vsao Journal Nr. 4 - August 2021

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Politik Eine Arbeitsgruppe unter dem Dach der FMH feilt derzeit an einer Strategie zum Thema Ärzteschaft und Klimawandel. Bald sollen dazu Entscheide fallen. «Ärzte haben besondere Verantwortung» Schwarzer Sonntag für die Schweizer Klimajugend: Im Juni verwarf das Stimmvolk alle drei Umweltvorlagen. Was sagt die künftige Ärztegeneration dazu? Ein Gespräch mit Federico Mazzola (vsao) und Bea Albermann (swimsa). Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer vsao 6 4/21 vsao /asmac Journal
Politik Bild: myboys.me/Adobe Stock Bea und Federico, Ihr habt in Euren Verbänden ganz unterschiedliche Funktionen (siehe Kasten «Zu den Personen»). Was Euch verbindet, ist der Einsatz fürs Klima. Wie kam es dazu? Bea Albermann: Ich fing an, Medizin zu studieren, um zu verstehen, wie die Gesundheit aller Menschen bestmöglich geschützt und gefördert werden kann. Schnell habe ich aber festgestellt, dass mir das Studium kaum Antworten auf die komplexen Gesundheitsfragen des 21. Jahrhunderts bietet. Daher mein Engagement bei der swimsa. Schockierend war für mich dann folgende Feststellung: Wie konnte es sein, dass es weltweit wissenschaftlicher Konsens ist, dass die Klimakrise die grösste Bedrohung für die Gesundheit ist – dies jedoch in unserem Studium nicht ein einziges Mal erwähnt wird? Je mehr ich las, desto mehr realisierte ich: Die Klimakrise betrifft das Leben der Patientinnen und Patienten und meine künftige Arbeit als Ärztin direkt – und trotzdem unternimmt die Schweizer Gesundheitspolitik nichts. Das muss sich ändern. Federico Mazzola: Als Student hatte ich in der swimsa erste Berührungspunkte mit dem Thema Klimawandel und Gesundheit, hatte es jedoch nur am Rande verfolgt. Inzwischen ist diese Problematik in meinem Leben zunehmend wichtig geworden. So richtig angefangen hat es vor drei Jahren mit der Entscheidung, mich Zu den Personen Federico Mazzola ist Assistenzarzt im dritten Jahr. Aktuell arbeitet er in der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsspital Zürich. Der 27-Jährige interessiert sich nebst seinem Fachgebiet für Lehre und Gesundheitspolitik. Beim vsao gehört er der Geschäftsleitung der Sektion Zürich an und betreut deren Nachwuchsförderung. Zuvor war er Präsident der Sektion Solothurn. Bea Albermann (24) studiert an der Universität Zürich Medizin im fünften Jahr. Als berufliche Schwerpunkte schweben ihr Public Health, Gesundheitspolitik, Lehre sowie Kinder- und Jugendmedizin vor. Derzeit amtiert die ehemalige swimsa-Präsidentin und Jugenddelegierte für die WHO im Studierendenverband als Planetary- Health-Delegierte für die FMH. vegetarisch zu ernähren. Ich will meinen Teil dazu beitragen und meine Stimme nutzen, um allen eine bessere und nachhaltigere Zukunft zu ermöglichen. Seit Dezember beschäftigt Ihr Euch in einer Arbeitsgruppe der FMH mit dem Klimawandel (siehe Kasten «Die Klimastrategie der Ärzteschaft»). Mit welchen Zielen? Federico Mazzola: Das Hauptziel besteht darin, dass die Ärzteschaft einen substanziellen Beitrag leistet, indem sie effektive und grundlegende Massnahmen definiert, die ein nachhaltiges Gesundheitssystem und eine nachhaltige Gesundheitspolitik fördern. Die Unterziele sollen sowohl das Individuum als auch die Ärztinnen und Ärzte als Gesamtheit ansprechen. Bea Albermann: Wir brauchen in der Bevölkerung und Politik Verständnis dafür, dass die Klimakrise schon jetzt ein gesundheitlicher Notfall ist und es gesunde Menschen nur auf einer gesunden Erde gibt. Die Ärzteschaft hat diesbezüglich eine besondere Verantwortung, die sie aktuell zu wenig wahrnimmt. Das Schweizer Gesundheitswesen, inklusive der Lieferketten, muss seine Treibhausgasemissionen möglichst schnell auf netto null senken. Was bedingt, dass die klimaneutrale Gesundheitsversorgung bis 2030 als politisches Ziel festgelegt wird. Die politische Grosswetterlage sieht anders aus. Sowohl das CO 2 -Gesetz als auch die Pestizid- und die Trinkwasserinitiative sind unlängst an der Urne gescheitert. Überrascht? Bea Albermann: Nein. Was mich jedoch im Vorfeld überrascht hat: dass die gesundheitlichen Vorteile von Umweltschutz kaum im Fokus standen. Im Abstimmungsbüchlein des Bundes zum Beispiel wurden die lebensbedrohlichen Gesundheitsfolgen von CO 2 -Emissionen nirgends erwähnt. Federico Mazzola: Jein – und wenn, dann am ehesten beim CO 2 -Gesetz. Den Unmut und die Unsicherheit in der Bevölkerung konnte man jedoch in den Wochen vor der Abstimmung spüren. Die Klimastrategie der Ärzteschaft Beide vertreten den medizinischen Nachwuchs, und beide engagieren sich für eine gesunde Zukunft. Deshalb ist es naheliegend, dass sich swimsa und vsao auch mit den Klimaveränderungen befassen. Auf Initiative der Medizinstudierenden entstand letztes Jahr die Idee, sich in der Ärzteschaft gemeinsam für das Thema einzusetzen. Vergangenen September stimmte die Delegiertenversammlung (DV) der FMH einem Antrag der zwei Verbände oppositionslos zu. Damit anerkannte die FMH den Klimawandel als substanzielle Bedrohung für die regionale und globale Gesundheit. Und die DV unterzeichnete im Namen aller Ärztinnen und Ärzte das swimsa-«Manifest für eine gesunde Zukunft». Zudem erhielt die FMH den Auftrag, eine Arbeitsgruppe mit Vertretungen der Dachorganisationen inklusive der swimsa ins Leben zu rufen. Dieses zwölfköpfige Gremium feilt derzeit an einer Strategie zu den Handlungsmöglichkeiten der Ärzteschaft in der Schweiz. Ziel ist es, dass die FMH ihre Position nutzt, um Mitglieder und Öffentlichkeit über die Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel, der Umwelt und der Gesundheit aufzuklären. Sie soll sich insbesondere dafür einsetzen, dass die Schweiz ihre Massnahmen gegen den Klimawandel verstärkt und beschleunigt und den Schutz der Gesundheit bei allen politischen Entscheidungen miteinbezieht. In einigen Wochen werden sich die DV der FMH und die Ärztekammer mit den Vorschlägen befassen. Wo seht Ihr die Gründe für das dreifache Nein? Federico Mazzola: Bei der Trinkwasserund der Pestizidinitiative hat die Bevölkerung wohl vor allem den Zusammenhang mit der Gesundheit nicht ganz realisiert. Ich meine damit: Gibt es wirklich jemanden, der gerne Pestizidrückstände im Wasser mittrinkt? Zudem werden immer mehr Bioprodukte verkauft – warum dann nicht auch unsere wortwörtlichen «Lebens»mittel an einem höheren Standard messen? Betreffend das CO 2 -Gesetz sehe ich andere Faktoren als entscheidend an. Unternehmen, die viel Kohlendioxid produzieren, verfügen über grosse finanzielle Mittel und im Abstimmungskampf über entsprechend viel politische Macht, obwohl die Vorlage im Parlament mehrheitsfähig war. Das Gesetz zielte indes auf viele finanzielle «Zuschläge» auf persönlicher Ebene, und das hat wahrscheinlich viele Leute verunsichert. In meinem persönlichen Umfeld war häufig zu hören: Wird das wirklich etwas ändern? vsao /asmac Journal 4/21 7
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