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Vernichten oder Offenlegen? Zur Entstehung des Stasi ... - BStU

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über die Ergebnisse seiner Arbeit öffentlich berichte58 . Am 18. September 1990 stellte die<br />

Fraktion Bündnis 90/Grüne den Antrag, der Ausschuß möge die Namen aller Abgeordneten<br />

nennen, denen die Niederlegung ihres Mandats empfohlen werde59 . Gerd Poppe führte in der<br />

Sitzung der Volkskammer am 20. September zur Begründung an, eine weitere Beschädigung<br />

<strong>des</strong> Ansehens <strong>des</strong> Parlaments könne nur vermieden werden, wenn die MfS-Verstrickungen<br />

von Regierungsmitgliedern und Abgeordneten offengelegt würden. Während die Abgeordneten<br />

Thomas von Ryssel (F.D.P.), Gregor Gysi (PDS) und Wolfgang Thierse (SPD) Poppe<br />

zustimmten, äußerte Ralph Geisthardt von der Fraktion CDU/DA Befürchtungen: "Und wenn<br />

Sie hier Namen öffentlich nennen, können Sie den Leuten auch gleich einen Strick um den<br />

Hals mitgeben." 60 Der Antrag wurde an den Prüfungsausschuß zur Beratung überwiesen, der<br />

seine Ablehnung empfahl61 . In der Sitzung der Volkskammer am 28. September begründete<br />

der Ausschußvorsitzende Peter Hildebrand die Entscheidung: Der Ausschuß fühle sich an die<br />

Entscheidung der Volkskammer vom 12. April gebunden, die Namen der Abgeordneten nicht<br />

zu veröffentlichen. Alle Abgeordneten hätten ihr Einverständnis für ihre Überprüfung unter<br />

dieser Voraussetzung gegeben. Auch bedeute Bekanntgabe der Belasteten keine Entlastung<br />

für die übrigen Abgeordneten. Die Akten <strong>des</strong> MfS befänden sich in so großer Unordnung, daß<br />

niemandem bescheinigt werden könne, daß es über ihn keine belastende Akte gebe62 . Nach<br />

einer lebhaften, zeitweise tumultartigen Debatte beschloß die Volkskammer, die Namen der<br />

belasteten Abgeordneten in der Volkskammer doch zu verlesen - allerdings nur in<br />

nichtöffentlicher Sitzung63 . Der Antrag <strong>des</strong> Abgeordneten Konrad Weiß (Bündnis 90/Grüne),<br />

wenigstens die Namen der fünfzehn am schwersten belasteten Abgeordneten der Öffentlichkeit<br />

bekanntzugeben, wurde abgelehnt64 , obwohl die Abgeordneten wußten, daß bereits<br />

Namenslisten unter den wartenden Journalisten kursierten65 . Eine Veröffentlichung konnte<br />

die Volkskammer mit diesem Verfahren nicht verhindern: Bereits wenige Tage später waren<br />

die Namen aller belasteten Abgeordneten der Presse zu entnehmen66 .<br />

58 Umweltminister war inoffizieller <strong>Stasi</strong>-Mitarbeiter, in: taz, 14.9.1990. Vgl. auch "Eppelmann ist völlig<br />

unbelastet". Interview mit Werner Fischer, in: Der Morgen, 19.9.1990.<br />

59 Antrag der Fraktion Bündnis 90/Grüne der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik,<br />

Drucksache Nr. 246, 18.9.1990, in: Volkskammer, Drucksachen, 10. Wahlperiode, Bd. 36.<br />

60 36. Tagung, in: Volkskammer, Protokolle, 10. Wahlperiode, Bd. 29, S. 1784-1786.<br />

61 Beschlußempfehlung <strong>des</strong> Zeitweiligen Prüfungsausschusses zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Grüne<br />

betreffend Namensnennung durch den Zeitweiligen Prüfungsausschuß, Drucksache 246a, 28.9.1990, in:<br />

Volkskammer, Drucksachen, 10. Wahlperiode, Bd. 36.<br />

62 37. Tagung, in: Volkskammer, Protokolle, Bd. 29, S. 1814 f.<br />

63 Ebenda, S. 1814-1838.<br />

64 Ebenda, S. 1838 und 1842.<br />

65 Vgl. die Redebeiträge der Abgeordneten Luise Morgenstern sowie der Präsidentin der Volkskammer Sabine<br />

Bergmann-Pohl; ebenda, S. 1837 und 1841 f.<br />

66 Die Namen der 15 belasteten Politiker, in: Der Morgen, 29./30.9.1990; Die CDU führt die <strong>Stasi</strong>-Liste an, in:<br />

taz, 1.10.1990; Die Namen aus der <strong>Stasi</strong>-Kartei, in: NZ, 2.10.1990.

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