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atw - International Journal for Nuclear Power | 02.2022

Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information. www.nucmag.com

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<strong>atw</strong> Vol. 67 (2022) | Ausgabe 2 ı März<br />

ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 10<br />

Auswirkungen einer solchen Politik, wenn sie auf<br />

EU-Ebene eingeführt werden würde.<br />

Das nächste Problem, das die Anwendung des Art.<br />

194 des Vertrags behindert, ist der Energiemarkt,<br />

der in den 1990er Jahren im Zuge der Liberalisierunswelle<br />

im Geist der Reagan-Thatcher-Ära<br />

begründet wurde, durch die Europäische Kommission<br />

stark gefördert und in vielen Mitgliedsstaaten<br />

eingeführt wurde. Das Versprechen war es, den<br />

Strompreis für den Verbraucher zu reduzieren.<br />

Nach 30 Jahren der Destrukturierung, Entflechtung,<br />

Restrukturierung, dem Zuwachs von<br />

Schichten über Schichten an Regeln, wo stehen wir<br />

heute? Was wir jetzt haben, funktioniert nicht: Es<br />

erfüllt einfach nicht das Versprechen. Das ursprüngliche<br />

Konzept des Elektrizitätsmarkts wurde noch<br />

mangelhafter, als volatile erneuerbare Energien<br />

auftauchten: Das System vermischte Äpfel und<br />

Birnen. Die Vermengung von kleinen, dezentralisierten<br />

volatilen Anlagen, die aber einen prioritären<br />

Zugang besitzen, mit großen, zentralisierten<br />

steuerbaren Anlagen kann einfach nicht funktionieren.<br />

Heute sind die Elektrizitätskosten und ihr Preis<br />

entkoppelt. Was der Verbraucher zahlt, spiegelt die<br />

wahren Kosten der Elektrizität nicht wider. Die<br />

Verbraucher wissen nicht mehr, was der Hintergrund<br />

ihrer Rechnung ist. Das ist zu komplex<br />

geworden um es zu verstehen und es gibt zu viele<br />

versteckte Interessen.<br />

Es ist höchste Zeit, das Elektrizitätssystem (wobei<br />

ich den Begriff Markt vermeide) in Europa zu re<strong>for</strong>mieren,<br />

tiefgreifend zu re<strong>for</strong>mieren, und eine Langzeitvision<br />

zu vermitteln, wie es in einer stabilen<br />

und gesunden Art und Weise funktionieren kann.<br />

Dabei sollte das Prinzip, dass Elektrizität ein<br />

Gemeingut und keine Handelsware ist, mit der<br />

Verpflichtung verbunden werden, ein dauerhaftes<br />

Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Bedarf zu<br />

haben. Dies kann möglicherweise am besten unter<br />

staatlicher Kontrolle geschehen, da der Staat die<br />

Verantwortung gegenüber seinen Bürgern/<br />

Verbrauchern/Steuerzahlern trägt, und wahrscheinlich<br />

über vertikal integrierte Organisationen.<br />

Und um das Prinzip des Art. 194 zu respektieren,<br />

muss dieses Elektrizitätssystem sicherstellen, dass<br />

der von einem Mitgliedsstaat gewählte Energiemix<br />

die Wahl der anderen nicht behindert oder sogar<br />

stört.<br />

Dies mag anti-europäisch erscheinen. Das ist es<br />

aber nicht, ganz im Gegenteil. Es müssen Lehren<br />

gezogen werden aus dem, was die Taxonomie uns<br />

gezeigt hat: die tiefe Spaltung zwischen der grünen,<br />

pro-100 %-diskontinuierliche-erneuerbare-Energien<br />

Gruppe, der pro-Kernenergie-Gruppe und der<br />

pro-Gas-Gruppe. Weiterzumachen ohne eine<br />

profunde Revision der Art und Weise, wie Art. 194<br />

angewendet wird, indem man sicherstellt, dass<br />

jeder Mitgliedsstaat sich wirklich eigenständig<br />

ohne unnötigen Druck von anderen für den eigenen<br />

Energiemix entscheiden kann, birgt ein viel<br />

größeres Risiko für den Zusammenhalt der Europäische<br />

Union. Und diese profunde Korrektur<br />

impliziert notwendigerweise eine Re<strong>for</strong>m des europäischen<br />

Elektrizitätssystems.<br />

Energie war das Herzstück für die Entstehung der<br />

EU, sie sollte nicht zum Ursprung einer tiefen Spaltung<br />

werden. Energie ist das Blut der Wirtschaft.<br />

Die Zeit ist reif, das grüne Dogma zu überwinden,<br />

weiterzugehen als reine Umweltbetrachtungen,<br />

und die Nachhaltigkeit der europäischen Gesellschaft<br />

voll zu erfassen, für das Wohlergehen der<br />

Bürger Europas. Die Mitgliedsstaaten sollten die<br />

Europäische Kommission beauftragen, entsprechend<br />

der obigen Leitlinien zu arbeiten und bald<br />

fundierte Vorschläge vorzulegen. Hier spielt auch<br />

die Zeit eine Rolle und da andere Teile der Welt hier<br />

voranschreiten, besitzt dies auch eine geopolitische<br />

Priorität.<br />

Autor<br />

Marc Deffrennes<br />

Beamter der Europäischen Kommission im Ruhestand<br />

und Gründer von weCARE<br />

marc.deffrennes@hotmail.com<br />

Marc Deffrennes schloss sein Studium als Kernkraftingenieur im Jahr 1980 ab und<br />

begann seine berufliche Karriere bei Westinghouse in Europa und den USA. Seine<br />

Fachkompetenz erstreckte sich auf die Gebiete Sicherheitsanalyse, Inbetriebnahme<br />

von Anlagen und Strahlenschutz; außerdem trainierte er Ingenieure. Er arbeitete<br />

danach 23 Jahre lang als Beamter der Europäischen Kommission in den Generaldirektionen<br />

Energie, Forschung und Außenbeziehungen. Seine nächsten Stationen<br />

waren leitender Sachverständiger bei der Kernenergie-Agentur in der Kerntechnik-<br />

und Wirtschafts-Abteilung der OECD und Gastprofessor für Kerntechnik<br />

an der Brüsseler technischen Hochschule ECAM. Nach seiner Pensionierung im<br />

Jahr 2019 gründete er weCARE, eine internationale Allianz im Energiesektor.<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

EU-Taxonomie für ein nachhaltiges Finanzwesen: Die Notwendigkeit, das Europäische Elektrizitätssystem zu re<strong>for</strong>mieren?<br />

ı Marc Deffrennes

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