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Vernichten oder Offenlegen? Zur Entstehung des Stasi ... - BStU

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20<br />

19. Juli brachte der Ministerrat den Entwurf in die Volkskammer ein86 . Als Gesetzeszwecke<br />

nannte er den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Opfer <strong>des</strong> MfS, ihre Rehabilitierung sowie<br />

die Bestrafung der Täter. Außerdem sollte das Gesetz die parlamentarische Kontrolle über die<br />

"Sicherung, Nutzung und Vernichtung" der personenbezogenen Daten gewährleisten87 . Es sah<br />

die Aufbewahrung der Akten in einem zentralen Sonderdepot vor, dem ein von der<br />

Volkskammer gewählter Beauftragter vorstehen sollte88 . Die Personendaten sollten weiter<br />

gesperrt bleiben, ihre Nutzung durch Geheimdienste verboten sein89 . Lediglich bei<br />

Rehabilitierungs-, Entschädigungs- und Strafverfahren sowie bei der Überprüfung von<br />

Abgeordneten auf eine frühere MfS-Mitarbeit sollte eine Akteneinsicht möglich sein90 . Die<br />

Opfer hatten nach diesem Entwurf nur unter bestimmten, eng begrenzten Voraussetzungen<br />

das Recht, Informationen über ihre Akten zu erhalten: Akteneinsichten waren überhaupt nicht<br />

vorgesehen. Ein Recht auf Auskunft sollte lediglich denjenigen zugestanden werden, die<br />

durch die Datenerhebung <strong>des</strong> MfS Schaden erlitten hätten <strong>oder</strong> nunmehr erleiden würden.<br />

Dies sei, so definierte der Entwurf, nicht schon dann zu vermuten, wenn der<br />

Staatssicherheitsdienst das Post- und Fernmeldegeheimnis, das Steuergeheimnis <strong>oder</strong> den<br />

Schutzbereich der Wohnung verletzt habe. Das Opfer müsse vielmehr glaubhaft machen, daß<br />

es "bei der Datenerhebung freiheitsentziehenden Maßnahmen <strong>oder</strong> Zwang ausgesetzt"<br />

gewesen sei91 . Des weiteren wurde die Antragsfrist auf Auskunft auf ein Jahr begrenzt92 .<br />

Regelungen über die Dauer der Aufbewahrung personenbezogener Akten <strong>oder</strong> über ihre<br />

mögliche Vernichtung enthielt der Entwurf nicht.<br />

Am 22. Juli 1990 fand die erste Lesung <strong>des</strong> Gesetzentwurfs in der Volkskammer statt93 .<br />

Rednerinnen und Redner aller Fraktionen übten heftige Kritik, in deren Mittelpunkt die<br />

geplante zentrale Aktenlagerung stand. Jürgen Haschke von der Fraktion der DSU erklärte,<br />

eine zentrale Lagerung bedeute nach der Vereinigung den unkontrollierten Zugriff<br />

westdeutscher Nachrichtendienste, den die DSU gerade vermeiden wolle94 . Marianne Birthler<br />

(Bündnis 90/Grüne) forderte, die Verantwortung für die Sonderarchive möglichst bald den<br />

Ländern zu übertragen. Sonst bestehe die Gefahr, daß nach der Vereinigung das Bun<strong>des</strong>­<br />

86 Antrag <strong>des</strong> Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik: Gesetz über die Sicherung und Nutzung<br />

der personenbezogenen Daten <strong>des</strong> ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale<br />

Sicherheit, Drucksache Nr. 165, 19.7.1990 (künftig: Ministerratsentwurf, Drs. 165), in: Volkskammer,<br />

Drucksachen, 10. Wahlperiode, Bd. 35.<br />

87 Ministerratsentwurf, Drs. 165, § 1.<br />

88 Ebenda, §§ 3 und 4.<br />

89 Ebenda, § 6 Abs. 1.<br />

90 Ebenda, § 6 Abs. 2-4.<br />

91 Ebenda, § 7 Abs. 1.<br />

92 Ebenda, § 8.<br />

93 27. Tagung, in: Volkskammer, Protokolle, 10. Wahlperiode, Bd. 29, S. 1256-1262.<br />

94 Ebenda, S. 1259.

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