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Vernichten oder Offenlegen? Zur Entstehung des Stasi ... - BStU

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24<br />

In der Nacht vom 30. zum 31. August, während die Kommentatoren der Tageszeitungen noch<br />

an ihren Texten feilten, wurde bereits nachverhandelt. Am folgenden Tag unterzeichneten die<br />

beiden Verhandlungsführer Günter Krause und Bun<strong>des</strong>innenminister Wolfgang Schäuble den<br />

Einigungsvertrag. Er sprach nun dem Ministerrat der DDR das Recht zu, den künftigen<br />

Sonderbeauftragten im Einvernehmen mit der Volkskammer vorzuschlagen. Der Präsident<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>archivs war jetzt als sein ständiger Stellvertreter vorgesehen. Der Beirat sollte aus<br />

einer Mehrheit ehemaliger DDR-Bürger bestehen. Der Einigungsvertrag enthielt die<br />

ausdrückliche Vereinbarung, die Akten auf dem Gebiet der DDR zu lagern. An dem Plan<br />

ihrer zentralen Aufbewahrung hielt man allerdings fest. Schließlich empfahlen die Vertragsparteien,<br />

die Grundsätze <strong>des</strong> Volkskammergesetzes in der zukünftigen Gesetzgebung zu berücksichtigen114<br />

.<br />

Der Kompromiß beruhigte die Gemüter nicht. Eine Gruppe von Bürgerrechtlerinnen und<br />

Bürgerrechtlern besetzte am 4. September die ehemalige Zentrale <strong>des</strong> Staatssicherheitsdienstes<br />

in der Normannenstraße und trat am 12. September in Hungerstreik, weil sie zentrale<br />

Fragen <strong>des</strong> Umgangs mit den Akten weiterhin als ungelöst ansah. Unter ihnen befanden sich<br />

Bärbel Bohley, Jürgen Fuchs und Katja Havemann, später auch Wolf Biermann. Kurz nach<br />

Beginn der Besetzung ließ Innenminister Diestel Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstatten<br />

und das Gebäude von der Polizei absperren115 .<br />

Die Besetzer wandten sich auf Veranstaltungen sowie in mehreren Flugblättern und offenen<br />

Briefen an die Öffentlichkeit116 . In ihrem "Offenen Brief an alle Bürger und alle Parteien und<br />

ihre parlamentarischen Vertreter in Ost und West" sprachen sie sich gegen eine Vernichtung<br />

der Akten und für eine intensive Aufarbeitung der MfS-Vergangenheit aus. Sie warnten<br />

davor, Geheimdiensten Zugang zu Unterlagen <strong>des</strong> MfS zu gestatten. Auch bedürfe es<br />

genauerer Klärung, mit welchen Mitteln und Institutionen die historische Aufarbeitung<br />

geleistet werden solle. Die Bürgerrechtler forderten die Übernahme <strong>des</strong> Volkskammergesetzes<br />

in den Einigungsvertrag und plädierten gleichzeitig dafür, es durch differenzierte<br />

Zugangsregelungen für die einzelnen Aktentypen zu ergänzen. Sie unterschieden zwischen<br />

"Personendossiers", "Quellenakten", "operativen Vorgangsakten" und "Findhilfsmitteln (Kar­<br />

114 Dokument 40.<br />

115 Vgl. Stefan Wiehler: <strong>Stasi</strong>-Zentralarchiv besetzt, in: Der Morgen, 5.9.1990; ders.: Demonstration vor <strong>Stasi</strong>-<br />

Zentrale, in: Der Morgen 6.9.1990; Wolfram Kempe: Wiederholungstäter in Sachen Widerstand.<br />

Innenansicht einer politischen Aktion, in: die andere (Berlin), Nr. 34, 12.9.1990, S. 3 f.; ders.: Wem gehören<br />

die <strong>Stasi</strong>-Akten? Innenansicht einer politischen Aktion, 2. Teil, in: ebenda, Nr. 35, 19.9.1990, S. 8 f.; Worst:<br />

Ende, S. 53-56.<br />

116 Die ausführlichste Erklärung stellt der "Offene Brief an alle Bürger und alle Parteien und ihre<br />

parlamentarischen Vertreter in Ost und West" dar (Dokument 11). Er wurde veröffentlicht in: die andere<br />

(Berlin), Nr. 34, 12.9.1990, S. 4, sowie in Auszügen am 12.9.1990 in der Berliner Zeitung, am 13.9.1990 in<br />

der taz. Weitere Erklärungen u. a.: Erklärung zum Hungerstreik, in: die andere (Berlin), Nr. 35, 19.9.1990,<br />

S. 9; Erklärung der Besetzerinnen und Besetzer <strong>des</strong> <strong>Stasi</strong>-Archivs vom 20.9.1990 (Dokument14),<br />

Schlußerklärung, in: die andere (Berlin), Nr. 37, 4.10.1990, S. 10.

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