Die Malteser-Zeitung 3/2021
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Orden und seine Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Orden und seine Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
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MALTESERWELTWEIT<br />
„FREI WIE EIN VOGEL“ TEIL 2<br />
In der Ausgabe 01/<strong>2021</strong> von „<strong>Die</strong> <strong>Malteser</strong>“ hatte ich erstmals über den Botschafter des <strong>Malteser</strong>ordens in Madrid,<br />
Jean-Marie Musy, und seine Einsätze in Tschad berichtet. <strong>Die</strong>s ist die Fortsetzung einer Geschichte über einen<br />
einzigartigen Menschen.<br />
Von Aglaë Hagg<br />
1991 hatte Jean-Marie Musy in der zentralafrikanischen<br />
Republik Tschad seinen <strong>Die</strong>nst angetreten. Ein Jahr<br />
später beschreibt er in einem Brief an seine Freunde, wie<br />
er sich um jeden Schritt selber kümmern muss, damit die<br />
Medikamentenlieferungen und großzügigen Hilfsgüter<br />
des <strong>Malteser</strong>ordens nicht nur ankommen, sondern in<br />
diesem, „einem der ärmsten Länder des Planeten“ auch<br />
weitertransportiert werden an jene Stellen, wo sie tatsächlich<br />
gebraucht werden.<br />
Musy hatte im ersten Jahr Notleidenden vor Ort Hilfe<br />
zugesagt. <strong>Die</strong>ses Versprechen galt es nun zu halten. „Eine<br />
riesengroße Aufgabe, eigentlich übermenschlich. Da muss<br />
man einfach anders denken lernen und die pragmatische<br />
Logik des europäischen Geschäftsmannes total vergessen“,<br />
schrieb Musy. So tickte dieser <strong>Malteser</strong>, der bis heute – fast<br />
unbemerkt von der Via dei Condotti und den Publikationen<br />
des Ordens – einfach seine Arbeit macht.<br />
Todesmutig im Kriegsgebiet<br />
An die Front der Nächstenliebe hatte ihn die Vorsehung<br />
geschickt. Musy lebte dort im Bürgerkrieg und im ständigen<br />
Angesicht schrecklichster Armut und Entbehrung, weil<br />
eben diese Vorsehung Tag für Tag an seiner Seite stand.<br />
Musy erbettelte vom französischen Militär Transportflugzeuge<br />
und brachte sich selbst auf unzähligen Wüstenfahrten<br />
immer wieder in Gefahr. Auch sein kleines Team<br />
fuhr im Konvoi mit den Militärtransportern todesmutig<br />
und weiß beflaggt an den Minenfeldern vorbei, damit die<br />
mühsam aufgetriebenen Hilfsgüter in jene abgelegenen Gegenden<br />
gelangten, wo sie gebraucht wurden.<br />
„Flehende, hoffnungsvolle Blicke“<br />
Bald konnte sich Musy der Anfragen um Hilfe kaum mehr<br />
erwehren. Auch in der Hauptstadt N`Dejamena bat das<br />
staatliche Zentralspital um Unterstützung bei der Restaurierung<br />
des zerstörten Krankenhauses. Im Bürgerkrieg<br />
hatte selbst der Staat keine Einnahmen mehr und konnte<br />
kaum seine Kampftruppen bezahlen. Soziales war einfach<br />
kein Thema. Musy hatte gemeinsam mit Schwester Hélène<br />
in einem Vorort die Sterberate unter den etwa 60.000 jährlichen<br />
Patienten in kurzer Zeit senken können, indem er<br />
Medikamente, Chirurgische Instrumente und Wundversorgungsmaterial<br />
beschaffte. Also wandte sich das staatliche<br />
Spital an ihn.<br />
„Wisst ihr“, schreibt er seinen Freunden, „wenn dir die<br />
Tränen beim Besuch einer Station mit Schwerverletzen –<br />
bei 45 Grad Hitze – im Hals stecken, kriegst du selbst mit<br />
größter Anstrengung kein Lächeln mehr auf dein Gesicht für<br />
die Sterbenden und deren flehende, hoffnungsvolle Blicke.“<br />
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DIE MALTESER 3/<strong>2021</strong>