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atw - International Journal for Nuclear Power | 02.2022

Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information. www.nucmag.com

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<strong>atw</strong> Vol. 67 (2022) | Ausgabe 2 ı März<br />

Zur gattungstheoretischen Begründung literarischer<br />

Ästhetizität“. Demgemäß ist der erste von ihm vorgelegte,<br />

131 Druckseiten umfassende „Jahreswirtschaftsbericht“<br />

im literarischen Sinne durchaus gut geschrieben und<br />

entspricht bestimmt auch allen anerkannten Grundsätzen<br />

der Ästhetik. Doch „the proof of the pudding is the eating“<br />

– entspricht also der Bericht und die in ihm niedergelegten<br />

Richtungsweisungen deutscher Wirtschafts- und Energiepolitik<br />

auch den Interessen der deutschen Wirtschaft und<br />

damit im weiteren Sinne den Interessen der deutschen<br />

Gesellschaft? Eine nähere Lektüre lässt daran erhebliche<br />

Zweifel sowie den Eindruck einer gewissen Widersprüchlichkeit<br />

aufkommen.<br />

Der Teil A des Jahreswirtschaftsberichts ist mit „Von der<br />

Sozialen zur Sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ betitelt.<br />

Bundesminister Habeck möchte also die alten, durchaus<br />

erfolgsgekrönten Ludwig-Erhardtschen Grundsätze einer<br />

sozialen Marktwirtschaft weiterentwickeln in Richtung<br />

einer sozialen Ökologie. Dies begründet Habeck<br />

folgendermaßen: „Deutschland benötigt eine Wirtschaftspolitik,<br />

die es den Unternehmen ermöglicht, auch künftig<br />

innovativ und zukunftsfähig zu sein und ihre Stärken<br />

auszubauen“ und fährt auf derselben S.6 seines Jahreswirtschaftsberichts<br />

<strong>for</strong>t: „Ziel ist es die Soziale Marktwirtschaft<br />

zu einer Sozial-Ökologischen Marktwirtschaft<br />

weiterzuentwickeln und damit ihre Erfolgsaussichten<br />

innerhalb planetarischer Grenzen <strong>for</strong>tzuschreiben“.<br />

Um insoweit „planetarisch“ wirksam zu werden,<br />

beabsichtigt Habeck vor allem finanziell an der CO₂-<br />

Schraube zu drehen und dies als „zentrales Element des<br />

künftigen Ordnungsrahmen zu nutzen“. Er stellt dazu fest:<br />

„Die Bundesregierung bekennt sich vor diesem Hintergrund<br />

zur Bepreisung von THG-Emissionen als einem zentralen<br />

Instrument zur Forcierung einer effizienten Trans<strong>for</strong>mation…“<br />

(S.16). Daher erstaunt es schon, dass der<br />

Bundesminister nur wenige Zeilen später diesen Ansatz<br />

relativiert, revidiert und womöglich gar auf den Sankt-<br />

Nimmerleinstag verschiebt: „Damit ein ansteigender CO₂-<br />

Preis seine Lenkungswirkung entfalten kann, ist es<br />

wesentlich, die Rahmenordnung der besonders<br />

betroffenen Märkte dahingehend anzupassen, dass<br />

private Haushalte und Unternehmen zu einer Substitution<br />

von fossilen Energieträgern befähigt werden.<br />

Ehe derartige Vorkehrungen nicht getroffen sind, würde<br />

ein steiler CO₂-Preispfad bei Unternehmen vielfach zu<br />

Emissionsverlagerungen ins Ausland und bei privaten<br />

Haushalten zu Realeinkommensverlusten führen“<br />

(S.16/17).<br />

Wie wahr, wie wahr, muss man hier angesichts der massiven<br />

Energiepreissteigerungsrate in Deutschland Ende<br />

2021/2022 beipflichten. Doch wenn man CO₂-<br />

Preissteigerungen als Steuerungsinstrument wirklich<br />

ernsthaft will, dann müsste man vorher die Baisienergiepreise<br />

niedrig, und zwar dauerhaft niedrig und bezahlbar<br />

halten.<br />

Welche Aussagen trifft deshalb der „Jahreswirtschaftsbericht“<br />

zur künftigen Energiepolitik in Deutschland?<br />

Darüber gibt der Teil C des Jahreswirtschaftsberichts,<br />

betitelt mit „Klimatrans<strong>for</strong>mation in allen Politikbereichen<br />

verankern und ökonomische Chancen nutzen“ gewisse<br />

In<strong>for</strong>mationen. Diese In<strong>for</strong>mationen sind jedoch in ihrem<br />

konkreten Gehalt vor allem negativer Art, was die<br />

konventionelle Stromerzeugung betrifft: „Zentral dafür ist,<br />

dass die Energiebereitstellung aus fossilen Energieträgern<br />

perspektivisch vollständig auf erneuerbare Energieträger<br />

umgestellt wird. … Denn zum einen werden 2022 die letzten<br />

Kernkraftwerke in Deutschland außer Betrieb<br />

genommen, und zum anderen werden im Zuge des Kohleausstiegs<br />

alle Braun- und Steinkohlekraftwerke schrittweise<br />

stillgelegt. Der Kohleausstieg wird in Deutschland<br />

idealerweise bereits bis 2030 vollzogen sein. Die im Kohleausstiegsgesetz<br />

vorgesehene Prüfung, ob die Stilllegung<br />

von Kraftwerken, die ab 2030 vorgesehen sind,<br />

vorgezogen werden können, soll dafür von 2026 auf 2022<br />

vorgezogen werden“ (S.32). Dieser Ankündigung stehen<br />

jedoch nur vage Aussagen hinsichtlich der notwendigen<br />

Kompensation gegenüber, wie etwa „Der Anteil erneuerbarer<br />

Energien wird weiter deutlich und schneller als<br />

bislang wachsen müssen“. Dass der Anteil erneuerbarer<br />

Energien unbedingt steigen muss, steht im Lichte der<br />

Abschaltung von Kernkraftwerken und Kohlekraftwerken<br />

außer Frage. Doch ob dies tatsächlich geschehen wird, ist<br />

eine ganz andere Frage, zu der sich keine befriedigenden<br />

Antworten im neuen „Jahreswirtschaftsbericht“ finden. Es<br />

bleibt dazu nur ein Trost des Bundeswirtschaftsministers:<br />

„Die betroffenen Menschen und Regionen können weiterhin<br />

auf solidarische Unterstützung zählen“. (S.32)<br />

Einige Zahlenangaben im Jahreswirtschaftsbericht geben<br />

jedoch ernsten Anlass zur Sorge, dass der Bundeswirtschaftsminister<br />

seine angestrebten Energieziele verfehlen<br />

wird. Der Bundesregierung ist nämlich bis heute nicht<br />

ausreichend klar, wie hoch der Energiebedarf im Jahr<br />

2030 real sein wird. Die auf S.33 des „Jahreswirtschaftsberichts“<br />

angegebenen Elektroenergiebedarfszahlen<br />

schwanken nämlich zwischen minimal 680 und maximal<br />

750 Terawattstunden (TWh), was ein ganz beachtlicher<br />

Unterschied ist, zumal nicht klar ersichtlich ist, ob der steigende<br />

deutsche Energieverbrauch (z. B. durch Elektromobilität)<br />

darin hinlänglich berücksichtigt wurde. Zudem<br />

lassen Äußerungen im Bericht wie der Satz „Der Ausbau<br />

der erneuerbaren Energien liegt im öffentlichen Interesse<br />

und dient der Versorgungssicherheit“ auf S.32 daran zweifeln,<br />

ob seitens der Verfasser überhaupt verstanden<br />

wurde, wo die wahren Probleme bei der Versorgungssicherheit<br />

mit Elektroenergie liegen. Ebenso lässt die<br />

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