2 - Kultur- und Kreativwirtschaft in Hessen
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2 StANDoRtWAHl DER AKtEuRE DER KultuRWIRtSCHAFt<br />
28 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (2007: 180).<br />
brach gefallenen Gebäuden können so Gebäudeensembles<br />
oder auch ganze Stadtgebiete <strong>und</strong> Quartiere<br />
reaktiviert <strong>und</strong> mit e<strong>in</strong>er neuen Nutzung belegt<br />
werden. Meistens unterliegen diese Flächen e<strong>in</strong>em<br />
ger<strong>in</strong>geren wirtschaftlichen Druck, s<strong>in</strong>d „von Planungen<br />
unbesetzt“ <strong>und</strong> im positiven S<strong>in</strong>ne offen für<br />
Neues. Zudem verfügen sie oftmals über e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>takte<br />
Infrastruktur, was als Kristallisationskern für neue<br />
Entwicklungen genutzt werden kann.<br />
Die Besiedelung <strong>und</strong> Umnutzung von Brachflächen<br />
kann entweder als öffentlicher Planungs- <strong>und</strong> Entwicklungsprozess<br />
(Top-Down) oder als Aneignung<br />
<strong>und</strong> kreative Umnutzung auf Initiative freier Akteure,<br />
der sogenannten <strong>Kultur</strong>siedler oder auch Raumpioniere<br />
(Bottom-Up) erfolgen. Abseits des Herkömmlichen<br />
entwickelt sich auf diese Weise e<strong>in</strong>e enorme<br />
Vielfalt an Nutzungen: von Freizeit <strong>und</strong> Sport über<br />
soziale Initiativen <strong>und</strong> Dienstleistungen, Alternativ-,<br />
Jugend- <strong>und</strong> Popkultur, Kunst- <strong>und</strong> Musikszene,<br />
Nightlife bis h<strong>in</strong> zu Migrantenökonomien, Handel<br />
<strong>und</strong> Gewerbe, Erf<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Start-up-Unternehmern.<br />
Die Umwandlungs- bzw. Aneignungsprozesse durch<br />
Zwischennutzer berühren dabei nicht nur die Stadtentwicklungsplanung<br />
e<strong>in</strong>er Kommune, sondern auch<br />
Wirtschaftsförderung, Stadtmarket<strong>in</strong>g, Denkmalschutz,<br />
<strong>Kultur</strong>politik etc.<br />
2.1 Standorte der <strong>Kultur</strong>wirtschaft<br />
im Siedlungsgefüge<br />
Nicht alle Flächen im Stadtraum eignen sich für befristete<br />
oder unbefristete <strong>Kultur</strong>- <strong>und</strong> Kreativnutzungen.<br />
„Der Ort an sich gibt oftmals den entscheidenden<br />
Impuls für die Zwischennutzung. Se<strong>in</strong>e Lage, die unmittelbare<br />
Umgebung, der Zustand von Flächen <strong>und</strong><br />
Gebäuden, besonders aber die Atmosphäre des Ortes<br />
s<strong>in</strong>d vielfach ausschlaggebend für spontane Raumaneignung.“<br />
28 Die Standorte, Gebäude <strong>und</strong> Räume, die<br />
von den Kreativen <strong>und</strong> <strong>Kultur</strong>schaffenden bevorzugt<br />
werden, s<strong>in</strong>d nicht beliebig. Es s<strong>in</strong>d vor allem verlassene<br />
Produktionshüllen, vergessene Liegenschaften <strong>und</strong><br />
Nischen, die genau die für die jeweiligen Nutzungen<br />
gewünschten Spielräume bieten. Ehemalige Brauerei-<br />
29 So identifiziert das Büro stadtart im Zusammenhang mit der <strong>Kultur</strong>wirtschaftsberichterstattung für Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt<br />
neun Raumtypen, <strong>in</strong> denen die <strong>Kultur</strong>- <strong>und</strong> <strong>Kreativwirtschaft</strong> Fuß fasst. (Vgl. Ralf Ebert, Büro stadtart. In:<br />
Schader-Stiftung (2007 e): „<strong>Kultur</strong>wirtschaft <strong>und</strong> Stadtentwicklung <strong>in</strong> <strong>Hessen</strong>“, Dokumentation des Workshops<br />
<strong>in</strong> Kassel am 25./26. Oktober 2007). Auch Philipp Oswalt unterscheidet ähnliche Raumtypen, <strong>in</strong> denen sich<br />
Akteure <strong>und</strong> Unternehmen der <strong>Kultur</strong>- <strong>und</strong> <strong>Kreativwirtschaft</strong> f<strong>in</strong>den (ebda).<br />
gebäude wie am Prenzlauer Berg <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> wandeln<br />
sich zu e<strong>in</strong>er <strong>Kultur</strong>brauerei, Fabrikgelände werden zu<br />
<strong>Kultur</strong>zentren wie die Rote Fabrik <strong>in</strong> Zürich, Waggonhallen<br />
<strong>und</strong> Lokschuppen werden zu Theater <strong>und</strong> Atelierhäusern<br />
wie im mittelhessischen Marburg.<br />
Interessant s<strong>in</strong>d Standorte mit „Ambiente“, wie<br />
beispielsweise Hafengelände, die den Charme der<br />
alten technischen Anlagen mit dem Vorzug e<strong>in</strong>er Lage<br />
„direkt am Wasser“ komb<strong>in</strong>ieren.<br />
Vorhandene wie ergänzende Bebauungen müssen<br />
gerade an solchen Standorten zumeist gewissen baukulturellen<br />
Ansprüchen genügen.<br />
In aktuellen Untersuchungen <strong>und</strong> <strong>Kultur</strong>wirtschaftsberichten<br />
zu diesem Thema wird mehrfach der Versuch<br />
unternommen, diese bevorzugten Standorte zu kategorisieren.<br />
29 Bei der Recherche <strong>und</strong> Auswertung der<br />
r<strong>und</strong> 130 Projektbeispiele, die dieser Untersuchung<br />
zugr<strong>und</strong>e liegen, wurden mehrere Standorttypen <strong>und</strong><br />
Untertypen identifiziert. Im Folgenden werden die vier<br />
vorherrschenden Standort- oder Raumtypen im Siedlungsgefüge<br />
dargestellt, <strong>in</strong> denen sich die <strong>Kultur</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Kreativwirtschaft</strong> entwickelt:<br />
A Großflächen<br />
B Industrie-, Gewerbe- <strong>und</strong><br />
Infrastrukturliegenschaften<br />
C Stadtquartiere im Umbruch<br />
D E<strong>in</strong>zelgebäude<br />
Die rechte Tabelle gibt e<strong>in</strong>en kurzen Überblick über<br />
diese vier Typen.<br />
typ A: großflächen<br />
Hierbei handelt es sich um Transformationsflächen<br />
von mehreren Hektar bis h<strong>in</strong> zu mehreren h<strong>und</strong>ert<br />
Hektar, mit sehr heterogenem Baubestand <strong>und</strong><br />
technischen Anlagen. Sie s<strong>in</strong>d meist am Stadtrand,<br />
aber auch <strong>in</strong> zentralen Lagen zu f<strong>in</strong>den. Ihre Transformation<br />
f<strong>in</strong>det zumeist im Rahmen von Entwicklungskonzepten<br />
statt. Beispiele s<strong>in</strong>d der Mediapark<br />
Köln, der Medienhafen Düsseldorf, das ehemalige<br />
Werftgelände NDSM-Werft <strong>in</strong> Amsterdam oder die<br />
Weststadt Zürich. Großflächige temporäre Nutzungen<br />
f<strong>in</strong>den sich im Kunstpark-Ost <strong>in</strong> München, auf dem<br />
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