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Vernichten oder Offenlegen? Zur Entstehung des Stasi ... - BStU

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sekretär der CDU (Ost) Martin Kirchner geriet ebenfalls unter Verdacht41 . Mitglieder <strong>des</strong><br />

Erfurter Bürgerkomitees entdeckten am 16. März in den Akten Hinweise auf weitere MfS-<br />

Informanten unter den Kandidaten42 . Schließlich erklärte der Regierungsbevollmächtigte<br />

Werner Fischer drei Tage nach der Wahl, Briefe von ehemaligen Mitarbeitern <strong>des</strong> Staatssicherheitsdienstes<br />

würden zahlreiche Abgeordnete belasten43 .<br />

Jetzt entstand eine öffentliche Diskussion darüber, ob man die Abgeordneten der<br />

neugewählten Volkskammer auf eine frühere MfS-Mitarbeit überprüfen solle. Das Angebot<br />

der Regierungsbevollmächtigten, alle Volksvertreter zu überprüfen, scheiterte zunächst am<br />

Widerstand <strong>des</strong> Generalstaatsanwalts, der, von Modrow öffentlich unterstützt44 , den<br />

Standpunkt vertrat, nur die Volkskammer selbst habe das Recht, über eine Überprüfung zu<br />

entscheiden. Auch das Präsidium der Ost-CDU teilte die Rechtsauffassung <strong>des</strong><br />

Generalstaatsanwalts und äußerte, es fürchte im Falle einer Überprüfung um den inneren<br />

Frieden der DDR. <strong>Zur</strong> gleichen Zeit mußte sich ihr Vorsitzender Lothar de Maizière gegen<br />

erste Verdachtsmomente verteidigen, er habe mit dem MfS zusammengearbeitet45 .<br />

Westdeutsche CDU-Politiker äußerten die Vermutung, die Beschuldigungen seien ein<br />

Versuch früherer MfS-Mitarbeiter, die Arbeit der Volkskammer zu diskreditieren46 . Dem<br />

Vorschlag <strong>des</strong> parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/CSU-Fraktion im Bun<strong>des</strong>tag,<br />

Friedrich Bohl, die Zentrale Beweismittel- und Dokumentationsstelle in Salzgitter mit der<br />

Überprüfung zu beauftragen47 , wurde von Modrow heftig widersprochen48 . Zusätzliche<br />

Irritationen entstanden, da einige Zeitungen Bohl so wiedergaben, als habe er der Erfassungsstelle<br />

die zukünftige Verwaltung der Akten übertragen wollen49 .<br />

"die tageszeitung" (taz) veröffentlichte einen Brief <strong>des</strong> Leiters <strong>des</strong> sich in Auflösung<br />

befindlichen MfS/AfNS, Heinz Engelhardt, an die Regierungsbevollmächtigten und den<br />

Koordinator <strong>des</strong> Bürgerkomitees Normannenstraße David Gill. Engelhardt, früherer Leiter der<br />

MfS-Bezirksverwaltung Frankfurt/Oder, wandte sich darin unter Berufung auf die Verfassung<br />

41 Vgl. "Das war 'ne Top-Quelle", in: Der Spiegel, Nr. 11, 12.3.1990, S. 18-22, hier 21 f. Kirchner wurde im<br />

August 1990 wegen seiner MfS-Kontakte von diesem Amt entbunden; Kirchner war 15 Jahre lang für die<br />

<strong>Stasi</strong> tätig, in: BZ, 16.8.1990.<br />

42 Parteien warnen vor Wahlbetrug, in: Thüringer Allgemeine, 17.3.1990; Rupert Schröter und Chris Weiland:<br />

Kandidaten in der Primärkartei, in: die andere (Berlin), Nr. 12, 12.4.1990, S. 5.<br />

43 Ex-<strong>Stasi</strong>-Spitzel als Abgeordnete in Volkskammer, in: Express, 21.3.1990.<br />

44 Dokument 3.<br />

45 Klaus Bruske: Lothar de Maizière soll Ministerpräsident werden, in: NZ, 24.3.1990.<br />

46 Vgl. die Äußerungen <strong>des</strong> parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/CSU-Fraktion im Bun<strong>des</strong>tag<br />

Friedrich Bohl sowie <strong>des</strong> innenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion Johannes Gerster und <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong>innenministers Wolfgang Schäuble (CDU); Michael Jach: Damit die <strong>Stasi</strong> nicht mit Fälschungen<br />

hetzen kann, in: Die Welt, 22.3.1990; "<strong>Stasi</strong> selbst streut die Verdächtigungen", in: Süddeutsche Zeitung<br />

(künftig: SZ), 30.3.1990.<br />

47 Michael Jach: Damit die <strong>Stasi</strong> nicht mit Fälschungen hetzen kann, in: Die Welt, 22.3.1990.<br />

48 Dokument 3.<br />

49 Akten nach Salzgitter, in: die tageszeitung (künftig: taz), 23.3.1990. Als Beispiel für Reaktionen auf diese<br />

Berichterstattung siehe Dokument 4.

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