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Vernichten oder Offenlegen? Zur Entstehung des Stasi ... - BStU

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die SPD ein Interesse der Dienste an Informationen über die hauptamtlichen Mitarbeitern als<br />

"akzeptabel" bezeichnete215 . Innenminister Wolfgang Schäuble hielt dagegen einen Zugriff<br />

der Nachrichtendienste auf die Akten in engen Grenzen für unentbehrlich. So äußerte er in<br />

einem Interview Ende März, daß der Verfassungsschutz über Terrorismus und Spionage<br />

informiert sein müsse. Er solle aber auf keinen Fall Informationen über Opfer zu deren Lasten<br />

erhalten216 . Die auf den 3. April datierte Fassung der in seinem Hause entstandenen<br />

"Formulierungshilfe" sah vor, den Nachrichtendiensten Zugang zu denjenigen MfS-Unterlagen<br />

zu gewähren, die keine Betroffenendaten enthielten217 .<br />

Die Ermordung <strong>des</strong> Präsidenten der Treuhandanstalt Detlev Rohwedder am 1. April 1991 gab<br />

der Debatte neue Nahrung. CDU/CSU und Vertreter <strong>des</strong> Verfassungsschutzes bekräftigten<br />

ihre Forderungen nach einem Nutzungsrecht der Dienste218 . Solche Pläne lehnten die<br />

Bürgerkomitees, Bündnis 90/Grüne und die PDS nach wie vor ab219 . Skeptisch zeigte sich<br />

auch der Sonderbeauftragte Gauck. Er betonte, die Frage <strong>des</strong> Rechts auf Akteneinsicht für den<br />

Verfassungsschutzes bedürfe einer sorgfältigen Prüfung und erinnerte daran, daß die<br />

Bevölkerung der DDR jahrzehntelang unter Übergriffen von Geheimdiensten gelitten habe220 .<br />

Auch SPD-Politiker äußerten sich in Öffentlichkeit ablehnend: Der Parteivorsitzende Hans-<br />

Jochen Vogel erklärte am 5. April gegenüber der "Bild"-Zeitung, er glaube nicht, daß die<br />

Verfassungsschützer in den Unterlagen mehr Hinweise fänden als die Behörde <strong>des</strong><br />

Sonderbeauftragten. Außerdem hätten die Strafverfolgungsbehörden bei schweren Verbrechen<br />

bereits jetzt uneingeschränkten Zugang zu den Akten221 . Gerd Wartenberg, Bun<strong>des</strong>tagsabgeordneter<br />

und Mitglied der SPD im Innenausschuß, führte gegenüber der "Berliner<br />

Morgenpost" am selben Tag aus: Wenn überhaupt, dürfe der Verfassungsschutz nur in<br />

operative Akten zu bestimmten Vorgängen Einsicht nehmen. Einen Zugang zu personenbezogenen<br />

Akten dürfe es nicht geben. Der psychologische Schaden, der dadurch bei<br />

der Bevölkerung der neuen Ländern entstehen könne, sei größer als der mögliche Nutzen für<br />

215 Vgl. Antrag Bündnis 90/Die Grünen vom 20.3.1991, Drs. 12/283, S. 5; Redebeitrag Willfried Penners in der<br />

7. Sitzung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>tags am 1.2.1991 (Dokument 21); Burkhard Hirsch: "Nachhaltige Störung"<br />

(Dokument 22).<br />

216 Dokument 25.<br />

217 Helmut Lölhöffel: Bonn plant Herausgabe der <strong>Stasi</strong>-Akten, in: FR, 5.4.1991.<br />

218 <strong>Stasi</strong>-Akten doch zugänglich?, in: FR, 4.4.1991; Der Fall Rohwedder soll den Weg zu <strong>Stasi</strong>akten ebnen, in:<br />

ND, 4.4.1991; Darf der Verfassungsschutz an <strong>Stasi</strong>-Akten?? [sic]. Interview mit Christian Lochte, dem<br />

Leiter <strong>des</strong> Hamburger Lan<strong>des</strong>amtes für Verfassungsschutz, in: taz, 5.4.1991; Oberster Verfassungsschützer<br />

besteht auf Zugang zu Akten, in: BZ, 8.4.1991; RAF am langen Zügel der <strong>Stasi</strong>, in: BZ, 10.4.1991.<br />

219 Bonn sucht bei <strong>Stasi</strong>-Gesetzen Konsens mit den Bürgerkomitees, in: Berliner Morgenpost, 9.4.1991. <strong>Zur</strong><br />

PDS siehe Dokument 28 sowie den Redebeitrag <strong>des</strong> Abgeordneten Jens-Uwe Heuer in der 21. Sitzung <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong>tages am 18.4.1991, in: Bun<strong>des</strong>tag, Stenographische Berichte, 12. Wahlperiode, Bd. 156, S. 1313D.<br />

220 <strong>Stasi</strong> soll zur verbrecherischen Organisation erklärt werden, in: Der Morgen, 9.4.1991.<br />

221 Rohwedder: Wer hat versagt, Herr Vogel?, in: Bild, 5.4.1991.

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