2021-11_RegioBusiness
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November 2021 IJahrgang 20 INr. 230
Blickpunkt 07
Zu Land, zur See oder in der Luft:
Frachttransport ist so teuer wie nie
Für die Unternehmen der Logistikbranche
folgt eine Hiobsbotschaft
auf die nächste:
Knappe Frachtkapazitäten, hohe
Treibstoffpreise und eine eklatante
Lücke in der Personaldecke
kommen zusammen und lassen
die Preise explodieren. Die Sendungsflut
der vergangenen Monate
führte die Betriebe an ihre Belastungsgrenzen.
Um das gegenüber
Vorkrisenniveau um bis zu
20 Prozent gestiegene Sendungsvolumen
überhaupt noch bewältigen
zu können, mussten die Stückgutnetzwerke
in den zurückliegenden
Monaten zusätzliches Personal
rekrutieren. Die Folge: Die
Personalkosten der Unternehmen
stiegen im Schnitt um 5,1 Prozent.
Glück hatte, wer zum Beispiel
Lkw-Fahrer zum Einstellen
fand. „Ich erwarte englische Verhältnisse“,
Roland Rüdinger, Inhaber
der Krautheimer Spedition
Rüdinger. Auf der Insel sind Fahrer
so knapp, dass viele Lieferketten
kaum mehr funktionieren.
„Anders als bei einer vergleichsweise
kurzfristig möglichen Anpassung
des Personalbestands
sind zusätzliche Umschlagkapazitäten,
Flurfördertechnik und Logistikimmobilien
planungs- und
kapitalintensiv und hinken der
Mengenentwicklung hinterher“,
Die Preise für Fracht kennen momentan nur eine Richtung –nach oben. Die globalen
Lieferketten sind zum Bersten gespannt. Das Resultat dieser Entwicklung sind Engpässe
in vielen verschiedenen Branchen. Für den Logistikunternehmer Roland Rüdinger aus
Krautheim sind die hohen Preise für den Transport von Waren zum Teil hausgemacht
und passen ins Bild der Zeit. VONMARIUS STEPHAN
schreibt der Bundesverband Spedition
und Logistik (DSLV) in seiner
Bewertung der Lage.
TREIBSTOFFPREISE Auch die
Entwicklung der Dieselpreise –
ein Plus von 17,8 Prozent –hat
zum Kostenanstieg beigetragen.
„Die Kosten reichen wir an unsere
Kunden durch“, sagt Rüdinger.
Die hohen Preise für Luftfracht
erklärt der Transportunternehmer
so: „Weil weniger Passagiermaschinen
fliegen fehlt dort
die Beiladekapazität. Nur-Frachter
sind deutlich teurer, weil die
Kombination mit den Passagieren
fehlt.“ Auf dem Land kommt
erschwerend noch die aktuelle
Knappheit des Reinigungsstoffes
Ad-Blu hinzu. Dieser muss Dieselmotoren
in Lkw zugesetzt werden,
um ihre Abgase sauberer zu
machen. Das Gemisch verteuerte
sich in kurzer Zeit von 19 Cent je
Liter auf fast 70 Cent je Liter. Zuletzt
hatten die Hersteller von Ad-
Logistikkette: Vorden Häfen stauen sich die Schiffe,anLand fehlen die Fachkräfte zum Weitertransport der
Waren. Für die Kunden bedeutet dies längere Lieferzeiten und höhere Kosten.
Foto: dpa
Blu die Produktion gedrosselt, da
das zur Herstellung nötige Gas
im Einkauf zu teuer wurde. Nun
droht eine Knappheit. Rüdinger:
„Sollte Ad-Blu nicht mehr lieferbar
sein, wird es schwierig, weil
wir dann nicht mehr fahren können.
Die Lkw-Motoren gehen in
so einem Fall in Leistungsreduktion
und bleiben dann stehen.“ Es
gebe zwar Möglichkeiten, die Sensorik
auszuschalten und den Motor
ohne den Zusatzstoff zu betreiben,
dies sei jedoch illegal, weiß
der Transportunternehmer. Perspektivisch
sehen sich die Speditionen
mit weiteren Kostenbelastungen
konfrontiert, die sich
vor allem aus dem fortschreitenden
Fachkräftemangel, besonders
dem Mangel an Berufskraftfahrern,
und einer nachfragebedingten
Verknappung des verfügbaren
Frachtraums ergeben. Die
Holzpreisentwicklung führt zudem
zu steigenden Kosten für die
Beschaffung von Ladehilfsmitteln
wie Paletten. Im Index des DSLV
schlagen die Kosten unter dem
Strich mit einer Erhöhung um aktuell
3,5 Prozent zu Buche. Dem
DSLV-Kostenindex liegen die Daten
von 111 Depots führender
Logistiknetzwerke zugrunde, die
jährlich ein Volumen von 21,6
Millionen Stückgutsendungen bearbeiten.
RISIKEN Rüdinger sieht das
Chaos am Frachtmarkt kritisch:
„Für eine gute Logistik braucht
es planbare Zustände. Wenn diese
aber nicht planbar sind, entstehen
Lücken. In der Pandemie
wurden Kapazitäten abgebaut, die
nun fehlen. Die Transportleistung
war lange Zeit viel zu schlecht
bezahlt“, resümiert er. Hinzu
kommt: „Die Gesellschaft möchte
höhere Transportpreise, weshalb
der CO 2
-Preis nicht hoch genug
sein kann. Das passt genau in den
Zeitgeist. Außerdem soll ja nur
noch regional eingekauft werden.
Die hohen Transportpreise unterstützen
diese Geisteshaltung“, sagt
Rüdinger.
Nachfrage treibt den Preis
Der Holzmarkt hat sich beruhigt. Engpässe gibt es aber immer noch.
VONKERSTIN DORN
„In Zukunft
brauchen wir
noch mehr Holz,
das wir schon
jetzt nicht
haben.“
Einen vergleichbaren Sommer
habe er in seinen 25
Jahren Berufspraxis noch
nicht erlebt, sagt Markus Luithardt,
Geschäftsführer der Beck
Holzbau GmbH in Braunsbach.
Bis auf 385 Prozent seien die Bezugspreise
für einzelne Holzarten
zeitweise geklettert. Mittlerweile
sei dieser Engpass überstanden
und die Preise hätten sich auf einem,
wenn auch recht hohen Niveau
eingependelt. Man sei mit einem
blauen Auge davongekommen:
Auf einer Baustelle musste
der Termin um ein paar Wochen
nach hinten geschoben werden,
wofür der Bauherr glücklicherweise
Verständnis gezeigt habe.
Unterzeichnete Verträge habe
man einhalten können, doch dort
wo die Unterschrift noch fehlte,
habe man nachverhandeln müssen.
„Das hat Geld gekostet, und
das nicht wenig.“ Aber die Phase
der Lieferengpässe sei noch nicht
überwunden: Auch bei Heizungen,
Fenstern, Rollläden und deren
Motoren oder bei Dämmstoffen
sei die Beschaffung noch immer
schwierig, was sich auch auf
die Planungs- und Fertigungszeit
für ein Ein- bis Zwei-Familien-Haus
auswirke.
Auch die Firma Schlosser Holzbau
aus Jagstzell haben die Preisturbulenzen
getroffen. Geschäftsführer
Josef Schlosser erinnert
sich noch an die Preisschwankungen
in den Jahren 2006 und
2007, die aber nicht so extrem
wie in den letzten 18 Monaten waren.
Auch seine Firma musste daraufhin
die Preise anpassen. Man
habe sich mit den Kunden darauf
verständigt, „nur den Mehrpreis
in Euro auf den Einkaufspreis aufzuschlagen.“
Auch bei Schaffitzel
in Sulzdorf konnten die Preise
in Einzelfällen und nach Absprache
korrigiert werden. „Bei
vielen Aufträgen mussten wir allerdings
die kalkulierten Preise
aus dem letzten Jahr halten“, sagt
Geschäftsführer Jörg Schaffitzel.
Gleiches gilt auch für die Firma
Bauer Holzbau in Satteldorf-Gröningen.
„Den Löwenanteil haben
wir geschluckt“, sagt Walter Bauer,
manche Kunden haben unter
Umständen etwas länger warten
müssen.
Schlosser, Luithardt und Bauer
sehen die jüngsten Entwicklungen
in einem Nachfrage-Boom
aus China und den USA begründet.
„Aber auch insgesamt verzeichnen
wir eine wachsende
Nachfrage nach Holz, weil sich
das gesellschaftliche Bewusstsein
und die politischen VoraussetzungeninRichtung
nachhaltiges Bauen
verändert haben“, ist sich Josef
Schlosser sicher.Die steigende
Nachfrage in Verbindung mit der
Globalisierung würde dazu führen,
dass Holz, ähnlich wie Stahl,
zu einer international gehandelten
„Währung“ würde. Die Firma
Schlosser habe zwischenzeitlich
für eine Kubikmeter Brettschichtholz
statt 460 bis 480 Euro 1000
Euro zahlen müssen. Mittlerweile
sei man wieder bei 600 Euro.
Preisanpassungen
waren überfällig
Ein Preisniveau, das auch Walter
Bauer von Bauer Holzbau
aus Satteldorf-Gröningen vertretbar
findet. „Der Holzpreis war
im Vergleich zur Wertigkeit des
Rohstoffs zu niedrig“, sagt der
Fachmann, der sich auch in verschiedenen
Gremien engagiert.
Eine Preisanhebung hätte schon
eher, allerdings schrittweise über
mindestens zwei Jahre geschehen
müssen. Dann wäre eine Preissteigerung
auf das Anderthalbfache
auch den Bauherren zuzumuten
und müsse allen Beteiligten,
auch den Waldbesitzern zugute
kommen. Schließlich spiele Holz
eine entscheidende Rolle, wenn
es um CO 2
-Neutralität und das Erreichen
der Klimaziele gehe. Bis
zu einem Grad könne die Erderwärmung
durch den vermehrten
Holzbau reduziert werden, habe
das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
berechnet, weiß
Bauer.
Doch um überhaupt verstärkt mit
Holz bauen zu können, müsse
die Versorgungssicherheit für die
Ursachen: Der hohe Bedarf an Fichtenholz in den USA und China
sowie die gestiegenen Exporte haben die Preise für den nachhaltigen
Rohstoff im Sommer in die Höhe schnellen lassen. Foto: dpa /Thomas Frey
nächste und übernächste Generation
geschaffen werden, sei es,
durch Wiederaufforstungen und
klimawandelfähige Baumarten
oder durch neue Verbundwerkstoffe.
Bauer dazu: „In Zukunft
brauchen wir noch mehr Holz,
das wir schon jetzt nicht haben.“
Die Herausforderung sei nicht der
gegenwärtige Engpass –der sei
ein ähnliches Phänomen wie der
Klopapiermangel am Anfang der
Pandemie –sondern die Versorgungssicherheit
in der Zukunft.
Doch die Turbulenzen amHolzmarkt
haben ihre Spuren hinterlassen:
„Unsere Preise sind um
rund 20 bis 30 Prozent gestiegen“,
sagt Josef Schlosser, „Aber
der Markt ist agil und wir befinden
uns in einer stark wachsenden
Branche.“ Das bekräftigt
auch Jörg Schaffitzel: Nach wie
vor sei das Bauen mit Holz ein
Trend und auch unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten wettbewerbsfähig
und attraktiv.
Derzeit liege die Holzbauquote,
also die Anzahl der genehmigten
Gebäude, die überwiegend mit
Holz gebaut wurden, bei den Einund
Zweifamilienhäusern bundesweit
bei rund 23, in Baden
Württemberg sogar bei 40 Prozent,
sagt Walter Bauer. „Um die
Klimaziele zu erreichen, müssen
wir die 40 Prozent bei allen Gebäuden
erreichen.“