2021-11_RegioBusiness
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November 2021 IJahrgang 20 INr. 230
Politik &Wirtschaft 09
Kaufkraft für die Region
Im Landkreis Schwäbisch Hall gilt seit November ein einheitliches Gutscheinsystem.
Arbeitgeber können ihren Angestellten damit steuerfrei etwas Gutes tun.
Gemeinsam: Landrat Gerhard Bauer (re.) und Crailsheims Oberbürgermeister Dr.Christoph Grimmer
präsentieren die landkreisweit gültigen Arbeitgeber-und den Crailsheimer Horaffen-Gutschein. Foto: NPG-Archiv
Seit November gibt es das
landkreisweite Gutscheinsystem
der WFG Schwäbisch
Hall, das gemeinsam mit
Partnern aus dem Landkreis entwickelt
wurde. Unter dem Namen
#Heimatkaufen soll so
Kaufkraft im Landkreis gehalten
werden.
Gemeinsam mit der Stadtverwaltung
Crailsheim, dem Verein
Stadtmarketing Crailsheim und
weiteren Partnern wie der Sparkasse
Schwäbisch Hall-Crailsheim
und der VR Bank Heilbronn-Schwäbisch
Hall, die das
Projekt auch finanziell unterstützen,
hat die Wirtschaftsförderungsgesellschaft
des Landkreises
Schwäbisch Hall ein in dieser
Form einmaliges Pilotprojekt
entwickelt. Erstmals umfasst ein
Arbeitgebergutscheinsystem den
gesamten Landkreis und ermöglicht
damit auch die Einlösung
von Gutscheinen in allen Akzeptanzstellen
im Landkreis. Als
zweites Standbein des Systems
können kommunale Gewerbevereine
oder die Kommunen des
Landkreises einen auf die jeweilige
Kommune beschränkten Geschenkgutschein
anbieten. Beide
Systeme sind technisch miteinander
verknüpft und mit der
Firma AVSwurde ein passender
Partner für die Abwicklung und
Umsetzung gefunden. „Mit dem
Projekt sollen die von der Corona
Krise stark betroffenen Branchen
wie Einzelhandel, Dienstleistung
und Gastronomie im
Landkreis unterstützt werden,
indem die Kaufkraft gezielt in
der Region gehalten wird. Wenn
wir die Attraktivität und Vielfalt
unserer Innenstädte erhalten
wollen, müssen wir lokal agieren
und vor Ort einkaufen“, sagt
Landrat Gerhard Bauer über das
neue Angebot im Landkreis.
Ab 2022 sind 50 Euro
steuerfrei möglich
Der neue Arbeitgebergutschein
kann von Firmen monatlich im
Wert von bis zu 44 Euro steuerfrei
an Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter ausgegeben werden,
vom Jahr 2022 an sind sogar
50 Euro monatlich möglich.
„Mit dem Arbeitgebergutschein
können Unternehmen unabhängig
von ihrer Größe den Mitarbeitenden
einen Benefit gewähren
–egal obeinmal jährlich
oder häufiger. Die Beträge können
von den Beschäftigten auf
dem personalisierten Gutschein
auch für größere Anschaffungen
angespart werden,“ so WFG-Geschäftsführer
David Schneider.
Jedes Gutscheinsystem lebt von
einer möglichst großen Anzahl
an Einlöse- beziehungsweise
Akzeptanzstellen. „Bei der Auswahl
des Betreibers war es für
die Projektpartner wichtig, möglichst
viele Akzeptanzstellen unkompliziert
einbinden zu können“,
berichtet Schneider. Um
die Gutscheine einlösen zu können,
bedarf es keiner zusätzlichen
Hardware. Sollte die jeweilige
Stadt oder Kommune
auch einen Geschenkgutschein
anbieten, ist die Akzeptanzstelle
für den Arbeitgebergutschein
auch gleichzeitig Einlösestelle
für den kommunalen Geschenkgutschein.
Ein weiterer Bestandteil des
neuen Systems ist der klassische
Geschenkgutschein, den jede
Kommune im Landkreis für ihre
Gewerbetreibenden einführen
kann. Erste Stadt, die das neue
System nutzen wird, ist Crailsheim.
Die Horaffen-Gutscheine
sind im Büro des Stadtmarketingvereins
und im Bürgerbüro
des Rathauses erhältlich. pm
www.heimat-kaufen.de
Abgelöst: Die Vorsitzende der Bürgerinitiative pro Region Friedlinde
Gurr-Hirsch dankt ihrem Vorgänger Jochen K. Kübler (Mi.) und dem
Schatzmeister des Vereins Werner Gassert.
Foto: Kerstin Dorn
Einkaufen nach
der 4G-Regel
Die Bürgerinitiative pro Region Heilbronn-Franken
diskutiert über Landwirtschaft und Ernährung.
Die Regional-Tafel der Bürgerinitiative
pro Region
Heilbronn-Franken hat am
19. Oktober das Thema Landwirtschaft,
Ländlicher Raum und Ernährung
diskutieren können, das
laut Gastgeberin Friedlinde Gurr-
Hirsch von immenser Bedeutung
ist, weil in diesem Sektor mehr
Leute arbeiten als in der Automobilwirtschaft.
Im Carmen-Würth-Forum diskutierten
Jürgen Maurer vom Bauernverband
Hohenlohe-Schwäbisch
Hall-Rems-Murr, Adelheid
Andruschkewitsch, Inhaberin des
Bioland-Restaurants Rose Vellberg,
Steffen Ueltzhöfer, Edeka
Ueltzhöfer, Prof. Dr. Nicole Graf,
Rektorin der DHBW,sowie Andreas
Dürr von der Touristikgemeinschaft
Hohenlohe mit dem Chefredakteur
der Heilbronner Stimme,
Ralf Uwe Heer.
Adelheid Andruschkewitsch, vom
Bioland-Restaurant „Rose“ in
Vellberg-Eschenau mahnt mehr
Kreativität und handwerkliches
Geschick an, wenn es darum geht,
auch weniger gefragte Fleischteile
zu verarbeiten. Jürgen Maurer
wies darauf hin, dass die Reduzierung
von Pestiziden den Arbeitsaufwand
für die mechanische Unkrautbekämpfung
um das Siebenbis
Zehnfache steigert. Das sei mit
der „Geiz ist Geil-Mentalität“ der
Verbraucher nicht vereinbar. Nicole
Graf bringt die 4G-Regelung
ins Gespräch: Die Verbraucher
müssten nach Gesundheit, Glaubwürdigkeit,
Genuss und Gewissen
entscheiden. Ein weiterer wichtiger
Punkt sei es, die Gemeinschaftsverpflegung
für mehr Ökologie
zu sensibilisieren. do
www.pro-region.de
Gastkommentar
Das bisherige Modell hat ausgedient
Walter Döring spricht sich für eine gesetzliche Aktienrente aus –und siehtdie schwedische Vorgehensweise als Vorbild an.
Geld: Reicht die gesetzliche Rente im Alter aus,umden eigenen
Lebensstandard zu halten? Viele Menschen sind skeptisch. Foto: NPG-Archiv
Einer Umfrage der OECD zufolge
sollen mehr als Dreiviertel
aller Deutschen die
Rente als ihre Hauptsorge betrachten.
Die Älteren, die in Bälde
in Rente gehen, fürchten, ihren
gewohnten Lebensstandard nicht
mehr halten zu können oder gar
in die Altersarmut abzurutschen.
Die Jungen, die gerade ins Berufsleben
einsteigen, sehen mit Sorge
in ihre spätere Zukunft, ob es für
sie noch eine „zum Leben ausreichende
Rente geben wird“.
Berechtigte Sorgen, denn ein
Durchschnittsverdiener wird um
2030 weniger als die Hälfte seines
Bruttoverdienstes beziehungsweise
so „um die 73 Prozent seines
Nettoverdienstes zur Verfügung
haben“. Tendenz: unsicher.
Und all das trotz kontinuierlich
steigender Zahlungen des Bundes
aus den Steuermitteln in die
Rentenkasse: 2019 beliefen sich
die Bundeszuschüsse zur deutschen
Rentenversicherung auf
eine Summe von 72,3 Milliarden
Euro. Das waren 26 Prozent des
Bundeshaushalts als direkte Steuerzuschüsse
an die Rentenkasse.
2021 waren es 97,6 Milliarden
Euro; Tendenz: weiter steigend.
Einer Studie der Ludwig-Maximilians-Universität
München zufolge
gerät der Bundeshaushalt
ohne Reformen beziehungsweise
ein „aktives Gegensteuern“ spätestens
„in den 2040er-Jahren in
akute Schieflage“.
Wer dies sehenden Auges einfach
so weiterlaufen lassen möchte,
handelt unverantwortlich und versündigt
sich geradezu an der jüngeren
Generation. Eigentlich ein
Thema für die ach so besorgten
„parents for future“, aber von da
kommt –wie sonstauch –nichts.
Es besteht unbestritten dringender
Handlungsbedarf. Ein Blick
nach Schweden bringt die Lösung:
Dort macht man mit der sogenannten
„Aktienrente“ hervorragende
Erfahrungen. Der staatliche
Pensionsfonds legt einen
Teil der Beträge aller Schweden
in Aktien an. Richard Gröttheim,
der Chef des schwedischen Aktienfonds,
erklärt: „Das System in
Schweden besteht aus zwei Teilen.
80 Prozent der Rentenbeiträge
sind umlagefinanziert, das hat
mit der Börse nichts zu tun. Nur
die restlichen 20 Prozent gehen
in Aktien. Die Beitragszahler entscheiden
sich entweder für 400
verschiedene private Fonds oder
sie entscheiden sich für uns. Die
meisten Schweden entscheiden
sich für unseren staatlichen Pensionsfonds.
Wir haben in den vergangenen
20 Jahren damit im
Durchschnitt 11 Prozent Rendite
erzielt. Die privaten Fonds kamen
dagegen im Schnitt nur auf sieben
Prozent.“
Nun haben in Deutschland zwar
immer noch viele Steuerzahler
Bedenken hinsichtlich des „Aktien-Risikos“,
was vor allem für
die Älteren unter ihnen gilt, denn
in jüngster Zeit zeigen sich die
Jüngeren deutlich „Aktien-affiner“.
Gröttheim verweist bezüglich
dieser „Sorgen der Älteren“
auf wissenschaftliche Erkenntnisse,
„nach denen Aktien die beste
langfristige Geldanlage sind“.
Die Ruhr-Universität Bochum hat
im Februar 2021 in einer Studie
festgehalten: „Mit Hilfe mehrerer
Reformschritte sollen die folgenden
Ziele mit der Aktien-Rente
erreicht werden: Erstens soll
die Anspannung der Rentenfinanzen
deutlich verringert werden,
die die demografische Alterung
unter dem geltenden Recht
in den nächsten Jahren rasch erzeugen
wird. Zweitens soll den
Versicherten ermöglicht werden,
flächendeckend eine ergänzende,
kapitalgedeckte Altersvorsorge
mit hoher Rendite aufzubauen,
mit der sie trotz eines sinkenden
Niveaus umlagefinanzierter Renten
eine angemessene Absicherung
im Alter erreichen. Mit der
Kombination beider Maßnahmen
–Begrenzung der Beitragssätze
des gesetzlichen Rentensystems
und Einführung der Aktienrente –
wird ein echter Systemwechsel innerhalb
der ersten Säule des deutschen
Alterssicherungssytems erreicht.“
Wichtig: Die Altersvorsorge bleibt
aufgeteilt in Arbeitnehmer- und
Arbeitgeberanteil. Neu ist, dass
Dr.Walter Döring
Der gebürtige Stuttgarter Dr. Walter Döring
war lange eine der Galionsfiguren der FDP. Er
warVorsitzenderder Landtagsfraktion und von
1996 bis 2004 Wirtschaftsminister von Baden-
Württemberg. Heute arbeitet der 67-Jährige
als Consultant, hält Vorlesungen an Hochschulen
und sitzt im Gemeinderat in Schwäbisch
Hall. Im Kreistag ist er für die Freien Demokraten
politisch aktiv.Döringist Initiator und Mitorganisator
des Kongresses „Gipfel der Weltmarktführer“
in Schwäbisch Hall und gründete
die Akademie Deutscher Weltmarktführer.
neben dem größeren Betrag, der
weiter in die umlagefinanzierte
Rentenversicherung fließt, ein
kleinerer Betrag des Bruttoeinkommens
in eine langfristige,
chancenorientierte und kapitalgedeckte
Altersvorsorge angelegt
wird, die als Fonds unabhängig
verwaltet wird: eben die vorgestellte
Aktienrente.
Tatsache ist, dass das herkömmliche
Modell schlicht und einfach
schon sehr bald nicht mehr finanzierbar
sein wird, dass die Jungen
vom bisherigen Modell nur Nachteile
haben, von einer Aktien-Rente
aber alle profitieren werden;
also ran an diese Reform, die sich
andernorts längst bewährt hat.