<br />
Diabetes mellitus, aktiver Herpes zoster, Multiple Sklerose, Mangelernährung u. v. m.,<br />
die eine Polyneuropathie verursachen können, hat die kausale medikamentöse Therapieoptimierung<br />
ebenfalls präventiven Charakter.<br />
Abstract: Neuropathic pain: Pharmacotherapy<br />
The identification and treatment of neuropathic pain (NP) still represents a major<br />
challenge to an interdisciplinary team. Specific pharmacotherapy is an important pillar<br />
of a multimodal therapy strategy that should finally follow a biopsychosocial approach.<br />
Unfortunately, classic WHO-Step-I analgesics fail to treat NP. According to current<br />
evidence, a permanent therapy with opioids (WHO-Step-II and -III) exposes patients to<br />
long-term risks that can hardly justify the midterm success of these substances. Therefore,<br />
knowledge of the dosage, use and side effects of the first-line drugs such as tricyclic<br />
antidepressants (TCA), serotonin-norepinephrine reuptake inhibitors (SNRI) and<br />
gabapentinoids is essential. Treatment should follow the “start low, go slow” concept,<br />
while a good patient education is crucial. Topical therapy with Lidocaine and Ambroxol<br />
actively includes the patient in the therapy regimen. High-dose therapy with capsaicin<br />
patches (8 %) remains in the hands of pain specialists. Perioperative prevention of<br />
neuropathic pain with systemic medication failed to prove efficacy by now. However,<br />
the perineural application of local anaesthetics using nerve blocks in thoracic and<br />
breast surgery as well as in caesarean section showed potential to prevent chronic,<br />
postoperative pain (CPOP). In the case of systemic diseases causing neuropathies, such<br />
as diabetes mellitus, active herpes zoster, multiple sclerosis, malnutrition, the optimization<br />
of a causal drug therapy stays eminently important.<br />
von «chronischen postoperativen Schmerzen<br />
(CPOP)» [12].<br />
Systemische Analgesie WHO Stufe I:<br />
ohne Stellenwert bei NP<br />
Der peri- und postoperativen Medikamentenapplikation<br />
kommt ein wichtiger Stellenwert<br />
zu. Eine multimodale, analgetische<br />
Systemtherapie ist die Ausgangsbasis<br />
im Rahmen operativer Versorgungen. Sie<br />
wird im Idealfall einvernehmlich zwischen<br />
operativer und anästhesiologischer<br />
Disziplin als möglichst kurzer und prägnanter<br />
Standard hinterlegt. Jedoch sind<br />
Medikamente der WHO-Stufe I (Paracetamol,<br />
Metamizol, nichtsteroidale Antiphlogistika)<br />
vorwiegend bezüglich nozizeptiver<br />
Schmerzen wirksam. Auch die Medikamente<br />
der WHO-Stufe II (Tramadol<br />
NNT: 4.7 / NNH 12.6) oder die BTM-pflichtigen<br />
Opioide der Stufe III (starke Opioide<br />
NNT: 4.3 / NNH: 12.7) zeigen nur eine sehr<br />
durchschnittliche Wirksamkeit zur Behandlung<br />
bei NP. Für die Prävention von<br />
NP gibt es für alle drei Stufen leider keinen<br />
Anhalt.<br />
Kontinuierliche Medikamentenapplikation<br />
perioperativ<br />
Höherwertig, aber technisch aufwendiger<br />
als systemische Therapien erscheint die<br />
Anlage von kontinuierlichen peripheren<br />
und zentralen Katheter-Regionalanästhesien<br />
(«kontinuierliche Nervenblockaden»).<br />
Diesen wird nun vermehrt ein Potenzial<br />
bei der Prävention von CPOP zugeschrieben.<br />
Durch mobile Pumpensysteme werden<br />
kontinuierlich Lokalanästhetika um<br />
die versorgenden Einzelnerven oder auch<br />
Nervengeflechte (Plexus, Rückenmark)<br />
gespült. Schon 2013 zeigte die thorakale<br />
Epiduralanästhesie im Rahmen von thoraxchirurgischen<br />
Eingriffen Effektivität<br />
gegen das Auftreten von CPOP [13]. Dieselbe<br />
Metaanalyse unterstreicht die Bedeutung<br />
der kontinuierlichen, thorakalen Paravertebralblockade<br />
im Rahmen der Mamma-Chirurgie<br />
mit protektiver Wirkung in<br />
einer kleinen Fallzahl [13]. 2015 wurde dies<br />
durch eine weitere prospektive Untersuchung<br />
bei 90 Patientinnen ergänzt. Hier<br />
führte die Anlage einer kontinuierlichen<br />
Paravertebralblockade für 36 Stunden zu<br />
einer Reduktion von unangenehmen und<br />
schmerzhaften Dysästhesien nach einem<br />
Jahr postoperativ von 47 % auf 13 % [14].<br />
Bei endoprothetischem Gelenkersatz haben<br />
Regionalanästhesieverfahren, die<br />
dort wegen der extremen Schmerzintensität<br />
des Eingriffes heutzutage im Prinzip<br />
regelhaft eingesetzt werden, eine solche<br />
4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Tabelle 1. Perioperative, co-analgetische Medikamentengabe (intravenöse Applikation)<br />
Loading kontinuierlich StandardSet [Lösung]<br />
Ketamin intraoperativ 0.3 mg / kg 0.3 – 0.75 mg / kg / h<br />
(max. 240 mg / h)<br />
20 mg / h 5 mg / ml<br />
Start<br />
kontinuierlich<br />
Ketamin postoperativ 5 mg / h 0.05 – 0.3 mg / kg / h<br />
(max. 30 mg / h)<br />
5 mg / h 5 mg / ml<br />
Loading<br />
kontinuierlich<br />
Lidocain intraoperativ 1 – 1.5 mg / kg 1 – 1.5 mg / kg / h<br />
(max. 100 mg / h)<br />
20 mg / h 10 mg / ml<br />
Tabelle 2. Übersicht lokaler Medikamententherapie, Dosierung und Anwendungshäufigkeit für die Therapie neuropathischer Schmerzen<br />
Präparat [Konzentration] Anwendungshäufigkeit NNT NNH<br />
Capsaicin-Creme 0.025 – 0.075 % 1 – 1 – 1 «low evidence» 2.5 (Hautirritation)<br />
Ambroxol-Creme 20 % 1 – 1 – 1 Fallserie, kaum Daten keine Daten<br />
Lidocain-Pflaster 5 % max. für 12 h / max. 3 Stück 4.4 keine Daten<br />
Capsaicin-Pflaster 8 % alle 3 Monate / 30 – 60 min 10.6 2.5 (Schmerzen)<br />
Anmerkungen: NNT = number needed to treat, NNH = number needed to harm [35,36,37].<br />
Prävention nie zeigen können. Warum ist<br />
das nun so?<br />
Kontinuierliche Regional anästhesieverfahren<br />
insbesondere bei Operation<br />
mit neuropathischen Schmerzanteil<br />
propagieren?<br />
Die richtungsweisende Recherche von<br />
Haroutounian et al. aus dem Jahre 2013<br />
bietet uns hierzu ein Erklärungsmodel.<br />
Peri- / postoperative Schmerzen im Rahmen<br />
der Thorax- und Mamma-Chirurgie<br />
sind dabei typischerweise neuropathischen<br />
Ursprungs (66 % respektive 67.7 %).<br />
Bei Gelenk endoprothese der unteren Extremität<br />
sind sie meist nozizeptiver Genese,<br />
der Anteil neuropathischer Schmerzen<br />
beträgt im Review nur 5.7 %. Bei gynäkologischen<br />
Eingriffen liegt die Inzidenz von<br />
NP jedoch wieder bei 33 % [9]. Diese Ergebnisse<br />
korrelieren mit der Bewertung des<br />
aktuellen Cochrane-Reviews von 2019, die<br />
dem Einsatz von Regionalanästhesieverfahren<br />
im Bereich der Thorax- und Mamma-Chirurgie<br />
sowie bei der Sectio caesarea<br />
eine wichtige Rolle in der Prävention<br />
von CPOP zuspricht [15]. Für Operationen<br />
der Extremitäten muss der präventive Effekt<br />
von Regionalanästhesie also erst noch<br />
erbracht werden, auch weil die bisherigen<br />
Studien von zu schlechter Qualität (sample<br />
size, Studiendesign) waren.<br />
Perioperative Ketamin und Lidocain<br />
Infusion: (bislang) ohne Effekt auf NP<br />
Die aktuelle Literaturlage unterstützt zwar<br />
eine perioperative intravenöse Ketamininfusion<br />
(Tab. 1) bzgl. Schmerzreduktion<br />
und Opioid-Einsparung, die Behandlung<br />
wird aber potenziell von nachgängigem<br />
Auftreten von Albträumen begleitet [16].<br />
Die weiteren Übersichtsarbeiten zeigen<br />
kein Potenzial für die Prävention von CPOP<br />
oder NP [17]. Eine spätere Publika tion bestätigt<br />
dies auch noch einmal explizit für<br />
den Einsatz bei Thorakotomien [18]. Für<br />
eine intravenöse Lidocaingabe (Tab. 1) findet<br />
man eine ähnliche Studienlage wie für<br />
Ketamin. Hinweise für co-analgetische Effekte<br />
perioperativ bezüglich Medikamenteneinsparung<br />
(Opioide) und reduzierten<br />
Schmerz-Scores sind gegeben, für die Prävention<br />
von neuropathischen Schmerzen<br />
postoperativ kann zurzeit jedoch keine<br />
echte Empfehlung geben werden [19]. Dies<br />
hat u. a. mit den Limitationen der bislang<br />
publizierten Studien zu tun (v. a. Publikationsbias<br />
und Studiendesign).<br />
Perioperative Prävention<br />
durch Gabapentinoide<br />
Der gut gemeinte Einsatz von Pregablin<br />
und Gabapentin im Sinne einer Prävention<br />
begann sich vor zehn Jahren immer<br />
weiter zu verbreiten. Jedoch kann die aktuelle<br />
Übersicht zur Literatur [20] die anfängliche<br />
Begeisterung zu den Präparaten<br />
nicht mehr teilen. Vielmehr müssen die<br />
erheblichen Nebenwirkungen (Sedation,<br />
Schwindel, Desorientiertheit, Sehstörungen,<br />
verlängerter Aufenthalt im Überwachungsbereich<br />
u.v.m.) gewürdigt werden,<br />
die insbesondere unsere älteren Patienten<br />
perioperativ gefährden können [21].<br />
Medikamentöse Behandlung<br />
nach Diagnosestellung<br />
Generell sollten realistische Behandlungsziele<br />
mit dem Patienten besprochen<br />
werden: Oft kann trotz allen therapeutischen<br />
Bemühungen keine Schmerzfreiheit<br />
erreicht werden. Primär sind deshalb<br />
zumindest eine teilweise Schmerzlinderung,<br />
eine bessere Lebensqualität und<br />
eine Funktionsverbesserung anzustreben.<br />
Aktuell sei hier insbesondere auf die Publikationen<br />
im Lancet Neurology von 2015<br />
[22], die NICE-Guideline «Neuropathic<br />
pain in adults: pharmacological management<br />
in non-specialist settings» des NHS<br />
(Update 2019) [23] und die S2k- Leitlinie<br />
«Diagnose und nicht-interventionelle<br />
Therapie neuropathischer Schmerzen»<br />
von 2019 verwiesen [24].<br />
Topische Anwendungen<br />
Oft ist der neuropathische Schmerz mit<br />
einer Alodynie der Hautoberfläche<br />
(«Pinsel-Test»), aber auch mit einer<br />
«Pin-Prick»-Hyperalgesie («Zahnstocher-<br />
Test») verbunden. In diesen Fällen eignet<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 49
Perspektiven<br />
Tabelle 3a. Orale Erst- und Zweitlinien-Therapie bei NP: Dosierung und Applikation<br />
Substanzgruppe Präparat Tagesdosis Einnahme<br />
TCA Amitriptylin 10 – 75 mg 0 – 0 – 0 – 1<br />
SNRI Duloxetin 30 – 120 mg 1 – 0 – 0 (1 – 1 – 0)<br />
Antikonvulsivum Gabapentin 1200 – 2400 (3600) mg 1 – 1 – 1<br />
Antikonvulsivum Pregabalin 300 – 600 mg 1 – 0 – 1<br />
WHO-Stufe-II Tramadol (ret.) max. 400 mg 1 – 0 – 1<br />
Anmerkungen: TCA = Trizyklische Antidepressiva; SNRI = Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer; NNT = number needed to treat; NNH =<br />
number needed to harm; ret. = retardiert). Angepasst nach [22] und dem Arzneimittelkompendium der Schweiz (https://compendium.ch).<br />
Tabelle 3b. Orale Erst- und Zeitlinien-Therapie: Wirkung und Nebenwirkung, Kategorisierung, angepasst nach [22, 38]<br />
Substanzgruppe Präparat NNT NNH Kategorie<br />
TCA Amitriptylin 3.6 13.4 first line<br />
SNRI Duloxetin 6.4 11.8 first line<br />
Antikonvulsivum Gabapentin 6.3 25.6 first line<br />
Antikonvulsivum Pregabalin 7.7 13.9 first line<br />
WHO-Stufe-II Tramadol (ret.) 6 12.6 second line<br />
Tabelle 4. Auswahl intravenöser Behandlungsoptionen bei chronischen neuropathischen Schmerzen, adaptiert nach [29, 39, 40]<br />
Medikament Konzentration Initiale Dosierung Anpassung Monitoring<br />
Ketamin «Testung» [1 mg / ml] Start: 0.1 mg / kg / h<br />
In 0.05 mg / kg / h Schritten<br />
alle 10 Minuten steigern<br />
Stop:<br />
Einsetzten von NW,<br />
max. 0.5 mg / kg / h<br />
EKG / RR / SpO2<br />
Ketamin<br />
«Serie»<br />
[5 mg / ml] Start mit der in der Testung<br />
festgelegten Maximaldosierung<br />
Serie an 5 Tagen,<br />
kontinuierlich über 3 – 4<br />
Stunden<br />
EKG / RR / SpO2<br />
Lidocain «Therapie» [1 mg / ml] 2.5 mg / kg / h<br />
(über 30 Minuten)<br />
Schrittweise Reduktion<br />
bei NW<br />
EKG / RR / SpO2<br />
sich eine topische Therapie, die der Patienten<br />
selbstwirksam und auch im Sinne<br />
einer wiederholten Desensibilisierung<br />
aufbringen kann (Tab. 2). Die Ausnahme<br />
bildet die Hochdosis-Therapie mit Capsaicin<br />
8 %. Diese sollte unter medizinischer<br />
Aufsicht erfolgen. Zudem bedarf es in der<br />
Schweiz einer Kostengutsprache des Leistungsgaranten.<br />
Antidepressiva und Antikonvulsiva<br />
Als orale Basistherapie sollten aufgrund<br />
der besseren Wirkung und geringen Nebenwirkungen<br />
in der Literatur (Tab. 3a<br />
und 3b) primär Antidepressiva eingesetzt<br />
werden. Sie werden unserer Erfahrung<br />
nach auch von Arbeitsmedizinern bzgl.<br />
Fahrtauglichkeit und Maschinenführung<br />
meist günstiger bewertet. Hierbei muss<br />
man schon initial die Erwartungshaltung<br />
der Patienten bei diesen Spiegelmedikamenten<br />
reduzieren, da die Wirkung verzögert<br />
einsetzt. Grundsätzlich gilt hier die<br />
Devise: «start low, go slow». So kann der<br />
äquipotente Einsatz von Trimipramin-<br />
Tropfen [40 mg / ml] mit 1 mg / ggt am Anfang<br />
als Alternative für Amitriptylin erwogen<br />
werden. Das Rezeptieren einer<br />
Amitriptylin-Suspension [1 mg / ggt] als<br />
«Formula officinalis» mit Aqua conservans<br />
hat sich bewährt, wenn eine alkohol<br />
freie Lösung angeboten werden muss. Ein<br />
tropfenweises Steigern ist mit beiden<br />
Präpa raten möglich. Auf jeden Fall sollte<br />
man offen über diese Medikamentengruppe<br />
kommunizieren, um späteren Missverständnissen<br />
vorzubeugen. Gleiches gilt<br />
für die Gabapentinoide, die sequenziell<br />
oder auch vorsichtig parallel zu den Antidepressiva<br />
ausgetestet werden können.<br />
So sollte man bei Pregabalin die Dosis in<br />
25 mg-Schritten und bei Gabapentin mit<br />
100 mg-Schritten vorsichtig erhöhen, um<br />
nicht durch die potenziell eintretenden<br />
Nebenwirkungen einer zu rasanten Steigerung<br />
die Patienten-Compliance zu verlieren.<br />
Gemäss den NICE-Guidelines sollte<br />
jedes Präparat für zwölf Wochen in der<br />
maximal verträglichen Dosis ausgetestet<br />
werden. Dies macht klar, dass Patient und<br />
Therapeut einen langen, gemeinsamen<br />
Weg vor sich haben, und dass man immer<br />
wieder zur regelmässigen Medikamenteneinnahme<br />
aufrufen muss.<br />
Warum sind die Antidepressiva erste<br />
Wahl und nicht die Antiepileptika?<br />
Das in der Literatur immer wieder diskutierte<br />
Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential<br />
von Gabapentinoiden hat 2019 im<br />
50 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Vereinigen Königreich dazu geführt, dass<br />
diese den Benzodiazepinen gleichgesetzt<br />
wurden: «… Pregabalin und Gabapentin<br />
werden unter dem ‹Misuse of Drugs Act<br />
1971› als kontrollierte Substanz der Klasse<br />
‹C› geführt und wurden gemäss Aufstellung<br />
3 des ‹Misuse of Drugs Regulations<br />
2001› gelistet» [23].<br />
Indikation für Opioide streng stellen<br />
In der NICE-Guideline wird den Opioiden<br />
bei der Behandlung von NP nur in Form<br />
von Tramadol im Notfall ein Stellenwert<br />
eingeräumt: «Erwägen Sie Tramadol nur,<br />
wenn eine akute Rescue-Therapie notwendig<br />
ist». Für WHO-Stufe-III-Präparate<br />
gibt es dort keine Empfehlung für eine<br />
Langzeitbehandlung. Dies liegt in der fehlenden<br />
Über legenheit bzgl. NNT und NNH<br />
im Vergleich zu Tramadol in der Literatur<br />
begründet. Auch im Systematischen Review<br />
und Metaanalyse des Lancet Neurology<br />
von 2015 werden starke Opioide als<br />
Drittlinien-Medikament eingeordnet.<br />
Dies entspricht weitgehend der allgemeinen<br />
Empfehlung für die verantwortungsvolle<br />
Verschreibung von Opioiden bei<br />
chronischen Schmerzen im «IASP Statement<br />
on Opioids» vom Februar 2018, welches<br />
durch ein elfköpfiges, internationales<br />
Expertengremium unter Leitung von<br />
Prof. J. Ballantyne (UW, Seattle) getroffen<br />
wurde: «Die IASP empfiehlt Zurückhaltung,<br />
wenn Opioide für chronische<br />
Schmerzen verschrieben werden» [25, 26].<br />
Diese Bewertungen sind Bestätigungen<br />
der alten deutschsprach igen S3-Leitlinie<br />
«Langzeitanwendung von Opioiden bei<br />
nicht tumorbedingten Schmerzen<br />
(LONTS)», die nun auch in ihrer aktualisierten<br />
Form vorliegt [27]. Auch dort werden<br />
Opioide im Prinzip nur noch zeitlich<br />
begrenzt und mit fest definierten Therapiezielen<br />
eingesetzt. Bezeichnenderweise<br />
gilt ein gutes Ansprechen auf Antineuropathika<br />
kombiniert mit einem schlechten<br />
Ansprechen auf Opioide als charakteristisch<br />
für neuropathische Schmerzen [28].<br />
Insgesamt ist also vom Einsatz dieser Substanzen<br />
eher abzuraten.<br />
Weitere Medikamente beim<br />
Spezialisten<br />
Für alle weiteren oralen Behandlungsoptionen<br />
wie Na+-Blocker, SNRI, medizinische<br />
Cannabinoide oder NDMA-Rezeptor-Agonisten<br />
sollten Patienten an spezialisierte<br />
Schmerzmediziner verwiesen werden.<br />
Diese sollten idealerweise Zugang zu<br />
einem erweiterten therapeutischen Netzwerk<br />
haben. Langfristig sind weitere<br />
Therapiekomponenten im Rahmen des<br />
«biopsychosozialen Models» notwendig,<br />
um die Lebensqualität und Funktionalität<br />
des Patienten aufrecht zu erhalten: Körpertherapie,<br />
kognitive Verhaltenstherapie,<br />
Schmerzedukation und Schmerzmanagement,<br />
Sozialberatung u.v.m.<br />
Intravenöse Behandlungsoptionen<br />
Auch die Anwendung von Ketamin bei Patienten<br />
mit chronischen Schmerzen gehört<br />
dementsprechend in die Hand von<br />
Spezialisten. Diese Applikation führt zu<br />
einer kurzzeitigen Verbesserung der Beschwerden,<br />
ohne starke Evidenz für eine<br />
Langzeitwirkung [29]. So sind wir in der<br />
Schmerzambulanz des Inselspitals bemüht,<br />
eine Ketamin-Serie am Vormittag<br />
mit subsequenten Terminen bei unseren<br />
körpertherapeutischen Partnern abzusprechen<br />
– wie Ergo- oder Physiotherapie.<br />
Eine allgemeine Verbesserung des Wohlbefindens<br />
kann durch die nachgewiesene<br />
akute, antidepressive Wirkung von Ketamin<br />
verursacht werden [42].<br />
Intrathekale Medikamentengabe<br />
Bei der intrathekalen Medikamentengabe<br />
(ITDD) werden Medikamente direkt über<br />
ein Kathetersystem in den Durasack im<br />
Canalis spinalis eingebracht und vermischen<br />
sich dort mit dem Liquor. Das Medikamentenreservoir<br />
ist dabei meist an der<br />
ventralen Bauchwand fixiert und wird in<br />
Monatsabständen unter sterilen Kautelen<br />
über ein Portsystem befüllt.<br />
Nach über 20 Jahren klinischer Erfahrung<br />
mit dieser Applikationsform wird<br />
Opioiden nur noch in der Palliativmedizin<br />
einen sinnvollen Stellenwert zugeordnet,<br />
da die Wirksamkeit sich auch hier langfristig<br />
erschöpft. Dann steht man vor<br />
Herausforderungen im Schmerzmanagement,<br />
die man als extrem bezeichnen<br />
muss [30]. Ins besondere Abhängigkeit,<br />
Toleranz und Opioid-induzierte Hyperalgesie<br />
sind reelle Risiken, denen die Patienten<br />
unter Langzeit-Opioidtherapie ausgesetzt<br />
sind. Lediglich die Applikation des<br />
GABA-Agonisten Baclofen bei zentralen<br />
neuropathischen Schmerzen und<br />
schmerzhafter Spastik im Kontext von<br />
Querschnittslähmungen oder der MS<br />
scheint eine sinnvolle Therapieoption zu<br />
sein [31, 32]. Auch für die Dystonie bei<br />
komplexen, regionalen Schmerzsyndrom<br />
(CRPS) kann Baclofen als Therapieoption<br />
gemäss Leitlinien erwogen werde. Man<br />
muss aber auf erhebliche Nebenwirkung<br />
vorbereitet sein [33, 34].<br />
Zusammenfassung<br />
Screening<br />
Planen Sie die Implementierung von Fragebögen<br />
(z. B. DN-4) zur Diagnosesicherung<br />
und Ergänzung ihrer Schmerzanamnese<br />
und körperlichem Untersuchungsbefund<br />
– auch im postoperativen Setting.<br />
Multifokale Ursachen erkennen<br />
Ein komplexes Zusammenspiel ist stets<br />
möglich. Ziehen Sie im Zweifelfall frühzeitig<br />
Spezialisten zur Mitbeurteilung hinzu.<br />
Prävention bei Operationen<br />
Denken Sie als operativ tätiger Kollege an<br />
die Implementierung von kontinuierlichen<br />
Regionalanästhesieverfahren bei Eingriffen<br />
mit hohem Risiko für neuropathischen<br />
Schmerzen ein, wie z. B. in der Thoraxund<br />
Mamma-Chirurgie.<br />
Patientenedukation<br />
WHO-Stufe-I-Präparate sind ohne relevante<br />
Wirkung. Bremsen Sie die Erwartungshaltung<br />
für die Co-Anal getika: «Start<br />
low – go slow». Es sind Spiegelmedikamente.<br />
Machen sie offensiv Werbung für<br />
Antidepressiva (TCA / SNRI). Sie haben<br />
das beste Nutzen-Risiko-Verhältnis.<br />
Therapeutenedukation<br />
Gabapentinoide sollten heutzutage mit<br />
Bedacht verschrieben werden, da sich immer<br />
mehr ein ernst zu nehmendes Abhängigkeitspotential<br />
dieser Substanzgruppe<br />
abbildet. Vorsicht und Augenmass gilt<br />
aber besonders bei Opioiden: zeitlich begrenzen,<br />
Therapieziele definieren z. B. die<br />
Durchführung von intensiver Ergo- und<br />
Physiotherapie. Verzicht auf WHO-Stufe-III-Präparate.<br />
Opioide gefährden im<br />
langfristigen Einsatz Ihre Patienten gesundheitlich<br />
und mental.<br />
Therapieerfolg<br />
Lebensqualität und Funktion im Alltag<br />
sind für beide Seiten sinnvollere Parameter<br />
für den Erfolg der Therapiebemühungen<br />
als die reinen Schmerzskalen.<br />
Dr. med. Florian Reisig<br />
Universitätsklinik für Anästhesiologie<br />
und Schmerztherapie<br />
Inselspital<br />
Universität Bern<br />
Freiburgstrasse 18<br />
3010 Bern<br />
florian.reisig@insel.ch<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 51
Perspektiven<br />
Literatur<br />
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without a continuous paravertebral<br />
nerve block: a prospective 1-year<br />
follow-up assessment of a<br />
randomized, triple-masked,<br />
placebo-controlled study. Ann<br />
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review and meta-analysis update. J<br />
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52<br />
4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
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Pain: A Review of Morphine and<br />
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Phys Med Rehabil. 2010; 91:<br />
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sclerosis. Mult Scler. 2017; 23:<br />
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In: Deutsche Gesellschaft für<br />
Neurologie, Hrsg. Leitlinien für<br />
Diagnostik und Therapie in der<br />
Neurologie [Internet]. [abgerufen<br />
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www.dgn.org/leitlinien<br />
34. van der Plas AA, van<br />
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Available from: http://ntag.nhs.uk/<br />
docs/app/Qutenza%20NTAG%20<br />
Appraisal%20update%20for%20<br />
web.pdf<br />
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Available from http://www.<br />
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placebo-controlled pilot trial of<br />
extended IV lidocaine infusion for<br />
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Treatment of Chronic Pain. Pain<br />
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41. Beloeil H, Sion B,<br />
Rousseau C, Albaladejo P, Raux M,<br />
Aubrun F, Martinez V. Early<br />
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assessed by the DN4 score predicts<br />
an increased risk of persistent<br />
postsurgical neuropathic pain. Eur<br />
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Wien Med Wochenschr. 2019; 169:<br />
367 – 76.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 53
Perspektiven<br />
Künstler der Medizin<br />
Dr. Didier Schneiter<br />
Als ich in der Kantine ass,<br />
tippte mich ein Unterassistent<br />
aufgeregt an und wies mich<br />
auf einen Arzt hin: «Schau<br />
mal den an! Der sieht aus wie ein Filmstar!»<br />
«Aha. Und aus welchem Film?»,<br />
fragte ich nach. Der Unterassistent antwortete<br />
fast ehrfürchtig: «Aus einem<br />
Gefängnisfilm.» Als ich den besagten Arzt<br />
nach Wochen wieder in der Kantine sah,<br />
blieb ich stehen und setzte ihn darüber in<br />
Kenntnis, dass ein Unterassistent unserer<br />
Klinik finde, er sehe aus wie ein Filmstar.<br />
Der Arzt freute sich, und als ich unaufgefordert<br />
ergänzte «aus einem Gefängnisfilm»,<br />
brach er in lautes Lachen aus.<br />
Daraufhin assen wir gemeinsam zu<br />
Mittag. Wir unterhielten uns, seine Frau<br />
ist auch Malerin, und das finde ich<br />
natürlich sehr sympathisch. Ich lud die<br />
beiden zu meiner Vernissage am Tessinerplatz<br />
ein, die ein paar Tage später<br />
stattfand. An diesem Tag hatte er eine<br />
lange Sitzung. Der Manager des Ortes gab<br />
für die Vernissage ein Zeitfenster von 18<br />
bis 20 Uhr vor. Didier Schneiter kam zwei<br />
Minuten nach 20 Uhr, und ich freute<br />
mich sehr, dass er sich Zeit dafür nahm.<br />
Ich wollte ihm einen Crémant holen,<br />
doch der Manager verbot seiner Bedienung,<br />
noch ein Glas aus der angebrochenen<br />
Flasche auszuschenken. Es war nach<br />
20 Uhr – eine wahrhaft interessante<br />
Auffassung von Gastfreundschaft. Die<br />
Bedienung sah mich entschuldigend an,<br />
dass sie der Anweisung ihres Chefs zu<br />
folgen habe. Dr. Schneiter reagierte<br />
souverän und lässig und sagte nach<br />
seinem wohl 12-Stunden-Arbeitstag ganz<br />
locker, er nehme auch gerne ein Wasser.<br />
Nur wenige Situationen waren mir so<br />
unangenehm wie diese.<br />
Ich führe diese Szene deshalb an, da<br />
sie sehr gut zeigt, weshalb ich Dr. Didier<br />
Schneiter, leitender Arzt für Thoraxchirurgie<br />
am UniversitätsSpital Zürich und<br />
Vertreter im Vorstand der schweizerischen<br />
Gesellschaft für Thoraxchirurgie,<br />
gemalt habe. Weil er so ist, wie er ist.<br />
Er bleibt elegant und freundlich, das<br />
Wohlbefinden anderer steht bei ihm an<br />
oberster Stelle.<br />
Momentan illustriere ich ein Kinderbuch,<br />
in dem es um das Pilzsammeln<br />
geht. Als Protagonisten der Geschichte<br />
wählte ich meinen Opa, der es liebte, mit<br />
seinem Dackel Rexl im Wald «zum<br />
Schwammerlsuchen» zu gehen. Mein Opa<br />
war dem Autor zu alt, er stellte sich für<br />
seine Geschichte einen Jüngeren vor. Ich<br />
fotografierte für ihn das Porträt von Dr.<br />
Schneiter; «ob er eher an so eine Person<br />
gedacht habe?». «Ja, genau.» Als ich<br />
darauf Dr. Schneiter fragte, ob er einverstanden<br />
sei, dass ich ihn als Pilzsammler<br />
für ein Kinderbuch verwende, sagte er<br />
spontan: «Ja, ich suche auch gerne Pilze.»<br />
So wunderbar ist er. So angenehm.<br />
Er ist ein Mensch ohne Allüren.<br />
Er rettete mich auf meiner Vernissage,<br />
indem er cool reagierte und an den<br />
Manager dort keine Energie verschenkte.<br />
Das macht ihn zum Star. Die Filmindustrie<br />
hat ihn bisher noch nicht abgeworben.<br />
So lange geht er noch im UniversitätsSpital<br />
Zürich die Gänge entlang und<br />
hinterlässt einen tiefen Eindruck,<br />
menschlich wie fachlich.<br />
Seine Farbe ist blau, marineblau.<br />
Seine Augen sind himmelblau. Seine<br />
haselnussbraunen Haare mit Pomade<br />
nach hinten gekämmt. Seine Haut<br />
braungebrannt, mandelfarben. Sein<br />
Dreitagebart mit ein paar grauen Stoppeln<br />
durchzogen. Sein Auftritt mit<br />
folgender Kleidung ausgestattet: OP-Kleidung<br />
blattgrün, Arztkittel, flatternd<br />
schneeweiss.<br />
Das ist der Künstler der Medizin,<br />
Dr. Didier Schneiter. Schweizer. Hauptdarsteller.<br />
Bei seinen Kollegen der<br />
Plastischen Chirurgie und Handchirurgie<br />
geschätzt als «ein exzellenter Chirurg».<br />
Bettina Reichl, Malerin und Hospitalisationsmanagerin<br />
an der Klinik für Plastische<br />
Chirurgie am UniversitätsSpital Zürich<br />
(Ungekürzte Textversion auf<br />
www.bettinareichl.com)<br />
54 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
mediservice<br />
Briefkasten<br />
Was passiert, wenn die<br />
Erde bebt?<br />
Bild: zvg<br />
Die Gefahr von Erdbeben, so<br />
höre ich oft, betreffe uns in<br />
der Schweiz nicht. Ich bin<br />
jedoch Hauseigentümer und<br />
habe mich gefragt, ob und allenfalls<br />
wie mein Haus im Fall des Falles versichert<br />
ist.<br />
Ein unsichtbares Virus versetzt die<br />
Welt seit mehr als einem Jahr in Angst<br />
und Schrecken und verursacht Schäden<br />
in Milliardenhöhe. Ähnlich verhält es<br />
sich mit einer anderen Gefahr, die – wenn<br />
sie eintritt – verheerende Ausmasse<br />
haben kann: Erdbeben. Die kommen<br />
doch nur im Ausland vor, die Schweiz<br />
aber ist ein erdbebenarmes Land, lautet<br />
eine oft gehörte Meinung. Weit gefehlt:<br />
Auch in der Schweiz bebt die Erde<br />
jährlich rund 800 Mal. Wie Erdbeben in<br />
der Schweiz entstehen? So wie unsere<br />
Alpen entstanden sind, durch das<br />
Aufeinanderprallen der europäischen<br />
und afrikanischen Erdplatten.<br />
Trotzdem werden Erdbeben hierzulande<br />
kaum als Risiko wahrgenommen,<br />
vielleicht weil die grossen Ereignisse<br />
schon länger her und in Vergessenheit<br />
geraten sind. Ein solches Sicherheitsempfinden<br />
kann jedoch trügerisch sein – und<br />
teuer. Nur ein Bruchteil der Schweizer<br />
Gebäudeeigentümer hat überhaupt eine<br />
Erdbebenversicherung abgeschlossen.<br />
Was vielen vielleicht nicht bewusst ist:<br />
In der Schweiz gibt es keine gesetzlich<br />
vorgeschriebene Erdbebenversicherung,<br />
weshalb die obligatorische kantonale<br />
Gebäudeversicherung keine Schäden<br />
durch Erdbeben deckt. Lediglich die<br />
Gebäudeversicherung des Kantons<br />
Zürich bietet einen begrenzten Schutz.<br />
Die Folge: Ein massives Beben würde in<br />
der Schweiz zu Kosten in Milliardenhöhe<br />
führen, gegen die kaum jemand versichert<br />
ist. Und bereits ein kurzes Beben<br />
genügt, um Risse in der Hauswand oder<br />
ein Problem in der Statik und damit<br />
erhebliche Kosten zu verursachen.<br />
Günstig absichern<br />
Für Schäden und Folgekosten eines<br />
Erdbebens muss also in der Regel die<br />
Eigentümerin oder der Eigentümer<br />
aufkommen. Für eine vergleichsweise<br />
geringe Summe können sie sich allerdings<br />
bei den Schweizer Privatversicherern<br />
nach einer individuellen Risikoprüfung<br />
gegen diese finanziellen Risiken<br />
absichern. Die Erdbebenversicherungen<br />
versichern Gebäude von Privatpersonen<br />
und Unternehmen und decken damit die<br />
nach einem Erdbeben entstehenden<br />
Kosten. Darunter fallen beispielsweise<br />
auch die Übernahme von Mietertragsausfällen<br />
oder Aufräumungskosten. Unternehmen<br />
können zusätzlich ihr Inventar<br />
wie Maschinen und Einrichtungen, die<br />
entstehenden Folgekosten oder den<br />
Ertragsausfall infolge eines Betriebsunterbruchs<br />
versichern. Eine Erdbebenversicherung<br />
ist also eine noch wenig<br />
bekannte, aber wichtige Ergänzung des<br />
Versicherungsschutzes. Es lohnt sich<br />
daher, sich mit diesem Risiko auseinanderzusetzen.<br />
Damit aus ihrem Traumhaus<br />
im Schadenfall kein «Albtraumhaus»<br />
wird.<br />
Die Allianz Suisse bietet ihren privaten<br />
wie auch geschäftlichen Kundinnen<br />
und Kunden umfassenden und<br />
individuell angepassten Schutz für<br />
Erdbeben. Darunter fallen beispielsweise<br />
die Übernahme von Aufräumungskosten,<br />
die Deckung von<br />
Mietertragsausfällen oder die<br />
Versicherung von Maschinen und<br />
Einrichtungen.<br />
mediservice <strong>vsao</strong>-asmac und Allianz<br />
Suisse arbeiten seit vielen Jahren<br />
erfolgreich zusammen. Ihr Mehrwert<br />
als Mitglied bei mediservice <strong>vsao</strong>asmac:<br />
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Gesellschaft AG<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 55
mediservice<br />
Selbständiges<br />
Leben im eigenen<br />
Zuhause bis ins<br />
hohe Alter<br />
Zuhause ist es am schönsten. Viele wollen deshalb möglichst lange<br />
in den eigenen vier Wänden bleiben und dort ein selbständiges Leben<br />
führen. Doch gerade nach der Pensionierung stellen finanzielle<br />
Fragen und der Bedarf an Betreuung viele Menschen vor grosse<br />
Herausforderungen. Gefragt sind Betreuungs- und Vorsorgelösungen,<br />
die autonomes Leben im Alter ermöglichen.<br />
Josko Pekas, Kommunikationsspezialist Visana<br />
Wir werden immer älter. Die<br />
durchschnittliche Lebenserwartung<br />
ist seit 1948 von<br />
66 auf 83 Jahre gestiegen.<br />
Die Zeit nach der Pensionierung ist ein<br />
völlig neuer Lebensabschnitt geworden,<br />
der viel Raum für Neues und lang gehegte<br />
Lebensträume bietet. Ein unabhängiges<br />
Leben zu führen, gehört zu unseren<br />
grundlegenden Bedürfnissen.<br />
Viele Menschen bleiben dank medizinischem<br />
Fortschritt und einem zunehmend<br />
bewussten Lebensstil auch nach der<br />
Pension und im hohen Alter länger gesund<br />
und aktiv. Sie möchten ihren neuen Lebensabschnitt<br />
möglichst selbständig gestalten.<br />
Oft sind es die sozialen Netze, die<br />
Menschen mit ihrem eigenen Zuhause<br />
verbinden. Vor allem für Seniorinnen und<br />
Senioren mag der Gedanke, von jemandem<br />
abhängig zu sein, unangenehm sein.<br />
Hinzu kommen Fragen der Finanzierbarkeit,<br />
wenn man plötzlich auf Fremdbetreuung<br />
angewiesen ist.<br />
Planung der Altersvorsorge früh<br />
beginnen<br />
Die Herausforderungen nehmen mit dem<br />
Alter zu: Um den eigenen Lebensstandard<br />
im Pensionsalter zu sichern, braucht es finanzielle<br />
Vorsorge und Absicherung. Obwohl<br />
alle Werktätigen obligatorisch in die<br />
AHV (1. Säule) einzahlen, wird dadurch<br />
nur der Grundbedarf abgedeckt. Hinzu<br />
kommen oft körperliche Beschwerden, die<br />
das tägliche Leben beeinträchtigen und<br />
Betreuungsleistungen im Alter notwendig<br />
machen. Diese gehen ins Geld. Nicht nur<br />
die finanzielle Absicherung, sondern auch<br />
eine preiswerte, individuell abgestimmte<br />
Betreuung wird immer wichtiger.<br />
Betreuungsleistungen gehen<br />
ins Geld<br />
Das Einkommen nach der Pensionierung<br />
schrumpft. In der Regel liegt es 30 bis 40<br />
Prozent tiefer als vor der Pensionierung.<br />
Zudem sind gerade bei fragilen Rentnerinnen<br />
und Rentnern die Ausgaben für die<br />
Betreuung meist ein wichtiger Posten. Sie<br />
belasten das Haushaltsbudget stärker als<br />
die Kosten für die Pflege, da diese in der<br />
Schweiz zu einem grossen Teil von den<br />
Krankenkassen mitgetragen werden.<br />
Die Betreuung, die darüber hinausgeht,<br />
muss selber finanziert werden. Und<br />
sie ist sowohl zuhause als auch im Heim<br />
sehr teuer. Die Aufenthaltskosten im Alters-<br />
und Pflegeheim betragen im Durchschnitt<br />
knapp 6000 Franken pro Monat<br />
und Bewohner. Hier besteht schweizweit<br />
eine Lücke, denn die Betreuung muss<br />
weitgehend von den Rentnerinnen und<br />
Rentnern selbst getragen werden. Viele<br />
müssen immer noch auf ihr Vermögen<br />
oder gar auf Ergänzungsleistungen zurückgreifen.<br />
Weil das Schweizer Gesundheitswesen<br />
stark föderal ausgerichtet ist,<br />
variieren die Regelungen in der Gesundheitsversorgung<br />
je nach Kanton und Gemeinde.<br />
56<br />
4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Betreuung und Vorsorge müssen<br />
Hand in Hand gehen<br />
Bei stark pflegebedürftigen Personen fallen<br />
im Schnitt zwischen 10000 und 20000<br />
Franken pro Jahr für Pflege und Betreuung<br />
an. Wer im Alter möglichst lange zuhause<br />
wohnen will, kann sich zwar von der<br />
Spitex pflegen lassen. Betreuung, Unterstützung<br />
im Alltag und Gesellschaft fehlen<br />
trotzdem. Wo Familie und Freunde<br />
nicht einspringen können, braucht es<br />
neue finanzierbare Betreuungsangebote.<br />
Nicht nur die Sicherung der Altersrente,<br />
sondern auch die Betreuung im Alter verdient<br />
dringend mehr Aufmerksamkeit.<br />
Eine Abdeckung der individuellen Altersvorsorge<br />
und Betreuungsleistungen<br />
im Alter würde Abhilfe schaffen. Mittels<br />
eines angesparten Kapitals auf einem Vorsorgekonto,<br />
das für Betreuungsleistungen<br />
einsetzbar ist, ist ein Leben zuhause unabhängig<br />
von der finanziellen Lage und vom<br />
Wohnort möglich. Doch es kommt auf die<br />
Betreuungsleistungen an: Sie müssen finanzierbar<br />
und so ausgerichtet sein, dass<br />
sie die Menschen im Alltag unterstützen<br />
– beim Einkaufen und Kochen oder indem<br />
ihnen Gesellschaft geleistet wird. Ein<br />
möglichst langes Leben im Eigenheim<br />
darf kein Luxus sein. Dafür braucht es<br />
finanzielle Absicherung und preiswerte<br />
Betreuung, die den individuellen Ansprüchen<br />
gerecht werden.<br />
Kapital sparen und für<br />
vergünstigte Betreuung<br />
einsetzen<br />
Visana-Versicherte, die ein steuerbegünstigtes<br />
Vorsorgekonto bei der<br />
Berner Kantonalbank eröffnen, können<br />
ihr Kapital ansparen und für vergünstigte<br />
Betreuungsangebote einsetzen.<br />
Dazu zählen das Erledigen von Einkäufen,<br />
die Begleitung zu Arztterminen,<br />
gemeinsames Kochen sowie Unterstützung<br />
bei Terminvereinbarungen oder<br />
bei der Bankkorrespondenz. Ist das im<br />
Rahmen der Betreuungs- und Vorsorgelösung<br />
angesparte Kapital erschöpft,<br />
können die Versicherten weiterhin<br />
Leistungen zu Vorzugstarifen beziehen.<br />
Die finanzielle Freiheit bleibt<br />
gewahrt, denn das angesparte Kapital<br />
ist nach der Pensionierung jederzeit<br />
zur Deckung anderer Bedürfnisse<br />
einsetzbar. Auf einer Vergleichsplattform<br />
können sich Versicherte aus<br />
einem umfassenden Angebot ihren<br />
Betreuungsbedarf selbst zusammenstellen.<br />
Weitere Informationen zur Betreuungs<br />
und Vorsorgelösung finden Sie<br />
auf www.visana.ch/betreuung.<br />
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Agentur oder bei Ihnen zuhause.<br />
Hier können Sie uns erreichen:<br />
Visana Services AG<br />
Weltpoststrasse 19<br />
3000 Bern 16<br />
Telefon: 0848 848 899<br />
www.visana.ch/hk/ms-<strong>vsao</strong><br />
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Kathrin Grüneis<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 57
Impressum<br />
Kontaktadressen der Sektionen<br />
<strong>Nr</strong>. 4 • 40. Jahrgang • <strong>August</strong> <strong>2021</strong><br />
Herausgeber/Verlag<br />
AG<br />
VSAO Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
mediservice <strong>vsao</strong>-asmac<br />
Bollwerk 10, Postfach, 3001 Bern<br />
Telefon 031 350 44 88<br />
journal@<strong>vsao</strong>.ch, journal@asmac.ch<br />
www.<strong>vsao</strong>.ch, www.asmac.ch<br />
Im Auftrag des <strong>vsao</strong><br />
Redaktion<br />
Catherine Aeschbacher (Chefredaktorin),<br />
Giacomo Branger, Kerstin Jost, Fabian Kraxner,<br />
Léo Pavlopoulos, Lukas Staub, Anna Wang,<br />
Sophie Yammine<br />
Geschäftsausschuss <strong>vsao</strong><br />
Angelo Barrile (Präsident), Nora Bienz<br />
(Co-Vize präsidentin), Patrizia Kündig<br />
(Co-Vize präsidentin), Christoph Bosshard<br />
(Gast), Marius Grädel, Dina-Maria Jakob<br />
(Gast), Helen Manser, Richard Mansky,<br />
Gert Printzen, Svenja Ravioli, Patrizia Rölli,<br />
Martin Sailer, Miodrag Savic (Gast),<br />
Jana Siroka, Michael Burkhardt (swimsa)<br />
Druck, Herstellung und Versand<br />
Stämpfli AG, Wölflistrasse 1, CH-3001 Bern<br />
Telefon +41 31 300 66 66<br />
info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />
BL/BS<br />
VSAO Sektion beider Basel, Geschäftsleiterin und Sekretariat:<br />
lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin, Hauptstrasse 104,<br />
4102 Binningen, Tel. 061 421 05 95, Fax 061 421 25 60,<br />
sekretariat@<strong>vsao</strong>-basel.ch, www.<strong>vsao</strong>-basel.ch<br />
BE VSAO Sektion Bern, Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Tel. 031 381 39 39,<br />
info@<strong>vsao</strong>-bern.ch, www.<strong>vsao</strong>-bern.ch<br />
FR<br />
ASMAC Sektion Freiburg, Gabriela Kaufmann-Hostettler,<br />
Wattenwylweg 21, 3006 Bern, Tel. 031 332 41 10, Fax 031 332 41 12,<br />
info@gkaufmann.ch<br />
GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />
Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, amig@amig.ch, www.amig.ch<br />
GR<br />
JU<br />
NE<br />
VSAO Sektion Graubünden, 7000 Chur, Samuel B. Nadig, lic. iur. HSG,<br />
RA Geschäftsführer/Sektionsjurist, Tel. 078 880 81 64, info@<strong>vsao</strong>-gr.ch,<br />
www.<strong>vsao</strong>-gr.ch<br />
ASMAC Jura, 6, chemin des Fontaines, 2800 Delémont,<br />
marie.maulini@h-ju.ch<br />
ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier, Jurist,<br />
Rue du Musée 6, Postfach 2247, 2001 Neuenburg,<br />
Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />
SG/AI/AR VSAO Sektion St. Gallen-Appenzell, Bettina Surber, Oberer Graben 44,<br />
9000 St. Gallen, Tel. 071 228 41 11, Fax 071 228 41 12,<br />
Surber@anwaelte44.ch<br />
Layout<br />
Gabriela Berger<br />
Titelillustration<br />
Till Lauer<br />
Inserate<br />
Zürichsee Werbe AG, Fachmedien,<br />
Markus Haas, Laubisrütistrasse 44, 8712 Stäfa<br />
Telefon 044 928 56 53<br />
E-Mail <strong>vsao</strong>@fachmedien.ch<br />
SO<br />
TI<br />
TG<br />
VSAO Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ASMAC Ticino, Via Cantonale 8-Stabile Qi, 6805 Mezzovico-Vira,<br />
segretariato@asmact.ch<br />
VSAO Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
Auflagen<br />
Druckauflage: 22 000 Expl.<br />
WEMF/SW-Beglaubigung 2020: 21 829 Expl.<br />
Erscheinungshäufigkeit: 6 Hefte pro Jahr.<br />
Für <strong>vsao</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag<br />
inbegriffen.<br />
ISSN 1422-2086<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 5/<strong>2021</strong> erscheint im Oktober <strong>2021</strong>.<br />
Thema: Ende<br />
© <strong>2021</strong> by <strong>vsao</strong>, 3001 Bern<br />
Printed in Switzerland<br />
VD<br />
VS<br />
ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />
asmav@asmav.ch, www.asmav.ch<br />
ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />
Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />
Zentralschweiz (LU, ZG, SZ, GL, OW, NW, UR)<br />
VSAO Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ZH/SH<br />
VSAO ZH/SH, RA lic. iur. Susanne Hasse,<br />
Geschäftsführerin, Nordstrasse 15, 8006 Zürich, Tel. 044 941 46 78,<br />
susanne.hasse@<strong>vsao</strong>-zh.ch, www.<strong>vsao</strong>-zh.ch<br />
Publikation<strong>2021</strong><br />
FOKUSSIERT<br />
KOMPETENT<br />
TRANSPARENT<br />
Gütesiegel Q-Publikation<br />
des Verbandes Schweizer Medien<br />
58 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Anzeigen<br />
Update Refresher<br />
ALLGEMEINE<br />
INNERE MEDIZIN<br />
17. – 20.11.<strong>2021</strong>, Zürich 32 h<br />
ALLERGOLOGIE<br />
15. – 16.11.<strong>2021</strong>, Zürich 14 h<br />
DERMATOLOGIE<br />
02. – 03.12.<strong>2021</strong>, Zürich 14 h<br />
DIABETES<br />
04. – 06.11.<strong>2021</strong>, Zürich<br />
21 Credits SGAIM / 18 Credits SVDE /<br />
22.5 Credits SGED<br />
GYNÄKOLOGIE<br />
02. – 04.12.<strong>2021</strong>, Zürich<br />
24 Credits SGGG / 5 Credits SGUM<br />
KARDIOLOGIE<br />
05. – 06.11.<strong>2021</strong>, Zürich 14 h<br />
INNERE<br />
MEDIZIN<br />
30.11. – 04.12.21, Zürich 40 h<br />
PÄDIATRIE<br />
25. – 27.10.<strong>2021</strong>, Zürich 24 h<br />
PSYCHOLOGIE<br />
01. – 04.12.<strong>2021</strong>, Zürich 28 h<br />
HAUSARZT<br />
FORTBILDUNGSTAGE<br />
02. – 03.09.<strong>2021</strong>, Bern 14 h<br />
08. – 09.09.<strong>2021</strong>, Basel<br />
12 Credits SGAIM<br />
24. – 25.09.<strong>2021</strong>, Luzern<br />
12 Credits SGAIM<br />
Teilnahme<br />
vor Ort oder ...<br />
... in Echtzeit via<br />
LIVESTREAM<br />
Veranstaltungsorte<br />
Technopark Zürich | Kameha Grand Zürich | Hotel Sorell Ador, Bern |<br />
Hotel Victoria, Basel | Hotel Continental Park, Luzern<br />
Information / Anmeldung<br />
Tel.: 041 567 29 80 | info@fomf.ch | www.fomf.ch<br />
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Visana, Weltpoststrasse 19, 3000 Bern 15<br />
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MEDIZINERIN ODER MEDIZINER IST MAN NICHT NUR<br />
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die Leistung von<br />
Notfallhilfe entstehen<br />
2<br />
Deckung sämtlicher<br />
Nebenleistungen<br />
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Gerichtskosten etc.)<br />
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