Städteplanung/ Architektur/ Religion Buch III - AUTO-<strong>ST</strong>AR + <strong>ST</strong>/A/R 9 Lieber David, Danke daß du uns im Auto-<strong>ST</strong>/AIR mit deinen Bild und Literaturkunstwerken über all die <strong>ST</strong>/AIR-Jahre bereichert hast.
10 <strong>ST</strong>/A/R + Buch III - AUTO-<strong>ST</strong>AR Autos von Odessa Die Hafenstadt am Schwarzen Meer ist von verschworener Schönheit; um diese zu erkennen, muss man sich mit verschobenen Perspektiven auseinandersetzen. Betrachtun&' von Autos ist eine eute Referenz dafür. Text und Fotos: David Staretz D~ec~;;;:~ i~!~-s:·e~~~~tr:: über geöffneten Motorhauben. Mädchen schweben auf High Heels über tektonisch erschütterte Gehsteige. Krähen werfen Nüsse vor die Autos, in der Hoffnung, dass die Schalen nachgeben. Die Straßenpflaster hier sind so verschoben, dass Straßenbahnen der Schwerkraft folgen, um den weiteren Verlauf der Schienen zu finden. Immerhin geben die Metallstränge den Schlaglöchern Struktur und Pölzun g. Drei Männer der Tat hieven einen Shiguli mit weggeknicktem Vorderrad über die Bordsteinkan te auf den Platz vor der Kirche. Der Motor heult auf , doch schlaff hängt das Rad weg. Eine Trolleybus -Chauffeurin angelt mit langer Stange nach den Stromabnehmern, die sich im hohen Drahtgewirr verhaspelt haben. Wenn jetzt einer hupt , lassen alle im Umkreis hören, dass sie ebenfalls schöne Hupen besitzen Diese Stadt, zu der mich eine unerklärte Liebe hinzieht, heißt Odessa, erinnert etwas an das Wien der Nachkriegszeit, wie man es sich in romantischer Verblendung vorgestellt haben möchte, und besitzt einen unbestreitbaren Vorzug: Liegt am Meer. Was man der auf dem Hochufer gelegenen Stadt aber kaum anmerkt. Keine Fischernetze , keine Musche lreliquiare in den Restau ran ts. Nur der Hafen: Kräne. Was Odessa von modernen Einmillionenstädten unterscheidet, ist seine Warmherzigkeit und diese offengelegte Freizügigkeit des Lebensalltage s, der in weiten Bereichen zu armselig und zu liebenswürdig ist , um sich eine coole Fassade zulegen zu können. Es ist eine Stadt von wenig mitteils amer Schönheit; wenn man nach Hause komm t und da1über erzählen soll, holt man großartig Luft , aber dann kommen nur so kleine Episoden heraus Odessiten lieben Tiere , ständig triffi man freilaufende Katzen vor Katzenfutterschüs seln oder streunende Hunde in roten Pullovern. Wogegen die Stadtve1waltung keinerlei Strategie entwickeln konnte, ist die Lawine an ungewaschenen Autos, die vor zehn Jahren , als Kredite ausgegeben wurden, die Stadt überfluteten wie Schlammlawinen Sie lagern zwischen den Bäumen der Alleen, in den Gassen, auf den Gehsteigen, oft in Zweier - und Dreieneihen Odessa wurde vor 222 Jahren auf Anweisung von Katharina der Großen gegründet. Vorausdenkende Gouverneure wie der französische Herzog Armand de Richelieu schufen Voraussetzungen für gedeihlic he s Sprießen von Handwerk , Wirtschaft und Kultur; der Hafen entwickelte sich zum wesen tlichen Tor nach Westen, entschärfte auch in kommunistischen Zeiten die Lage mit allerlei westlichen Gütern und Matrosen Die Stadt war immer sehr mediterran beeinfluss t, kulturell durchmischt und offen für das Fremde - doch mit der Überzahl an billigen Import-Autos konnte sie es nicht aufnehmen. So wird das Straßenbild meist von namenloser Fah1ware aus dem asiatischen Raum bestimmt. Neu- und Gebrauchtwagen, hereingeschwemm t in der Zeit. als die Banken jenes Geld unter die Leute brachten, dessen Rückzahlun g heute immer unwahrscheinlicher wird. Auch die Ersatzteilversorgung kam ins Stacken. War gar nich t vorgesehen. Typische1weise sieht man unverhä ltnismäßig oft Fahrzeuge , deren komplette Vorderfront fehlt, weil der Plastik-Stoßfänge r in Briiche gegangen ist Da hilft keine Kunst der Improvisation Schrecklicher Blick in Eingeweide. Deutsche Limousine n mit abgedunkelten Scheiben, RangeRovers oder Lexus-Coupes dröhnen über das Pflaster als Verweis auf Neues Geld und Schnellen Reichtum , ein absurd tiefgelegter Dreier-BMW, froschgrün mit blauen Scheinwerfern, stöckelt mühsam über den Platz, sucht seichte Stellen im b1üchigen Asphalt. Die bei Hochzeiten beliebten weißen Stretch Limos sind glückliche1weise so lang, dass sie beinahe vom Standesamt bis zur Kirche reichen Aber der Großteil des öffentlichen Trans porte s wird in kantigen Bussen zuriickgelegt. Gelb, weiß, ocker, lila oder dekorativ mit Werbung beklebt, verweisen sie manchmal noch auf Osnabriick oder Sendling, wo sie vor Jahren ausgemustert wurden. Sie hei ße n nach der rätselhaft zwingenden Logik des Volksmundes Marshrutki, wobei die Ableitung aus dem Deutschen wie eine verspätete Pointe einttiffi. Ähnliche W01te: Platzkart (für billigplätzige Liegewagen). Und natürlich Buderbrodnqja für die Spelunke. D01t frühstücken Viktoriya und ich inmitten fröhlicher Alkoholiker, deren Formation und Laune sich auch bis zum Abendessen kaum verändert haben wird und suchen nach weiteren Germanismen: Zifferblat , Buchalter , Lobsig (Laubsäge), Schlagbä.um, Stammestka (Stemmeisen), Straf(!), Schä.chmatiy, Zeitnot, Zugzwang, Feue1werk, Stangenzyrkul, Stempel, Schaiba (Scheibe), Mundstuck. Viktoriyas Mutter ruft an. Sie ist gerade aus dem Chinterland mit Platzkart auf die Krim gefahren, sucht in einem Kurort nach dem beste n Part'.tkmacher (Frisör). Wolga, Shiguli, Moskvitch oder Lada - der Bestand an alten Fahrzeugen wird hier gepflegt wie sons t nur in Kuba; imme rh in sieht man diesen Autos an, dass sie nicht den Banken gehören. Damit das so bleibt. werden sie gern für kleine Nebenverdiens te eingesetzt Mit einer 01tskundigen an der Seite bleibt mir die Ausländerzulage an ein regulä res Taxi erspart und bald humpelt aufZuwinken ein rostroter Shiguli heran, in unserer Erinnerun g besser aufgehoben als Fiat 124. Dieser viertürige Typ, zu Chrustschews Zeiten als Lizenzprodukt in Togliatti grad her gestellt , wird hier automatisch als Mitfahrgelegenheit verstanden, da braucht es keine Aufschrift, keinen Taxameter und keine Carsharing- Projekte . Rasch wird man sich über den Fahrpreis einig, der irgendwo zwischen zehn und vierzig Griwna liegt. je nachdem, ob man nur zum nächsten Markt oder doch zum Bahnhof (Wagsal), zum Strand Langeron oder zur modernen Schiffsanlegestelle (M01wagsal) möchte . Also zwischen einem und vier Euro. Bald begin nt sich der Chauffeur, Typ "Unhold ", wie meine Begleiterin mas sive Glatzköp fe in Lederjacken klassifizie1t. zu schütteln wie ein Schiffsdiesel, was bedeutet. dass er lacht. weil meine Freundin ihren Lieblingswitz erzählt hat. Daraus aufkeimende Kühnheit der Fahrmanöver wird rasch begrenzt durch die Hinfälligkeit Nr. <strong>50</strong>/2016 des Fah1werkes und die zerstörerische Gestalt der Straßenoberflächen Meist stecken in den echsendicken Lederjacken 1ührende Romantiker Liebevoll werden die Getriebezahnräder zusammengeführt am langen Schaltstabe , und das großzüg ige Lenkradsp iel führt zu tänzerischen Verschlingungen haariger Prank en. Trauri ge odessitische Weisen klingen aus staubigen Boxen auf den Hu tablagen , sie beinhalten Textzeilen wie: ~ Woriiber reden die Frauen auf dem Primorsky Boulevard? Über Hochzeiten und über Abtreibungen ... ~. Hier zu m Nachhören: http: / /www .youtube.com /watc h?v=CIHTBR7jKAU&feature=related Bald haben wir per Shiguli den Großmarkt "Siebter Kilometer~ in nämlicher Entfernun g zur Stadt erreicht, eine Containe rstadt, worin es, um es möglichst exakt zu formulieren , praktisch alles zu kaufen gibt. Ein gewisse r Stolz verbietet es uns, die Taxipreise der Rückfahrt zu bezahlen, die das Dreifache einer selbstorganisierten Hinfah1t ausmachen. Also erfahre ich im billigen Kleinbus wieder dieses erstaunliche Phänomen russischer Wärme und lebendiger Gemütlichkeit, wie sie mir aus moos gedichteten Blockhäusern im verfrorenen Mordwinien oder von winterlichen Nachtreisen in kohlebeheizten Schlafwägen mit ihren Pflanzendekor ationen und Samowars her bekannt ist So sind auch diese ausgemus terten Mercedesbusse hier von warmer Herzlichkeit belebt dur ch die muntere Geschäftigkeit von Menschen, die meist richti ge Sorgen haben, nicht das, was wir daheim so nennen. Es gibt dick eingewickelte Babushkas in ihren ofenrohrdicken Walenki- Filzstiefeln und daneben zart hochgeschossene Fräu lein, die man anderswo Topm odel nennen würde. Man sieht Teena ger mit Earplugs, deren Kabel in der Tiefe abenteuerlich gefälschter Phantasie-Desi gnerjacken verschwinden und man wetzt die Schultern an schweren alten Männern mit verschlossenen Gesichtern. Sobald der Bus voll ist. kann man abfahren. Wir alle schwingen im Takt der Schlaglöcher, die wie die Zinken einer Spieluhr ein Lied aus der gequä lten Federung pressen und während wir umständlich einige im Schlamm liegengeliebene Fahrzeuge umschiffen, erklärt meine Begleiter in, dass der trostlose Ort , den wir hier durchfahren, übersetzt "Nichtlangweilig" heißt und dass wir und auf seiner Haup tstra ße befinden , nämlich der ~Nichtlangweiligstraße" Beim Aussteigen - jeder Passagier legt wortlos einen Geldschein im Wert von zirka 20 Cent neben den Fahrer - sagt der Chauffeur zu meiner Freundin, die versehentlich nicht für mich mitge2ahlt hatte: "Djewushka, will der junge Mann da nicht bezahle n?" Mit hochrotem Kopf lege ich die Zwei-Grivna -Note hin. Jugend hat ihren Preis Viktoriyas Lieblingswitz, jener mit den toten Polizisten, die in Särgen den Fluss hinunte1 t reiben, kann nur auf Anfrage erzählt werden, aber ihr Zweitlieblin gswitz ist auch nicht schlecht: Raoul Castro schüttelt den sterbenden Brude r "Fidel, wach noch einma l auf , Millionen Menschen sind unten, sie wollen sich von dir verabschieden!~ Fidel darau f: ~Ja, wo wollen sie denn hinfahren?" Nr. <strong>50</strong>/2016 Buch III - AUTO-<strong>ST</strong>AR + sT/A/R 11
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