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vsao Journal Nr. 4 - August 2021

Spannung- Von Masten bis Muskeln Nephrologie - Zystennieren – ein schwieriges Erbe Analgetika - Neuropathische Schmerzen Politik - Medizin und Klimaschutz

Spannung- Von Masten bis Muskeln
Nephrologie - Zystennieren – ein schwieriges Erbe
Analgetika - Neuropathische Schmerzen
Politik - Medizin und Klimaschutz

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<strong>vsao</strong><br />

<strong>Nr</strong>. 4, <strong>August</strong> <strong>2021</strong><br />

<strong>Journal</strong><br />

Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />

Spannung<br />

Von Masten bis Muskeln<br />

Seite 24<br />

Nephrologie<br />

Zystennieren – ein schwieriges Erbe<br />

Seite 44<br />

Analgetika<br />

Neuropathische Schmerzen<br />

Seite 47<br />

Politik<br />

Medizin und Klimaschutz<br />

Seite 6


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2 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Inhalt<br />

Spannung<br />

Von Masten bis Muskeln<br />

Coverbild: Till Lauer<br />

Editorial<br />

5 Jetzt wirds spannend<br />

Politik<br />

6 «Ärzte haben besondere<br />

Verantwortung»<br />

Weiterbildung /<br />

Arbeitsbedingungen<br />

9 «Ich wollte mehr Erfahrung gewinnen»<br />

Auf den Punkt gebracht<br />

2 Belästigung, Sexismus und<br />

Geschlechterungleichheit in den<br />

Spitälern der Westschweiz<br />

7 Unisanté mit Spitalrose geehrt<br />

8 Forschen lernen<br />

9 Der UHU-Blick<br />

Perspektiven<br />

44 Aktuelles aus der Nephrologie:<br />

Autosomal-dominante polyzystische<br />

Nierenerkrankung (ADPKD)<br />

Zystennieren – ein schwieriges Erbe<br />

47 Aus der «Therapeutischen Umschau» –<br />

Neuropathische Schmerzen:<br />

Pharmakotherapie<br />

54 Künstler der Medizin<br />

mediservice<br />

55 Briefkasten<br />

56 Selbständiges Leben im eigenen<br />

Zuhause bis ins hohe Alter<br />

58 Impressum<br />

<strong>vsao</strong><br />

2 Neues aus den Sektionen<br />

22 <strong>vsao</strong>-Inside<br />

23 <strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />

Fokus: Spannung<br />

24 Swissgrid – immer unter Spannung<br />

29 Eine sanfte Methode der Konfliktlösung<br />

32 Schmetterlinge im Kopf<br />

34 Erlösung bringen saure Gurken<br />

38 No health without mental health<br />

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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 3


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4 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Editorial<br />

Jetzt wirds<br />

spannend<br />

Catherine Aeschbacher<br />

Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />

Als diese Zeilen entstanden, befand sich ganz Europa im<br />

Fussballfieber. Wenn Sie diese Zeilen jetzt lesen, ist es<br />

bereits wieder abgeklungen. Wie ansteckend dieses Fieber<br />

ist, hat der Sieg der Schweiz über Frankreich gezeigt:<br />

Selbst völlig Abstinente und Immune haben sich über das Resultat<br />

gefreut und sich die entscheidenden Szenen wenigstens im Nachgang<br />

angesehen. Die Spannung in den letzten Minuten hat wohl niemanden<br />

kaltgelassen.<br />

Während Langeweile von den meisten Menschen als unbehaglich,<br />

als ein zu füllendes Vakuum empfunden wird, ist Spannung ein Lustgewinn,<br />

sofern sie vom richtigen Objekt ausgeht und sich in wohlaustarierten<br />

Massen hält. Ganz egal, ob es sich um einen Penalty oder<br />

die knarrende Tür in einem grusligen Film handelt.<br />

In der vorliegenden Nummer befassen wir uns mit Spannungen aller<br />

Art, wobei wir unser Augenmerk eher auf die weniger lustvollen<br />

richten. Im Fokus stehen seelische Spannungen, die Mediation als<br />

Spannungsabbau oder die Versorgung psychisch Kranker in den<br />

Ländern des Südens, aber auch Muskelkrämpfe, das Lampenfieber<br />

oder das Schweizer Hochspannungsnetz. Dieses verläuft zwar über<br />

unsere Köpfe hinweg, spannt aber sozusagen ein unsichtbares Netz<br />

unter unseren Füssen, ohne das unser normaler Alltag abstürzen<br />

würde. Zwischen den einzelnen Beiträgen finden sich Bilder des<br />

Tänzers Marco Volta. Die Fotografin Nicole Herzel hat Körperspannung<br />

in ihrer ästhetischsten Form eingefangen.<br />

Um mehr als um Spannungen am Arbeitsplatz geht es in einer grossangelegten<br />

Studie, die von der Sektion Waadt unter ihren Mitgliedern<br />

durchgeführt worden ist. Im Zentrum stehen Fragen wie Sexismus und<br />

Diskriminierung. Es zeigt sich, dass fast die Hälfte der Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer entweder selbst Opfer oder Zeuge von abschätzigen<br />

Bemerkungen oder anzüglichen Handlungen geworden sind.<br />

Die Resultate sowie ein Kommentar dazu finden sich in der Rubrik<br />

«Weiterbildung/Arbeitsbedingungen». Aus der Waadt kommt jedoch<br />

auch ein Lichtblick: Die <strong>vsao</strong>-Spitalrose geht an Unisanté in Lausanne.<br />

Was diese Institution preiswürdig macht, steht in der Rubrik «<strong>vsao</strong>».<br />

In der Rubrik «Politik» schliesslich befassen wir uns im Nachgang<br />

des Neins der Schweizer Bevölkerung zum CO 2<br />

-Gesetz mit dem Klimaschutz.<br />

Wir fragen eine Vertreterin und einen Vertreter der jungen<br />

Ärzteschaft, wo sie Möglichkeiten für mehr Klimaschutz in der<br />

Medizin sehen.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 5


Politik<br />

Eine Arbeitsgruppe unter dem Dach der<br />

FMH feilt derzeit an einer Strategie zum<br />

Thema Ärzteschaft und Klimawandel.<br />

Bald sollen dazu Entscheide fallen.<br />

«Ärzte haben<br />

besondere<br />

Verantwortung»<br />

Schwarzer Sonntag für die Schweizer Klimajugend:<br />

Im Juni verwarf das Stimmvolk alle drei Umweltvorlagen.<br />

Was sagt die künftige Ärztegeneration dazu?<br />

Ein Gespräch mit Federico Mazzola (<strong>vsao</strong>) und Bea Albermann (swimsa).<br />

Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />

6 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Politik<br />

Bild: myboys.me/Adobe Stock<br />

Bea und Federico, Ihr habt in Euren<br />

Verbänden ganz unterschiedliche<br />

Funktionen (siehe Kasten «Zu den<br />

Personen»). Was Euch verbindet, ist<br />

der Einsatz fürs Klima. Wie kam es<br />

dazu?<br />

Bea Albermann: Ich fing an, Medizin zu<br />

studieren, um zu verstehen, wie die Gesundheit<br />

aller Menschen bestmöglich<br />

geschützt und gefördert werden kann.<br />

Schnell habe ich aber festgestellt, dass<br />

mir das Studium kaum Antworten auf<br />

die komplexen Gesundheitsfragen des<br />

21. Jahrhunderts bietet. Daher mein Engagement<br />

bei der swimsa. Schockierend<br />

war für mich dann folgende Feststellung:<br />

Wie konnte es sein, dass es weltweit wissenschaftlicher<br />

Konsens ist, dass die Klimakrise<br />

die grösste Bedrohung für die Gesundheit<br />

ist – dies jedoch in unserem Studium<br />

nicht ein einziges Mal erwähnt wird?<br />

Je mehr ich las, desto mehr realisierte ich:<br />

Die Klimakrise betrifft das Leben der Patientinnen<br />

und Patienten und meine künftige<br />

Arbeit als Ärztin direkt – und trotzdem<br />

unternimmt die Schweizer Gesundheitspolitik<br />

nichts. Das muss sich ändern.<br />

Federico Mazzola: Als Student hatte ich in<br />

der swimsa erste Berührungspunkte mit<br />

dem Thema Klimawandel und Gesundheit,<br />

hatte es jedoch nur am Rande verfolgt.<br />

Inzwischen ist diese Problematik in<br />

meinem Leben zunehmend wichtig geworden.<br />

So richtig angefangen hat es vor<br />

drei Jahren mit der Entscheidung, mich<br />

Zu den Personen<br />

Federico Mazzola ist Assistenzarzt im<br />

dritten Jahr. Aktuell arbeitet er in der<br />

Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie<br />

am Universitätsspital Zürich.<br />

Der 27-Jährige interessiert sich nebst<br />

seinem Fachgebiet für Lehre und<br />

Gesundheitspolitik. Beim <strong>vsao</strong> gehört<br />

er der Geschäftsleitung der Sektion<br />

Zürich an und betreut deren Nachwuchsförderung.<br />

Zuvor war er Präsident<br />

der Sektion Solothurn.<br />

Bea Albermann (24) studiert an der<br />

Universität Zürich Medizin im fünften<br />

Jahr. Als berufliche Schwerpunkte<br />

schweben ihr Public Health, Gesundheitspolitik,<br />

Lehre sowie Kinder- und<br />

Jugendmedizin vor. Derzeit amtiert die<br />

ehemalige swimsa-Präsidentin und<br />

Jugenddelegierte für die WHO im<br />

Studierendenverband als Planetary-<br />

Health-Delegierte für die FMH.<br />

vegetarisch zu ernähren. Ich will meinen<br />

Teil dazu beitragen und meine Stimme<br />

nutzen, um allen eine bessere und nachhaltigere<br />

Zukunft zu ermöglichen.<br />

Seit Dezember beschäftigt Ihr Euch<br />

in einer Arbeitsgruppe der FMH mit<br />

dem Klimawandel (siehe Kasten<br />

«Die Klimastrategie der Ärzteschaft»).<br />

Mit welchen Zielen?<br />

Federico Mazzola: Das Hauptziel besteht<br />

darin, dass die Ärzteschaft einen substanziellen<br />

Beitrag leistet, indem sie effektive<br />

und grundlegende Massnahmen definiert,<br />

die ein nachhaltiges Gesundheitssystem<br />

und eine nachhaltige Gesundheitspolitik<br />

fördern. Die Unterziele sollen sowohl das<br />

Individuum als auch die Ärztinnen und<br />

Ärzte als Gesamtheit ansprechen.<br />

Bea Albermann: Wir brauchen in der Bevölkerung<br />

und Politik Verständnis dafür,<br />

dass die Klimakrise schon jetzt ein gesundheitlicher<br />

Notfall ist und es gesunde<br />

Menschen nur auf einer gesunden Erde<br />

gibt. Die Ärzteschaft hat diesbezüglich<br />

eine besondere Verantwortung, die sie aktuell<br />

zu wenig wahrnimmt. Das Schweizer<br />

Gesundheitswesen, inklusive der Lieferketten,<br />

muss seine Treibhausgasemissionen<br />

möglichst schnell auf netto null senken.<br />

Was bedingt, dass die klimaneutrale<br />

Gesundheitsversorgung bis 2030 als politisches<br />

Ziel festgelegt wird.<br />

Die politische Grosswetterlage sieht<br />

anders aus. Sowohl das CO 2<br />

-Gesetz als<br />

auch die Pestizid- und die Trinkwasserinitiative<br />

sind unlängst an der Urne<br />

gescheitert. Überrascht?<br />

Bea Albermann: Nein. Was mich jedoch im<br />

Vorfeld überrascht hat: dass die gesundheitlichen<br />

Vorteile von Umweltschutz<br />

kaum im Fokus standen. Im Abstimmungsbüchlein<br />

des Bundes zum Beispiel<br />

wurden die lebensbedrohlichen Gesundheitsfolgen<br />

von CO 2<br />

-Emissionen nirgends<br />

erwähnt.<br />

Federico Mazzola: Jein – und wenn, dann<br />

am ehesten beim CO 2<br />

-Gesetz. Den Unmut<br />

und die Unsicherheit in der Bevölkerung<br />

konnte man jedoch in den Wochen vor der<br />

Abstimmung spüren.<br />

Die Klimastrategie<br />

der Ärzteschaft<br />

Beide vertreten den medizinischen<br />

Nachwuchs, und beide engagieren sich<br />

für eine gesunde Zukunft. Deshalb ist<br />

es naheliegend, dass sich swimsa und<br />

<strong>vsao</strong> auch mit den Klimaveränderungen<br />

befassen. Auf Initiative der Medizinstudierenden<br />

entstand letztes Jahr<br />

die Idee, sich in der Ärzteschaft gemeinsam<br />

für das Thema einzusetzen.<br />

Vergangenen September stimmte die<br />

Delegiertenversammlung (DV) der<br />

FMH einem Antrag der zwei Verbände<br />

oppositionslos zu. Damit anerkannte<br />

die FMH den Klimawandel als substanzielle<br />

Bedrohung für die regionale und<br />

globale Gesundheit. Und die DV unterzeichnete<br />

im Namen aller Ärztinnen<br />

und Ärzte das swimsa-«Manifest für<br />

eine gesunde Zukunft».<br />

Zudem erhielt die FMH den Auftrag,<br />

eine Arbeitsgruppe mit Vertretungen<br />

der Dachorganisationen inklusive der<br />

swimsa ins Leben zu rufen. Dieses<br />

zwölfköpfige Gremium feilt derzeit an<br />

einer Strategie zu den Handlungsmöglichkeiten<br />

der Ärzteschaft in der<br />

Schweiz. Ziel ist es, dass die FMH ihre<br />

Position nutzt, um Mitglieder und<br />

Öffentlichkeit über die Zusammenhänge<br />

zwischen dem Klimawandel, der<br />

Umwelt und der Gesundheit aufzuklären.<br />

Sie soll sich insbesondere dafür<br />

einsetzen, dass die Schweiz ihre Massnahmen<br />

gegen den Klimawandel<br />

verstärkt und beschleunigt und den<br />

Schutz der Gesundheit bei allen politischen<br />

Entscheidungen miteinbezieht.<br />

In einigen Wochen werden sich die DV<br />

der FMH und die Ärztekammer mit den<br />

Vorschlägen befassen.<br />

Wo seht Ihr die Gründe für das<br />

dreifache Nein?<br />

Federico Mazzola: Bei der Trinkwasserund<br />

der Pestizidinitiative hat die Bevölkerung<br />

wohl vor allem den Zusammenhang<br />

mit der Gesundheit nicht ganz realisiert.<br />

Ich meine damit: Gibt es wirklich jemanden,<br />

der gerne Pestizidrückstände im Wasser<br />

mittrinkt? Zudem werden immer mehr<br />

Bioprodukte verkauft – warum dann nicht<br />

auch unsere wortwörtlichen «Lebens»mittel<br />

an einem höheren Standard messen?<br />

Betreffend das CO 2<br />

-Gesetz sehe ich andere<br />

Faktoren als entscheidend an. Unternehmen,<br />

die viel Kohlendioxid produzieren,<br />

verfügen über grosse finanzielle Mittel<br />

und im Abstimmungskampf über entsprechend<br />

viel politische Macht, obwohl die<br />

Vorlage im Parlament mehrheitsfähig war.<br />

Das Gesetz zielte indes auf viele finanzielle<br />

«Zuschläge» auf persönlicher Ebene,<br />

und das hat wahrscheinlich viele Leute<br />

verunsichert. In meinem persönlichen<br />

Umfeld war häufig zu hören: Wird das<br />

wirklich etwas ändern?<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 7


Politik<br />

zu teuer sei. Was ich absurd finde, da die<br />

eskalierende Klimakrise die soziale Ungerechtigkeit<br />

verstärkt und vulnerable<br />

Gruppen am stärksten betrifft.<br />

Federico Mazzola: Das Nein der Jungen<br />

war definitiv der überraschende Teil der<br />

Abstimmung. Man darf nicht vergessen,<br />

dass die Stimmbeteiligung in dieser<br />

Altersgruppe leider sehr tief ist. Gerade<br />

Junge haben meist nicht grosse finanzielle<br />

Ressourcen und Angst vor höheren Preisen.<br />

Viele argumentieren auch mit hohem<br />

persönlichen Einsatz (Abfalltrennung,<br />

Velofahren etc.), welcher ausreiche. Obwohl<br />

das lobenswert ist: Veränderungen<br />

auf nationaler Ebene sind um einiges effektiver,<br />

was vielleicht nicht verstanden<br />

oder gesehen wurde.<br />

«Die Klimakrise ist schon jetzt ein gesundheitlicher<br />

Notfall», warnt Bea Albermann.<br />

Bea Albermann: Gegenfrage: Woher sollen<br />

die Menschen denn wissen, inwiefern ihre<br />

eigene Gesundheit von einer gesunden<br />

Umwelt abhängt? Im Gegensatz zu anderen<br />

Ländern wurde in der Schweiz kaum<br />

über die Zusammenhänge zwischen der<br />

Coronapandemie als Zoonose und den<br />

komplexen systemischen Umweltkrisen<br />

wie Waldzerstörung, industrielle Landwirtschaft,<br />

Biodiversitätsverlust und Erderwärmung<br />

berichtet. Zudem haben die<br />

Gegenkampagnen wissenschaftlich falsche<br />

Fakten verbreitet. Obwohl die WHO<br />

von allen Ländern einen «Health in All<br />

Policies»-Ansatz fordert, gibt es in der<br />

Schweizer Politik keine gesundheitlichen<br />

Folgeabschätzungen, auf die sich die Bevölkerung<br />

beziehen könnte. Es wird kaum<br />

über Umweltkrisen als Gesundheitskrisen<br />

gesprochen.<br />

Gemäss Abstimmungsanalysen<br />

schienen vor allem die 18- bis<br />

34-Jährigen der CO 2<br />

-Vorlage wenig<br />

abzugewinnen. Woran liegts?<br />

Bea Albermann: Die Bevölkerung hat im<br />

letzten Jahr ihren gesamten Alltag auf den<br />

Kopf gestellt, um die eigene Gesundheit<br />

und die der Mitmenschen zu schützen.<br />

Davon waren junge Menschen besonders<br />

betroffen, und ihre Bedürfnisse fanden bei<br />

politischen Entscheiden viel zu wenig Beachtung.<br />

Darum könnte es sein, dass diese<br />

Generation aktuell wenig Vertrauen in die<br />

Politik hat und glaubt, dass die präsentierten<br />

Lösungen ihren Interessen und ihrer<br />

Zukunft nicht gerecht werden. Diese Sicht<br />

wurde eventuell durch die Behauptung<br />

befeuert, dass Klimaschutz unsozial und<br />

Wie sieht die Unterstützung für Klimaanliegen<br />

bei den jungen Ärztinnen und<br />

Ärzten bzw. den Medizinstudierenden<br />

aus? Ist da tatsächlich eine Mehrheit<br />

für den Klimaschutz?<br />

Federico Mazzola: Schwierig zu sagen. Im<br />

Alltag geht es oft um Kritik an Ressourcenverschwendung<br />

und fehlendem Recycling<br />

in den Spitälern – Menschen kritisieren<br />

das, was sie sehen und erleben. Die Verbindung<br />

zwischen Klima und Gesundheit<br />

ist leider zu wenig präsent, obwohl Corona<br />

das Bewusstsein erhöht hat. Zugleich denke<br />

ich, dass die Notwendigkeit des Klimaschutzes<br />

mittlerweile vor allem für die<br />

junge Ärzteschaft ein kaum zu unterschlagender<br />

Fakt ist. Und sobald einem die Zusammenhänge<br />

dahinter persönlich klar<br />

werden, haben wir definitiv eine Mehrheit.<br />

Bea Albermann: Das nationale Positionspapier<br />

zu Klimawandel und Gesundheit,<br />

welches ein Netto-Null-Ziel für die Emissionen<br />

in der Schweiz bis 2030 und Klimagerechtigkeit<br />

fordert, wurde 2019 in<br />

der swimsa oppositionslos angenommen.<br />

Seitdem setzen sich immer mehr Medizinstudierende<br />

auf lokaler, regionaler und<br />

nationaler Ebene für mehr Gesundheitsschutz<br />

durch Klimaschutz ein. Das Problem<br />

ist, dass planetare Gesundheit als<br />

Querschnittsthema an den Universitäten<br />

noch fast nirgends und nicht ausreichend<br />

unterrichtet wird. Dies wäre aber entscheidend,<br />

um zu vermitteln, welche zentrale<br />

Rolle der Umweltschutz für die Gesundheit<br />

der Menschen spielt. Daher verlangt<br />

die swimsa die schweizweite Integration<br />

der planetaren Gesundheit und der<br />

mit ihr verbundenen Handlungsmöglichkeiten<br />

in das Curriculum.<br />

Aus Federico Mazzolas Sicht ist<br />

«die Verbindung von Klima und Gesundheit<br />

bei jungen Ärztinnen und Ärzten<br />

im Alltag leider zu wenig präsent».<br />

Über die Klimastrategie der FMH<br />

entscheiden am Ende mehrheitlich<br />

ältere Ärztinnen und Ärzte.<br />

Was braucht es, um Sie von den<br />

Lösungsvorschlägen zu überzeugen?<br />

Bea Albermann: Für mich ist das keine<br />

Frage von Jung versus Alt, sondern ob wir<br />

der Überzeugung sind, dass wir unser ganzes<br />

Leben lang dazulernen und einander<br />

empathisch zuhören können. Nachhaltige<br />

Lösungen finden wir nur im Dialog mit<br />

allen Beteiligten – nicht durch ein Pingpong<br />

von Überzeugungen. Das ist ja auch<br />

die Voraussetzung für jedes erfolgreiche<br />

Arzt-Patienten-Gespräch. Deshalb habe<br />

ich mich dafür eingesetzt, dass die Strategie<br />

in einer breit zusammengesetzten<br />

Gruppe erarbeitet wird und zum Entwurf<br />

eine Vernehmlassung bei den Mitgliederorganisationen<br />

stattfindet. Denn für den<br />

Übergang zu einem gesunden, emissionsfreien<br />

Gesundheitssystem müssen wir zusammenarbeiten.<br />

Federico Mazzola: Zuerst braucht es den<br />

Willen der Ärzteschaft, sich für eine gesündere<br />

Zukunft einzusetzen. Diese Voraussetzung<br />

ist mit unserem Beruf eigentlich<br />

intrinsisch erfüllt. Dann geht es darum,<br />

die ältere Generation zu überzeugen,<br />

Entscheidungen zu treffen, welche auch<br />

zum Nutzen und Schutz der jüngeren<br />

sind. Die Strategie soll optimistische, aber<br />

konkrete Ziele und Massnahmen vorschlagen,<br />

welche auf Fakten beruhen.<br />

Nachhaltigkeit bringt viel Potenzial für<br />

uns Ärztinnen und Ärzte, doch genauso<br />

für all unsere Patienten – dafür müssen<br />

wir uns einsetzen!<br />

Bilder: zvg<br />

8 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

«Ich wollte mehr<br />

Erfahrung gewinnen»<br />

Auch Belegarztpraxen bieten Weiterbildung an. Top oder Flop?<br />

Der <strong>vsao</strong> hat seine Mitglieder gefragt (siehe Kasten) –<br />

und Sarah Schwabe-Nguyen, angehende Fachärztin Gynäkologie/Geburtshilfe.<br />

Sie kennt das Modell aus eigener Erfahrung.<br />

Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />

Frau Schwabe, wie kam es dazu, dass<br />

Sie einen Teil ihrer Weiterbildungszeit<br />

bei einer Belegärztin absolviert haben?<br />

Meine Chefin im Spital machte uns Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte darauf aufmerksam,<br />

dass es ab einem gewissen Weiterbildungsstand<br />

möglich ist, eine Rotationsstelle<br />

in der vertraglich angebundenen<br />

Belegarztpraxis zu übernehmen – unter<br />

Anrechnung an die Weiterbildung. Wir<br />

pflegten eine kollegiale Zusammenarbeit<br />

mit den Belegärzten, und so habe ich<br />

Veronika Dombi, die in Hombrechtikon<br />

eine Frauenarztpraxis führt, kennen gelernt<br />

und konnte mit ihr zusammenarbeiten.<br />

«Ab einem gewissen Weiterbildungsstand»:<br />

Was hiess das bei Ihnen?<br />

Ich war in meinem dritten Jahr als Assistenzärztin<br />

Gynäkologie und Geburtshilfe,<br />

als ich das Angebot annahm. Ein idealer<br />

Moment, weil ich mir auch aus familiären<br />

Gründen eine etwas geregeltere Arbeitszeit<br />

wünschte. Meine Anstellung bei Frau<br />

Dombi dauerte dann von Frühling 2018 bis<br />

Ende 2019, in Teilzeit und mit eigener<br />

Sprechstunde.<br />

Warum haben Sie sich für diese Lösung<br />

entschieden?<br />

Ich konnte mir schon immer vorstellen, in<br />

einer Praxis tätig zu sein. Aber der Spitalalltag<br />

vereinnahmt uns Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte derart, dass man gar nicht<br />

an Alternativen denkt. Mir fiel jedoch zunehmend<br />

auf, wie wenig Praxisbezug meine<br />

Tätigkeit im Spital hatte. Eine korrekte<br />

Jahreskontrolle mit Kolposkopie zum Beispiel<br />

gehörte kaum zu unseren Aufgaben,<br />

ebenso endokrinologische Probleme wie<br />

Verhütungsberatung, Sterilitätsabklärungen,<br />

Hormonersatztherapie oder Perimenopause.<br />

Bezüglich Schwangerschaftsultraschall<br />

oder Mammaultraschall fühlte ich<br />

mich ebenfalls unsicher und noch nicht<br />

genügend ausgebildet. Das sind so viele<br />

wichtige Kompetenzen, über die man in<br />

einer Praxis verfügen muss. Zudem fand<br />

ich die Vorstellung schön, Schwangere<br />

vom Beginn bis zur Geburt zu begleiten.<br />

Bild: zvg<br />

«Für alle, die in einer Praxis tätig sein möchten,<br />

finde ich die Lösung empfehlenswert», sagt<br />

Dr. med. Sarah Schwabe-Nguyen über ihre Zeit<br />

in einer Belegarztpraxis.<br />

Zur Umfrage<br />

Für die jungen Ärztinnen und Ärzte ist sie<br />

zentral: die Weiterbildung. Deshalb führt<br />

der <strong>vsao</strong> im Rahmen eines Feedbackpools<br />

regelmässig Umfragen dazu durch. So<br />

kann er die Verbandsarbeit gezielt auf die<br />

Anliegen seiner Mitglieder ausrichten.<br />

Bei der jüngsten Befragung ging es um die<br />

Möglichkeit, einen Teil der Weiterbildung<br />

in Belegarztpraxen zu machen. Je nach<br />

Fachrichtung werden sechs bis zwölf<br />

Monate angerechnet. Eine Lösung, von<br />

der aber viele nichts wissen: Zwei Drittel<br />

der Teilnehmenden kannten sie zuvor<br />

nicht. Die Meinungen der wenigen Personen<br />

mit eigenen Erfahrungen sind überwiegend<br />

positiv – mit einigen kritischen<br />

Begleitkommentaren. Als Vorteile werden<br />

vor allem die besseren Arbeitsbedingungen<br />

gesehen, z. B. bezüglich Selbständigkeit<br />

und individueller Betreuung. Die<br />

Aussagen zu den Nachteilen beziehen sich<br />

mit Ausnahme von Bedenken betreffend<br />

Fachkompetenzen eher auf Punkte, die<br />

nicht direkt mit dem Modell zu tun haben.<br />

40 Prozent der Befragten lassen offen, ob<br />

die Weiterbildung in Belegarztpraxen<br />

gefördert werden sollte. Fast gleich viele<br />

bejahen die Frage. Beide Werte dürften<br />

mit dem verbreiteten Fehlen persönlicher<br />

Erfahrungen bzw. dem mangelnden<br />

Wissen über dieses Angebot zusammenhängen.<br />

Mehr zum Thema unter <strong>vsao</strong>.ch/Medien<br />

und Publikationen/Studien und Umfragen/<br />

Feedback-Pool.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 9


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Was waren Ihre Erwartungen vor dem<br />

Stellenantritt?<br />

Ich wollte mehr Erfahrung im ambulanten<br />

Bereich gewinnen, selbständiger arbeiten<br />

und in Diagnostik und Entscheidungsfindung<br />

mehr Sicherheit erlangen. Deshalb<br />

freute ich mich auf eine eigene Sprechstunde,<br />

um Patientinnen kontinuierlich<br />

zu betreuen. Es war mir auch wichtig, dass<br />

sich meine Lehrärztin Zeit für mich nahm,<br />

für die Klärung von Fragen und die Vermittlung<br />

von Wissen. Darüber hinaus interessierte<br />

mich das Führen einer Praxis:<br />

Worauf muss man dabei achten, welche<br />

administrative Abläufe gibt es? Und last,<br />

but not least freute ich mich auf flexiblere<br />

Arbeitszeiten und eine bessere Work-Life-<br />

Balance.<br />

Haben sich diese Erwartungen erfüllt?<br />

Ja, fast durchgehend. Im ambulanten Bereich<br />

der Gynäkologie fühle ich mich nun<br />

viel sicherer – obschon es natürlich immer<br />

noch viele Bereiche gibt, in denen ich<br />

mehr Übung benötige und dazulernen<br />

muss. Frau Dombi hat mich stets unterstützt<br />

und gefördert. Da es an niedergelassenen<br />

Gynäkologinnen und Gynäkologen<br />

mangelt, war sie allerdings oft sehr beschäftigt,<br />

und es fehlte dann manchmal<br />

doch an Zeit fürs Unterrichten. Dies fand<br />

ich schade, konnte es indes aufgrund der<br />

Umstände verstehen.<br />

Wo sehen Sie die Vorteile der Weiterbildung<br />

in Belegarztpraxen?<br />

Vorab: Es gibt in einer Praxis ebenso viele<br />

Vorteile wie im Spital. Das finde ich wichtig<br />

zu sagen, denn die beiden Modelle<br />

schliessen sich ja nicht gegenseitig aus.<br />

Nach meinem Eindruck habe ich in der<br />

Praxis das grössere Spektrum an Patientinnen<br />

gesehen als in der Klinik. So kam<br />

ich mit seltenen, komplexen Krankheitsbildern<br />

in Berührung und konnte mein<br />

Wissen erweitern. Durch meine eigene<br />

Sprechstunde schliesslich lernte ich rasch,<br />

selbständig zu arbeiten.<br />

Die Kontinuität in der Betreuung der Patientinnen<br />

ist ein weiterer Punkt. Zwar fällt<br />

mir als betreuende Ärztin dadurch eine<br />

grosse Verantwortung zu, aber das forderte<br />

mich im positiven Sinn. Bei Bedarf hatte<br />

ich eine Eins-zu-eins-Betreuung, auch<br />

um Fälle wenn nötig vor- oder nachzubesprechen.<br />

Und wenn ich mal wieder<br />

Spitalluft schnuppern wollte, begleitete<br />

ich die Belegärztin ins Spital, um zu operieren<br />

oder eine Geburt zu erleben. Ein<br />

weiterer Vorteil sind die erwähnten besseren<br />

Arbeitszeiten und -bedingungen und<br />

die entsprechend bessere Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie.<br />

Nachteile?<br />

Dazu fällt mir nicht viel ein. Doch, ich<br />

habe gesehen, wie viel Organisation und<br />

Administration das Führen einer Praxis<br />

benötigt. Inwiefern dies nun ein Vor- oder<br />

ein Nachteil ist, ist schwierig zu sagen. Ich<br />

selbst war froh zu erfahren, an was man<br />

alles denken muss, wenn man in die berufliche<br />

Selbständigkeit geht.<br />

Ihr persönliches Fazit?<br />

Für alle, die irgendwann in einer Praxis<br />

arbeiten möchten, finde ich die Lösung<br />

absolut empfehlenswert. Man kann auch<br />

mit kleinen Kindern seine Facharztausbildung<br />

voranbringen. Bei einer 50-Prozent-Anstellung<br />

ist aktuell ein Jahr anrechenbar.<br />

Schön wäre es, wenn man die<br />

Anrechenbarkeit auf ein Jahr bei 100 Prozent<br />

und dementsprechend zwei Jahre bei<br />

50 Prozent erhöhen könnte. Im Vorstand<br />

der Schweizerischen Gesellschaft für<br />

Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG)<br />

wurde dieser Wunsch bereits besprochen<br />

und unterstützt.<br />

Wer sich für die Weiterbildung in Belegarztpraxen interessiert, findet unter sbv-asmi.ch/weiterbildungsstaetten sämtliche dafür anerkannten Praxen.<br />

Bild: pressmaster/Adobe<br />

10 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Stopp Diskriminierung!<br />

Häufig vereint eine Person verschiedene Merkmale in<br />

sich, die sie für eine diskriminierende Behandlung<br />

besonders anfällig machen: z. B. ihr Geschlecht,<br />

eine ausländische Herkunft, ihre Hautfarbe, ihre<br />

Religionszugehörigkeit, ihr Alter und ihre soziale Stellung.<br />

Solche Personen laufen Gefahr, mehrfach und in verschiedenen<br />

Zusammenhängen Diskriminierungen ausgesetzt zu sein.<br />

Ausserdem bewirken die verschiedenen Merkmale zusammen<br />

eine stärkere und häufigere Diskriminierung.<br />

Doch diese Definition hat weder etwas mit<br />

dem <strong>vsao</strong> noch mit Ärztinnen und Ärzten zu<br />

tun – oder doch? Sowohl die letzte Mitgliederumfrage<br />

des Dachverbands als auch<br />

die kürzlich von der Sektion Waadt<br />

durchgeführte Umfrage zu Diskriminierungen<br />

im beruflichen Umfeld<br />

zeigen erschreckende Ergebnisse.<br />

Über die Hälfte der antwortenden<br />

Personen hat im Rahmen ihrer beruflichen<br />

Tätigkeit Diskriminierung<br />

(mit)erlebt. So berichtet ein<br />

Mitglied: «Mein Chef stellt keinen<br />

‹-ic› ein oder niemanden, ‹der auf<br />

dem Kamel ins Spital kommt›.» Auch<br />

unsere Sektionsjuristinnen und -juristen<br />

sind in ihren Beratungen nicht selten<br />

mit dem Thema konfrontiert.<br />

Solche Tatsachen rufen nach Taten! Genau<br />

aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit unseren<br />

Sozialpartnern SBK und H+ eine Arbeitsgruppe gegründet.<br />

Dabei wollen wir auf die häufigsten Diskriminierungen aufmerksam<br />

machen und dadurch ein respektvolles Miteinander<br />

fördern. Und welches sind nun Diskriminierungsmerkmale bei<br />

Ärztinnen und Ärzten? Von Betroffenen wurden wiederholt<br />

genannt: Frau, Ausländerin und Mutter oder junge Frau mit<br />

Migrationshintergrund. Und was ebenso aufhorchen lässt:<br />

Nicht nur die Mütter fühlen sich diskriminiert, sondern auch<br />

Kinderlose, weil sie oft für Eltern einspringen müssen und auch<br />

sonst sehr flexibel eingesetzt werden.<br />

Damit noch nicht genug, denn Diskriminierungen kommen<br />

von allen Seiten: von Kolleginnen und Kollegen, von Vorgesetzten<br />

und von Patienten. Eine weitere – nicht selten genannte –<br />

Diskriminierung ist demnach auch, als Ärztin nicht ernst<br />

genommen zu werden. Dies äussert sich unter anderem darin,<br />

dass die Frau nicht als Ärztin wahrgenommen und mit einer<br />

Pflegefachperson verwechselt wird. «Frau Doktor, wann kommt<br />

der richtige Doktor?» Oder: «Ich habe heute noch nie einen Arzt<br />

Auf den<br />

Punkt<br />

gebracht<br />

gesehen» (obwohl schon drei Ärztinnen auf Visite waren).<br />

Das sind zwei typische Beispiele.<br />

Eine Frau muss aber nicht Mutter sein, um mehrfach<br />

diskriminiert zu werden, sondern kann «nur» jung sein und<br />

attraktiv aussehen. Auch von Belästigungen durch Kollegen<br />

berichten die Befragten. (In einem engen Flur): «Sehr schön, wie<br />

Sie mit Ihrem Oberschenkel an mir vorbeigeschrammt sind!»<br />

Die Vermutung liegt nahe, dass man es als Mann einfacher hat<br />

– es sei denn, man arbeitet in der Gynäkologie und<br />

dazu noch als Ausländer. Doch das Diskriminierungsthema<br />

<strong>Nr</strong>. 1 ist zweifelslos Schwangerschaft<br />

und Mutterschaft. Wobei es bereits<br />

ausreicht, im gebärfähigen Alter zu<br />

sein. So musste sich etwa eine Teilzeit<br />

angestellte Ärztin anhören: «Jetzt<br />

gibt es Hausfrauenanästhesie»,<br />

oder eine Oberärztin wurde vom<br />

Chef als «Hausfrauen-Oberärztin»<br />

betitelt.<br />

Und gut gemeint ist übrigens<br />

nicht immer gut gemacht: Ein<br />

Chefarzt hat einer Mitarbeiterin<br />

geraten, den Job aufzugeben und<br />

daheim zu bleiben, anstatt nach einer<br />

Reduktion des Pensums zu fragen. Die<br />

Erklärung «Meine Frau hat das auch so<br />

gemacht» rettet die Situation nicht.<br />

Sarina Keller,<br />

Leiterin Weiterbildung und Recht /<br />

stv. Geschäftsführerin <strong>vsao</strong><br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 11


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Aus der «Revue Médicale Suisse»*<br />

Belästigung, Sexismus und<br />

Geschlechterungleichheit in den<br />

Spitälern der Westschweiz<br />

Der Standpunkt der Ärzte in Weiterbildung**<br />

Dr. med. Agathe Greiser Evain a , Dr. med. Margherita Plebani a , Dr. med. Alexandre Dumusc a und Sandrine Devillers a<br />

Die Frage des Sexismus und der<br />

Geschlechterungleichheit im<br />

medizinischen Bereich ist bekannt,<br />

und die Spitäler in der<br />

Westschweiz sind davon nicht ausgenommen.<br />

Der Verband Schweizerischer Assistenz-<br />

und Oberärztinnen und -ärzte, Sektion<br />

Waadt, hat seine Mitglieder zu diesem<br />

Thema befragt. 44 Prozent der Teilnehmer<br />

(67 bis 186 Teilnehmer, je nach<br />

Frage) waren Opfer/Zeuge von sexistischen<br />

Bemerkungen. 76 Prozent haben<br />

schwangerschaftsfeindliche Äusserungen<br />

gehört. 62 Prozent der schwangeren<br />

Frauen haben nicht von den im Arbeitsgesetz<br />

vorgesehenen Schutzmassnahmen<br />

profitiert. 82 Prozent der Mütter erleben<br />

die Mutterschaft als Karrierehemmnis.<br />

Die Personalabteilungen und Direktionen<br />

haben die Verantwortung sicherzustellen,<br />

dass die problematischen Verhaltensweisen<br />

gemeldet und Massnahmen ergriffen<br />

werden. Die Familienplanung muss aufgewertet<br />

und der Mutterschutz gemäss<br />

Arbeitsgesetz konsequent umgesetzt werden.<br />

* Der Beitrag erschien erstmals in der Revue<br />

Médicale Suisse <strong>2021</strong>; 17: 850-3<br />

** Association suisse des médecins assistant·e·s et<br />

chef·fe·s de cliniques, Section Vaud (ASMAV),<br />

CHUV, 1011 Lausanne<br />

agathe.evain@asmav.ch | margherita.plebani@<br />

asmav.ch | alexandre.dumusc@asmav.ch |<br />

sandrine.devillers@asmav.ch<br />

a<br />

Bemerkung: Aus Gründen der thematischen<br />

Kohärenz wurde eine geschlechterneutrale<br />

Sprache verwendet, wenn möglich mit<br />

Verwendung von neutralen Begriffen.<br />

Einleitung<br />

Die Fragen rund um Sexismus und Geschlechterungleichheit<br />

sind in zahlreichen<br />

Berufsfeldern aktuell und wurden von den<br />

Medien, insbesondere in Zusammenhang<br />

mit dem Frauenstreik vom 14. Juni 2019,<br />

hervorgehoben. Ob Lohnungleichheiten,<br />

gläserne Decke, Belästigung: Verschiedene<br />

Probleme von Frauen aller Alters- und Bildungsstufen<br />

wurden angeprangert. Diese<br />

schweizweite Mobilisierung erinnert daran,<br />

dass sogar in wirtschaftlich stabilen<br />

Ländern wie der Schweiz, die sozialen<br />

Ungleichheiten zwischen Männern und<br />

Frauen weiterbestehen.<br />

2019 haben Medizinstudentinnen im<br />

Kanton Waadt, die über die sexistischen<br />

Verhaltensweisen in ihren Ausbildungsstätten<br />

beunruhigt waren, das Kollektiv<br />

CLASH (Collectif de lutte contre le<br />

sexisme en milieu hospitalier) gegründet.<br />

Die weibliche Population ist bei den<br />

Ärzten in der Altersgruppe der 24- bis<br />

44-Jährigen [1] übervertreten. Man beobachtet<br />

also eine klare Tendenz zur Feminisierung<br />

des Berufs. Diese globale Tendenz<br />

kann man in einem ähnlichen Ausmass in<br />

den USA beobachten. [2] Gemäss Statistik<br />

2018 der Verbindung der Schweizer Ärzte<br />

(FMH), beträgt bei den AssistenzärztInnen<br />

der Frauenanteil 58,6 Prozent, während<br />

er, je höher die Karrierestufe ist,<br />

kontinuierlich sinkt und bei den OberärztInnen<br />

noch 47,9 Prozent und bei den<br />

KaderärztInnen lediglich 12,4 Prozent beträgt.<br />

[3]<br />

Die immer wichtigere Stellung der<br />

Frauen im Gesundheitswesen verändert<br />

unweigerlich gewisse Paradigmen: Die<br />

Aufgabenteilung, die stufenweise Abkehr<br />

Sexism and gender<br />

inequalities in<br />

hospitals of Western<br />

Switzerland: junior<br />

doctors perspectives<br />

Sexism and gender inequalities are<br />

well-known issues in medical community<br />

and hospitals are also concerned.<br />

The Swiss Junior Doctors Association,<br />

local branch (canton of Vaud) conducted<br />

a survey about this topic. 44%<br />

of participants (67-186 junior doctors<br />

answered the survey) have been victims<br />

or witnessed sexist remarks. 76%<br />

heard hostiles speeches about pregnancy.<br />

62% of pregnant women did<br />

not benefit from measures provided by<br />

Swiss law. 82 % of mothers experienced<br />

pregnancy as a career-limiting<br />

event. Human resources and management<br />

have responsibility for reporting<br />

discriminatory behavior and taking<br />

appropriate actions. Having children<br />

should be valued and pregnant women<br />

protected according to Swiss law,<br />

which should be enforced without<br />

conditions.<br />

vom Prinzip der «dauernden Erreichbarkeit»<br />

des Arztes, die Integration der Elternschaft<br />

ins Berufsleben. Diese Fragen<br />

werden übrigens vom Bundesgesetz über<br />

die Gleichstellung von Frau und Mann<br />

(GlG) geregelt. Dies geschieht jedoch nicht<br />

ohne Schwierigkeiten: unangemessenes<br />

Verhalten, Benachteiligung der schwangeren<br />

Frauen und stillenden Mütter, Be-<br />

12<br />

4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

einträchtigung der Karriere bei Mutterschaft,<br />

ungleiche Beförderungsbedingungen.<br />

Zu all diesen Themen wird unser<br />

Verband regelmässig um Hilfe gebeten.<br />

Der Verband Schweizerischer Assistenzund<br />

Oberärztinnen und -ärzte, Sektion<br />

Waadt (ASMAV), hat deshalb entschieden,<br />

diese Problematik in den Spitälern der<br />

Westschweiz mittels Mitgliederumfrage<br />

zu evaluieren.<br />

Methodik<br />

Wir haben sämtlichen Mitgliedern unserer<br />

Sektion (1879 ÄrztInnen, d. h. Aktivund<br />

Passivmitglieder) einen elektronischen<br />

Fragebogen mit 9 Fragen zum Thema<br />

Belästigung (davon 3 offene Fragen)<br />

und 7 Fragen (davon 3 offene Fragen) zum<br />

Thema Mutterschaft, Schwangerschaft<br />

und deren Auswirkungen auf die Karriere<br />

zukommen lassen. Die Fragen wurden mit<br />

Hilfe eines im Arbeitsrecht spezialisierten<br />

Anwalts formuliert, welcher für die Ärzte<br />

in Aus- und Weiterbildung tätig ist.<br />

Die Daten wurden mit der Plattform<br />

www.sondageonline.ch vom 27. Januar bis<br />

14. März 2020 erhoben. Die Teilnahme an<br />

der Umfrage war anonym.<br />

Ergebnisse<br />

186 Personen haben an der Umfrage teilgenommen,<br />

davon 79 Prozent Frauen. Die<br />

Anzahl Antworten sind je nach Frage unterschiedlich,<br />

mit einem Minimum von<br />

67 Antwortenden. Bestimmte Fragen waren<br />

den Frauen vorbehalten, die eine<br />

Schwangerschaft durchgemacht hatten.<br />

Abbildung 1. Problematische Verhaltensweisen<br />

Frage: Welche Funktion übte die Person aus, die diese problematischen Äusserungen machte oder<br />

dieses problematische Verhalten aufwies? (Mehrere Antworten möglich).<br />

Kader/Chefärztin oder -arzt<br />

Oberärztin oder -arzt<br />

Pflegefachfrau/-mann<br />

Assistenzärztin oder -arzt<br />

Andere<br />

Praktikantin<br />

Vom unangemessenen Verhalten<br />

zur Belästigung<br />

71 Prozent der Befragten waren Opfer oder<br />

Zeuge von Belästigungen gegenüber einer<br />

Assistenzärztin/einem Assistenzarzt und<br />

36 Prozent gegenüber einer Oberärztin/<br />

einem Oberarzt. Die gemeldeten Vorfälle<br />

betreffen hauptsächlich den am Arbeitsplatz<br />

ausgeübten Druck (91 von 186 Antworten<br />

beinhalten Herabsetzung gegenüber<br />

KollegInnen und 81 von 186 Antworten<br />

berufliche Diskreditierung), die<br />

sexistischen und sexuell anzüglichen Bemerkungen<br />

(83 von 186 Antworten) und<br />

den autoritären Führungsstil, der ein problematisches<br />

Arbeitsklima fördert (71 von<br />

186 Antworten), beschreiben Situationen,<br />

in denen man «angebrüllt» wird. 60 Prozent<br />

der Urheber von problematischen<br />

Äusserungen oder Verhaltensweisen sind<br />

Männer, 40 Prozent sind Frauen. Diese<br />

Verhaltensweisen gehen vor allem von<br />

ÄrztInnen in hohen hierarchischen Positionen<br />

aus (Abbildung 1). Die Personen in<br />

Aus- und Weiterbildung sind mehrheitlich<br />

Zielscheiben dieser schädlichen Verhaltensweisen.<br />

Unter den erwähnten Verhaltensweisen<br />

findet man eine auf geschlechterspezifische<br />

Stereotypen basierte Diskriminierung,<br />

die in der Regel negativ behaftet ist<br />

und auf Frauen zielt. Beispielsweise sexistische<br />

Äusserungen vor PatientInnen oder<br />

69%<br />

41%<br />

24%<br />

24%<br />

12%<br />

1% n = 160<br />

0% 20%<br />

40%<br />

60% 80%<br />

Abbildung 2. Meldung einer Schwangerschaft<br />

Frage: Haben Sie Angst verspürt, als es darum ging Ihre Schwangerschaft in Ihrer Klinik bekanntzugeben?<br />

Es wurden nur die Antworten der Teilnehmerinnen, die eine Schwangerschaft durchgemacht<br />

haben, berücksichtigt.<br />

Nein<br />

Ein wenig Angst<br />

Grosse Angst<br />

0% 20%<br />

21%<br />

27%<br />

40%<br />

52%<br />

n = 73<br />

60%<br />

Abbildung 3. Haltung gegenüber den schwangeren Frauen<br />

Frage: Hören Sie (oder haben Sie solche gehört), feindliche Äusserungen gegenüber schwangeren<br />

Frauen in Ihrem Arbeitsumfeld?<br />

Nie<br />

Manchmal<br />

Häufig<br />

0% 20%<br />

25%<br />

27%<br />

40%<br />

48%<br />

n = 169<br />

60%<br />

schwierige Aufgaben, die häufiger einem<br />

männlichen Kollegen anvertraut werden.<br />

Die Opfer haben Mühe ihr Schweigen<br />

zu brechen: 51 Prozent sprechen mit einem/einer<br />

Kolleg/in darüber, 23 Prozent<br />

wenden sich an ihre/n Vorgesetzte/n und<br />

31 Prozent unternehmen nichts. Nur<br />

4 Prozent gelangen an die interne Beratungsstelle.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 13


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Schutz der schwangeren und stillenden<br />

Ärztin<br />

Stimmung im Falle einer möglichen<br />

Schwangerschaft<br />

79 Prozent der Befragten beschreiben eine<br />

Angst bei der Ankündigung ihrer Schwangerschaft<br />

(Abbildung 2). Das Umfeld hängt<br />

zudem mit diesen Zahlen zusammen, da<br />

75 Prozent der Befragten Zeuge von feindseligen<br />

Äusserungen gegenüber schwangeren<br />

Frauen waren (Abbildung 3). Zum<br />

Beispiel: «Die Nächste, die auf die<br />

schlechte Idee kommt, schwanger zu<br />

werden, bekommt eine Abtreibungspille<br />

in ihr Kaffee» ist eine Bemerkung einer<br />

Kaderärztin, die von einer Befragten zitiert<br />

wird. Fast die Hälfte aller von einer<br />

Schwangerschaft betroffenen Frauen waren<br />

Opfer von feindseligen Bemerkungen<br />

in Zusammenhang mit einer möglichen<br />

Schwangerschaft und 40 Prozent erklären,<br />

dass Druck auf sie ausgeübt wurde,<br />

um sie von einer Schwangerschaft abzubringen<br />

(Abbildung 4).<br />

Meldung einer Schwangerschaft:<br />

Praktische Aspekte<br />

86 Prozent (n = 68) der Befragten haben<br />

ihre Schwangerschaft zuerst ihren Vorgesetzten<br />

gemeldet (53 Prozent dem Chefarzt/der<br />

Chefärztin, 36 Prozent einer/m<br />

anderen Vorgesetzten und 3 Prozent den<br />

Human Ressources. 46 Prozent (n = 68)<br />

wurden von den Human Ressources<br />

brieflich kontaktiert, 9 Prozent telefonisch<br />

und 22 Prozent gar nicht. In 24 Prozent der<br />

Fälle haben die Human Ressources die<br />

betroffene Person spontan kontaktiert.<br />

Nur 36 Prozent (n = 69) hatten ein Gespräch<br />

betreffend ihrer Rechte mit ihren<br />

Verantwortlichen und/oder den Human<br />

Ressources. 58% (n = 67) erachten die erhaltenen<br />

Informationen als ausreichend.<br />

Anpassung der Arbeitsbedingungen<br />

Das Arbeitsgesetz (ArG) und seine Verordnungen<br />

verlangen eine Reihe von Anpassungen<br />

am Arbeitsplatz, um die Gesundheit<br />

der Mutter und des Kindes zu schützen.<br />

[4] Bei nur 37 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen<br />

wurden die gesetzlich<br />

vorgesehenen Anpassungen vollumfänglich<br />

umgesetzt. Dies beinhaltet die Beschränkung<br />

der täglichen Arbeitszeit auf<br />

9 Stunden, die Befreiung von der Nachtarbeit<br />

und dem Nachtpikett, die Anpassungen<br />

des Arbeitsplatzes (Abbildung 5).<br />

In den offenen Antworten berichten die<br />

ÄrztInnen von einer Gesetzesanwendung<br />

mit Widerständen oder nach Gutdünken<br />

der Hierarchie oder von einer Anpassung<br />

Abbildung 4. Druck gegenüber einem Schwangerschaftsprojekt<br />

Frage: Wurden Sie oder sind Sie unter Druck gesetzt worden, um Sie von einem Schwangerschaftsprojekt<br />

abzubringen?<br />

Es wurden nur die Antworten der Teilnehmerinnen berücksichtigt.<br />

Vollumfänglich eingehalten<br />

Teilweise eingehalten<br />

Mehrheitlich nicht eingehalten<br />

der Dienstplanung, die nicht den effektiv<br />

geleisteten Arbeitszeiten entspricht.<br />

Die Mutterschaft als Karrierehemmnis<br />

Wir haben uns auch für die Frage nach den<br />

Auswirkungen der Mutterschaft auf die<br />

Spitalkarriere und den Schwierigkeiten<br />

bei der Vereinbarkeit von Privat- und<br />

Familienleben nach dem Mutterschaftsurlaub<br />

interessiert. 82 Prozent (n = 78) der<br />

betroffenen Befragten erklären, dass die<br />

Geburt eines Kindes ihre Karriere gebremst<br />

hat. 12 Prozent (n = 76) orten in der<br />

Mutterschaft den Grund für die nicht erfolgreiche<br />

Bewerbung für eine leitende<br />

Stelle. Folgende Hauptschwierigkeiten<br />

werden genannt:<br />

– die Verlängerung der Weiterbildung<br />

– die fehlende Flexibilität und vorausschauende<br />

Dienstplanung<br />

– die Schwierigkeit, Kinderbetreuungslösungen<br />

zu finden, die mit den Arbeitszeiten<br />

im Spital kompatibel sind<br />

– der ungenügende Zugang zu Teilzeitstellen<br />

0% 20%<br />

26%<br />

37%<br />

37%<br />

40%<br />

n = 67<br />

60%<br />

Abbildung 5. Anwendung des Arbeitsgesetzes<br />

Frage: Falls Sie schwanger sind (oder waren), wurden die Schutzbestimmungen für schwangere<br />

Frauen und stillende Mütter allgemein eingehalten?<br />

Es wurden nur die Antworten der Teilnehmerinnen, die eine Schwangerschaft durchgemacht<br />

haben, berücksichtigt.<br />

Häufige Bemerkungen<br />

Einige Bemerkungen<br />

Nein, nie<br />

Nicht betroffen<br />

6%<br />

0% 20%<br />

22%<br />

34%<br />

38%<br />

40%<br />

n = 133<br />

60%<br />

– die Bestrafung von MitarbeiterInnen<br />

mit reduziertem Pensum<br />

– das Ungleichgewicht bei der Erfüllung<br />

der Haushalts- und Erziehungsaufgaben<br />

durch die Eltern<br />

– die abschreckende Wirkung auf Mütter,<br />

eine akademische Laufbahn einzuschlagen<br />

– Elternschaft wird mit mangelndem<br />

beruflichem Einsatz gleichgesetzt<br />

– der unlautere Wettbewerb der Kollegen<br />

ohne Familienverantwortung, die einer<br />

Vollzeitbeschäftigung nachgehen und<br />

auch über die gesetzlichen Grenzen<br />

hinaus arbeiten können.<br />

Nach dem Mutterschaftsurlaub bemängeln<br />

16 Prozent der Befragten zudem Verstösse<br />

gegen die Schutzbestimmungen für<br />

stillende Mütter am Arbeitsplatz, insbesondere<br />

die dazu notwendige Zeit und<br />

die entsprechend angepassten Räumlichkeiten.<br />

14 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Tabelle 1. Ansätze zur Bekämpfung von diskriminierenden Verhaltensweisen<br />

Vorschläge der ASMAV, um die identifizierten Probleme in Zusammenhang mit unangemessenem<br />

Verhalten, mangelndem Respekt gegenüber der schwangeren Frau und stillenden Mutter sowie der<br />

Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu beheben.<br />

ASMAV: Association suisse des médecins assistant·e·s et chef·fe·s de cliniques, Section Vaud<br />

(ASMAV); CLASH: Collectif de lutte contre le sexisme en milieu hospitalier; FHV: Fédération des<br />

hôpitaux vaudois; HR: Human Ressources.<br />

Situation<br />

Problematische Verhaltensweisen<br />

Einhaltung der Bestimmung<br />

zum Schutz der schwangeren<br />

Frauen und der stillenden<br />

Mütter<br />

Vereinbarkeit von<br />

Privat leben und Beruf<br />

Vorschläge<br />

Diskussion<br />

Ein Führungsstil, der überdacht<br />

werden muss<br />

Die sexistischen Verhaltensweisen sind<br />

ein Dauerthema, auch bei der Ärzteschaft.<br />

Für Ärztinnen ist es nach wie vor schwierig,<br />

hinsichtlich ihrer beruflichen Fähigkeiten<br />

gleichermassen wie ihre männlichen<br />

Kollegen anerkannt zu werden.<br />

Unsere Zahlen bestätigen, was andere,<br />

grössere Studien bereits gezeigt haben. [5]<br />

Es sind häufig die Vorgesetzten, die solche<br />

Verhaltensweisen an den Tag legen. Dies<br />

kann negative Auswirkungen auf die Weiterbildung<br />

und die Karriere der betroffenen<br />

Person haben und sie zudem davon<br />

abhalten, die Vorfälle zu melden. Bei dieser<br />

Problematik geht es um komplexe<br />

Machtfragen, die sich auf verschiedenste<br />

Weise äussern können, von derben und<br />

Eine transparente und neutrale Meldung der Fälle fördern<br />

und ermöglichen, bei gleichzeitigem Schutz der meldenden<br />

Person.<br />

Sensibilisierung und Ausbildung des Kaderpersonals zu den<br />

Fragen von Sexismus und Belästigung.<br />

Förderung einer Null-Toleranz und Anwendung von<br />

Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung, unabhängig von<br />

der hierarchischen Stellung des Urhebers.<br />

Sicherstellung der Überwachung der problematischen<br />

Situationen.<br />

Entwicklung einer Sensibilisierungsstrategie: Das Kollektiv<br />

CLASH, die ASMAV und die FHV arbeiten zusammen an der<br />

Umsetzung einer Pilot-Sensibilisierungskampagne in zwei<br />

Waadtländer Spitälern im Jahr <strong>2021</strong>.<br />

Bei Meldung einer Schwangerschaft systematische Durchführung<br />

eines Gesprächs zwischen HR, Vorgesetztem und<br />

der betroffenen Ärztin, mit Erläuterung der geltenden<br />

Bestimmungen.<br />

Klare Sanktionsandrohung im Falle der Nichteinhaltung.<br />

Regelmässige Kontrolle der gesetzlichen Bestimmungen<br />

durch die HR-Abteilung bei der betroffenen Ärztin.<br />

Aufwertung des personalärztlichen Dienstes als Ansprechpartnerin<br />

bei Fragen.<br />

Vereinfachung und Automatisierung des Stellvertretungsprozesses<br />

bei Mutterschaftsurlaub.<br />

Beantwortung der Frage der Elternschaft im Verlauf der<br />

Aus- und Weiterbildung.<br />

Optimierung des Angebots für die Kinderbetreuung und<br />

Anpassung an die Spitalarbeitszeiten.<br />

Förderung der Teilzeitarbeit und des Jobsharings,<br />

einschliesslich bei Männern.<br />

Aufwertung des Vaterschafts- und Elternurlaubs.<br />

sexistischen Witzen bis zur Diskriminierung,<br />

die zur Verletzung der Integrität der<br />

Person führen kann. Es ist schwierig zu<br />

beurteilen, ob Sanktionen verhängt werden<br />

und welche Auswirkungen diese haben.<br />

Es gibt aber Studien, die eine geringe<br />

Zufriedenheit gegenüber den getroffenen<br />

Massnahmen aufzeigen. [6] Der Führungsstil,<br />

der insbesondere auf der autoritären<br />

Hierarchie der Kaderärzte und einem Gesetz<br />

des Schweigens beruhen, ist vermutlich<br />

einer der Gründe, die dies erklären<br />

können.<br />

Praktische<br />

Auswirkungen<br />

– Die Belästigung bleibt ein verbreitetes<br />

Problem in den Spitälern. Sie<br />

betrifft sowohl die geschlechterbezogenen<br />

Diskriminierungen als auch<br />

den autoritären Führungsstil.<br />

– Eine Verbesserung der Prävention<br />

und der bei problematischen Verhaltensweisen<br />

ergriffenen Massnahmen<br />

ist notwendig. Dazu braucht es<br />

obligatorische Kurse für Ärzte in<br />

Kaderfunktionen sowie auch das<br />

Ergreifen von Sanktionen, die den<br />

betroffenen Personen mitgeteilt<br />

werden müssen.<br />

– Allzu häufig ist die Mutterschaft<br />

Synonym für Ängste, Spannungen<br />

im Team und Hindernisse in der<br />

Karriere. Dieses Problem erfordert<br />

eine aufmerksame Analyse. Die<br />

Feminisierung des Berufs erfordert<br />

einen Paradigmenwechsel.<br />

– Die Stellvertretung bei Mutterschaft<br />

muss systematisch und punktuell<br />

funktionieren, um die Auswirkungen<br />

auf das Team und die Schuldgefühle<br />

der schwangeren Frauen zu<br />

reduzieren.<br />

– Die gesetzlichen Bestimmungen im<br />

Falle einer Schwangerschaft müssen<br />

automatisch zur Anwendung kommen<br />

und ihre Einhaltung sollte<br />

durch die Human Ressources sichergestellt<br />

werden.<br />

– Die Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Familie muss verbessert werden,<br />

insbesondere mit dem Zugang zu<br />

Kinderbetreuungslösungen, die mit<br />

den Arbeitszeiten in den Spitälern<br />

kompatibel sind.<br />

– Die Sektionen des Verbands Schweizerischer<br />

Assistenz- und Oberärztinnen<br />

und -ärzte, als Vertreter der<br />

ÄrztInnen in Ausbildung, sind<br />

Schlüsselpartner für die Ausarbeitung<br />

von Lösungen zur Verbesserung<br />

des Arbeitsklimas.<br />

Eine Reihe von Konsequenzen<br />

Was die Schwierigkeiten angeht, mit welchen<br />

die schwangeren Frauen an ihrem<br />

Arbeitsplatz konfrontiert sind, zeigen Studien,<br />

dass der Stress, dem die Ärztinnen<br />

ausgesetzt sind, das Risiko von Geburtskomplikationen<br />

erhöht. [7] Wir denken,<br />

dass der mangelhafte Schutz der schwangeren<br />

Frauen sowie die fehlende Unterstützung<br />

beim Stillen mit negativen gesundheitlichen<br />

Folgen für die Mutter und<br />

das Kind einhergehen. Dazu kommen<br />

noch die Schuldgefühle und die Diskriminierung<br />

der Mütter am Arbeitsplatz, insbesondere<br />

wegen der Mutterschaftsurlaube,<br />

die nicht in genügendem Masse durch<br />

Ersatzpersonal ausgeglichen werden und<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 15


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

damit zu einer Mehrbelastung für die<br />

KollegInnen führen. [8] Gemäss Buddeberg-Fischer<br />

et al. der Universität Zürich<br />

sind die Ärztinnen mit Familienverpflichtungen<br />

diejenigen, die in ihrer Karriere<br />

am wenigsten Fortschritte erzielen und<br />

auch die geringste Unterstützung durch<br />

ein Mentoring erfahren. [9] Die Schwierigkeit,<br />

Mutterschaft und Karriere im gegenwärtigen<br />

System in Einklang zu bringen,<br />

reduziert für diese kompetenten und motivierten<br />

Fachpersonen den Zugang zu beruflichen<br />

Kaderfunktionen. [8]<br />

«Die Pflegenden schlecht behandeln»:<br />

Die Ethik muss im Fokus stehen<br />

Aus ethischer Sicht muss man sich fragen,<br />

warum gerade im medizinischen Bereich,<br />

die gesetzlichen Schutzmassnahmen häufig<br />

nicht eingehalten werden. Sind Spitäler<br />

oder auch Pflegeeinrichtungen nicht<br />

in der Lage, den Schutz ihrer eigenen<br />

Angestellten zu gewährleisten? Es müssen<br />

Massnahmen ergriffen werden. Insbesondere<br />

muss die Meldung solcher diskriminierenden<br />

Verhaltensweisen gefördert<br />

und die Wirksamkeit solcher Aktionen<br />

garantiert werden, unabhängig von der<br />

hierarchischen Stellung des Urhebers.<br />

In einem Beruf, der immer weiblicher<br />

wird, ist es Zeit, für eine ruhige und gesunde<br />

Arbeitsatmosphäre zu sorgen, unabhängig<br />

vom Geschlecht der Person, damit<br />

die Person ihren Lebensentwurf bestmöglich<br />

parallel zu ihren beruflichen Zielen<br />

entwickeln kann.<br />

Anstatt ein Kind als Hindernis für den<br />

beruflichen Erfolg zu sehen, sollte die<br />

Elternschaft als selbstverständliches, sozial<br />

aufwertendes und für die persönliche<br />

Weiterentwicklung wichtiges Element in<br />

den Karriereplan eingebaut werden. Es ist<br />

daher unabdingbar, die noch heute offenbar<br />

gegensätzlichen Werte in ein Gleichgewicht<br />

zu überführen: die Einsatzbereitschaft<br />

in der Arbeit und die elterliche Erfüllung.<br />

Lösungen sind möglich!<br />

Aufgrund ihrer praktischen Erfahrung,<br />

hat die ASMAV einige Lösungswege identifiziert,<br />

um gegen die diskriminierenden<br />

Verhaltensweisen in der Praxis vorzugehen<br />

(siehe Tabelle 1).<br />

Fazit<br />

Der Ärztenachwuchs wird immer weiblicher,<br />

aber die Geschlechterungleichheit,<br />

insbesondere in Zusammenhang mit der<br />

Mutterschaft, dauert an. Die Einführung<br />

von konkreten Massnahmen zur Förderung<br />

der Meldungen und zur Reduktion<br />

von Ungleichheiten kann mittels Partnerschaft<br />

zwischen der HR-Abteilung, den<br />

ChefärztInnen und den ÄrztInnen in Weiterbildung,<br />

vertreten durch die Sektionen<br />

des Verbands Schweizerischer Assistenzund<br />

Oberärztinnen und -ärzte (<strong>vsao</strong>), ins<br />

Auge gefasst werden. Die Elternschaft<br />

muss ohne Tabus in die berufliche Laufbahn<br />

der ÄrztInnen, unabhängig vom Geschlecht,<br />

integriert werden und sollte kein<br />

Hindernis mehr darstellen. Diese Problematik<br />

könnte durchaus bereits während<br />

des Medizinstudiums thematisiert werden.<br />

Interessenkonflikte:<br />

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte in<br />

Zusammenhang mit diesem Artikel gemeldet.<br />

Referenzen<br />

1. Hostettler S, Kraft E.<br />

FMH-Ärztestatistik 2019 – hohe<br />

Abhängigkeit vom Ausland.<br />

Schweiz Arzteztg 2020; 101: 450-5.<br />

2. Association of<br />

American Medical College.<br />

The State of Women in Academic<br />

Medicine. 2018–2019. Verfügbar<br />

unter: www.aamc.org/members/<br />

gwims/statistics/489870/ stats16.<br />

html.<br />

3. Hostettler S, Kraft E.<br />

FMH-Ärztestatistik 2018. Wenig<br />

Frauen in Kaderpositionen.<br />

Schweiz Arzteztg 2019; 100: 411-6.<br />

4. Staatssekretariat für<br />

Wirtschaft (SECO), Mutterschaft<br />

für Arbeitnehmerinnen. 2016.<br />

Verfügbar unter: https://www.seco.<br />

admin.ch/seco/de/home/Arbeit/<br />

Arbeitsbedingungen/mutterschutz.html<br />

dokumente/<br />

Publikationen_Dienstleistungen/<br />

Publikationen_Formulare/Arbeit/<br />

Arbeitsbedingungen/Broschueren/<br />

mutterschutz_07_14_de.pdf.<br />

download. pdf/<br />

mutterschutz_07_14_fr.pdf.<br />

5. *Fnais N, et al.<br />

Harassment and Discrimination in<br />

Medical Training: a Systematic<br />

Review and Meta-Analysis. Acad<br />

Med 2014; 89: 817-27.<br />

6. Bates CK, et al. It Is<br />

Time for Zero Tolerance for Sexual<br />

Harassment in Academic<br />

Medicine. Acad Med 2018: 93:<br />

163-5.<br />

7. **Kin C, et al. Female<br />

Trainees Believe that Having<br />

Children Will Negatively Impact<br />

Their Careers: Results of a<br />

Quantitative Survey of Trainees at<br />

an Academic Medical Center. BMC<br />

Med Educ 2018; 18: 260.<br />

8. Halley MC, et al.<br />

Physician Mothers’ Experience of<br />

Workplace Discrimination: a<br />

Qualitative Analysis. BMJ 2018;<br />

363: k4926.<br />

9. **Buddeberg-Fischer B,<br />

et al. The Impact of Gender and<br />

Parenthood on Physicians’<br />

Careers--Professional and Personal<br />

Situation Seven Years after<br />

Graduation. BMC Health Serv Res<br />

2010; 10: 40.<br />

* Lektüre empfohlen<br />

** Lektüre unbedingt<br />

empfohlen<br />

16<br />

4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Unisanté mit<br />

Spitalrose geehrt<br />

Corona hat seine Schatten auch auf die ärztliche Weiterbildung geworfen.<br />

Vielerorts wurde das Angebot zeitweilig eingeschränkt. Wie es anders geht,<br />

macht Unisanté in Lausanne vor – der neue Preisträger der <strong>vsao</strong>-Spitalrose.<br />

Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />

Bild: zvg<br />

Tue Gutes und rede darüber:<br />

Diese Devise steht der Auszeichnung<br />

Pate, die der <strong>vsao</strong><br />

seit 2014 vergibt. «Tue Gutes»<br />

obliegt den Gesundheitseinrichtungen,<br />

welche die Arbeitssituation der jungen<br />

Ärzteschaft mit gezielten Massnahmen<br />

verbessern wollen. Und darüber zu reden,<br />

macht sich der <strong>vsao</strong> zu seiner vornehmen<br />

Pflicht, indem er jährlich eine Institution<br />

für gelungene Ergebnisse ehrt. Eben mit<br />

der Spitalrose, einer Skulptur mit Widmung<br />

und Zertifikat.<br />

Bei der jüngsten Preisvergabe ging es<br />

um die Auswirkungen der Coronakrise auf<br />

die Verbandsmitglieder. Denn deren Weiterbildung<br />

zur Erlangung des Facharzttitels<br />

geriet seit Frühling 2020 in Bedrängnis.<br />

Viele Kliniken und Spitäler waren<br />

durch die hohe Zahl an COVID-19-Patientinnen<br />

und -Patienten am Anschlag, und<br />

Wahleingriffe konnten bzw. durften nicht<br />

mehr stattfinden. «Deshalb lag es uns am<br />

Herzen, zu zeigen, dass es auch in solchen<br />

Lagen Wege gibt, das Weiterbildungsangebot<br />

aufrechtzuerhalten», erklärt <strong>vsao</strong>-Co-<br />

Vizepräsidentin Patrizia Kündig.<br />

Strahlen um die Wette: Unisanté-Direktor Jacques Cornuz und Agathe Evain, Präsidentin der<br />

<strong>vsao</strong>-Sektion Waadt, bei der Preisübergabe<br />

Zwei Halbtage für freie<br />

Weiterbildung<br />

Unisanté in Lausanne ist diesbezüglich<br />

ein Musterbeispiel. Das Universitätszentrum<br />

für Allgemeinmedizin und Gesundheitswesen<br />

wartet mit vielfältigen Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

auf, darunter<br />

zwölf Kolloquien, verschiedenste Module<br />

und ein <strong>Journal</strong> Club. Alle Veranstaltungen<br />

für ein breites Publikum sind mittels<br />

Videokonferenz zugänglich, und trotz der<br />

Pandemie sind monatlich zwei Halbtage<br />

für die freie Weiterbildung reserviert – unabhängig<br />

vom Beschäftigungsgrad. «Zu<br />

den neuen Lösungen zählen etwa die Onlineplattform<br />

‹CHUVclass› oder E-Learning<br />

im Bildungszentrum des Universitätsspitals<br />

Waadt», ergänzt Agathe Evain,<br />

Präsidentin der <strong>vsao</strong>-Sektion Waadt.<br />

Auch sonst geizt sie nicht mit Lob für<br />

den Preisträger: «Frauen wie Männer profitieren<br />

von einer breiten Palette an Teilzeitstellen,<br />

und die Assistenz- und Oberärztinnen<br />

und -ärzte werden von administrativen<br />

Aufgaben entlastet.» Punkten<br />

kann die Gesundheitseinrichtung weiter<br />

mit unkomplizierten Anpassungen der<br />

Arbeitszeiten bzw. des Beschäftigungsgrads,<br />

zum Beispiel im Zusammenhang<br />

mit Schwangerschaft sowie Mutterschafts-<br />

und Vaterschaftsurlaub. Für Letzteren<br />

werden 20 Tage gewährt, deutlich<br />

mehr als vorgeschrieben und üblich.<br />

«Die Lehre steht im Zentrum»<br />

Bei Unisanté freut man sich sehr über die<br />

Auszeichnung durch den <strong>vsao</strong>: «Es ist für<br />

uns eine Ehre, eine so wichtige Anerkennung<br />

zu erhalten», sagt Direktor Jacques<br />

Cornuz. «Die Lehre steht bei uns im Zentrum,<br />

und wir wollen unseren Einsatz für<br />

eine Weiterbildung auf hohem Niveau<br />

fortführen – unter welchen Umständen<br />

auch immer. Die Spitalrose spornt uns an,<br />

diesen Weg weiter zu beschreiten.»<br />

Mehr zum Thema unter https://<strong>vsao</strong>.ch/<br />

aerztliche-weiterbildung/<strong>vsao</strong>-spitalrose/<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 17


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Forschen lernen<br />

Hat das nicht schon<br />

jemand gemacht?<br />

Viele Forschende zeichnen sich<br />

durch einen löblichen Tatendrang<br />

aus. Nachdem sie<br />

die Studienfrage formuliert<br />

haben, stürzen sie sich gerne direkt in<br />

die Datensammlung. Ich muss sie dann<br />

jeweils daran erinnern, dass noch etliche<br />

Schritte nötig sind, bevor es ans Eingemachte<br />

gehen kann.<br />

Zunächst müssen wir nämlich die<br />

Notwendigkeit des Projektes nachweisen.<br />

Stellt die Studie eine klinisch relevante<br />

Frage, und ist diese tatsächlich noch<br />

unbeantwortet? Um diese Fragen zu<br />

erörtern, müssen wir die zum Thema<br />

existierende Literatur auswerten, und<br />

zwar am besten in der Form eines<br />

systematischen Reviews.<br />

Eine systematische Literaturanalyse<br />

ist wichtig, weil<br />

• wir damit die Notwendigkeit unseres<br />

Projektes begründen können, zum<br />

Beispiel indem wir die Unterschiede<br />

zwischen unserer Studie und der<br />

existierenden Evidenz aufzeigen<br />

können;<br />

• eine solche oft bei Anträgen für<br />

Forschungsgelder und von Ethikkommissionen<br />

verlangt wird;<br />

• die daraus resultierende Literaturliste<br />

eine wichtige Grundlage beim Verfassen<br />

unseres Artikels darstellt;<br />

• diese bei grossen Projekten oft als<br />

eigenständige Publikation veröffentlicht<br />

werden kann.<br />

Im Gegensatz zu einem narrativen<br />

Review zeichnet sich ein systematischer<br />

Review durch eine klar definierte Methodologie<br />

aus, welche die folgenden<br />

Schritte enthält:<br />

• Definition der klinischen Frage entsprechend<br />

dem PICO-Prinzip (welches wir<br />

im letzten Beitrag bereits kennengelernt<br />

haben);<br />

• systematische Suche der relevanten<br />

Literatur;<br />

• Beurteilung der gefundenen Evidenz in<br />

Bezug auf deren Qualität und die<br />

Anwendbarkeit auf unsere Studienfrage;<br />

• falls möglich eine Zusammenfassung<br />

der Evidenz in einer Meta-Analyse.<br />

Diese Schritte werden wir in den kommenden<br />

Ausgaben beleuchten.<br />

Lukas Staub,<br />

klinischer Epidemiologe,<br />

Redaktionsmitglied<br />

des<br />

<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>s<br />

18 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Der UHU-Blick<br />

Vom Abszess reingelegt<br />

Es wird einem nicht umsonst<br />

immer wieder (sei es im Studium<br />

oder aber spätestens als<br />

UHU) nahegelegt, die Krankengeschichte<br />

vor dem eigentlichen Patientenkontakt<br />

zu studieren. In Stresssituationen<br />

sollte man sich zumindest einen<br />

groben Überblick über die Vorgeschichte<br />

des Patienten verschaffen (sagt man).<br />

Der Grund, dass dies den Studenten und<br />

Studentinnen immer wieder eingetrichtert<br />

wird, erfährt man spätestens dann,<br />

wenn man in der folgenden Situation<br />

steckt:<br />

Es herrscht Hektik auf der Notfallstation.<br />

Assistenz- und Oberärzteschaft<br />

sowie Pflegefachpersonal sind hochbeschäftigt,<br />

da möchte man sich als UHU<br />

unbedingt auch nützlich machen. So geht<br />

man dann vom einen direkt zum nächsten<br />

Patienten und lässt exakt jenen Teil<br />

«Lesen der Patientenakte» aus. Stattdessen<br />

begnügt man sich mit einem lässigen<br />

Blick auf die Patiententafel. Bei gut<br />

entwickelter Mnestik wird immerhin der<br />

Name gespeichert oder sogar der Anmeldegrund.<br />

Wenn man Pech hat, muss dann<br />

eben auf die erlernten «SABA»-Skills<br />

(Selbstbewusstes Auftreten bei Ahnungslosigkeit)<br />

zurückgegriffen werden.<br />

So traf ich auf einen jungen, attraktiven<br />

Herrn, der meiner Erinnerung nach<br />

zu einer Nachkontrolle seines Abszesses<br />

auf der Notfallstation vorstellig wurde.<br />

Wo sich der Abszess genau befand, war<br />

mir jedoch zu jenem Zeitpunkt unbekannt.<br />

Zum Einstieg stellte ich also<br />

zunächst (ganz selbstbewusst) einige<br />

allgemeine Fragen wie «Ist es besser<br />

geworden?», «Haben Sie noch Schmerzen?»<br />

oder «Hat es aufgehört zu bluten?»,<br />

um so der alles entscheidenden Frage<br />

«Darf ich mal draufschauen?» möglichst<br />

lange auszuweichen. Nachdem ich sie<br />

(noch immer ganz selbstbewusst) gestellt<br />

hatte, liess der freundliche Patient ohne<br />

zu zögern fröhlich seine Hose runter und<br />

präsentierte mir stolz sein Hinterteil. Auf<br />

gut Glück guckte ich also mal zwischen<br />

die Pobacken (immer noch sehr auf<br />

selbstbewusstes Auftreten bedacht) und<br />

konnte, siehe da, glücklicherweise noch<br />

die letzten Spuren des verheilten Abszesses<br />

erblicken. Gott sei Dank wusste der<br />

Patient selbst noch, wo sich der Abszess<br />

befand, und gab mir freiwillig einen Tipp<br />

zur potentiellen Lage. Oder versuchte<br />

auch er es (ganz selbstbewusst) auf gut<br />

Glück?<br />

Camille Bertossa,<br />

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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 19


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Neues aus<br />

den Sektionen<br />

Zürich /<br />

Schaffhausen<br />

Geschäftsleitung feiert<br />

Wiedersehen<br />

Der Sommer ist da, und unsere Geschäftsleitung<br />

ist geimpft! Wegen der Lockerungen<br />

war es uns Mitte Juni wieder möglich,<br />

im Garten der neuen Geschäftsstelle die<br />

erste physische Geschäftsleitungssitzung<br />

dieses Jahres durchzuführen.<br />

Das sonnige Wetter und das Wiedersehen<br />

nach einem ganzen Jahr führte zu<br />

spannenden Diskussionen: Themen waren<br />

unter anderem die Reduktion der<br />

Sollarbeitszeit, die Unterstützung der<br />

Elterninitiative sowie unsere Stellungnahme<br />

zur neuen Kaderarztentlöhnung<br />

der Zürcher Stadtspitäler. Zur Elterninitiative<br />

veröffentlichten wir auf unserer<br />

Website und auf doc­doc einen sehr geschätzten<br />

Beitrag zum Vaterschaftsurlaub.<br />

(Schaut doch vorbei und macht bei<br />

unserer Umfrage mit!)<br />

Im Weiteren besprachen wir unsere<br />

MV <strong>2021</strong>, die – gemäss Plan – mit dem Komiker<br />

Fabian Unteregger als Special Guest<br />

am 2. September im Mariott Hotel Zürich<br />

stattfinden wird. Die Einladung und das<br />

Programm folgen noch vor den Sommerferien.<br />

Apropos Kommunikation mit Euch,<br />

wir haben eine neue doc­doc­Serie eingeführt:<br />

«Fachärzt*innen und ihre Erfahrungen».<br />

Mithilfe der Interviewserie wollen<br />

wir unsere Erfahrungen teilen, voneinander<br />

lernen und einander inspirieren. Falls<br />

jemand von Euch seinen Gang durch die<br />

Weiterbildung mit uns teilen möchte und<br />

angehenden Ärztinnen und Ärzten wertvolle<br />

Tipps mitgeben will, so kann man<br />

sich via kommunikation@<strong>vsao</strong>­zh.ch bei<br />

uns melden.<br />

Es lohnt sich auch, uns auf den sozialen<br />

Netzwerken – Instagram, Twitter,<br />

LinkedIn – zu folgen, um unsere neuesten<br />

Posts und Inhalte nicht zu verpassen!<br />

Anna Wang, Präsidentin VSAO Zürich/<br />

Schaffhausen<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 21


<strong>vsao</strong><br />

<strong>vsao</strong>-Inside<br />

Nadine Noëmi Ramseier<br />

Wohnort: Sumiswald BE<br />

Beim <strong>vsao</strong> seit: <strong>2021</strong><br />

Der <strong>vsao</strong> für Dich in Kürze:<br />

Interessant, lehr- und<br />

abwechslungsreich<br />

Keine(r) da! Wenn eine Erfahrung<br />

beim <strong>vsao</strong> für sie bisher<br />

prägend war, dann diese.<br />

Denn Nadine Ramseiers<br />

Stellenantritt am 1. Februar <strong>2021</strong> fiel mit<br />

der kurz zuvor vom Bundesrat wegen<br />

Corona beschlossenen Homeoffice­<br />

Pflicht zusammen. Und so gestaltete sich<br />

der Einstieg im Zentralsekretariat in Bern<br />

«ein bisschen speziell», wie es die 20­Jährige<br />

in ihrer zurückhaltenden Art formuliert.<br />

Will heissen: Da kaum jemand im<br />

Büro war, lernte sie ihre neuen Kolleginnen<br />

und Kollegen erst allmählich und vor<br />

allem online kennen.<br />

Was ihrer Freude über die Wahl des<br />

Arbeitgebers glücklicherweise keinen<br />

Abbruch tat. Sie könne voll und ganz<br />

hinter dessen Zielen und Ideen stehen.<br />

«Beispielsweise wie sich der Verband für<br />

die Arbeitsbedingungen und die Weiterbildung<br />

der jungen Ärztinnen und Ärzte<br />

einsetzt.» Genauso entspricht ihr das<br />

Betätigungsfeld in der sechsköpfigen<br />

Abteilung Service und Projekte. «Meine<br />

Hauptaufgabe ist es, Fragen und Anliegen<br />

der Mitglieder schriftlich oder per<br />

Telefon zu beantworten. Dazu mache ich<br />

Mutationen in unserem System, etwa bei<br />

privaten Adresswechseln. In der Buchhaltung<br />

wiederum beschäftige ich mich<br />

mit Rechnungsversänden, Mahnungen,<br />

Zahlungseingängen und Umbuchungen.»<br />

Die gelernte Kauffrau, die auch als<br />

Serviceangestellte gearbeitet hat, ist<br />

100­prozentig bei der Sache – nicht nur<br />

nach Pensum im Arbeitsvertrag. Sie möge<br />

alle ihre Aufgaben, da diese sehr spannend<br />

seien und man immer wieder Neues<br />

dazulerne. «Gleichzeitig ist es abwechslungsreich.»<br />

Ein Stichwort, das auch gut<br />

zur privaten Nadine Ramseier passt.<br />

«Ich treibe allgemein gerne Sport, aber<br />

hauptsächlich spiele ich Volleyball.<br />

Zudem zeichne und male ich, bin oft in<br />

der Natur und unternehme gerne etwas<br />

mit Freunden und der Familie.» Sie wolle<br />

noch viel entdecken und kennen lernen,<br />

vor allem andere Länder.<br />

Und natürlich die anderen Mitglieder<br />

des Teams im Zentralsekretariat, die dort<br />

nun wieder häufiger anzutreffen sind …<br />

Bild: zvg<br />

22 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


<strong>vsao</strong><br />

<strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />

Stillen nach dem<br />

Mutterschaftsurlaub<br />

Bild: zvg<br />

Gerne würde ich nach Ende<br />

meines Mutterschaftsurlaubes<br />

mein Kind weiter<br />

stillen. Welche Rechte<br />

kann ich als stillende Mutter geltend<br />

machen?<br />

Rechte von stillenden Müttern, welche im<br />

Arbeitsgesetz und dessen Verordnungen<br />

enthalten sind:<br />

• Eine stillende Mutter darf nur mit ihrem<br />

Einverständnis beschäftigt werden.<br />

In den ersten acht Wochen nach der<br />

Niederkunft besteht für die Mutter ein<br />

absolutes Arbeitsverbot. Sie kann<br />

insgesamt 16 Wochen Mutterschaftsurlaub<br />

beziehen, davon sind indes nur<br />

14 Wochen zwingend bezahlt. Bis zur<br />

16. Woche nach der Geburt kann sie es<br />

auch ablehnen, nachts zu arbeiten<br />

(zwischen 20 Uhr und 6 Uhr). Ihr<br />

Arbeitgeber muss ihr eine gleichwertige<br />

Arbeit am Tag anbieten. Wenn er das<br />

nicht kann, darf die stillende Mutter zu<br />

Hause bleiben und erhält 80 Prozent<br />

ihres Lohns.<br />

• Die Arbeitgeber sind dafür verantwortlich,<br />

dass die Gesundheit ihrer Angestellten<br />

sowie des Neugeborenen nicht<br />

gefährdet wird. Die Arbeitsbedingungen<br />

dieser Mütter müssen von diesem<br />

Zeitpunkt an entsprechend angepasst<br />

werden.<br />

• Eine stillende Mutter darf keine gemäss<br />

Risikoanalyse gefährlichen oder<br />

beschwerlichen Arbeiten ausführen.<br />

Ihr muss eine gleichwertige ungefährliche<br />

Arbeit angeboten werden, und<br />

wenn das nicht möglich ist, hat sie das<br />

Recht, zu Hause zu bleiben und trotzdem<br />

ihren Lohn zu beziehen (80 Prozent<br />

ihres Lohns) (Art. 62, 64 ArGV1).<br />

• Eine stillende Mutter darf nicht mehr<br />

als neun Stunden pro Tag arbeiten,<br />

auch wenn in ihrem Arbeitsvertrag<br />

mehr Stunden vorgesehen sind (Art. 60<br />

Abs. 1 ArGV1). Diese Kategorie von<br />

Arbeitnehmerinnen darf deshalb nicht<br />

für den Pikettdienst aufgeboten werden.<br />

Während dieser Zeit sollte die hinterlegte<br />

Sollarbeitszeit entsprechend<br />

angepasst werden.<br />

• Eine stillende Mutter hat das Recht, sich<br />

unter geeigneten Bedingungen hinzulegen<br />

und auszuruhen (ein Ruheraum<br />

muss im Unternehmen eingerichtet<br />

werden) (Art. 34 ArGV3).<br />

• Eine stillende Mutter darf nicht zur<br />

Schichtarbeit mit einem Schichtsystem,<br />

das eine regelmässige Rückwärtsrotation<br />

vorsieht (Nacht – Abend – Morgen)<br />

herangezogen werden oder mehr als<br />

drei Nächte am Stück arbeiten (Art. 14<br />

Mutterschutzverordnung).<br />

Entlöhnte Stillpausen:<br />

Stillenden Müttern sind die für das Stillen<br />

oder für das Abpumpen von Milch<br />

erforderlichen Zeiten freizugeben. Davon<br />

wird im ersten Lebensjahr des Kindes<br />

(52 Wochen) als bezahlte Arbeitszeit<br />

angerechnet:<br />

• bei einer täglichen Arbeitszeit von bis zu<br />

4 Stunden: mindestens 30 Minuten<br />

• bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr<br />

als 4 Stunden: mindestens 60 Minuten;<br />

• bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr<br />

als 7 Stunden: mindestens 90 Minuten<br />

Diese Zeiten können je nach den physiologischen<br />

Bedürfnissen des Kindes am<br />

Stück oder verteilt bezogen werden. Es<br />

handelt sich bei diesen Bestimmungen<br />

nur um Mindestzeiten, die an die bezahlte<br />

Arbeitszeit anzurechnen sind.<br />

Sollte das Kind aus physiologischen<br />

Gründen längere Stillzeiten benötigen,<br />

darf die stillende Mutter der Arbeit auch<br />

länger fernbleiben (siehe auch Artikel 35a<br />

ArG). Die benötigte Zeit, die über die<br />

festgelegten Minima hinausgeht, wird<br />

ohne anderslautende Abmachung<br />

zwischen dem Arbeitgebenden und der<br />

betroffenen Arbeitnehmerin nicht als<br />

bezahlte Arbeitszeit angerechnet.<br />

Eine solche Abmachung kann auch eine<br />

Reduktion der täglichen Arbeitszeit<br />

vorsehen.<br />

Die Arbeitnehmerin verfügt unabhängig<br />

davon, ob sie im Betrieb stillt oder<br />

den Arbeitsplatz zum Stillen verlässt,<br />

über dieselbe bezahlte Stillzeit. Diese<br />

Bestimmung gilt auch für Frauen, die<br />

ihre Milch abpumpen.<br />

Wichtig:<br />

Solange Sie stillen, ist die max. Arbeitszeit<br />

auf 9 Stunden pro Tag zu beschränken,<br />

unabhängig davon, was vertraglich<br />

vereinbart worden ist, und die Leistung<br />

von Pikettdiensten ist nicht zulässig. Dies<br />

gilt jedoch nur für das erste Jahr nach der<br />

Geburt, somit insgesamt für 52 Wochen.<br />

Sandra P. Leemann,<br />

Juristin der Sektionen<br />

Aargau, Solothurn, St.<br />

Gallen/Appenzell, Thurgau<br />

und Zentralschweiz<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 23


Swissgrid –<br />

immer unter<br />

Spannung<br />

Das Schweizer Übertragungsnetz ist quasi die Autobahn für den<br />

Stromfluss. Es dient nicht nur dem Import und Export von elektrischer<br />

Energie, sondern auch dem Transport von den Kraftwerken in<br />

die Verbraucherzentren. Lokale Anbieter übernehmen dann die<br />

Feinverteilung bis in die Haushalte.<br />

Sandra Jedrinovic, Communication & Stakeholder Affairs, Swissgrid<br />

24 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Das Schweizer Übertragungsnetz ist<br />

eines der stabilsten der Welt. Dies<br />

auch dank der engen Vernetzung mit<br />

dem europäischen Verbundnetz:<br />

Je enger ein Netz geknüpft ist, desto<br />

geringer sind die Auswirkungen bei<br />

Störfällen.<br />

6700 Kilometer Leitungen, 12000<br />

Strommasten, 147 Schaltanlagen<br />

und 41 Verbindungen ins Ausland<br />

– das ist die physische Beschaffenheit<br />

des Schweizer Übertragungsnetzes.<br />

Als nationale Netzgesellschaft<br />

und Eigentümerin des Schweizer<br />

Höchstspannungsnetzes verantwortet<br />

Swissgrid diese Infrastruktur sowie den<br />

Betrieb und die Sicherheit der Anlagen.<br />

Das Höchstspannungsnetz gehört zur<br />

kritischsten Infrastruktur der Schweiz.<br />

Höchstspannung bedeutet 220000 oder<br />

380000 Volt. Das Übertragungsnetz<br />

transportiert Energie von den Kraftwerken,<br />

beispielsweise von den grossen<br />

Speicherkraftwerken in den Alpen in die<br />

Verbraucherzentren im Mittelland. Das<br />

Höchstspannungsnetz ist somit das Rückgrat<br />

der Schweizer Stromversorgung.<br />

Die richtige Spannung ist zentral für<br />

das Funktionieren des Netzes; ist sie zu<br />

hoch oder zu tief, fliesst der Strom nicht,<br />

wie er sollte. Die Spannungshaltung ist eine<br />

der Kernaufgaben von Swissgrid. In der<br />

Schweiz wird die Spannung hauptsächlich<br />

von Kraftwerken geregelt, die direkt ins<br />

Übertragungsnetz einspeisen. Mit ihren<br />

Generatoren können sie Blindenergie<br />

produzieren oder absorbieren und so die<br />

Spannung beeinflussen. Blindenergie ist<br />

die zum Aufbau von elektromagnetischen<br />

Feldern in einem Wechselstromnetz benötigte<br />

Energie.<br />

Auch bei unvorhergesehenen Ereignissen<br />

muss die Netzsicherheit im Übertragungsnetz<br />

zu jeder Zeit gewährleistet sein: Das<br />

Sturmtief Vaia hat im Oktober 2018 vier<br />

Masten auf dem Albulapass umgeknickt,<br />

doch Versorgungsunterbrüche gab es<br />

keine.<br />

Der Her(t)zschlag des<br />

Übertragungsnetzes<br />

Fettpölsterchen hat das Übertragungsnetz<br />

keine. Es kann elektrische Energie nicht<br />

speichern. Deshalb müssen Produktion<br />

und Verbrauch stets im Gleichgewicht<br />

sein. Ist dem Fall liegt die Netzfrequenz –<br />

quasi der Puls des Übertragungsnetzes –<br />

bei 50 Hertz. Wird diese Marke verletzt,<br />

steigt also die Frequenz über 50 Hertz oder<br />

sinkt sie darunter, greift Swissgrid ein.<br />

Mittels Regelleistung, die von den Kraftwerksbetreibern<br />

zur Verfügung gestellt<br />

wird, gleicht Swissgrid ein allfälliges Ungleichgewicht<br />

zwischen Produktion und<br />

Verbrauch wieder aus. Steigt der Stromverbrauch,<br />

lässt Swissgrid von den Kraftwerken<br />

mehr Energie ins Netz einspeisen.<br />

Sinkt dieser, wird die Produktion zurückgefahren.<br />

Die Netzleitstellen in Aarau und Prilly<br />

bilden das Hirn des Übertragungsnetzes.<br />

Sie sind mit modernster Technologie ausgerüstet.<br />

Während 24 Stunden am Tag und<br />

365 Tagen im Jahr sorgen die Operateurinnen<br />

und Operateure im Echtzeitbetrieb<br />

dafür, dass der Strom ohne Unterbruch<br />

fliesst und das Netz sicher und stabil ist.<br />

Swissgrid produziert selbst keinen<br />

Strom, sondern transportiert über<br />

das Übertragungsnetz (in der Karte<br />

ersichtlich) die von den Kraftwerken<br />

produzierte Energie zu den<br />

Verbrauchszentren.<br />

Bilder: © Swissgrid AG<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 25


Fokus<br />

Im Herzen Europas – aber dennoch<br />

bald ausgeschlossen?<br />

Unabdingbar für die Schweizer Versorgungssicherheit<br />

ist auch die Vernetzung<br />

in Europa. Als zentrale Stromdrehscheibe<br />

spielt die Schweiz hier eine bedeutende<br />

Rolle. Geboren wurde das europäische<br />

Verbundnetz in der Schweiz mit dem<br />

«Stern von Laufenburg». Im aargauischen<br />

Fricktal wurden 1958 die Stromnetze von<br />

Deutschland, Frankreich und der Schweiz<br />

zusammengeschaltet, das ist die Grundlage<br />

für den heutigen grenzüberschreitenden<br />

Strommarkt. Diese enge Vermaschung<br />

mit dem europäischen Netz durch mittlerweile<br />

41 grenzüberschreitende Leitungen<br />

trägt zur Stabilität und sicheren Stromversorgung<br />

bei. Je enger ein Netz geknüpft<br />

ist, desto geringer sind die Auswirkungen<br />

auf dessen Stabilität, sollte mal ein Knoten<br />

reissen. Diese enge Vernetzung erlaubt zudem<br />

den Schweizer Stromproduzenten im<br />

Sommer den Export von elektrischer<br />

Energie nach Europa und im Winter deren<br />

Import. Entsprechend eng arbeitet Swissgrid<br />

mit den europäischen Übertragungsnetzbetreibern<br />

zusammen.<br />

Dieses Erfolgsmodell ist aber zunehmend<br />

gefährdet. Die stark vernetzte<br />

Schweiz hängt von den Gegebenheiten in<br />

den Nachbarstaaten ab. Die Stabilität des<br />

europäischen Verbundnetzes basiert auf<br />

dem Prinzip, dass sich alle Teilnehmer an<br />

dieselben Spielregeln halten. Die Europäische<br />

Union treibt die Entwicklung des<br />

Binnenmarktes für Strom konsequent voran.<br />

Die Schweiz ist allerdings von dieser<br />

Entwicklung ausgeschlossen. In der Folge<br />

entfernen sich die europäischen Regeln<br />

für den Netz- und Marktbetrieb immer<br />

weiter von den entsprechenden Schweizer<br />

Regularien. Es hätte dagegen ein Heilmittel<br />

gegeben: ein Stromabkommen mit der<br />

EU. Da der Bundesrat die Verhandlungen<br />

zum Rahmenabkommen abgebrochen<br />

hat, sieht es für das Stromabkommen<br />

nicht gut aus. Die EU machte das Rahmenabkommen<br />

zur zwingenden Voraussetzung<br />

für den Abschluss des Stromabkommens.<br />

Ohne Stromabkommen und damit ohne<br />

Mitspracherecht spitzt sich die Lage für<br />

die Schweiz weiter zu: Es besteht die Gefahr,<br />

dass sie zukünftig weniger Strom importieren<br />

kann. Dies kann sich insbesondere<br />

im Winterhalbjahr negativ auf die<br />

Versorgungssicherheit auswirken, denn<br />

dann ist die Schweiz auf Stromimporte angewiesen.<br />

Je länger eine klare Regelung<br />

mit der EU fehlt, desto mehr Handlungs-<br />

Bilder: © Swissgrid AG<br />

26 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Instandsetzungsarbeiten auf<br />

dem Albulapass im Frühling 2019.<br />

Ein Blick in die Netzleitstelle<br />

Aarau, die eine Hirnhälfte des<br />

Übertragungsnetzes.<br />

freiheit verliert die Schweiz. Deswegen hat<br />

Swissgrid ihr Engagement in den europäischen<br />

Gremien deutlich intensiviert und<br />

setzt auf enge Zusammenarbeit und technische<br />

Lösungen mit den Übertragungsnetzbetreibern.<br />

Keine Energiewende ohne<br />

leistungsstarkes Netz<br />

Die Energiewende ist ein zentrales Thema,<br />

verändert sie doch die gesamte Stromökonomie.<br />

Das Stromsystem befindet sich<br />

im grössten Umbruch seiner Geschichte.<br />

Die Anforderungen haben sich in den letzten<br />

Jahren verändert: Es gibt neue erneuerbare<br />

Energiequellen und Kraftwerke,<br />

die ans Netz gehen, und auch der Stromkonsum<br />

ist stetig gewachsen. Die Solarund<br />

Windenergie wird in ganz Europa<br />

ausgebaut, und somit wird auch die Energieproduktion<br />

dezentraler und volatiler.<br />

Dies kann zu Engpässen im Übertragungsnetz<br />

führen. Deshalb ist die Modernisierung<br />

des Übertragungsnetzes der Schlüssel<br />

für eine nachhaltige Zukunft. Dem<br />

trägt Swissgrid mit dem «Strategischen<br />

Netz» Rechnung. Bei der Entwicklung des<br />

Netzes der Zukunft legt Swissgrid Wert auf<br />

die Versorgungssicherheit, die Umweltverträglichkeit<br />

und den volkswirtschaftlichen<br />

Nutzen. Ziel ist es, das Netz möglichst<br />

effizient zu nutzen, zu optimieren<br />

oder zu verstärken, bevor – als letzte Option<br />

– Ausbaumassnahmen ergriffen werden.<br />

Mit dem «Strategischen Netz» leistet<br />

Swissgrid einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung<br />

der Energiewende. Lange Verfahren<br />

und Einsprachen verzögern jedoch<br />

die schnelle Modernisierung des Übertragungsnetzes.<br />

Es bleibt spannend<br />

Die Kombination von fehlendem Stromabkommen,<br />

starkem Ausbau von erneuerbaren<br />

Energien mit volatiler Produktion<br />

und schleppendem Netzausbau stellt für<br />

den Betrieb des Übertragungsnetzes eine<br />

Herausforderung dar. Die Spezialistinnen<br />

und Spezialisten von Swissgrid bleiben<br />

deshalb für die Zukunftsfähigkeit des<br />

Schweizer Übertragungsnetzes und damit<br />

für eine sichere und stabile Stromversorgung<br />

der Schweiz engagiert.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 27


Fokus<br />

Bild: Nicole Herzel/ hwieherzel.com<br />

28<br />

4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Eine sanfte<br />

Methode der<br />

Konfliktlösung<br />

Spannungen am Arbeitsplatz belasten nicht nur die direkt Betroffenen.<br />

Eine Mediation kann das gegenseitige Verständnis fördern und<br />

Konflikte lösen. Voraussetzungen sind aber das Einverständnis aller<br />

und die absolute Unabhängigkeit und Neutralität des Mediators.<br />

Valérie Schegin, Mediatorin, IPRP, Beraterin, cabinet AlterAlliance<br />

«Das totalitäre Denken<br />

zeichnet sich dadurch<br />

aus, dass es das Ende des<br />

Konflikts bereits in<br />

Betracht zieht.»<br />

(Hannah Arendt) [1]<br />

Der Konflikt spiegelt ein Spannungsverhältnis<br />

oder sogar einen Gegensatz wider,<br />

indem er das Aufeinandertreffen von gegensätzlichen<br />

Gefühlen, Interessen oder<br />

Positionen suggeriert. Die Erscheinungsformen<br />

und schädlichen Auswirkungen<br />

eines Konflikts veranlassen uns dazu, ihn<br />

im Wesentlichen als negativ zu betrachten.<br />

Wird er jedoch auf der Ebene eines<br />

einfachen Missverständnisses oder einer<br />

Meinungsverschiedenheit angegangen,<br />

kann der Konflikt eine positive Rolle spielen:<br />

Er bietet die Möglichkeit, eine auf Gegensätzlichkeit<br />

basierende Beziehung zu<br />

transformieren und den Weg zu Lösungen<br />

und sogar zu echten Synergien zu öffnen,<br />

an die zu Beginn niemand gedacht hätte.<br />

Einen solchen Nutzen erreichen wir nur,<br />

wenn wir die negative Situation überwinden<br />

können. Dabei muss jeder einzelne<br />

Protagonist selber nach Lösungen suchen<br />

und die entsprechenden Schlüsse daraus<br />

ziehen. Wir tendieren von Natur aus dazu,<br />

vor Konflikten zu fliehen oder uns darin<br />

einzuschliessen, statt nach einem Ausweg<br />

zu suchen. Dieses Verhalten kann dank einer<br />

Mediation durch eine Drittperson in<br />

den meisten Fällen günstig beeinflusst<br />

werden.<br />

Akzeptanz auf allen Seiten<br />

Die Mediation besteht darin, die zwischen<br />

den Parteien bestehenden Spannungen zu<br />

begleiten und einer Lösung zuzuführen,<br />

indem die Bedingungen für ein gegenseitiges<br />

Zuhören geschaffen werden. Dies ermöglicht<br />

wiederum, von einem Zerwürfnis<br />

zu einem gegenseitigen Verständnis<br />

überzugehen, um schlussendlich so weit<br />

wie möglich zu gemeinsam konstruierten<br />

Lösungen zu kommen. Die Lösungen werden<br />

umso nachhaltiger, je mehr sie von<br />

den Betroffenen selber erarbeitet wurden.<br />

Es bringt also nichts, die Mediation zu erzwingen.<br />

Ohne die vorbehaltlose Unterstützung<br />

der Betroffenen während des<br />

ganzen Prozesses würde man riskieren,<br />

lediglich eine «Scheinvereinbarung» abzuschliessen,<br />

die möglicherweise zu einer<br />

gegenseitigen Enttäuschung und erneuten<br />

Spannungen führen würde.<br />

Da die Personen, die in einen Konflikt<br />

verwickelt sind, selten die Initiative ergreifen,<br />

wird der Einsatz eines internen<br />

oder externen Mediators üblicherweise<br />

vom Arbeitgeber vorgeschlagen. Die erste<br />

Schwierigkeit besteht also darin, sich zu<br />

vergewissern, dass die Mediation eine adäquate<br />

Lösung ist und von allen Parteien<br />

akzeptiert wird. Dabei geht es darum, eine<br />

eigentliche Situationsanalyse vorzunehmen.<br />

Diese erfolgt aufgrund von objektiven<br />

Kriterien, die das Ausmass des Konflikts<br />

(Dauer, Schweregrad) berücksichtigen,<br />

und von subjektiven Kriterien, die<br />

das Erlebte und den Willen zur Mediation<br />

eines jeden Einzelnen berücksichtigen.<br />

Im Lauf dieser Evaluation muss zudem in<br />

vertraulichem Rahmen auch die Meinung<br />

der Schlüsselpersonen im Bereich Prävention<br />

(z.B. Arbeitsmedizin oder Personalvertretung)<br />

eingeholt werden.<br />

Die Analyse in einem konfliktgeladenen<br />

Kontext, in welchem die Emotionen<br />

häufig einen Höhepunkt erreichen, die<br />

durch Widerstände oder Instrumentalisierung<br />

verstärkt werden, darf nicht unterschätzt<br />

werden. Wir empfehlen daher, eine<br />

Mediation erst ins Auge zu fassen,<br />

wenn sämtliche für die Evaluation relevanten<br />

Informationen zum Kontext eingeholt<br />

wurden.<br />

Unabhängigkeit, Neutralität und<br />

Unparteilichkeit<br />

Die Rolle des Mediators führt uns zur etymologischen<br />

Herkunft des Wortes «mediare»,<br />

in der Mitte sein. Entsprechend sind<br />

die Neutralität, die Unabhängigkeit und<br />

die Unparteilichkeit der externen Fachperson<br />

unabdingbar, um die Spannungen<br />

zu lösen, egal wie gravierend diese sind.<br />

Die Information über die ethischen Leitli-<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 29


Einschreiten, bevor alles zusammenfällt:<br />

Mediation ist ein niederschwelliges<br />

Instrument, Spannungen zu lösen und<br />

gegenseitiges Verständnis zu fördern.<br />

Fallbeispiel<br />

Mediation zwischen zwei<br />

Arbeitskolleginnen, die<br />

mittels einer Vereinbarung<br />

zu Verbesserungen im<br />

Bereich des Verhaltens,<br />

der Organisation und der<br />

Führung die Rückkehr zu<br />

einem kollegialen Arbeitsklima<br />

ermöglicht hat.<br />

Von der Direktion einer privatwirtschaftlich<br />

tätigen Firma werden wir gebeten, uns<br />

um ein sich verschlechterndes Verhältnis<br />

zwischen zwei Mitarbeiterinnen zu kümmern;<br />

eine informelle interne Mediation<br />

hat zu keinem Erfolg geführt. Die beiden<br />

betroffenen Assistentinnen bilden ein<br />

Tandem, arbeiten für die gleiche Abteilung,<br />

teilen ein Büro, betreuen gemeinsame<br />

Dossiers und Kunden, üben die<br />

gleiche Funktion aus und haben die gleichen<br />

Vorgesetzten.<br />

Unser Prozess besteht darin, gemeinsame<br />

Überlegungen zum Erlebten jeder Person,<br />

zur möglichen weiteren Zusammenarbeit<br />

und zur aktiven Suche nach im Alltag<br />

implementierbaren Lösungen zu ermöglichen.<br />

Ziel ist eine dauerhafte Steigerung<br />

der Ausgeglichenheit und der Effizienz.<br />

Auf den ersten Blick scheint die Situation<br />

festgefahren: ein sehr verkrusteter persönlicher<br />

Konflikt, der durch die engen Platzverhältnisse<br />

noch verstärkt wird.<br />

Die erste Assistentin ist jünger, arbeitet<br />

aber schon 15 Jahre an dieser Stelle. Sie<br />

kennt die Firmenkultur, verfügt über viel<br />

Autonomie in ihrer Arbeit und ist es seit<br />

vielen Jahren gewohnt, mit einer befreundeten<br />

Kollegin im gleichen Büro zu arbeiten,<br />

deren Abgang mit der Ankunft der<br />

zweiten Assistentin zusammenfällt.<br />

Die zweite Assistentin wurde vor einem<br />

Jahr rekrutiert. Sie hat während 20 Jahren<br />

in verschiedenen Firmen gearbeitet. Sie<br />

hat eine starre Haltung auf der Beziehungsebene,<br />

die den Anschein der Überlegenheit<br />

erweckt. Sie arbeitet minutiös und erbringt<br />

eine Arbeitsleistung über die erforderliche<br />

Präsenzzeit hinaus. Die Kollegin erachtet<br />

dies als pingeliges und ineffizientes Getue.<br />

Kristallisation der Spannungen um die<br />

Persönlichkeiten, die Haltungen und die<br />

Gewohnheiten der beiden Assistentinnen:<br />

Die gegenseitige Anerkennung ihrer jeweiligen<br />

beruflichen Kompetenzen wird<br />

weitgehend durch die ungleich empfundene<br />

Arbeitsteilung beeinträchtigt.<br />

Hinzu kommt eine absolute interpersonelle<br />

«Inkompatibilität», die reflexartige<br />

Angriffsreaktionen, Rechtfertigungen oder<br />

Behauptungen sowie heftige Auseinandersetzungen<br />

auslöst. Jede ist der Ansicht, die<br />

Situation könne nur durch eine physische<br />

Trennung gelöst werden, sprich durch den<br />

Abgang der jeweils anderen Person.<br />

Im Plenum kann ein Verständnis für das<br />

Erlebte der jeweiligen Personen entwickelt<br />

werden, was wiederum ermöglicht, die<br />

Erwartungen in Sachen Beziehungsentwicklung<br />

in Richtung Funktions­ und<br />

Verhaltensweisen zu lenken (gemeinsame<br />

Roadmap: Haltung in der Beziehung,<br />

Arbeitsmethodik …). Dank dem kann ein<br />

Verständnis für die Absichten der anderen<br />

Person, die jeweils negativ besetzt waren,<br />

entwickelt werden.<br />

Verbesserungen auf Ebene Führung und<br />

Organisation gehen ebenfalls aus den<br />

Gesprächen hervor. Dies führt insbesondere,<br />

mit Beteiligung der Direktion, zu<br />

einer Reorganisation der Arbeitsräumlichkeiten<br />

und der Arbeitszeiten, zu getrennten<br />

Funktionen und zu einer klareren<br />

Aufteilung der Dossiers, die eine bessere<br />

Zusammenarbeit ermöglicht.<br />

30 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Bild: © Adobe<br />

nien [2] der Mediation und die Rolle des<br />

Mediators in diesem Verfahren ist von<br />

grosser Bedeutung. Dabei ist es wichtig,<br />

dass die involvierten Parteien die Regeln<br />

und Grundsätze in diesem Verfahren akzeptieren.<br />

Deshalb wird eine externe Mediation<br />

von einem professionellen Mediator<br />

durchgeführt, auch wenn dieser vom<br />

Arbeitgeber bestimmt wird. Dies ist in der<br />

Regel wirksamer, als wenn sich interne<br />

Fachpersonen darum kümmern. Das zeigt<br />

die Tatsache, dass wir manchmal nach einer<br />

erfolglosen internen Mediation beigezogen<br />

werden.<br />

Die absolute Neutralität bietet den<br />

Vorteil, dass man einfacher eine neutrale<br />

(man lässt sich nicht durch seine persönlichen<br />

Ansichten und Werte in seinem Urteil<br />

stören) und unabhängige (man ergreift<br />

nicht Partei oder begünstigt die eine oder<br />

andere Person) Haltung einnehmen kann.<br />

Damit ist es auch einfacher, an allfälligen<br />

Widerständen zu arbeiten (verstehen, ohne<br />

zu versuchen zu überzeugen).<br />

Aber Unabhängigkeit lässt sich nicht<br />

per Dekret verordnen. Der Mediator muss<br />

sie verkörpern und die Protagonisten<br />

müssen dies auch so wahrnehmen. Da<br />

die Teilnahme an einer Mediation auf der<br />

freien und aufgeklärten Einwilligung der<br />

Konfliktparteien basiert, kann sie nicht<br />

ohne vorgängige Einzelgespräche mit den<br />

involvierten Personen erfolgen.<br />

Mediation als strukturierter,<br />

zweistufiger Prozess<br />

Stufe 1 – individuelle Gespräche<br />

Auf dieser Stufe führt man mit den Protagonisten<br />

vertrauliche freie oder mittels<br />

Leitfaden strukturierte Einzelgespräche<br />

von je 90 Minuten. Diese Stufe bedingt,<br />

dass der Mediator Zeit zum Reden und<br />

zum Zuhören bietet, die jedem ermöglicht,<br />

sich frei über das Erlebte zu äussern<br />

(individuelle Schilderung). So können<br />

mögliche Missverständnisse aus dem Weg<br />

geräumt, Ängste in Zusammenhang mit<br />

der Mediation besprochen und die hintergründigen<br />

Interessen der involvierten<br />

Personen erkundet werden. Jedes Detail<br />

zählt, um die bestmögliche Vertrauenssituation<br />

zu schaffen. Insbesondere die<br />

Gleichbehandlung jedes Protagonisten<br />

(detaillierte methodische Information zusätzlich<br />

zu den mündlichen Informationen,<br />

gleiche Redezeit, Neutralität und<br />

Vertraulichkeit des Ortes, keine Notizen<br />

usw.).<br />

Stufe 2 – Plenum<br />

Auf dieser Stufe werden die Personen für<br />

eine Dauer von ca. 3 Stunden zusammengeführt.<br />

Damit wird der Übergang zum eigentlichen<br />

Mediationsgespräch markiert.<br />

Das Mediationsgespräch ist gekennzeichnet<br />

als:<br />

– eine Zeit des kollektiven Austauschs<br />

über die Meinungsverschiedenheiten<br />

und Empfindungen. Ziel ist, ein gemeinsames<br />

Verständnis über die Meinungsverschiedenheiten<br />

und das emotionale<br />

Erleben zu entwickeln. Nicht selten entwickelt<br />

sich die Mediation zu einem gegenseitigen<br />

Zuhören, d.h., sobald der<br />

Standpunkt eines jeden Einzelnen akzeptiert<br />

und anerkannt wurde, zu einem<br />

respektvollen und offenen Gespräch.<br />

Diese Phase der «Katharsis» begünstigt<br />

die Herausbildung eines Wendepunktes,<br />

der den Übergang von der Konfrontation<br />

(gemeinsames Ziel aus den Augen verloren)<br />

zu einer Übereinstimmung über<br />

die Meinungsverschiedenheiten markiert<br />

und damit eine Zusammenarbeit<br />

zu ihrer Lösung ermöglicht.<br />

– eine Zeit der Begleitung bei der Suche<br />

nach Lösungswegen und dem gemeinsamen<br />

Aufbau einer gemeinsamen Roadmap<br />

(formalisiert oder nicht), deren organisatorische<br />

Aspekte mit dem Arbeitgeber<br />

besprochen werden. Ziel ist, zu<br />

einer für die Protagonisten und den Arbeitgeber<br />

akzeptablen oder sogar befriedigenden<br />

Lösung zu kommen. Denn die<br />

Konfliktlösung beschränkt sich nur selten<br />

auf die relationalen Aspekte, sondern<br />

beinhaltet auch die Arbeitsbedingungen,<br />

die mit dem Arbeitgeber besprochen<br />

werden müssen.<br />

Nach dem Abschlussgespräch zur Mediation<br />

empfiehlt sich in der Regel eine Nachbesprechung,<br />

um eine dauerhafte Umsetzung<br />

der Lösungen zu ermöglichen.<br />

«Die einzig gute Kontroverse<br />

ist diejenige über die<br />

gut ausgeführte Arbeit.»<br />

(Yves Clot) [3]<br />

Die Mediation besitzt heilende Eigenschaften.<br />

Sie ist eine Möglichkeit zur Lösung<br />

von Meinungsverschiedenheiten,<br />

die Flexibilität, Schnelligkeit und Effizienz<br />

verbindet sowie Kosten, Verzögerungen<br />

und die Unwägbarkeiten eines juristischen<br />

Konflikts vermeidet. Dieser Ansatz<br />

darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen,<br />

dass es sich um eine nachgelagerte<br />

Behandlungsmethode für nicht vermeidbare<br />

Schwierigkeiten handelt und nicht<br />

um eine präventive Massnahme zur Bekämpfung<br />

der Risiken an der Quelle. Wir<br />

haben auch gesehen, dass sie keinesfalls<br />

auf alle Situationen angewendet werden<br />

kann. In der Regel weil die Betroffenen<br />

kein Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit<br />

haben, da jeder das Gefühl hat,<br />

er habe seinen Teil bereits geleistet oder<br />

müsse dies schon gar nicht erst tun. Die<br />

Mediation wird also in der Verlängerung<br />

einer effektiven Präventionskultur der<br />

psychosozialen Risiken ihre volle Wirkung<br />

entfalten und, so hoffen wir, zur Besänftigung<br />

von Meinungsverschiedenheiten<br />

beitragen können.<br />

Bibliographie<br />

1. Hannah Arendt, Elemente und<br />

Ursprünge totaler Herrschaft, 1951,<br />

Harcourt Brace & Co<br />

2. Code de conduite européen pour les<br />

médiateurs, 2004<br />

3. Yves Clot, Le travail à cœur. Pour en<br />

finir avec les risques psychosociaux, 2010,<br />

La découverte psychiatrie moderne,<br />

Editions du Temps, Paris, 1998, p. 12.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 31


Fokus<br />

Schmetterlinge<br />

im Kopf<br />

Wenn es vor einem Auftritt nicht im Bauch flattert, sondern in Kopf<br />

und Magen, hat man Lampenfieber. Das trifft nicht nur jene, die im<br />

Rampenlicht stehen, sondern viele, die etwas präsentieren müssen.<br />

Es gibt Wege, damit positiv umzugehen.<br />

Julia Heinrichs Diplompsychologin, Regisseurin und Trainerin für<br />

Kommunikation und Auftrittskompetenz. www.facetta.ch<br />

Gäbe es kein Lampenfieber,<br />

bräuchte es auch keine Souffleusen<br />

und die Welt des Theaters<br />

wäre vielleicht eine andere.<br />

Es ist kein Zufall, dass die Ursprünge<br />

des in Frankreich seit Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

gebräuchlichen Ausdrucks<br />

«fièvre de rampe», im Deutschen auch<br />

«Rampenfieber», der Theaterwelt zugeschrieben<br />

werden und er im Jargon der<br />

Schauspieler für die Aufregung vor dem<br />

Auftritt steht.<br />

Die Herkunft des Begriffs könnte aber<br />

auch technischer geprägt sein, da die<br />

Gaslampen, die die Theaterbühne beleuchteten,<br />

die Darstellerinnen und Darsteller<br />

durch ihre Hitze zu Schweissausbrüchen<br />

getrieben haben. Die meisten<br />

Bühnenkünstler, wie Sänger, Musikerinnen,<br />

Schauspielerinnen und Tänzer, erleben<br />

vor ihrem Auftritt Symptome von<br />

Nervosität, Aufregung, Stress, Anspannungen<br />

oder auch Eustress.<br />

Heute wird Lampenfieber umgangssprachlich<br />

in vielen Situationen verwendet,<br />

bei denen sich jemand meistens vor<br />

einer Gruppe Menschen exponiert, um<br />

eine bewertbare Leistung zu erbringen.<br />

Das kann die Situation vor einer Kamera<br />

sein, ein Bewerbungsgespräch, ein Referat,<br />

oder auch eine Ansprache bei einer<br />

Familienfeier – Ereignisse, bei denen viele<br />

Menschen Versagensängste haben. In der<br />

psychologischen Forschung werden unter<br />

dem Begriff «performance anxiety» neben<br />

Lampenfieber auch Formen wie z. B. «Auftrittsangst»,<br />

«Podiumsangst», «Vorstartangst»<br />

(im Sport) und «Kanonenfieber»<br />

(befällt u. U. Soldaten) untersucht.<br />

Vom Kribbeln zur Panik<br />

In diesen Situationen treten ganz archaische<br />

Phänomene auf. Je nachdem, wie wir<br />

die Situation – meist unbewusst – bewerten,<br />

kann aus einem positiven leichten<br />

Kribbeln – ähnlich dem Gefühl von Verliebtheit<br />

– eine Panikattacke werden. Dazu<br />

reicht mitunter die Anwesenheit einer<br />

bestimmten Person z. B. eines Kritikers.<br />

Zum Glück ist Lampenfieber aber kein<br />

grundlegender Charakterzug, sondern –<br />

im ausgeprägten Zustand – ein vorübergehender<br />

Angstzustand oder eine soziale<br />

Phobie, die sich in bestimmten, individuell<br />

wahrgenommenen Situationen als<br />

Herausforderung zeigt.<br />

Das physisch und psychisch spürbare<br />

positive Phänomen des Lampenfiebers<br />

äussert sich in Form vermehrter Neurotransmitter-<br />

und Stresshormonausschüttung.<br />

Der Körper reagiert mit Erhöhung<br />

des Cortisol- und des Adrenalinspiegels,<br />

die die Durchblutung in Gehirn und Muskeln<br />

fördern. Das führt zu gesteigerter<br />

Konzentration und Fokussierung, schneller<br />

Reaktionsfähigkeit, grosser Wachheit<br />

und Präsenz in einem produktiven Energielevel.<br />

Vor langer Zeit wurde im Yerkes-<br />

Dodson-Gesetz beschrieben, dass zwischen<br />

der physiologischen Aktivierung<br />

und der Leistungsfähigkeit ein umgekehrt<br />

U-förmiger Zusammenhang besteht.<br />

Demzufolge führt zu viel Lampenfieber<br />

zu negativ konnotierten Symptomen wie<br />

feuchten Händen, zittriger Stimme (oft<br />

höher werdend), weichen Knien, innere<br />

Unruhe, eventuell Übelkeit, Bauchschmerzen,<br />

Durchfall, Vergesslichkeit bis<br />

hin zum Blackout. Obwohl es uns völlig<br />

klar ist, dass es keine reale Bedrohung<br />

gibt, hat der Kopf in diesem Moment keinen<br />

direkten Zugriff auf den Körper und<br />

keine oder nur eine eingeschränkte Kontrollmöglichkeit<br />

über ihn. Die vermeintliche<br />

Gefahrensituation hat unser Reptilienhirn<br />

aktiviert, und wir sind mit den<br />

entsprechenden körperlichen Reaktionen<br />

auf Flucht oder Kampf vorbereitet. Dem<br />

Grosshirn ist klar, dass weder Flucht noch<br />

Kampf nötig sind, trotzdem fürchtet sich<br />

die Person. Die Furcht kann zu tonischer<br />

Immobilität führen, um sich vor dem vermeintlichen<br />

Angreifer tot zu stellen. Dies<br />

wird oft als lähmender, hilfloser und<br />

blockierender Zustand auf der Bühne beschrieben.<br />

So ist es nicht verwunderlich,<br />

dass in der darstellenden Kunst häufig zu<br />

äusseren Mitteln gegriffen wird, um das<br />

überschüssige Lampenfieber in den Griff<br />

zu bekommen. Während Doping im Sport<br />

mittlerweile moralisch verwerflich ist,<br />

werden Drogen, Alkohol und Medikamente<br />

in der Bühnenkunst immer noch weitgehend<br />

tabuisiert statt thematisiert. Dabei<br />

wird je nach Branche auf etwas anders zugegriffen.<br />

Gerade im Theater nehme ich<br />

eine Abnahme von Drogen- (u. a. Kokain,<br />

Alkohol) und eine Zunahme von Medika-<br />

32 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Auf die Bühne ins grelle Licht<br />

zu treten, kostet Energie.<br />

Damit das Lampenfieber zu<br />

einer positiven Kraft wird,<br />

helfen bestimmte Techniken<br />

und Rituale.<br />

Bild: © Anna Jurkovska / Adobe<br />

menteneinnahmen wahr. Es ist bekannt,<br />

dass über ein Viertel der Orchestermusiker<br />

Betablocker einnehmen, um den Auftritt<br />

zu bewältigen. Dies hat zur Folge, dass<br />

das Selbstbild leidet und die betreffende<br />

Person sich als Mogelpackung empfinden<br />

kann (Impostor-Syndrom). Die eigenen<br />

Ressourcen zur Bewältigung von Auftrittssituationen<br />

werden nicht mehr adäquat<br />

wahrgenommen.<br />

Fallbeispiel<br />

Wege aus der Blockade<br />

Dabei ist Lampenfieber im Grunde gut in<br />

den Griff zu bekommen. In der Arbeit mit<br />

Schauspielerinnen und Schauspielern in<br />

meinen Coachings arbeite ich parallel auf<br />

kognitiver, z. B. mit dem Lazarus-Stress-<br />

Modell, und auf körperlicher Ebene. Dabei<br />

setze ich zunächst auf Bottom-up-Techniken,<br />

um im vegetativen Nervensystem<br />

den Parasympathikus als Antagonisten zu<br />

Prägend war für mich die Arbeit mit einer Schauspielerin, die eine belastende und<br />

herausfordernde Rolle in einer meiner Inszenierungen spielte. Wegen einer zunehmend<br />

mangelhaften Abgrenzung der Person zur Rolle bekam sie Angst zu spielen.<br />

Durch die entstehende Angst vor der Angst nahm sie die Rolle ins Privatleben mit.<br />

Wir probierten daraufhin verschiedene Methoden wie Feldenkrais®, Alexandertechnik®,<br />

Yoga, Gyrokinesis®, Progressive Muskelentspannung und Meditation aus, damit<br />

sie sich ein individuelles Ritual schaffen konnte, um sich selbst zu schützen. Zu Beginn<br />

aktivierte sie den Vagus­Nerv nach der Traumatherapie von Peter Levine, führte Atemtechniken<br />

durch und wendete die Klopf­Akupressur (EFT) an. Auch scheinbar banale<br />

Techniken sind oft sehr effektiv. Z.B. für zwei Minuten Powerposen einzunehmen,<br />

was sie zum Abschluss durchführte, um dem Körper (Bottom­up) mitzuteilen, dass die<br />

Situation hier freundlich und entspannt sei. Ihre Rituale führten sie zu einem kraftvollen,<br />

präzisen, kontrollierten und beeindruckenden Spiel sowie einer positiv erlebten<br />

Trennung von Rolle und Person nach dem Auftritt.<br />

stärken und mit dem Sympathikus in Ausgleich<br />

zu bringen. Um natürliches Lampenfieber<br />

langfristig positiv nutzen zu<br />

können, setze ich auf Methodenvielfalt in<br />

Form von Ritualen, die geübt und wiederholt<br />

werden müssen, damit sie ihre volle<br />

Wirkung entfalten. Die Techniken, mit denen<br />

das Lampenfieber positiv genutzt<br />

werden kann, sind den Techniken sehr<br />

ähnlich, mit denen die Balance im vegetativen<br />

Nervensystem hergestellt, und der<br />

oft ersehnte Flowzustand («der moderne<br />

heilige Gral») erreicht werden kann<br />

(s. Kasten).<br />

Auch für Psychologen und Ärzteschaft<br />

kann es meines Erachtens sinnvoll<br />

sein, für besonders belastende Situationen<br />

oder für ein permanent belastendes<br />

Umfeld persönliche Rituale zu entwickeln.<br />

So kann man die Arbeit langfristig<br />

gesund und freudvoll ausführen und<br />

nimmt sie nicht «mit nach Hause». Entscheidend<br />

ist, dass die Person – in welcher<br />

belastenden Situation auch immer – lernt,<br />

dass sie selbst etwas tun kann, um der<br />

empfundenen Ohnmacht aktiv etwas entgegenzusetzen.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 33


Fokus<br />

Erlösung bringen<br />

saure Gurken<br />

Muskelkrämpfe sind ein alltägliches Phänomen. In der Regel löst sich<br />

die Spannung durch Dehnen oder den Biss in eine saure Gurke.<br />

Halten Krämpfe an oder treten sie regelmässig auf, ist eine genauere<br />

Abklärung angebracht.<br />

Dr. med. Roland Stieger, Dr. med. Manuela Birrer, Gefässzentrum, Kantonsspital Baden<br />

34<br />

4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Bild: Nicole Herzel/ hwieherzel.com<br />

Beim Sport, mitten in der Nacht<br />

oder sitzend – der Muskelkrampf<br />

ist ein häufig vorkommendes<br />

Phänomen, das uns<br />

und unsere Patienten aus dem Takt werfen<br />

kann. Meist sind Wade oder Oberschenkel<br />

betroffen, die unfreiwillige<br />

Kontraktion der Skelettmuskulatur ist<br />

schmerzhaft und kann hartnäckig sein.<br />

Es gibt verschiedene Hypothesen über<br />

die Entstehung von Muskelkrämpfen. Die<br />

vielversprechendste beschreibt fehlerhafte<br />

Reflexmuster im neuromuskulären<br />

Funktionsbereich. Dem gegenüber steht<br />

eine seit langem diskutierte These, dass<br />

Muskelkrämpfe als Folge einer Dehydrierung<br />

oder einer Elektrolyt-Dysbalance<br />

entstehen. Letztere wurde erstmals bereits<br />

vor über einem Jahrhundert wissenschaftlich<br />

dokumentiert. Und was ist generell<br />

mit Muskelschmerzen? Dieser Artikel<br />

streift diese Thematik in Kürze. Wem<br />

nun doch nur nach American Football,<br />

Red Flags und saure Gurken ist, soll aufstehen,<br />

die Beine dehnen und direkt zum<br />

letzten Teil des Artikels schreiten.<br />

Der Muskelkrampf auf molekularer<br />

Ebene<br />

Wie ein Muskelkrampf im Detail entsteht,<br />

ist bis heute nicht vollständig geklärt. Der<br />

erste wissenschaftliche Nachweis von «exercise-associated<br />

muscle cramps» (EAMC)<br />

stammt aus dem Jahr 1908, als dieses<br />

Phänomen bei Bergarbeitern beschrieben<br />

wurde, die in einer Umgebung mit hoher<br />

Luftfeuchtigkeit und grosser Hitze arbeiten<br />

mussten. [1]<br />

Hieraus stammt unter anderem auch<br />

die These, dass Muskelkrämpfe im Rahmen<br />

von Elektrolytverarmung und Dehydratation<br />

entstehen. Die These wurde bis<br />

heute weiterverfolgt. Man postuliert, dass<br />

es bei massivem Schwitzen ohne adäquaten<br />

Flüssigkeits- und Elektrolytersatz zu<br />

einer erhöhten Osmolarität der extrazellulären<br />

Flüssigkeit kommt, was eine Migration<br />

von interstitieller Flüssigkeit nach<br />

sich zieht. Dadurch kommt es zu einem<br />

erhöhten Druck auf Nervenstrukturen<br />

und einer veränderten Erregbarkeit der<br />

Muskelzellen. Die entsprechenden Elektrolytverschiebungen<br />

konnten in vivo jedoch<br />

bisher nicht bestätigt werden. So zeigen<br />

Untersuchungen an Marathonläufern<br />

und Triathlonsportlern, dass es keinen signifikanten<br />

Unterschied zwischen der<br />

Konzentration der Blutelektrolyte (Kalium,<br />

Magnesium, Natrium etc.) gibt bei<br />

Sportlern mit EAMC und bei EAMC-freien<br />

Probanden. [2]<br />

Dem steht eine neue, neuromuskuläre<br />

Hypothese gegenüber. Es soll sich um einen<br />

fehlerhaften Rückenmarkreflex handeln,<br />

an dem zwei Messfühler beteiligt<br />

sind: Die Muskelspindeln, welche die<br />

Muskellänge messen, sowie das Golgi-<br />

Sehnen-Organ, das die Spannung eines<br />

Muskels erfasst und reflektorisch eine<br />

Hemmung der Muskelkontraktion bewirkt:<br />

Durch die Erschöpfung der Muskelfaser<br />

entsteht ein Ungleichgewicht zwischen<br />

dem steigenden Erregungsantrieb<br />

an den Muskelspindeln und dem abnehmenden<br />

hemmenden Antrieb aus den<br />

Golgi-Sehnen-Organen. Dies führt zu<br />

einer erhöhten -Motoneuronen-Aktivität<br />

und in der Folge zu Muskelkrampf. [2]<br />

Die klinische Ätiologie von<br />

Muskelkrämpfen<br />

Es lassen sich drei Gruppen von Muskelkrämpfen<br />

definieren:<br />

1. idiopathisch (am häufigsten)<br />

2. Im Rahmen von Erschöpfung<br />

«exercise- associated muscle cramps»<br />

(EAMC)<br />

3. Sekundär bei anderen medizinischen<br />

Erkrankungen [3]<br />

Zu den sekundären Ursachen von Beinkrämpfen<br />

gehören:<br />

– strukturelle/mechanische Ursachen:<br />

Plattfüsse, Hypermobilitätssyndrom<br />

etc. Langes Sitzen mit ungünstiger<br />

Beinhaltung<br />

– neurologische Erkrankungen: Morbus<br />

Parkinson, Myopathien, Neuropathien<br />

– Stoffwechsel-/Flüssigkeits- und Elektrolytstörungen.<br />

Extrazelluläre Volumendepletion<br />

kann z. B. durch Diuretika,<br />

übermässiges Schwitzen ohne ausreichenden<br />

Salzersatz oder Flüssigkeitsentzug<br />

während der Hämodialyse<br />

entstehen. Stoffwechselstörungen, die<br />

mit Beinkrämpfen assoziiert sein<br />

können wie z. B. Diabetes, Hypoglykämie,<br />

Alkoholismus, Hypothyreose etc.<br />

– Medikamente: inhalative lang wirksame<br />

Beta-Agonisten (LABA), kaliumsparende<br />

und thiazidartige Diuretika und<br />

Statine<br />

– etc.<br />

Schnittstelle zum Krampf:<br />

Myalgie oder Muskelschmerzen<br />

Muskelschmerzen sind ein häufig auftretendes<br />

medizinisches Problem. Übermässige<br />

Anstrengung, Traumata und virale<br />

Infektionen gehören zu den gängigen<br />

Auslösern. Während viele Ursachen gutar-<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 35


eher für eine organische Ursache. Treten<br />

Krämpfe oder Schmerzen sporadisch auf<br />

und ohne klaren Provokationsfaktor, kann<br />

es teils sehr aufwendig sein, die Ursache<br />

zu eruieren. Es gilt pragmatisch zu bleiben,<br />

Phänomene dieser Art sind eher als<br />

harmlos zu werten, es liegt selten eine organische<br />

Pathologie vor.<br />

Beinahe alle kennen es,<br />

dieses Stechen und<br />

Brennen in der Wade oder<br />

im Oberschenkel. Muskelkrämpfe<br />

sind weit verbreitet,<br />

ihre Ursachen aber immer<br />

noch nicht restlos geklärt.<br />

tig und selbstbegrenzend sind, kann die<br />

Myalgie aber auch der Vorbote einer Erkrankung<br />

mit erheblicher Morbidität sein.<br />

Es ist deshalb sinnvoll, diffuse von fokalen<br />

Muskelschmerzen zu unterscheiden und<br />

Literatur<br />

1. Edsall et al, 1908. A disorder due to<br />

exposure to intense heat: Characterized<br />

clinically chiefly by violent muscular<br />

spasms and excessive irritability of the<br />

muscles. Preliminary note. J. Am. Med.<br />

Assoc. LI, 1969–1971.<br />

2. Bergeron et al. Muscle Cramps<br />

during Exercise – Is It Fatigue or Electrolyte<br />

Deficit? Current Sports Medicine Reports<br />

2008; 7: 50–55.<br />

3. Gaia et al, Muscle cramps: A<br />

comparison of the two-leading hypothesis,<br />

<strong>Journal</strong> of Electromyography and<br />

Kinesiology 41 (2018): 89–95.<br />

4. UpToDate, Approach to the patient<br />

with myalgia, Literature review current<br />

through: Apr <strong>2021</strong>.<br />

5. UpToDate, Nocturnal leg cramps,<br />

Literature review current through: Apr<br />

<strong>2021</strong>.<br />

6. Symptomatic treatment for muscle<br />

cramps (an evidence-based review) Report<br />

of the Therapeutics and Technology<br />

Assessment Subcommittee of the American<br />

Academy of Neurology February 22,<br />

2010, DOI: https://doi.org/10.1212/<br />

WNL.0b013e3181d0ccc<br />

7. Wolter, Tipps bei Muskelkrämpfen.<br />

Saure Muskeln? Saure Gurken! physiopraxis<br />

2017; 15(01): 46-48, DOI:<br />

10.1055/s-0042-119499<br />

8. Miller KC et al. Reflex inhibition of<br />

electrically induced muscle cramps in hypo<br />

hydrated humans. Med Sci Sports Exerc<br />

2010; 42: 953–961.<br />

nach Provokationsfaktoren zu suchen.<br />

Myalgien haben teilweise ähnliche Ursachen<br />

wie banale Beinkrämpfe. Es sollten<br />

aber insbesondere bei diffusen Myalgien<br />

weitere systemische Differentialdiagnosen<br />

z. B. aus dem Formenkreise der rheumatischen<br />

Erkrankungen, Vitamin-D-<br />

Mangel bis hin zu somatischen Manifestationen<br />

der Depression in Betracht gezogen<br />

werden. [4]<br />

Die häufigsten Ursachen für eine lokalisierte<br />

Myalgie sind Überlastung, Weichteilerkrankungen<br />

(wie Bursitis, Trauma<br />

oder Infektion), myofasziales Schmerzsyndrom,<br />

Muskelinfarkt oder Kompartmentsyndrom.<br />

Unabhängig vom Muskelgewebe können<br />

Patienten Schmerzen als Muskelschmerzen<br />

beschreiben, auch wenn andere<br />

Gewebetypen involviert sind wie z. B.<br />

bei einem Erysipel die Subcutis oder bei<br />

einer tiefen Beinvenenthrombose die Gefässe.<br />

Beispiele von Muskelschmerz nach<br />

Tageszeit oder Provokationsform<br />

Belastungsabhängige Myalgien im Rahmen<br />

einer Claudicatio intermittens der<br />

Beinmuskulatur sind das Kardinalsymptom<br />

der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit<br />

der unteren Extremitäten.<br />

Nächtliche Wadenkrämpfe sind ein<br />

häufiges Phänomen und können die Nachtruhe<br />

erheblich stören. Die Symptome resultieren<br />

aus unwillkürlichen Muskelkontraktionen,<br />

die meist die Wade oder den<br />

Fuss betreffen. Sie müssen von anderen<br />

nächtlichen Beinbeschwerden oder -bewegungen,<br />

einschliesslich des Restless- Legs-<br />

Syndroms [5] abgegrenzt werden.<br />

Treten die Muskelphänomene immer<br />

unter derselben Situation auf, spricht dies<br />

Was wirkt bei idiopathischen und<br />

ermüdungsbedingten Muskelkrämpfen?<br />

– Dehnen: hilft im Akutfall und prophylaktisch<br />

(z. B. auch vor dem ins Bett gehen).<br />

– Magnesium: wird seit langem bei Krämpfen<br />

eingesetzt, die tatsächliche Wirkung<br />

konnte aber nie bewiesen werden.<br />

– Chinin: verhindert Krämpfe, birgt allerdings<br />

hohe toxische Risiken. [6] Zur Erinnerung:<br />

Chinin ist ein Malariamedikament!<br />

Schweppes Tonic Water enthält<br />

71 mg Chinin pro Liter, zu wenig, um<br />

Wirkung oder Nebenwirkung zu haben.<br />

– Gewürzgurkenwasser: 1 ml/kg Körpergewicht<br />

reduziert die Krampfdauer signifikant.<br />

Die «Essiggurkenstory»:<br />

Bei extrem heissem Wetter im Jahr 2000<br />

trafen im Football die Philadelphia Eagles<br />

auf die Dallas Cowboys. Ein Dutzend der<br />

Cowboys mussten aufgrund von Krämpfen<br />

das Spiel abbrechen, während die Eagles<br />

keinen Spieler verloren und das Spiel<br />

gewannen. Ihre Geheimwaffe war Gurkenwasser!<br />

[7] Dies veranlasste eine wissenschaftliche<br />

Arbeit, in der tatsächlich gezeigt<br />

werden konnte, dass Gewürzgurkenwasser<br />

die Alpha-Motoneuronen-Aktivität<br />

in krampfender Muskulatur reduziert –<br />

bei unbekanntem Mechanismus. Es wird<br />

spekuliert, dass allenfalls der Geschmack<br />

der Essigsäure im Rachen dabei entscheidend<br />

ist, denn der Wirkungseintritt soll<br />

sofort sein! [8]<br />

Red Flags bei Muskelkrämpfen /<br />

Muskelschmerzen sind:<br />

– sekundäre Formen insbesondere bei<br />

neurologischen oder Stoffwechselerkrankungen<br />

– der auf ähnliche Provokation konstant<br />

immer wieder auftretende Muskelschmerz.<br />

Bild: © Adobe<br />

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Fokus<br />

Bild: Nicole Herzel/ hwieherzel.com<br />

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Fokus<br />

No health<br />

without mental<br />

health<br />

Psychische Erkrankungen sind in ressourcenarmen Ländern genauso<br />

verbreitet wie in Industriestaaten. Die fachgerechte Versorgung jedoch<br />

ist kaum vorhanden. Es besteht ein Spannungsfeld aus Bedarf und<br />

Angebot, das schnell abgebaut werden muss.<br />

Monika Müller, MD-PhD, und Catrina Mugglin, MD-PhD,<br />

Co-Präsidentinnen für Delta – develop life through action, 3000 Bern, Schweiz<br />

Wenn wir uns Gedanken zur<br />

medizinischen Entwicklungshilfe<br />

machen, ist die<br />

erste Assoziation oft die<br />

Bekämpfung von Mangelernährung, Verbesserung<br />

sanitärer Einrichtungen zur<br />

Unterbrechung von Transmissionsketten<br />

infektiöser Erkrankungen, Behandlung<br />

von HIV, Malaria und Tuberkulose und<br />

Impfprogramme. Dies, obwohl die epidemiologische<br />

Transition auch die ressourcenarmen<br />

Länder erreicht hat und die<br />

«non-communicable diseases», zu denen<br />

auch psychische Erkrankungen gehören,<br />

wichtiger werden [1, 2].<br />

Lange Zeit dachte man, dass psychische<br />

Erkrankungen lediglich ein Problem<br />

der Industriestaaten darstellen. Verschiedene<br />

internationale Untersuchungen haben<br />

gezeigt, dass psychische Erkrankungen<br />

in ressourcenarmen Ländern zunehmen<br />

[3, 4]. Die «global burden of disease<br />

study» ist die umfassendste Studie zur<br />

Untersuchung verschiedener Erkrankungen<br />

in Bezug auf ihre Mortalität und Morbidität.<br />

Forscher untersuchen systematisch<br />

369 Erkrankungen und deren Folgeerscheinungen<br />

in 204 Ländern. Dabei<br />

wird nicht nur ihre Häufigkeit untersucht,<br />

sondern auch, wie einschränkend eine<br />

Erkrankung im Alltag ist und wie sie die<br />

Lebensqualität der Betroffenen beeinflusst.<br />

Psychische Erkrankungen sind mit<br />

Box 1<br />

grossen Beeinträchtigungen im Alltag verbunden<br />

und sind in allen Altersgruppen<br />

und beiden Geschlechtern für 14 Prozent<br />

der «years lived with disability» verantwortlich<br />

(siehe Box 1) [3, 5]. Weltweit ist bei<br />

Menschen im erwerbsfähigen Alter Depression<br />

der zweithäufigste Grund für<br />

verminderte Lebensqualität und Suizid<br />

die dritthäufigste Todesursache [3].<br />

Die Konsequenzen von psychischen<br />

Erkrankungen reichen über Gesundheitseinschränkungen<br />

der Betroffenen hinaus<br />

Indikatoren zur Erfassung der Krankheitsbelastung<br />

Verschiedene Indikatoren ermöglichen die Quantifizierung der Krankheitslast und<br />

bieten somit die Möglichkeit, Folgen von Erkrankungen für die Bevölkerung direkt<br />

miteinander zu vergleichen.<br />

YLL (Years of life lost): Verlorene Lebensjahre aufgrund vorzeitigen Todes. Eine Krankheit<br />

kann dazu führen, dass eine Person frühzeitig stirbt, also ohne diese Krankheit noch<br />

jahrelang hätte leben können. Der vorzeitige Tod wird im Vergleich zur Lebenserwartung<br />

eines bestimmten Landes ermittelt.<br />

YLD (Years lived with disability): Lebensjahre mit Einschränkungen. Krankheiten<br />

gehen oft mit Einschränkungen im Alltag einher. Wie stark diese Einschränkungen sind,<br />

wird über sogenannte «disability weights» bewertet. Diese nehmen für perfekte Gesundheit<br />

den Wert 0 und für Tod den Wert 1 an. In Umfragen wird dann ermittelt, als wie<br />

schlimm ein bestimmter Krankheitszustand bewertet wird. Diese Gewichte werden mit<br />

der Zeit, die in diesem Zustand verbracht wird, multipliziert, und ergeben die «years<br />

lived with disability».<br />

DALY (Disability-adjusted life years): Behinderungsbereinigte Lebensjahre, es handelt<br />

sich somit um Jahre «verlorener» Gesundheit. Sie werden berechnet aus der Summe der<br />

durch vorzeitigen Tod verlorene Lebensjahre (YLL) und der mit Krankheit oder Behinderung<br />

gelebten Lebensjahre (YDL).<br />

Das Lancet ermöglicht die Visualisierung dieser Indikatoren basierend auf den Daten der<br />

«global burden of disease study», sodass der Leser regionale Unterschiede und Zeittrends<br />

verschiedener Erkrankungen und Risikofaktoren studieren kann.<br />

(https://www.thelancet.com/lancet/visualisations/gbd-compare).<br />

38<br />

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Fokus<br />

Bild: Nicole Herzel/ hwieherzel.com<br />

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Fokus<br />

Box 2<br />

Betreutes Wohnen «Snehatheeram» in Kerela, Südindien,<br />

für schwer psychisch kranke und obdachlose Frauen<br />

Mini ist 45 Jahre alt und leidet an einer<br />

paranoiden Schizophrenie, die über Jahre<br />

nicht behandelt wurde. Nach der Geburt<br />

ihres Kindes hat sie eine schwere Psychose<br />

entwickelt, in der sie sich stark bedroht<br />

gefühlt hat. In dieser Situation hat sie ihr<br />

neugeborenes Kind umgebracht. Dieses<br />

traurige Phänomen, «Infantizid» genannt,<br />

ist ein bekanntes Problem bei unbehandelten<br />

Psychosen nach der Niederkunft. Es<br />

unterstreicht die Wichtigkeit einer adäquaten<br />

psychiatrischen Versorgung der<br />

Betroffenen. «Ich hatte ein sehr schweres<br />

Leben. Meine Eltern waren Holzsammler,<br />

und ich habe nie die Schule besucht. Mein<br />

Mann starb, als ich schwanger war. Nach<br />

der Geburt des Kindes ging es mir nicht<br />

gut, ich habe grosse Angst gehabt, verfolgt<br />

zu werden. Schliesslich bin im Gefängnis<br />

gelandet. Die Leute haben gesagt, ich hätte<br />

mein Kind umgebracht. Ich kann mich<br />

nicht mehr an diese Zeit erinnern. Die<br />

Leiterinnen von ‹Snehatheeram› haben<br />

ermöglicht, dass ich vom Gefängnis nach<br />

Kerela umziehen konnte. Hier habe ich<br />

endlich meinen Seelenfrieden. Die Tabletten<br />

helfen mir, und ich kann die Realität<br />

wieder von der Vorstellung unterscheiden.<br />

Ich habe alles, was ich brauche, Essen mit<br />

Curry und Fisch, Kleidung und Liebe.»<br />

Ausflug mit den Bewohnerinnen an<br />

den indischen Golf<br />

Fisch ist ein wichtiges Nahrungsmittel<br />

im wasserreichen Kerela. Bewohnerinnen<br />

und Betreuerinnen säubern den frisch<br />

gefangenen Fisch, der von einem Anwohner<br />

gespendet wurde.<br />

Menschen mit schweren psychischen<br />

Erkrankungen haben oft Schwierigkeiten,<br />

den Alltag alleine zu bewältigen und sind<br />

auf längerfristige Unterstützung angewiesen.<br />

Delta unterstützt das betreute Wohnprojekt<br />

«Snehatheeram», damit obdachlose<br />

Frauen mit schwerer psychischer<br />

Erkrankung oder geistiger Behinderung<br />

trotz fehlendem sozialem Netz professionelle<br />

Behandlung und einen sicheren<br />

Wohnort erhalten. Unter anderem fördern<br />

wir die Integration der betroffenen Frauen<br />

in die Gesellschaft, indem wir regelmässig<br />

Ausflüge mit den Bewohnerinnen ermöglichen.<br />

Zudem sind die Frauen in die täglichen<br />

Arbeiten im Haushalt und der dazugehörenden<br />

Landwirtschaftszone<br />

integriert, was zur Tagesstrukturierung als<br />

wichtige psychosoziale Basisintervention<br />

beiträgt.<br />

[6]. Psychische Erkrankungen sind mit Armut<br />

[7], Stigmatisierung und sozialer Benachteiligung<br />

[8] der Betroffenen und ihrer<br />

Familien verknüpft. Sie haben auch<br />

relevante ökonomische Konsequenzen<br />

[9]. Chisholm et al haben den Zusammenhang<br />

der zu erwartenden volkswirtschaftlichen<br />

Vorteile bei adäquater Therapie<br />

von Depression und Angststörungen untersucht<br />

[9]. Der wirtschaftliche Gewinn,<br />

abgebildet durch wiedergewonnene Arbeitsfähigkeit<br />

und Produktivität dank einer<br />

adäquaten Therapie, übersteigt die<br />

durch die Behandlung entstandenen Kosten<br />

um ein Mehrfaches. Dieser Zusammenhang<br />

wurde in Industriestaaten wie<br />

auch in ressourcenarmen Ländern festgestellt.<br />

Im Jahr 2016 formulierte die UN zum<br />

ersten Mal die Promotion von psychischer<br />

Gesundheit und Prävention von psychischen<br />

Erkrankungen als Teil der «sustainable<br />

development goals» [10]. Nicht zu<br />

vergessen ist, dass absolut gesehen die<br />

meisten Menschen mit psychischen Erkrankungen<br />

in den bevölkerungsreichen<br />

Ländern des globalen Südens leben. Somit<br />

wächst der Bedarf an professionellen Versorgungsstrukturen<br />

in ressourcenarmen<br />

Ländern.<br />

Psychiatrische Unterversorgung in<br />

ressourcenarmen Ländern<br />

Gemäss WHO tragen die Versorgungssysteme<br />

dem wachsenden Problem nur ungenügend<br />

Rechnung [11], was zu einer<br />

grossen Versorgungslücke führt. Im Jahr<br />

2000 hat die WHO das «mental health atlas<br />

project» ins Leben gerufen, um weltweit<br />

die vorhandenen Ressourcen im Bereich<br />

der psychiatrischen Versorgung abzubilden<br />

[12]. Die Datenerhebung stützt<br />

sich auf die Angaben der Gesundheitsministerien<br />

der WHO-Mitgliedsstaaten. In<br />

ressourcenarmen Ländern erhalten rund<br />

90 Prozent aller Betroffenen mit einer psychischen<br />

Erkrankung keine fachgerechte<br />

Versorgung [12–14]. In Industriestaaten<br />

erhält jeder fünfte Betroffene mit schwerer<br />

depressiver Störung den minimalen<br />

Behandlungsstandard, wohingegen in<br />

ressourcenarmen Ländern lediglich einer<br />

von 27 Betroffenen eine adäquate Behandlung<br />

bekommt [15]. Im Durchschnitt ist in<br />

ressourcenarmen Ländern ein Facharzt<br />

oder eine Fachärztin für zwei Millionen<br />

Einwohner zuständig, in Industriestaaten<br />

für 11500 Einwohner [12, 16, 17]. Unterversorgte<br />

Länder geben 0,25 Dollar pro Person<br />

und Jahr für psychische Erkrankungen<br />

aus und wenden lediglich ein Prozent<br />

der jährlichen Gesamtgesundheitsausgaben<br />

für psychische Gesundheit auf, wobei<br />

hauptsächlich psychiatrische Kliniken finanziert<br />

werden [12, 16]. Sozialpsychiatrische,<br />

gemeindenahe Einrichtungen fehlen<br />

[16, 18].<br />

Die Versorgungsforschung hat gezeigt,<br />

dass die moderne psychiatrische<br />

Versorgung auf einer sorgfältigen Balance<br />

zwischen stationärer und gemeindenaher<br />

Psychiatrie beruht [19]. Während rund 97<br />

Prozent der Industriestaaten diese Angebote<br />

kombinieren, ist das in nur rund der<br />

Hälfte der ressourcenarmen Länder der<br />

Fall. Die Behandlung beschränkt sich in<br />

der Regel auf vormundschaftliche Langzeitplatzierungen<br />

in psychiatrischen Kliniken<br />

bei praktisch inexistentem ambulantem<br />

Sektor. Falls ambulante Angebote<br />

vorhanden sind, sind sie weitgehend privat<br />

organisiert und von öffentlichen finanziellen<br />

Mitteln abgeschnitten. Die Betrof-<br />

Bilder: zvg<br />

40 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Bild: Nicole Herzel/ hwieherzel.com<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 41


Fokus<br />

fenen bezahlen den Grossteil ihrer Gesundheitsausgaben<br />

selbst. Dies verstärkt<br />

die Unterversorgung zusätzlich, da die<br />

Betroffenen sich adäquate professionelle<br />

Behandlung aus eigener Finanzkraft nicht<br />

leisten können.<br />

Box 3<br />

Delta – develop life through action ermöglicht fachgerechte<br />

Behandlung und Betreuung von Menschen<br />

mit psychischen Erkrankungen in ressourcenarmen<br />

Ländern<br />

Sie möchten sich ebenfalls für unterversorgte<br />

psychisch kranke Menschen in<br />

ressourcenarmen Ländern einsetzen, Ihre<br />

zeitlichen Ressourcen sind aber limitiert?<br />

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bei Delta und unterstützen Sie unsere<br />

Arbeit durch einen jährlichen Beitrag!<br />

Wir bieten Ihnen:<br />

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Psychische Erkrankungen sind somit<br />

die am meisten vernachlässigten Gesundheitsprobleme<br />

in ressourcenarmen Ländern.<br />

Auch die internationale Gemeinschaft<br />

versagt weitgehend, wenn es um die<br />

Finanzierung von Programmen zur Förderung<br />

der psychischen Gesundheit geht:<br />

Nur 0,85 Dollar per DALY (Behinderungsbereinigte<br />

Lebensjahre, s. Box 1) geben<br />

staatliche Entwicklungsfonds für psychische<br />

Erkrankungen aus. Demgegenüber<br />

stehen 144 Dollar für HIV/AIDS und 48<br />

Dollar für Tuberkulose und Malaria [14,<br />

20]. Dies unterstreicht die Wichtigkeit von<br />

NGO im Bereich psychischer Gesundheit.<br />

Delta – develop life through action ermöglicht<br />

als Schweizer Start-up-NGO fachgerechte<br />

Behandlung von Menschen mit<br />

psychischen Erkrankungen in ressourcenarmen<br />

Ländern. Wir engagieren uns in der<br />

Ausbildung von Fachkollegen, übernehmen<br />

Behandlungskosten für Patienten,<br />

die sich eine adäquate Therapie aus eigener<br />

Finanzkraft nicht leisten können, unterstützen<br />

einheimische Institutionen im<br />

Aufbau ihrer Gesundheitsdienstleistungen<br />

und fördern die Integration von Betroffenen<br />

in Beruf und Gesellschaft (Box 2<br />

und 3).<br />

Referenzen<br />

1. Santosa, A., and P. Byass, Diverse<br />

Empirical Evidence on Epidemiological<br />

Transition in Low- and Middle-Income Countries:<br />

Population-Based Findings from INDEPTH<br />

Network Data. PLoS One, 2016. 11(5): p. e0155753.<br />

2. Global, regional, and national incidence,<br />

prevalence, and years lived with disability for<br />

354 diseases and injuries for 195 countries and<br />

territories, 1990–2017: a systematic analysis for<br />

the Global Burden of Disease Study 2017. Lancet,<br />

2018. 392(10159): p. 1789–1858.<br />

3. Collaborators, G.B.o.D., Global, regional,<br />

and national incidence, prevalence, and years<br />

lived with disability for 354 diseases and injuries<br />

for 195 countries and territories, 1990–2017:<br />

a systematic analysis for the Global Burden of<br />

Disease Study 2017. Lancet, 2018. 392(10159):<br />

p. 1789–1858.<br />

4. Steel, Z., et al., The global prevalence of<br />

common mental disorders: a systematic review<br />

and meta-analysis 1980–2013. International<br />

journal of epidemiology, 2014. 43(2): p. 476–493.<br />

5. Whiteford, H. A., et al., Global burden of<br />

disease attributable to mental and substance use<br />

disorders: findings from the Global Burden of<br />

Disease Study 2010. Lancet, 2013. 382(9904):<br />

p. 1575–86.<br />

6. Patel, V., et al., The Lancet Commission on<br />

global mental health and sustainable development.<br />

The Lancet, 2018. 392(10157): p. 1553–1598.<br />

7. Lund, C., et al., Poverty and mental<br />

disorders: breaking the cycle in low-income and<br />

middle-income countries. Lancet, 2011. 378(9801):<br />

p. 1502–14.<br />

8. Thornicroft, G., et al., Evidence for<br />

effective interventions to reduce mental- healthrelated<br />

stigma and discrimination. The Lancet,<br />

2016. 387(10023): p. 1123–1132.<br />

9. Chisholm, D., et al., Scaling-up treatment<br />

of depression and anxiety: a global return on<br />

investment analysis. Lancet Psychiatry, 2016.<br />

3(5): p. 415–24.<br />

10. United Nations, Sustainable Development<br />

Goals. Geneva. 2016. https://sustainabledevelopment.un.org/<br />

11. WHO, Mental Health Action Plan<br />

2013–2020. WHO Press, World Health Organization,<br />

Geneva, Switzerland, 2013. www.who.int<br />

12. WHO, Mental Health Atlas 2017.<br />

World Health Organisation. Geneva. 2017.<br />

13. Patel, V., and M. Prince, Global mental<br />

health: a new global health field comes of age.<br />

JAMA, 2010. 303(19): p. 1976–7.<br />

14. Patel, V., et al., The Lancet Commission<br />

on global mental health and sustainable<br />

development. Lancet, 2018. 392(10157): p. 1553–<br />

1598.<br />

15. Thornicroft, G., et al., Undertreatment of<br />

people with major depressive disorder in 21<br />

countries. Br J Psychiatry, 2017. 210(2): p. 119–124.<br />

16. Saxena, S., et al., Resources for mental<br />

health: scarcity, inequity, and inefficiency.<br />

The Lancet, 2007. 370(9590): p. 878–889.<br />

17. Kakuma, R., et al., Human resources for<br />

mental health care: current situation and<br />

strategies for action. Lancet, 2011. 378(9803):<br />

p. 1654–63.<br />

18. Thornicroft, G., T. Deb, and C. Henderson,<br />

Community mental health care worldwide:<br />

current status and further developments. World<br />

Psychiatry, 2016. 15(3): p. 276–286.<br />

19. Thornicroft, G., and M. Tansella,<br />

Components of a modern mental health service:<br />

a pragmatic balance of community and hospital<br />

care: overview of systematic evidence. Br J<br />

Psychiatry, 2004. 185: p. 283–90.<br />

20. Charlson, F. J., et al., Donor Financing of<br />

Global Mental Health, 1995–2015: An Assessment<br />

of Trends, Channels, and Alignment with the<br />

Disease Burden. PLoS One, 2017. 12(1):<br />

p. e0169384.<br />

42 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


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Perspektiven<br />

Aktuelles aus der Nephrologie:<br />

Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD)<br />

Zystennieren –<br />

ein schwieriges Erbe<br />

Zysten lassen das Nierenvolumen wachsen und verschlechtern die Nierenfunktion<br />

zusehends. Die Entwicklung und Auswirkungen sind individuell jedoch sehr<br />

unterschiedlich. Die gute Nachricht: Die Krankheit ist behandelbar.<br />

Prof. Dr. med. Andreas Serra MPH, Klinik Hirslanden, Kompetenzzentrum für ADPKD, Zürich<br />

Einzelne Zysten können überall<br />

im Körper vorkommen, auch an<br />

den Nieren. Solche einzelnen<br />

Zysten sind mit dem Begriff<br />

Nierenzysten gemeint. Diese einfachen<br />

Zysten in den Nieren treten häufig auf<br />

und sind oft unproblematisch. Anders bei<br />

der autosomal-dominanten polyzystischen<br />

Nierenerkrankung (ADPKD), umgangssprachlich<br />

Zystennieren genannt.<br />

Damit wird eine genetische Erkrankung<br />

bezeichnet, welche durch eine zunehmende<br />

Anzahl an Zysten an und in den<br />

Nieren charakterisiert wird. Diese Zysten<br />

verdrängen das gesunde Gewebe nach<br />

und nach und können je nach unterschiedlichem<br />

individuellem Verlauf früher<br />

oder später zum Funktionsverlust der<br />

Nieren führen. Die Erkrankung betrifft<br />

auch andere Organe. Es ist wichtig, diesen<br />

Unterschied zu machen, da die<br />

Behandlung und Prognose von Nierenzysten<br />

und ADPKD verschieden ist.<br />

Weltweit geht man von etwa 10 bis<br />

30 Millionen Betroffenen aus, ungefähr<br />

einer von 400 bis 1000 Menschen hat die<br />

Erkrankung, unabhängig von Geschlecht<br />

und Herkunft. Die Diagnose gilt als gesichert,<br />

wenn Vater oder Mutter von ADPKD<br />

betroffen sind und in mindestens einer<br />

Niere drei Zysten vorhanden sind (über 15<br />

Jahre und bis zu einem Alter von 40 Jahren)<br />

oder mehr als zwei Zysten in beiden<br />

Nieren (bei einem Alter über 40 Jahre).<br />

Ursache klar, Entwicklung weniger<br />

Biologisch gesehen sind sogenannte Zilien<br />

der Auslöser für die Zystenbildung. Zilien<br />

sind wenige Mikrometer lange Organellen.<br />

Sie ragen bei den meisten Säugetieren<br />

aus den Oberflächen der Zellen heraus<br />

und dienen als Sensor des Extrazellulärraums.<br />

Bei ADPKD liegt eine Fehlfunktion<br />

dieser Zilien vor, wodurch Organe, hier die<br />

Nieren, in ihren physiologischen Aufgaben<br />

beeinträchtigt sind. In der Folge<br />

kommt es zu einem stetigen und wahrscheinlich<br />

lebenslangen Wachstum von<br />

Zysten in beiden Nieren. Die Zysten führen<br />

insgesamt zu einer Vergrösserung der<br />

Nieren. Gleichzeitig wird funktionsfähiges<br />

Nierengewebe verdrängt. Damit verschlechtert<br />

sich nach und nach die Nierenfunktion.<br />

Die Nierengrösse ausgedrückt als<br />

Nierenvolumen (Englisch: Total Kidney<br />

Volume, Abkürzung TKV) gibt den Rauminhalt<br />

beider Nieren an, meist angegeben<br />

in Millilitern, das entspricht dem Gewicht<br />

beider Nieren in Gramm. Das TKV von gesunden<br />

Nieren beträgt im Durchschnitt<br />

240 Gramm, das TKV von ADPKD-Betroffenen<br />

je nach Stadium bis zu mehreren<br />

Kilogramm. Das TKV ist ein wichtiger<br />

Wert zur Abschätzung der Prognose, insbesondere<br />

zur Abschätzung des zukünftig<br />

zu erwartenden Nierenfunk tionsverlustes.<br />

Hierbei wird anhand der Mayo-Klassifikation<br />

in Stadien von A bis E eingeteilt, wobei<br />

A die beste Prognose hat. Das TKV ist<br />

zudem ein wichtiges Mass der Krankheitsaktivität:<br />

Eine Zunahme des TKV von fünf<br />

und mehr Prozent pro Jahr entspricht oft<br />

einer (rasch) progressiven ADPKD-Erkrankung.<br />

Die Nierenfunktion eines jeden ADP-<br />

KD-betroffenen Menschen entwickelt sich<br />

sehr individuell; eine Beobachtung der<br />

bisherigen Entwicklung lässt einen Ausblick<br />

in die Zukunft nur mit grossen Einschränkungen<br />

zu. Selbst innerhalb der<br />

gleichen Familie kommt es häufig vor,<br />

dass bei dem einen Patienten die Nierenfunktion<br />

lange stabil ist und wenige oder<br />

auch keine Symptome und Beschwerden<br />

auftreten. Bei einem anderen Patienten<br />

derselben Familie kann jedoch die Erkrankung<br />

viel schneller fortschreiten.<br />

Mit dem Medikament Tolvaptan<br />

( Jinarc) kann der progressive Nierenfunktionsverlust<br />

vermindert werden. In der<br />

Schweiz beginnt die Möglichkeit der Verordnung<br />

bei einem Nierenvolumen von<br />

750 ml (Summe beider Nieren) und sofern<br />

die Nierenfunktion grösser als 30 ml/min/<br />

1,73 m 2 ist. Daneben müssen Kriterien erfüllt<br />

sein, welche eine rasche Progression<br />

der Krankheit anzeigen. Zusätzlich muss<br />

die Verschreibung durch den Vertrauensarzt<br />

der Krankenkasse bewilligt werden<br />

und das Zentrum muss vom Bundesamt<br />

für Gesundheit für die Tolvaptan-Therapie<br />

ermächtigt sein. Das Medikament<br />

44<br />

4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

hemmt in der Niere die Wasseraufnahme,<br />

indem es das Hormon Vasopressin im<br />

Sammelrohr der Nieren daran hindert, die<br />

Kanäle für Wasser zu öffnen. Es handelt<br />

sich somit um ein Aquaretikum. Die Therapie<br />

vermindert die Krankheitsprogression<br />

um circa 40 bis 50 Prozent.<br />

Weitere Folgen<br />

Bei der ADPKD handelt sich um eine systemische<br />

Erkrankung. Das heisst, neben<br />

den Nieren können viele andere Organsysteme<br />

betroffen sein: die Leber, das Gehirn,<br />

die Bronchien, das Bindegewebe und das<br />

Verdauungssystem.<br />

Zysten in der Leber sind ungefähr<br />

bei 75 bis 80 Prozent der von ADPKD<br />

betroffenen Patienten nachweisbar. Man<br />

spricht dann von einer Zystenleber, wenn<br />

in der Leber viele Zysten sichtbar sind. Es<br />

scheint, dass Frauen häufiger und stärker<br />

von Leberzysten betroffen sind. Für diese<br />

Vermutung spricht auch die grössere<br />

Häufigkeit von Leberzysten bei Frauen,<br />

die schon einmal schwanger waren. Aus<br />

diesem Grund rate ich von östrogenhaltigen<br />

Verhütungsmitteln ab. Auf die Nieren<br />

haben Östrogene zwar nach jetzigem Erkenntnisstand<br />

keinen Einfluss, aber auf<br />

die Häufigkeit und Grösse von Zysten in<br />

der Leber. Auf die Funktion der Leber<br />

wirkt sich auch eine grosse Anzahl von<br />

Zysten kaum aus. Selbst bei einer starken<br />

Durchdringung mit Zysten bleibt die Leberfunktion<br />

normalerweise lange fast<br />

vollständig erhalten. Das Problem ist<br />

hauptsächlich die Grösse dieses Organs.<br />

Eine Zystenleber kann fünf bis acht Kilogramm<br />

schwer werden und zu Schmerzen,<br />

Appetitmangel und Malnutrition führen.<br />

Die Behandlung der Leberzysten ist nicht<br />

einfach. In seltenen Fällen kann eine<br />

Fensterierung von Leberzysten helfen, die<br />

Schmerzen zu lindern. Das ist nur bei einzelnen<br />

grossen Zysten möglich. Für eine<br />

Vielzahl von kleinen Zysten ist diese Methode<br />

leider nicht geeignet. Es gibt auch<br />

Daten, die zeigen, dass möglicherweise<br />

der Einsatz von Somatostatinanaloga das<br />

Zystenleberwachstum vermindern kann.<br />

Der Entscheid zu einer Therapie mit<br />

Somatostatinanaloga muss sorgfältig und<br />

individuell erfolgen. Es können in den<br />

Leberzysten Infektionen entstehen. Die<br />

Diagnose von solchen infizierten Leberzysten<br />

ist schwierig. Häufig ist eine<br />

PET-CT-Untersuchung notwendig, um<br />

den Verdacht zu bestätigen. Eine Therapie<br />

mit Antibiotika ist oft für mehrere Wochen<br />

notwendig.<br />

Es besteht ein erhöhtes Risiko für das<br />

Vorliegen von Hirnaneurysma. In der<br />

Allgemeinbevölkerung treten Aneurysmen<br />

bei zwei bis drei Prozent auf, bei AD-<br />

PKD-Patienten jedoch bei neun bis zwölf<br />

Prozent. Hinzu kommt, dass das Risiko<br />

mit dem Lebensalter zunimmt, auf über<br />

20 Prozent. Zusätzlich besteht eine familiäre<br />

Häufung von Hirnaneurysma, wodurch<br />

in manchen Familien bei jedem<br />

dritten ADPKD-betroffenen Familienmitglied<br />

ein Aneurysma vorliegt. Aneurysmen<br />

verursachen meist keine Beschwerden,<br />

die Betroffenen wissen meist nichts<br />

davon. Wenn ein solches Gefäss plötzlich<br />

reisst, besteht akute Lebensgefahr durch<br />

eine Hirnblutung. Ich rate deshalb allen<br />

Patienten mit der Diagnose ADPKD zu einer<br />

MRI-Untersuchung des Gehirns mit<br />

der konkreten Fragestellung nach dem<br />

Vorliegen von Aneurysmen. Dieses Aneurysma-Screening<br />

mittels MRI TOF ist<br />

ohne Kontrastmittel möglich. Bei negativem<br />

Befund sollte das MRI alle zehn Jahre<br />

wiederholt werden.<br />

Eine Hypertonie entwickelt sich bei<br />

der Mehrzahl der Patienten im jungen Erwachsenenalter.<br />

Bei ADPKD oder auch bei<br />

der möglichen Vererbung dieses Gendefektes<br />

sollte der obere Blutdruckwert im<br />

Mittel bei 115 mmHg liegen, der untere<br />

Wert im Mittel bei 75 mmHg. Die Blutdruckeinstellung<br />

sollte sanft erfolgen, das<br />

heisst, der Zielblutdruck sollte über einen<br />

Zeitraum von Wochen oder sogar Monaten<br />

angestrebt werden. Mit Erreichung<br />

des Zielblutdrucks wird die Krankheitsprogression<br />

um circa 25 Prozent reduziert<br />

(HALT-Studie).<br />

Fazit<br />

Zusammenfassend ist die ADPKD-/Zystennierenerkrankung<br />

eine Systemerkrankung,<br />

welche behandelbar ist. Handle<br />

with care ist der Grundsatz des Kompetenzzentrums<br />

für ADPKD, welches circa<br />

400 ADPKD-Patienten betreut und davon<br />

120 Patienten mit Tolvaptan behandelt.<br />

Weiterführende Informationen finden<br />

sich im Buch «Zystennieren – ADPKD»<br />

von Rosi Brack und Andreas Serra, erschienen<br />

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Perspektiven<br />

Aus der «Therapeutischen Umschau»*<br />

Neuropathische<br />

Schmerzen:<br />

Pharmakotherapie<br />

Übersichtsarbeit<br />

Florian Reisig und Michael Harnik<br />

Klinik für Anästhesiologie und Schmerztherapie, Inselspital, Universität Bern<br />

Einführung in das Thema<br />

Laut Definition der Internationalen Gesellschaft<br />

für das Studium des Schmerzes<br />

(IASP) handelt es sich bei Neuropathien<br />

um Schmerzen, die durch eine Läsion<br />

oder eine Erkrankung des somatosensorischen<br />

Systems verursacht werden» [6].<br />

Typischerweise werden «Plussymptome»<br />

(brennende, elektrisierende, paro xysmal<br />

einschiessende Schmerzen, Allodynie<br />

und Hyperalgesie) und «Minussymptome»<br />

(Sensibilitätsstörungen) beschrieben.<br />

Aktuell wird von einer Prävalenz von 6.9 %<br />

bis 10 % in der Allgemeinbevölkerung ausgegangen<br />

[7].<br />

* Der Artikel erschien ursprünglich in der<br />

«Therapeutischen Umschau» (2020), 77(6),<br />

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Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung<br />

6,9 bis 10 %<br />

Es können einerseits monokausale Störungen<br />

vorliegen, aber eben auch «multifokale<br />

Neuropathien», deren Erkennung<br />

und Behandlung komplexer Strategien<br />

bedürfen. Patienten mit vorbestehender<br />

Neuropathie oder Risikofaktoren sind gefährdet<br />

für sog. «Double Crush»-Ereignisse,<br />

und sollten umsichtig behandelt werden<br />

[8]. Ein praktisches, klinisches Beispiel<br />

dafür wäre das überstrenge Einhalten<br />

der Ischämiezeiten (Tourniquet) bei<br />

Extremitäteneingriffen bei Patienten mit<br />

vorstehender, peripherer Polyneuropathie.<br />

Im Idealfall wird primär auf die Anwendung<br />

eine Blutsperre verzichtet und<br />

diese nur bei Bedarf eingesetzt.<br />

Diagnose­Trias: Schmerzanamnese,<br />

klinische Untersuchung und<br />

Fragebogen<br />

In der Diagnosestellung von neuropathischen<br />

Schmerzen haben sich technisch<br />

aufwendige Untersuchungsverfahren wie<br />

die «quantitative sensorische Testung<br />

(QST)» fest in der differenzierten Diagnostik<br />

etabliert. Aufgrund der Verfügbarkeit<br />

kommen sie meist nur bei besonderen<br />

Fragestellungen, bei Gutachten oder im<br />

Studiensetting zum Einsatz [1, 2]. In der<br />

Regel ist im primären Assessment die<br />

Schmerzanamnese und die klinische Untersuchung<br />

führend. Diese sollte gemäss<br />

den aktuellen Empfehlungen im Lancet<br />

von 2018 durch einen standardisierten<br />

Fragebogen ergänzt werden: «subjektive<br />

Schmerzerfassungen sind essentiell für<br />

die Diagnose und Bewertung vom NP, ungeachtet<br />

der Verfügbarkeit von zunehmend<br />

komplexeren Methoden, um Nervenläsion<br />

beurteilen zu können. (…)<br />

Screening Fragebögen sind ein erster<br />

Schritt zur Diagnosesicherung des neuropathischen<br />

Schmerzes (…)» [3].<br />

Im Schmerzzentrum am Berner Inselspital<br />

fiel die Wahl auf den «Douleur Neuropathique<br />

(DN-4)». Dieser wurde standardisiert<br />

in den präklinischen Screeningfragenbogen<br />

«Berner Screening Questionnaire<br />

(BSQ)» aufgenommen [4]. Die<br />

zugrundeliegende Literatur belegt für den<br />

DN-4 eine Sensitivität von 88 % und Spezifität<br />

von 93 %, sowie eine gute Korrelation<br />

(r = 0.39, p < 0.01) mit der Schwere der Neuropathie.<br />

Bei diabetischer Polyneuropathie<br />

ergab sich ein Zusammenhang mit<br />

erhöhten HbA1c-Werten (r = 0.21, p < 0.01)<br />

und war vergleichbar mit dem deutschen<br />

Gold-Standard «painDETECT» (Sensitivität<br />

61 % und Spezifität 92 %) [5]. Eine neuere<br />

Arbeit empfiehlt ebenfalls die Durchführung<br />

des DN4-Fragebogens bei Vd. a.<br />

postoperative neuropathische Schmerzen:<br />

Ein Score von mindestens 4 von 10 Punkten<br />

am Operationstag oder am ersten<br />

postoperativen Tag war ein signifikanter<br />

Risikofaktor für die Entwicklung von<br />

chronischen postoperativen neuropathischen<br />

Schmerzen [41].<br />

Kausale Ursachen gezielt behandeln –<br />

auch medikamentös<br />

Einer kausalen Behandlungsstrategie<br />

kommt bei NP natürlich der grösste Stellenwert<br />

zu. So ist die Optimierung der medikamentösen<br />

Therapie im Rahmen eines<br />

Diabetes mellitus von höchster Relevanz –<br />

neben der Ernährungsanpassung des Pa-<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 47


Perspektiven<br />

tienten. Weitere Beispiele sind die frühzeitige<br />

antivirale und die konsequente<br />

topische Therapie einer Herpes-Zoster-<br />

Infektion, die optimale immunsuppressive<br />

Therapie bei der Multiplen Sklerose (MS)<br />

oder auch die Anpassung von Chemotherapeutika<br />

im Rahmen der sogenannten «Chemotherapie-induzierten<br />

Polyneuropathie<br />

(CIP)» – wann immer dies möglich ist.<br />

Perioperative Prävention von<br />

neuropathischen Schmerzen<br />

Die sorgfältige Planung und Durchführung<br />

operativer Eingriffe zur Vermeidung<br />

von Kollateralschäden der versorg enden<br />

48<br />

Zusammenfassung<br />

Nerven im Operationsgebiet sind für Chirurgen<br />

eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem<br />

treten Neuropath ien regelhaft als<br />

postoperative Komplikation auf. Bespielhaft<br />

sei die Interkostalneuralgie nach Thorakotomie<br />

oder videoassistierte Thorakoskopie<br />

(66 %) genannt [9]. Die Affektion<br />

des Nervus saphenus nach simplen Knieeingriffen<br />

wird in der Literatur mit bis zu<br />

22 % beziffert [10] und die Verletzung des<br />

Nervus cutaneus femoris lateralis bei der<br />

Spongiosa-Entnahme am Beckenkamm<br />

mit bis zu 11 % [11]. Treten NP erst postoperativ<br />

auf, spricht man heutzutage gemäss<br />

der neuen ICD-11 Klassifikationen auch<br />

Die Identifizierung und Behandlung von neuropathischen Schmerzen (NP) stellt auch<br />

heute noch eine grosse Herausforderung für ein interdisziplinäres Behandlungsteam<br />

dar. Die spezifische Pharmakotherapie ist eine wichtige Säule einer multimodalen<br />

Therapiestrategie, die langfristig einem biopsychosozialen Modell folgen sollte. Die<br />

klassischen WHO-Stufe-I-Analgetika versagen jedoch bei der Behandlung des reinen<br />

NP. Dauertherapien mit Opioiden der Stufe II und III bergen nach heutigen<br />

Kenntnissen langfristig Risiken für die Patienten, die den mittelfristigen Behandlungserfolg<br />

kaum mehr rechtfertigen. Deshalb sind Kenntnisse zur Dosierung, Anwendung<br />

und Nebenwirkungen der First-Line-Medikamente wie Trizyklische Antidepressiva<br />

(TCA), Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hammer (SNRI) und Gabapentinoide<br />

essenziell. Man sollte stets dem Konzept «start low, go slow» folgen, eine gute Patientenedukation<br />

ist hierbei entscheidend. Auch topische Therapieformen wie Lidocain und<br />

Ambroxol können eine sinnvolle Ergänzung des Therapieregimes sein, das vom Patienten<br />

aktiv mitgetragen wird. Die Hochdosistherapie mit Capsaicin-Pflastern (8 %)<br />

bleibt jedoch in den Händen der Schmerzspezialisten. In der perioperativen Prävention<br />

neuropathischer Schmerzen konnte für systemische Medikamentengaben bisher kein<br />

nachhaltiger Nachweis erbracht werden. Für die perineurale Medikamentenapplikation<br />

von Lokalanästhetika durch Nervenblockaden ergeben sich jedoch für Thorax- und<br />

Mammachirurgische Eingriffe sowie für die Sectio caesarea Hinweise für eine Prävention<br />

von chronischen, postoperativen Schmerzen (CPOP). Bei Systemerkrankungen wie<br />

Diabetes mellitus, aktiver Herpes zoster, Multiple Sklerose, Mangelernährung u. v. m.,<br />

die eine Polyneuropathie verursachen können, hat die kausale medikamentöse Therapieoptimierung<br />

ebenfalls präventiven Charakter.<br />

Abstract: Neuropathic pain: Pharmacotherapy<br />

The identification and treatment of neuropathic pain (NP) still represents a major<br />

challenge to an interdisciplinary team. Specific pharmacotherapy is an important pillar<br />

of a multimodal therapy strategy that should finally follow a biopsychosocial approach.<br />

Unfortunately, classic WHO-Step-I analgesics fail to treat NP. According to current<br />

evidence, a permanent therapy with opioids (WHO-Step-II and -III) exposes patients to<br />

long-term risks that can hardly justify the midterm success of these substances. Therefore,<br />

knowledge of the dosage, use and side effects of the first-line drugs such as tricyclic<br />

antidepressants (TCA), serotonin-norepinephrine reuptake inhibitors (SNRI) and<br />

gabapentinoids is essential. Treatment should follow the “start low, go slow” concept,<br />

while a good patient education is crucial. Topical therapy with Lidocaine and Ambroxol<br />

actively includes the patient in the therapy regimen. High-dose therapy with capsaicin<br />

patches (8 %) remains in the hands of pain specialists. Perioperative prevention of<br />

neuropathic pain with systemic medication failed to prove efficacy by now. However,<br />

the perineural application of local anaesthetics using nerve blocks in thoracic and<br />

breast surgery as well as in caesarean section showed potential to prevent chronic,<br />

postoperative pain (CPOP). In the case of systemic diseases causing neuropathies, such<br />

as diabetes mellitus, active herpes zoster, multiple sclerosis, malnutrition, the optimization<br />

of a causal drug therapy stays eminently important.<br />

von «chronischen postoperativen Schmerzen<br />

(CPOP)» [12].<br />

Systemische Analgesie WHO Stufe I:<br />

ohne Stellenwert bei NP<br />

Der peri- und postoperativen Medikamentenapplikation<br />

kommt ein wichtiger Stellenwert<br />

zu. Eine multimodale, analgetische<br />

Systemtherapie ist die Ausgangsbasis<br />

im Rahmen operativer Versorgungen. Sie<br />

wird im Idealfall einvernehmlich zwischen<br />

operativer und anästhesiologischer<br />

Disziplin als möglichst kurzer und prägnanter<br />

Standard hinterlegt. Jedoch sind<br />

Medikamente der WHO-Stufe I (Paracetamol,<br />

Metamizol, nichtsteroidale Antiphlogistika)<br />

vorwiegend bezüglich nozizeptiver<br />

Schmerzen wirksam. Auch die Medikamente<br />

der WHO-Stufe II (Tramadol<br />

NNT: 4.7 / NNH 12.6) oder die BTM-pflichtigen<br />

Opioide der Stufe III (starke Opioide<br />

NNT: 4.3 / NNH: 12.7) zeigen nur eine sehr<br />

durchschnittliche Wirksamkeit zur Behandlung<br />

bei NP. Für die Prävention von<br />

NP gibt es für alle drei Stufen leider keinen<br />

Anhalt.<br />

Kontinuierliche Medikamentenapplikation<br />

perioperativ<br />

Höherwertig, aber technisch aufwendiger<br />

als systemische Therapien erscheint die<br />

Anlage von kontinuierlichen peripheren<br />

und zentralen Katheter-Regionalanästhesien<br />

(«kontinuierliche Nervenblockaden»).<br />

Diesen wird nun vermehrt ein Potenzial<br />

bei der Prävention von CPOP zugeschrieben.<br />

Durch mobile Pumpensysteme werden<br />

kontinuierlich Lokalanästhetika um<br />

die versorgenden Einzelnerven oder auch<br />

Nervengeflechte (Plexus, Rückenmark)<br />

gespült. Schon 2013 zeigte die thorakale<br />

Epiduralanästhesie im Rahmen von thoraxchirurgischen<br />

Eingriffen Effektivität<br />

gegen das Auftreten von CPOP [13]. Dieselbe<br />

Metaanalyse unterstreicht die Bedeutung<br />

der kontinuierlichen, thorakalen Paravertebralblockade<br />

im Rahmen der Mamma-Chirurgie<br />

mit protektiver Wirkung in<br />

einer kleinen Fallzahl [13]. 2015 wurde dies<br />

durch eine weitere prospektive Untersuchung<br />

bei 90 Patientinnen ergänzt. Hier<br />

führte die Anlage einer kontinuierlichen<br />

Paravertebralblockade für 36 Stunden zu<br />

einer Reduktion von unangenehmen und<br />

schmerzhaften Dysästhesien nach einem<br />

Jahr postoperativ von 47 % auf 13 % [14].<br />

Bei endoprothetischem Gelenkersatz haben<br />

Regionalanästhesieverfahren, die<br />

dort wegen der extremen Schmerzintensität<br />

des Eingriffes heutzutage im Prinzip<br />

regelhaft eingesetzt werden, eine solche<br />

4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

Tabelle 1. Perioperative, co-analgetische Medikamentengabe (intravenöse Applikation)<br />

Loading kontinuierlich Standard­Set [Lösung]<br />

Ketamin intraoperativ 0.3 mg / kg 0.3 – 0.75 mg / kg / h<br />

(max. 240 mg / h)<br />

20 mg / h 5 mg / ml<br />

Start<br />

kontinuierlich<br />

Ketamin postoperativ 5 mg / h 0.05 – 0.3 mg / kg / h<br />

(max. 30 mg / h)<br />

5 mg / h 5 mg / ml<br />

Loading<br />

kontinuierlich<br />

Lidocain intraoperativ 1 – 1.5 mg / kg 1 – 1.5 mg / kg / h<br />

(max. 100 mg / h)<br />

20 mg / h 10 mg / ml<br />

Tabelle 2. Übersicht lokaler Medikamententherapie, Dosierung und Anwendungshäufigkeit für die Therapie neuropathischer Schmerzen<br />

Präparat [Konzentration] Anwendungshäufigkeit NNT NNH<br />

Capsaicin-Creme 0.025 – 0.075 % 1 – 1 – 1 «low evidence» 2.5 (Hautirritation)<br />

Ambroxol-Creme 20 % 1 – 1 – 1 Fallserie, kaum Daten keine Daten<br />

Lidocain-Pflaster 5 % max. für 12 h / max. 3 Stück 4.4 keine Daten<br />

Capsaicin-Pflaster 8 % alle 3 Monate / 30 – 60 min 10.6 2.5 (Schmerzen)<br />

Anmerkungen: NNT = number needed to treat, NNH = number needed to harm [35,36,37].<br />

Prävention nie zeigen können. Warum ist<br />

das nun so?<br />

Kontinuierliche Regional anästhesieverfahren<br />

insbesondere bei Operation<br />

mit neuropathischen Schmerzanteil<br />

propagieren?<br />

Die richtungsweisende Recherche von<br />

Haroutounian et al. aus dem Jahre 2013<br />

bietet uns hierzu ein Erklärungsmodel.<br />

Peri- / postoperative Schmerzen im Rahmen<br />

der Thorax- und Mamma-Chirurgie<br />

sind dabei typischerweise neuropathischen<br />

Ursprungs (66 % respektive 67.7 %).<br />

Bei Gelenk endoprothese der unteren Extremität<br />

sind sie meist nozizeptiver Genese,<br />

der Anteil neuropathischer Schmerzen<br />

beträgt im Review nur 5.7 %. Bei gynäkologischen<br />

Eingriffen liegt die Inzidenz von<br />

NP jedoch wieder bei 33 % [9]. Diese Ergebnisse<br />

korrelieren mit der Bewertung des<br />

aktuellen Cochrane-Reviews von 2019, die<br />

dem Einsatz von Regionalanästhesieverfahren<br />

im Bereich der Thorax- und Mamma-Chirurgie<br />

sowie bei der Sectio caesarea<br />

eine wichtige Rolle in der Prävention<br />

von CPOP zuspricht [15]. Für Operationen<br />

der Extremitäten muss der präventive Effekt<br />

von Regionalanästhesie also erst noch<br />

erbracht werden, auch weil die bisherigen<br />

Studien von zu schlechter Qualität (sample<br />

size, Studiendesign) waren.<br />

Perioperative Ketamin­ und Lidocain­<br />

Infusion: (bislang) ohne Effekt auf NP<br />

Die aktuelle Literaturlage unterstützt zwar<br />

eine perioperative intravenöse Ketamininfusion<br />

(Tab. 1) bzgl. Schmerzreduktion<br />

und Opioid-Einsparung, die Behandlung<br />

wird aber potenziell von nachgängigem<br />

Auftreten von Albträumen begleitet [16].<br />

Die weiteren Übersichtsarbeiten zeigen<br />

kein Potenzial für die Prävention von CPOP<br />

oder NP [17]. Eine spätere Publika tion bestätigt<br />

dies auch noch einmal explizit für<br />

den Einsatz bei Thorakotomien [18]. Für<br />

eine intravenöse Lidocaingabe (Tab. 1) findet<br />

man eine ähnliche Studienlage wie für<br />

Ketamin. Hinweise für co-analgetische Effekte<br />

perioperativ bezüglich Medikamenteneinsparung<br />

(Opioide) und reduzierten<br />

Schmerz-Scores sind gegeben, für die Prävention<br />

von neuropathischen Schmerzen<br />

postoperativ kann zurzeit jedoch keine<br />

echte Empfehlung geben werden [19]. Dies<br />

hat u. a. mit den Limitationen der bislang<br />

publizierten Studien zu tun (v. a. Publikationsbias<br />

und Studiendesign).<br />

Perioperative Prävention<br />

durch Gabapentinoide<br />

Der gut gemeinte Einsatz von Pregablin<br />

und Gabapentin im Sinne einer Prävention<br />

begann sich vor zehn Jahren immer<br />

weiter zu verbreiten. Jedoch kann die aktuelle<br />

Übersicht zur Literatur [20] die anfängliche<br />

Begeisterung zu den Präparaten<br />

nicht mehr teilen. Vielmehr müssen die<br />

erheblichen Nebenwirkungen (Sedation,<br />

Schwindel, Desorientiertheit, Sehstörungen,<br />

verlängerter Aufenthalt im Überwachungsbereich<br />

u.v.m.) gewürdigt werden,<br />

die insbesondere unsere älteren Patienten<br />

perioperativ gefährden können [21].<br />

Medikamentöse Behandlung<br />

nach Diagnosestellung<br />

Generell sollten realistische Behandlungsziele<br />

mit dem Patienten besprochen<br />

werden: Oft kann trotz allen therapeutischen<br />

Bemühungen keine Schmerzfreiheit<br />

erreicht werden. Primär sind deshalb<br />

zumindest eine teilweise Schmerzlinderung,<br />

eine bessere Lebensqualität und<br />

eine Funktionsverbesserung anzustreben.<br />

Aktuell sei hier insbesondere auf die Publikationen<br />

im Lancet Neurology von 2015<br />

[22], die NICE-Guideline «Neuropathic<br />

pain in adults: pharmacological management<br />

in non-specialist settings» des NHS<br />

(Update 2019) [23] und die S2k- Leitlinie<br />

«Diagnose und nicht-interventionelle<br />

Therapie neuropathischer Schmerzen»<br />

von 2019 verwiesen [24].<br />

Topische Anwendungen<br />

Oft ist der neuropathische Schmerz mit<br />

einer Alodynie der Hautoberfläche<br />

(«Pinsel-Test»), aber auch mit einer<br />

«Pin-Prick»-Hyperalgesie («Zahnstocher-<br />

Test») verbunden. In diesen Fällen eignet<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 49


Perspektiven<br />

Tabelle 3a. Orale Erst- und Zweitlinien-Therapie bei NP: Dosierung und Applikation<br />

Substanzgruppe Präparat Tagesdosis Einnahme<br />

TCA Amitriptylin 10 – 75 mg 0 – 0 – 0 – 1<br />

SNRI Duloxetin 30 – 120 mg 1 – 0 – 0 (1 – 1 – 0)<br />

Antikonvulsivum Gabapentin 1200 – 2400 (3600) mg 1 – 1 – 1<br />

Antikonvulsivum Pregabalin 300 – 600 mg 1 – 0 – 1<br />

WHO-Stufe-II Tramadol (ret.) max. 400 mg 1 – 0 – 1<br />

Anmerkungen: TCA = Trizyklische Antidepressiva; SNRI = Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer; NNT = number needed to treat; NNH =<br />

number needed to harm; ret. = retardiert). Angepasst nach [22] und dem Arzneimittelkompendium der Schweiz (https://compendium.ch).<br />

Tabelle 3b. Orale Erst- und Zeitlinien-Therapie: Wirkung und Nebenwirkung, Kategorisierung, angepasst nach [22, 38]<br />

Substanzgruppe Präparat NNT NNH Kategorie<br />

TCA Amitriptylin 3.6 13.4 first line<br />

SNRI Duloxetin 6.4 11.8 first line<br />

Antikonvulsivum Gabapentin 6.3 25.6 first line<br />

Antikonvulsivum Pregabalin 7.7 13.9 first line<br />

WHO-Stufe-II Tramadol (ret.) 6 12.6 second line<br />

Tabelle 4. Auswahl intravenöser Behandlungsoptionen bei chronischen neuropathischen Schmerzen, adaptiert nach [29, 39, 40]<br />

Medikament Konzentration Initiale Dosierung Anpassung Monitoring<br />

Ketamin «Testung» [1 mg / ml] Start: 0.1 mg / kg / h<br />

In 0.05 mg / kg / h Schritten<br />

alle 10 Minuten steigern<br />

Stop:<br />

Einsetzten von NW,<br />

max. 0.5 mg / kg / h<br />

EKG / RR / SpO2<br />

Ketamin<br />

«Serie»<br />

[5 mg / ml] Start mit der in der Testung<br />

festgelegten Maximaldosierung<br />

Serie an 5 Tagen,<br />

kontinuierlich über 3 – 4<br />

Stunden<br />

EKG / RR / SpO2<br />

Lidocain «Therapie» [1 mg / ml] 2.5 mg / kg / h<br />

(über 30 Minuten)<br />

Schrittweise Reduktion<br />

bei NW<br />

EKG / RR / SpO2<br />

sich eine topische Therapie, die der Patienten<br />

selbstwirksam und auch im Sinne<br />

einer wiederholten Desensibilisierung<br />

aufbringen kann (Tab. 2). Die Ausnahme<br />

bildet die Hochdosis-Therapie mit Capsaicin<br />

8 %. Diese sollte unter medizinischer<br />

Aufsicht erfolgen. Zudem bedarf es in der<br />

Schweiz einer Kostengutsprache des Leistungsgaranten.<br />

Antidepressiva und Antikonvulsiva<br />

Als orale Basistherapie sollten aufgrund<br />

der besseren Wirkung und geringen Nebenwirkungen<br />

in der Literatur (Tab. 3a<br />

und 3b) primär Antidepressiva eingesetzt<br />

werden. Sie werden unserer Erfahrung<br />

nach auch von Arbeitsmedizinern bzgl.<br />

Fahrtauglichkeit und Maschinenführung<br />

meist günstiger bewertet. Hierbei muss<br />

man schon initial die Erwartungshaltung<br />

der Patienten bei diesen Spiegelmedikamenten<br />

reduzieren, da die Wirkung verzögert<br />

einsetzt. Grundsätzlich gilt hier die<br />

Devise: «start low, go slow». So kann der<br />

äquipotente Einsatz von Trimipramin-<br />

Tropfen [40 mg / ml] mit 1 mg / ggt am Anfang<br />

als Alternative für Amitriptylin erwogen<br />

werden. Das Rezeptieren einer<br />

Amitriptylin-Suspension [1 mg / ggt] als<br />

«Formula officinalis» mit Aqua conservans<br />

hat sich bewährt, wenn eine alkohol<br />

freie Lösung angeboten werden muss. Ein<br />

tropfenweises Steigern ist mit beiden<br />

Präpa raten möglich. Auf jeden Fall sollte<br />

man offen über diese Medikamentengruppe<br />

kommunizieren, um späteren Missverständnissen<br />

vorzubeugen. Gleiches gilt<br />

für die Gabapentinoide, die sequenziell<br />

oder auch vorsichtig parallel zu den Antidepressiva<br />

ausgetestet werden können.<br />

So sollte man bei Pregabalin die Dosis in<br />

25 mg-Schritten und bei Gabapentin mit<br />

100 mg-Schritten vorsichtig erhöhen, um<br />

nicht durch die potenziell eintretenden<br />

Nebenwirkungen einer zu rasanten Steigerung<br />

die Patienten-Compliance zu verlieren.<br />

Gemäss den NICE-Guidelines sollte<br />

jedes Präparat für zwölf Wochen in der<br />

maximal verträglichen Dosis ausgetestet<br />

werden. Dies macht klar, dass Patient und<br />

Therapeut einen langen, gemeinsamen<br />

Weg vor sich haben, und dass man immer<br />

wieder zur regelmässigen Medikamenteneinnahme<br />

aufrufen muss.<br />

Warum sind die Antidepressiva erste<br />

Wahl und nicht die Antiepileptika?<br />

Das in der Literatur immer wieder diskutierte<br />

Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential<br />

von Gabapentinoiden hat 2019 im<br />

50 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

Vereinigen Königreich dazu geführt, dass<br />

diese den Benzodiazepinen gleichgesetzt<br />

wurden: «… Pregabalin und Gabapentin<br />

werden unter dem ‹Misuse of Drugs Act<br />

1971› als kontrollierte Substanz der Klasse<br />

‹C› geführt und wurden gemäss Aufstellung<br />

3 des ‹Misuse of Drugs Regulations<br />

2001› gelistet» [23].<br />

Indikation für Opioide streng stellen<br />

In der NICE-Guideline wird den Opioiden<br />

bei der Behandlung von NP nur in Form<br />

von Tramadol im Notfall ein Stellenwert<br />

eingeräumt: «Erwägen Sie Tramadol nur,<br />

wenn eine akute Rescue-Therapie notwendig<br />

ist». Für WHO-Stufe-III-Präparate<br />

gibt es dort keine Empfehlung für eine<br />

Langzeitbehandlung. Dies liegt in der fehlenden<br />

Über legenheit bzgl. NNT und NNH<br />

im Vergleich zu Tramadol in der Literatur<br />

begründet. Auch im Systematischen Review<br />

und Metaanalyse des Lancet Neurology<br />

von 2015 werden starke Opioide als<br />

Drittlinien-Medikament eingeordnet.<br />

Dies entspricht weitgehend der allgemeinen<br />

Empfehlung für die verantwortungsvolle<br />

Verschreibung von Opioiden bei<br />

chronischen Schmerzen im «IASP Statement<br />

on Opioids» vom Februar 2018, welches<br />

durch ein elfköpfiges, internationales<br />

Expertengremium unter Leitung von<br />

Prof. J. Ballantyne (UW, Seattle) getroffen<br />

wurde: «Die IASP empfiehlt Zurückhaltung,<br />

wenn Opioide für chronische<br />

Schmerzen verschrieben werden» [25, 26].<br />

Diese Bewertungen sind Bestätigungen<br />

der alten deutschsprach igen S3-Leitlinie<br />

«Langzeitanwendung von Opioiden bei<br />

nicht tumorbedingten Schmerzen<br />

(LONTS)», die nun auch in ihrer aktualisierten<br />

Form vorliegt [27]. Auch dort werden<br />

Opioide im Prinzip nur noch zeitlich<br />

begrenzt und mit fest definierten Therapiezielen<br />

eingesetzt. Bezeichnenderweise<br />

gilt ein gutes Ansprechen auf Antineuropathika<br />

kombiniert mit einem schlechten<br />

Ansprechen auf Opioide als charakteristisch<br />

für neuropathische Schmerzen [28].<br />

Insgesamt ist also vom Einsatz dieser Substanzen<br />

eher abzuraten.<br />

Weitere Medikamente beim<br />

Spezialisten<br />

Für alle weiteren oralen Behandlungsoptionen<br />

wie Na+-Blocker, SNRI, medizinische<br />

Cannabinoide oder NDMA-Rezeptor-Agonisten<br />

sollten Patienten an spezialisierte<br />

Schmerzmediziner verwiesen werden.<br />

Diese sollten idealerweise Zugang zu<br />

einem erweiterten therapeutischen Netzwerk<br />

haben. Langfristig sind weitere<br />

Therapiekomponenten im Rahmen des<br />

«biopsychosozialen Models» notwendig,<br />

um die Lebensqualität und Funktionalität<br />

des Patienten aufrecht zu erhalten: Körpertherapie,<br />

kognitive Verhaltenstherapie,<br />

Schmerzedukation und Schmerzmanagement,<br />

Sozialberatung u.v.m.<br />

Intravenöse Behandlungsoptionen<br />

Auch die Anwendung von Ketamin bei Patienten<br />

mit chronischen Schmerzen gehört<br />

dementsprechend in die Hand von<br />

Spezialisten. Diese Applikation führt zu<br />

einer kurzzeitigen Verbesserung der Beschwerden,<br />

ohne starke Evidenz für eine<br />

Langzeitwirkung [29]. So sind wir in der<br />

Schmerzambulanz des Inselspitals bemüht,<br />

eine Ketamin-Serie am Vormittag<br />

mit subsequenten Terminen bei unseren<br />

körpertherapeutischen Partnern abzusprechen<br />

– wie Ergo- oder Physiotherapie.<br />

Eine allgemeine Verbesserung des Wohlbefindens<br />

kann durch die nachgewiesene<br />

akute, antidepressive Wirkung von Ketamin<br />

verursacht werden [42].<br />

Intrathekale Medikamentengabe<br />

Bei der intrathekalen Medikamentengabe<br />

(ITDD) werden Medikamente direkt über<br />

ein Kathetersystem in den Durasack im<br />

Canalis spinalis eingebracht und vermischen<br />

sich dort mit dem Liquor. Das Medikamentenreservoir<br />

ist dabei meist an der<br />

ventralen Bauchwand fixiert und wird in<br />

Monatsabständen unter sterilen Kautelen<br />

über ein Portsystem befüllt.<br />

Nach über 20 Jahren klinischer Erfahrung<br />

mit dieser Applikationsform wird<br />

Opioiden nur noch in der Palliativmedizin<br />

einen sinnvollen Stellenwert zugeordnet,<br />

da die Wirksamkeit sich auch hier langfristig<br />

erschöpft. Dann steht man vor<br />

Herausforderungen im Schmerzmanagement,<br />

die man als extrem bezeichnen<br />

muss [30]. Ins besondere Abhängigkeit,<br />

Toleranz und Opioid-induzierte Hyperalgesie<br />

sind reelle Risiken, denen die Patienten<br />

unter Langzeit-Opioidtherapie ausgesetzt<br />

sind. Lediglich die Applikation des<br />

GABA-Agonisten Baclofen bei zentralen<br />

neuropathischen Schmerzen und<br />

schmerzhafter Spastik im Kontext von<br />

Querschnittslähmungen oder der MS<br />

scheint eine sinnvolle Therapieoption zu<br />

sein [31, 32]. Auch für die Dystonie bei<br />

komplexen, regionalen Schmerzsyndrom<br />

(CRPS) kann Baclofen als Therapieoption<br />

gemäss Leitlinien erwogen werde. Man<br />

muss aber auf erhebliche Nebenwirkung<br />

vorbereitet sein [33, 34].<br />

Zusammenfassung<br />

Screening<br />

Planen Sie die Implementierung von Fragebögen<br />

(z. B. DN-4) zur Diagnosesicherung<br />

und Ergänzung ihrer Schmerzanamnese<br />

und körperlichem Untersuchungsbefund<br />

– auch im postoperativen Setting.<br />

Multifokale Ursachen erkennen<br />

Ein komplexes Zusammenspiel ist stets<br />

möglich. Ziehen Sie im Zweifelfall frühzeitig<br />

Spezialisten zur Mitbeurteilung hinzu.<br />

Prävention bei Operationen<br />

Denken Sie als operativ tätiger Kollege an<br />

die Implementierung von kontinuierlichen<br />

Regionalanästhesieverfahren bei Eingriffen<br />

mit hohem Risiko für neuropathischen<br />

Schmerzen ein, wie z. B. in der Thoraxund<br />

Mamma-Chirurgie.<br />

Patientenedukation<br />

WHO-Stufe-I-Präparate sind ohne relevante<br />

Wirkung. Bremsen Sie die Erwartungshaltung<br />

für die Co-Anal getika: «Start<br />

low – go slow». Es sind Spiegelmedikamente.<br />

Machen sie offensiv Werbung für<br />

Antidepressiva (TCA / SNRI). Sie haben<br />

das beste Nutzen-Risiko-Verhältnis.<br />

Therapeutenedukation<br />

Gabapentinoide sollten heutzutage mit<br />

Bedacht verschrieben werden, da sich immer<br />

mehr ein ernst zu nehmendes Abhängigkeitspotential<br />

dieser Substanzgruppe<br />

abbildet. Vorsicht und Augenmass gilt<br />

aber besonders bei Opioiden: zeitlich begrenzen,<br />

Therapieziele definieren z. B. die<br />

Durchführung von intensiver Ergo- und<br />

Physiotherapie. Verzicht auf WHO-Stufe-III-Präparate.<br />

Opioide gefährden im<br />

langfristigen Einsatz Ihre Patienten gesundheitlich<br />

und mental.<br />

Therapieerfolg<br />

Lebensqualität und Funktion im Alltag<br />

sind für beide Seiten sinnvollere Parameter<br />

für den Erfolg der Therapiebemühungen<br />

als die reinen Schmerzskalen.<br />

Dr. med. Florian Reisig<br />

Universitätsklinik für Anästhesiologie<br />

und Schmerztherapie<br />

Inselspital<br />

Universität Bern<br />

Freiburgstrasse 18<br />

3010 Bern<br />

florian.reisig@insel.ch<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 51


Perspektiven<br />

Literatur<br />

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without a continuous paravertebral<br />

nerve block: a prospective 1-year<br />

follow-up assessment of a<br />

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placebo-controlled study. Ann<br />

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review and meta-analysis update. J<br />

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52<br />

4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

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News/NewsDetail.aspx?<br />

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Pain: A Review of Morphine and<br />

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In: Deutsche Gesellschaft für<br />

Neurologie, Hrsg. Leitlinien für<br />

Diagnostik und Therapie in der<br />

Neurologie [Internet]. [abgerufen<br />

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Appraisal%20update%20for%20<br />

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placebo-controlled pilot trial of<br />

extended IV lidocaine infusion for<br />

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367 – 76.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 53


Perspektiven<br />

Künstler der Medizin<br />

Dr. Didier Schneiter<br />

Als ich in der Kantine ass,<br />

tippte mich ein Unterassistent<br />

aufgeregt an und wies mich<br />

auf einen Arzt hin: «Schau<br />

mal den an! Der sieht aus wie ein Filmstar!»<br />

«Aha. Und aus welchem Film?»,<br />

fragte ich nach. Der Unterassistent antwortete<br />

fast ehrfürchtig: «Aus einem<br />

Gefängnisfilm.» Als ich den besagten Arzt<br />

nach Wochen wieder in der Kantine sah,<br />

blieb ich stehen und setzte ihn darüber in<br />

Kenntnis, dass ein Unterassistent unserer<br />

Klinik finde, er sehe aus wie ein Filmstar.<br />

Der Arzt freute sich, und als ich unaufgefordert<br />

ergänzte «aus einem Gefängnisfilm»,<br />

brach er in lautes Lachen aus.<br />

Daraufhin assen wir gemeinsam zu<br />

Mittag. Wir unterhielten uns, seine Frau<br />

ist auch Malerin, und das finde ich<br />

natürlich sehr sympathisch. Ich lud die<br />

beiden zu meiner Vernissage am Tessinerplatz<br />

ein, die ein paar Tage später<br />

stattfand. An diesem Tag hatte er eine<br />

lange Sitzung. Der Manager des Ortes gab<br />

für die Vernissage ein Zeitfenster von 18<br />

bis 20 Uhr vor. Didier Schneiter kam zwei<br />

Minuten nach 20 Uhr, und ich freute<br />

mich sehr, dass er sich Zeit dafür nahm.<br />

Ich wollte ihm einen Crémant holen,<br />

doch der Manager verbot seiner Bedienung,<br />

noch ein Glas aus der angebrochenen<br />

Flasche auszuschenken. Es war nach<br />

20 Uhr – eine wahrhaft interessante<br />

Auffassung von Gastfreundschaft. Die<br />

Bedienung sah mich entschuldigend an,<br />

dass sie der Anweisung ihres Chefs zu<br />

folgen habe. Dr. Schneiter reagierte<br />

souverän und lässig und sagte nach<br />

seinem wohl 12-Stunden-Arbeitstag ganz<br />

locker, er nehme auch gerne ein Wasser.<br />

Nur wenige Situationen waren mir so<br />

unangenehm wie diese.<br />

Ich führe diese Szene deshalb an, da<br />

sie sehr gut zeigt, weshalb ich Dr. Didier<br />

Schneiter, leitender Arzt für Thoraxchirurgie<br />

am UniversitätsSpital Zürich und<br />

Vertreter im Vorstand der schweizerischen<br />

Gesellschaft für Thoraxchirurgie,<br />

gemalt habe. Weil er so ist, wie er ist.<br />

Er bleibt elegant und freundlich, das<br />

Wohlbefinden anderer steht bei ihm an<br />

oberster Stelle.<br />

Momentan illustriere ich ein Kinderbuch,<br />

in dem es um das Pilzsammeln<br />

geht. Als Protagonisten der Geschichte<br />

wählte ich meinen Opa, der es liebte, mit<br />

seinem Dackel Rexl im Wald «zum<br />

Schwammerlsuchen» zu gehen. Mein Opa<br />

war dem Autor zu alt, er stellte sich für<br />

seine Geschichte einen Jüngeren vor. Ich<br />

fotografierte für ihn das Porträt von Dr.<br />

Schneiter; «ob er eher an so eine Person<br />

gedacht habe?». «Ja, genau.» Als ich<br />

darauf Dr. Schneiter fragte, ob er einverstanden<br />

sei, dass ich ihn als Pilzsammler<br />

für ein Kinderbuch verwende, sagte er<br />

spontan: «Ja, ich suche auch gerne Pilze.»<br />

So wunderbar ist er. So angenehm.<br />

Er ist ein Mensch ohne Allüren.<br />

Er rettete mich auf meiner Vernissage,<br />

indem er cool reagierte und an den<br />

Manager dort keine Energie verschenkte.<br />

Das macht ihn zum Star. Die Filmindustrie<br />

hat ihn bisher noch nicht abgeworben.<br />

So lange geht er noch im UniversitätsSpital<br />

Zürich die Gänge entlang und<br />

hinterlässt einen tiefen Eindruck,<br />

menschlich wie fachlich.<br />

Seine Farbe ist blau, marineblau.<br />

Seine Augen sind himmelblau. Seine<br />

haselnussbraunen Haare mit Pomade<br />

nach hinten gekämmt. Seine Haut<br />

braungebrannt, mandelfarben. Sein<br />

Dreitagebart mit ein paar grauen Stoppeln<br />

durchzogen. Sein Auftritt mit<br />

folgender Kleidung ausgestattet: OP-Kleidung<br />

blattgrün, Arztkittel, flatternd<br />

schneeweiss.<br />

Das ist der Künstler der Medizin,<br />

Dr. Didier Schneiter. Schweizer. Hauptdarsteller.<br />

Bei seinen Kollegen der<br />

Plastischen Chirurgie und Handchirurgie<br />

geschätzt als «ein exzellenter Chirurg».<br />

Bettina Reichl, Malerin und Hospitalisationsmanagerin<br />

an der Klinik für Plastische<br />

Chirurgie am UniversitätsSpital Zürich<br />

(Ungekürzte Textversion auf<br />

www.bettinareichl.com)<br />

54 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


mediservice<br />

Briefkasten<br />

Was passiert, wenn die<br />

Erde bebt?<br />

Bild: zvg<br />

Die Gefahr von Erdbeben, so<br />

höre ich oft, betreffe uns in<br />

der Schweiz nicht. Ich bin<br />

jedoch Hauseigentümer und<br />

habe mich gefragt, ob und allenfalls<br />

wie mein Haus im Fall des Falles versichert<br />

ist.<br />

Ein unsichtbares Virus versetzt die<br />

Welt seit mehr als einem Jahr in Angst<br />

und Schrecken und verursacht Schäden<br />

in Milliardenhöhe. Ähnlich verhält es<br />

sich mit einer anderen Gefahr, die – wenn<br />

sie eintritt – verheerende Ausmasse<br />

haben kann: Erdbeben. Die kommen<br />

doch nur im Ausland vor, die Schweiz<br />

aber ist ein erdbebenarmes Land, lautet<br />

eine oft gehörte Meinung. Weit gefehlt:<br />

Auch in der Schweiz bebt die Erde<br />

jährlich rund 800 Mal. Wie Erdbeben in<br />

der Schweiz entstehen? So wie unsere<br />

Alpen entstanden sind, durch das<br />

Aufeinanderprallen der europäischen<br />

und afrikanischen Erdplatten.<br />

Trotzdem werden Erdbeben hierzulande<br />

kaum als Risiko wahrgenommen,<br />

vielleicht weil die grossen Ereignisse<br />

schon länger her und in Vergessenheit<br />

geraten sind. Ein solches Sicherheitsempfinden<br />

kann jedoch trügerisch sein – und<br />

teuer. Nur ein Bruchteil der Schweizer<br />

Gebäudeeigentümer hat überhaupt eine<br />

Erdbebenversicherung abgeschlossen.<br />

Was vielen vielleicht nicht bewusst ist:<br />

In der Schweiz gibt es keine gesetzlich<br />

vorgeschriebene Erdbebenversicherung,<br />

weshalb die obligatorische kantonale<br />

Gebäudeversicherung keine Schäden<br />

durch Erdbeben deckt. Lediglich die<br />

Gebäudeversicherung des Kantons<br />

Zürich bietet einen begrenzten Schutz.<br />

Die Folge: Ein massives Beben würde in<br />

der Schweiz zu Kosten in Milliardenhöhe<br />

führen, gegen die kaum jemand versichert<br />

ist. Und bereits ein kurzes Beben<br />

genügt, um Risse in der Hauswand oder<br />

ein Problem in der Statik und damit<br />

erhebliche Kosten zu verursachen.<br />

Günstig absichern<br />

Für Schäden und Folgekosten eines<br />

Erdbebens muss also in der Regel die<br />

Eigentümerin oder der Eigentümer<br />

aufkommen. Für eine vergleichsweise<br />

geringe Summe können sie sich allerdings<br />

bei den Schweizer Privatversicherern<br />

nach einer individuellen Risikoprüfung<br />

gegen diese finanziellen Risiken<br />

absichern. Die Erdbebenversicherungen<br />

versichern Gebäude von Privatpersonen<br />

und Unternehmen und decken damit die<br />

nach einem Erdbeben entstehenden<br />

Kosten. Darunter fallen beispielsweise<br />

auch die Übernahme von Mietertragsausfällen<br />

oder Aufräumungskosten. Unternehmen<br />

können zusätzlich ihr Inventar<br />

wie Maschinen und Einrichtungen, die<br />

entstehenden Folgekosten oder den<br />

Ertragsausfall infolge eines Betriebsunterbruchs<br />

versichern. Eine Erdbebenversicherung<br />

ist also eine noch wenig<br />

bekannte, aber wichtige Ergänzung des<br />

Versicherungsschutzes. Es lohnt sich<br />

daher, sich mit diesem Risiko auseinanderzusetzen.<br />

Damit aus ihrem Traumhaus<br />

im Schadenfall kein «Albtraumhaus»<br />

wird.<br />

Die Allianz Suisse bietet ihren privaten<br />

wie auch geschäftlichen Kundinnen<br />

und Kunden umfassenden und<br />

individuell angepassten Schutz für<br />

Erdbeben. Darunter fallen beispielsweise<br />

die Übernahme von Aufräumungskosten,<br />

die Deckung von<br />

Mietertragsausfällen oder die<br />

Versicherung von Maschinen und<br />

Einrichtungen.<br />

mediservice <strong>vsao</strong>-asmac und Allianz<br />

Suisse arbeiten seit vielen Jahren<br />

erfolgreich zusammen. Ihr Mehrwert<br />

als Mitglied bei mediservice <strong>vsao</strong>asmac:<br />

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Allianz Suisse:<br />

– mindestens 10% Rabatt auf alle<br />

Versicherungen der Allianz<br />

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Bedürfnissen<br />

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mediservice/<br />

Raphaela Schelbert,<br />

Key Account Managerin<br />

Partnermanagement,<br />

Allianz Suisse Versicherungs­<br />

Gesellschaft AG<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 55


mediservice<br />

Selbständiges<br />

Leben im eigenen<br />

Zuhause bis ins<br />

hohe Alter<br />

Zuhause ist es am schönsten. Viele wollen deshalb möglichst lange<br />

in den eigenen vier Wänden bleiben und dort ein selbständiges Leben<br />

führen. Doch gerade nach der Pensionierung stellen finanzielle<br />

Fragen und der Bedarf an Betreuung viele Menschen vor grosse<br />

Herausforderungen. Gefragt sind Betreuungs- und Vorsorgelösungen,<br />

die autonomes Leben im Alter ermöglichen.<br />

Josko Pekas, Kommunikationsspezialist Visana<br />

Wir werden immer älter. Die<br />

durchschnittliche Lebenserwartung<br />

ist seit 1948 von<br />

66 auf 83 Jahre gestiegen.<br />

Die Zeit nach der Pensionierung ist ein<br />

völlig neuer Lebensabschnitt geworden,<br />

der viel Raum für Neues und lang gehegte<br />

Lebensträume bietet. Ein unabhängiges<br />

Leben zu führen, gehört zu unseren<br />

grundlegenden Bedürfnissen.<br />

Viele Menschen bleiben dank medizinischem<br />

Fortschritt und einem zunehmend<br />

bewussten Lebensstil auch nach der<br />

Pension und im hohen Alter länger gesund<br />

und aktiv. Sie möchten ihren neuen Lebensabschnitt<br />

möglichst selbständig gestalten.<br />

Oft sind es die sozialen Netze, die<br />

Menschen mit ihrem eigenen Zuhause<br />

verbinden. Vor allem für Seniorinnen und<br />

Senioren mag der Gedanke, von jemandem<br />

abhängig zu sein, unangenehm sein.<br />

Hinzu kommen Fragen der Finanzierbarkeit,<br />

wenn man plötzlich auf Fremdbetreuung<br />

angewiesen ist.<br />

Planung der Altersvorsorge früh<br />

beginnen<br />

Die Herausforderungen nehmen mit dem<br />

Alter zu: Um den eigenen Lebensstandard<br />

im Pensionsalter zu sichern, braucht es finanzielle<br />

Vorsorge und Absicherung. Obwohl<br />

alle Werktätigen obligatorisch in die<br />

AHV (1. Säule) einzahlen, wird dadurch<br />

nur der Grundbedarf abgedeckt. Hinzu<br />

kommen oft körperliche Beschwerden, die<br />

das tägliche Leben beeinträchtigen und<br />

Betreuungsleistungen im Alter notwendig<br />

machen. Diese gehen ins Geld. Nicht nur<br />

die finanzielle Absicherung, sondern auch<br />

eine preiswerte, individuell abgestimmte<br />

Betreuung wird immer wichtiger.<br />

Betreuungsleistungen gehen<br />

ins Geld<br />

Das Einkommen nach der Pensionierung<br />

schrumpft. In der Regel liegt es 30 bis 40<br />

Prozent tiefer als vor der Pensionierung.<br />

Zudem sind gerade bei fragilen Rentnerinnen<br />

und Rentnern die Ausgaben für die<br />

Betreuung meist ein wichtiger Posten. Sie<br />

belasten das Haushaltsbudget stärker als<br />

die Kosten für die Pflege, da diese in der<br />

Schweiz zu einem grossen Teil von den<br />

Krankenkassen mitgetragen werden.<br />

Die Betreuung, die darüber hinausgeht,<br />

muss selber finanziert werden. Und<br />

sie ist sowohl zuhause als auch im Heim<br />

sehr teuer. Die Aufenthaltskosten im Alters-<br />

und Pflegeheim betragen im Durchschnitt<br />

knapp 6000 Franken pro Monat<br />

und Bewohner. Hier besteht schweizweit<br />

eine Lücke, denn die Betreuung muss<br />

weitgehend von den Rentnerinnen und<br />

Rentnern selbst getragen werden. Viele<br />

müssen immer noch auf ihr Vermögen<br />

oder gar auf Ergänzungsleistungen zurückgreifen.<br />

Weil das Schweizer Gesundheitswesen<br />

stark föderal ausgerichtet ist,<br />

variieren die Regelungen in der Gesundheitsversorgung<br />

je nach Kanton und Gemeinde.<br />

56<br />

4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Betreuung und Vorsorge müssen<br />

Hand in Hand gehen<br />

Bei stark pflegebedürftigen Personen fallen<br />

im Schnitt zwischen 10000 und 20000<br />

Franken pro Jahr für Pflege und Betreuung<br />

an. Wer im Alter möglichst lange zuhause<br />

wohnen will, kann sich zwar von der<br />

Spitex pflegen lassen. Betreuung, Unterstützung<br />

im Alltag und Gesellschaft fehlen<br />

trotzdem. Wo Familie und Freunde<br />

nicht einspringen können, braucht es<br />

neue finanzierbare Betreuungsangebote.<br />

Nicht nur die Sicherung der Altersrente,<br />

sondern auch die Betreuung im Alter verdient<br />

dringend mehr Aufmerksamkeit.<br />

Eine Abdeckung der individuellen Altersvorsorge<br />

und Betreuungsleistungen<br />

im Alter würde Abhilfe schaffen. Mittels<br />

eines angesparten Kapitals auf einem Vorsorgekonto,<br />

das für Betreuungsleistungen<br />

einsetzbar ist, ist ein Leben zuhause unabhängig<br />

von der finanziellen Lage und vom<br />

Wohnort möglich. Doch es kommt auf die<br />

Betreuungsleistungen an: Sie müssen finanzierbar<br />

und so ausgerichtet sein, dass<br />

sie die Menschen im Alltag unterstützen<br />

– beim Einkaufen und Kochen oder indem<br />

ihnen Gesellschaft geleistet wird. Ein<br />

möglichst langes Leben im Eigenheim<br />

darf kein Luxus sein. Dafür braucht es<br />

finanzielle Absicherung und preiswerte<br />

Betreuung, die den individuellen Ansprüchen<br />

gerecht werden.<br />

Kapital sparen und für<br />

vergünstigte Betreuung<br />

einsetzen<br />

Visana-Versicherte, die ein steuerbegünstigtes<br />

Vorsorgekonto bei der<br />

Berner Kantonalbank eröffnen, können<br />

ihr Kapital ansparen und für vergünstigte<br />

Betreuungsangebote einsetzen.<br />

Dazu zählen das Erledigen von Einkäufen,<br />

die Begleitung zu Arztterminen,<br />

gemeinsames Kochen sowie Unterstützung<br />

bei Terminvereinbarungen oder<br />

bei der Bankkorrespondenz. Ist das im<br />

Rahmen der Betreuungs- und Vorsorgelösung<br />

angesparte Kapital erschöpft,<br />

können die Versicherten weiterhin<br />

Leistungen zu Vorzugstarifen beziehen.<br />

Die finanzielle Freiheit bleibt<br />

gewahrt, denn das angesparte Kapital<br />

ist nach der Pensionierung jederzeit<br />

zur Deckung anderer Bedürfnisse<br />

einsetzbar. Auf einer Vergleichsplattform<br />

können sich Versicherte aus<br />

einem umfassenden Angebot ihren<br />

Betreuungsbedarf selbst zusammenstellen.<br />

Weitere Informationen zur Betreuungs­<br />

und Vorsorgelösung finden Sie<br />

auf www.visana.ch/betreuung.<br />

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Hier können Sie uns erreichen:<br />

Visana Services AG<br />

Weltpoststrasse 19<br />

3000 Bern 16<br />

Telefon: 0848 848 899<br />

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Kathrin Grüneis<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 57


Impressum<br />

Kontaktadressen der Sektionen<br />

<strong>Nr</strong>. 4 • 40. Jahrgang • <strong>August</strong> <strong>2021</strong><br />

Herausgeber/Verlag<br />

AG<br />

VSAO Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

mediservice <strong>vsao</strong>-asmac<br />

Bollwerk 10, Postfach, 3001 Bern<br />

Telefon 031 350 44 88<br />

journal@<strong>vsao</strong>.ch, journal@asmac.ch<br />

www.<strong>vsao</strong>.ch, www.asmac.ch<br />

Im Auftrag des <strong>vsao</strong><br />

Redaktion<br />

Catherine Aeschbacher (Chefredaktorin),<br />

Giacomo Branger, Kerstin Jost, Fabian Kraxner,<br />

Léo Pavlopoulos, Lukas Staub, Anna Wang,<br />

Sophie Yammine<br />

Geschäftsausschuss <strong>vsao</strong><br />

Angelo Barrile (Präsident), Nora Bienz<br />

(Co-Vize präsidentin), Patrizia Kündig<br />

(Co-Vize präsidentin), Christoph Bosshard<br />

(Gast), Marius Grädel, Dina-Maria Jakob<br />

(Gast), Helen Manser, Richard Mansky,<br />

Gert Printzen, Svenja Ravioli, Patrizia Rölli,<br />

Martin Sailer, Miodrag Savic (Gast),<br />

Jana Siroka, Michael Burkhardt (swimsa)<br />

Druck, Herstellung und Versand<br />

Stämpfli AG, Wölflistrasse 1, CH-3001 Bern<br />

Telefon +41 31 300 66 66<br />

info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />

BL/BS<br />

VSAO Sektion beider Basel, Geschäftsleiterin und Sekretariat:<br />

lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin, Hauptstrasse 104,<br />

4102 Binningen, Tel. 061 421 05 95, Fax 061 421 25 60,<br />

sekretariat@<strong>vsao</strong>-basel.ch, www.<strong>vsao</strong>-basel.ch<br />

BE VSAO Sektion Bern, Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Tel. 031 381 39 39,<br />

info@<strong>vsao</strong>-bern.ch, www.<strong>vsao</strong>-bern.ch<br />

FR<br />

ASMAC Sektion Freiburg, Gabriela Kaufmann-Hostettler,<br />

Wattenwylweg 21, 3006 Bern, Tel. 031 332 41 10, Fax 031 332 41 12,<br />

info@gkaufmann.ch<br />

GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />

Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, amig@amig.ch, www.amig.ch<br />

GR<br />

JU<br />

NE<br />

VSAO Sektion Graubünden, 7000 Chur, Samuel B. Nadig, lic. iur. HSG,<br />

RA Geschäftsführer/Sektionsjurist, Tel. 078 880 81 64, info@<strong>vsao</strong>-gr.ch,<br />

www.<strong>vsao</strong>-gr.ch<br />

ASMAC Jura, 6, chemin des Fontaines, 2800 Delémont,<br />

marie.maulini@h-ju.ch<br />

ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier, Jurist,<br />

Rue du Musée 6, Postfach 2247, 2001 Neuenburg,<br />

Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />

SG/AI/AR VSAO Sektion St. Gallen-Appenzell, Bettina Surber, Oberer Graben 44,<br />

9000 St. Gallen, Tel. 071 228 41 11, Fax 071 228 41 12,<br />

Surber@anwaelte44.ch<br />

Layout<br />

Gabriela Berger<br />

Titelillustration<br />

Till Lauer<br />

Inserate<br />

Zürichsee Werbe AG, Fachmedien,<br />

Markus Haas, Laubisrütistrasse 44, 8712 Stäfa<br />

Telefon 044 928 56 53<br />

E-Mail <strong>vsao</strong>@fachmedien.ch<br />

SO<br />

TI<br />

TG<br />

VSAO Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ASMAC Ticino, Via Cantonale 8-Stabile Qi, 6805 Mezzovico-Vira,<br />

segretariato@asmact.ch<br />

VSAO Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

Auflagen<br />

Druckauflage: 22 000 Expl.<br />

WEMF/SW-Beglaubigung 2020: 21 829 Expl.<br />

Erscheinungshäufigkeit: 6 Hefte pro Jahr.<br />

Für <strong>vsao</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag<br />

inbegriffen.<br />

ISSN 1422-2086<br />

Ausgabe <strong>Nr</strong>. 5/<strong>2021</strong> erscheint im Oktober <strong>2021</strong>.<br />

Thema: Ende<br />

© <strong>2021</strong> by <strong>vsao</strong>, 3001 Bern<br />

Printed in Switzerland<br />

VD<br />

VS<br />

ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />

asmav@asmav.ch, www.asmav.ch<br />

ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />

Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />

Zentralschweiz (LU, ZG, SZ, GL, OW, NW, UR)<br />

VSAO Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ZH/SH<br />

VSAO ZH/SH, RA lic. iur. Susanne Hasse,<br />

Geschäftsführerin, Nordstrasse 15, 8006 Zürich, Tel. 044 941 46 78,<br />

susanne.hasse@<strong>vsao</strong>-zh.ch, www.<strong>vsao</strong>-zh.ch<br />

Publikation<strong>2021</strong><br />

FOKUSSIERT<br />

KOMPETENT<br />

TRANSPARENT<br />

Gütesiegel Q-Publikation<br />

des Verbandes Schweizer Medien<br />

58 4/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Anzeigen<br />

Update Refresher<br />

ALLGEMEINE<br />

INNERE MEDIZIN<br />

17. – 20.11.<strong>2021</strong>, Zürich 32 h<br />

ALLERGOLOGIE<br />

15. – 16.11.<strong>2021</strong>, Zürich 14 h<br />

DERMATOLOGIE<br />

02. – 03.12.<strong>2021</strong>, Zürich 14 h<br />

DIABETES<br />

04. – 06.11.<strong>2021</strong>, Zürich<br />

21 Credits SGAIM / 18 Credits SVDE /<br />

22.5 Credits SGED<br />

GYNÄKOLOGIE<br />

02. – 04.12.<strong>2021</strong>, Zürich<br />

24 Credits SGGG / 5 Credits SGUM<br />

KARDIOLOGIE<br />

05. – 06.11.<strong>2021</strong>, Zürich 14 h<br />

INNERE<br />

MEDIZIN<br />

30.11. – 04.12.21, Zürich 40 h<br />

PÄDIATRIE<br />

25. – 27.10.<strong>2021</strong>, Zürich 24 h<br />

PSYCHOLOGIE<br />

01. – 04.12.<strong>2021</strong>, Zürich 28 h<br />

HAUSARZT<br />

FORTBILDUNGSTAGE<br />

02. – 03.09.<strong>2021</strong>, Bern 14 h<br />

08. – 09.09.<strong>2021</strong>, Basel<br />

12 Credits SGAIM<br />

24. – 25.09.<strong>2021</strong>, Luzern<br />

12 Credits SGAIM<br />

Teilnahme<br />

vor Ort oder ...<br />

... in Echtzeit via<br />

LIVESTREAM<br />

Veranstaltungsorte<br />

Technopark Zürich | Kameha Grand Zürich | Hotel Sorell Ador, Bern |<br />

Hotel Victoria, Basel | Hotel Continental Park, Luzern<br />

Information / Anmeldung<br />

Tel.: 041 567 29 80 | info@fomf.ch | www.fomf.ch<br />

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