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vsao Journal Nr. 4 - August 2021

Spannung- Von Masten bis Muskeln Nephrologie - Zystennieren – ein schwieriges Erbe Analgetika - Neuropathische Schmerzen Politik - Medizin und Klimaschutz

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Fokus<br />

Bild: Nicole Herzel/ hwieherzel.com<br />

Beim Sport, mitten in der Nacht<br />

oder sitzend – der Muskelkrampf<br />

ist ein häufig vorkommendes<br />

Phänomen, das uns<br />

und unsere Patienten aus dem Takt werfen<br />

kann. Meist sind Wade oder Oberschenkel<br />

betroffen, die unfreiwillige<br />

Kontraktion der Skelettmuskulatur ist<br />

schmerzhaft und kann hartnäckig sein.<br />

Es gibt verschiedene Hypothesen über<br />

die Entstehung von Muskelkrämpfen. Die<br />

vielversprechendste beschreibt fehlerhafte<br />

Reflexmuster im neuromuskulären<br />

Funktionsbereich. Dem gegenüber steht<br />

eine seit langem diskutierte These, dass<br />

Muskelkrämpfe als Folge einer Dehydrierung<br />

oder einer Elektrolyt-Dysbalance<br />

entstehen. Letztere wurde erstmals bereits<br />

vor über einem Jahrhundert wissenschaftlich<br />

dokumentiert. Und was ist generell<br />

mit Muskelschmerzen? Dieser Artikel<br />

streift diese Thematik in Kürze. Wem<br />

nun doch nur nach American Football,<br />

Red Flags und saure Gurken ist, soll aufstehen,<br />

die Beine dehnen und direkt zum<br />

letzten Teil des Artikels schreiten.<br />

Der Muskelkrampf auf molekularer<br />

Ebene<br />

Wie ein Muskelkrampf im Detail entsteht,<br />

ist bis heute nicht vollständig geklärt. Der<br />

erste wissenschaftliche Nachweis von «exercise-associated<br />

muscle cramps» (EAMC)<br />

stammt aus dem Jahr 1908, als dieses<br />

Phänomen bei Bergarbeitern beschrieben<br />

wurde, die in einer Umgebung mit hoher<br />

Luftfeuchtigkeit und grosser Hitze arbeiten<br />

mussten. [1]<br />

Hieraus stammt unter anderem auch<br />

die These, dass Muskelkrämpfe im Rahmen<br />

von Elektrolytverarmung und Dehydratation<br />

entstehen. Die These wurde bis<br />

heute weiterverfolgt. Man postuliert, dass<br />

es bei massivem Schwitzen ohne adäquaten<br />

Flüssigkeits- und Elektrolytersatz zu<br />

einer erhöhten Osmolarität der extrazellulären<br />

Flüssigkeit kommt, was eine Migration<br />

von interstitieller Flüssigkeit nach<br />

sich zieht. Dadurch kommt es zu einem<br />

erhöhten Druck auf Nervenstrukturen<br />

und einer veränderten Erregbarkeit der<br />

Muskelzellen. Die entsprechenden Elektrolytverschiebungen<br />

konnten in vivo jedoch<br />

bisher nicht bestätigt werden. So zeigen<br />

Untersuchungen an Marathonläufern<br />

und Triathlonsportlern, dass es keinen signifikanten<br />

Unterschied zwischen der<br />

Konzentration der Blutelektrolyte (Kalium,<br />

Magnesium, Natrium etc.) gibt bei<br />

Sportlern mit EAMC und bei EAMC-freien<br />

Probanden. [2]<br />

Dem steht eine neue, neuromuskuläre<br />

Hypothese gegenüber. Es soll sich um einen<br />

fehlerhaften Rückenmarkreflex handeln,<br />

an dem zwei Messfühler beteiligt<br />

sind: Die Muskelspindeln, welche die<br />

Muskellänge messen, sowie das Golgi-<br />

Sehnen-Organ, das die Spannung eines<br />

Muskels erfasst und reflektorisch eine<br />

Hemmung der Muskelkontraktion bewirkt:<br />

Durch die Erschöpfung der Muskelfaser<br />

entsteht ein Ungleichgewicht zwischen<br />

dem steigenden Erregungsantrieb<br />

an den Muskelspindeln und dem abnehmenden<br />

hemmenden Antrieb aus den<br />

Golgi-Sehnen-Organen. Dies führt zu<br />

einer erhöhten -Motoneuronen-Aktivität<br />

und in der Folge zu Muskelkrampf. [2]<br />

Die klinische Ätiologie von<br />

Muskelkrämpfen<br />

Es lassen sich drei Gruppen von Muskelkrämpfen<br />

definieren:<br />

1. idiopathisch (am häufigsten)<br />

2. Im Rahmen von Erschöpfung<br />

«exercise- associated muscle cramps»<br />

(EAMC)<br />

3. Sekundär bei anderen medizinischen<br />

Erkrankungen [3]<br />

Zu den sekundären Ursachen von Beinkrämpfen<br />

gehören:<br />

– strukturelle/mechanische Ursachen:<br />

Plattfüsse, Hypermobilitätssyndrom<br />

etc. Langes Sitzen mit ungünstiger<br />

Beinhaltung<br />

– neurologische Erkrankungen: Morbus<br />

Parkinson, Myopathien, Neuropathien<br />

– Stoffwechsel-/Flüssigkeits- und Elektrolytstörungen.<br />

Extrazelluläre Volumendepletion<br />

kann z. B. durch Diuretika,<br />

übermässiges Schwitzen ohne ausreichenden<br />

Salzersatz oder Flüssigkeitsentzug<br />

während der Hämodialyse<br />

entstehen. Stoffwechselstörungen, die<br />

mit Beinkrämpfen assoziiert sein<br />

können wie z. B. Diabetes, Hypoglykämie,<br />

Alkoholismus, Hypothyreose etc.<br />

– Medikamente: inhalative lang wirksame<br />

Beta-Agonisten (LABA), kaliumsparende<br />

und thiazidartige Diuretika und<br />

Statine<br />

– etc.<br />

Schnittstelle zum Krampf:<br />

Myalgie oder Muskelschmerzen<br />

Muskelschmerzen sind ein häufig auftretendes<br />

medizinisches Problem. Übermässige<br />

Anstrengung, Traumata und virale<br />

Infektionen gehören zu den gängigen<br />

Auslösern. Während viele Ursachen gutar-<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/21 35

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