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SchlossMagazin – Das Lifestyle Magazin für Augsburg + Umgebung März + April 2022

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Kunst + Kultur | 41<br />

Die deutsche und britische Buchbindetradition unterscheiden<br />

sich stark. Aus ihrer Praktikantenzeit in<br />

London weiß die Künstlerin dazu eine Anekdote zu erzählen:<br />

„Wenn ein Buch fertig war, wurde fast immer<br />

ich geschickt um es abzuliefern. <strong>Das</strong> machte mir großen<br />

Spaß und ich lernte in dieser Zeit viele tolle Menschen<br />

und spannende Winkel der Weltstadt kennen.<br />

Hin und wieder bekam ich aber die Order, kein Wort<br />

zu sagen und das Buch samt Rechnung stumm auf den<br />

Tisch zu legen. Denn dann waren die Kunden Puristen,<br />

die entsetzt gewesen wären, wenn sie erkannt hätten,<br />

dass möglicherweise eine deutsche Handbuchbinderin<br />

an ihrem Buchschatz gearbeitet hatte.“ Natürlich<br />

sind nicht alle Briten „very special“. Aber die „Designer<br />

Bookbinders“ sind zu Recht stolz auf ihre Arbeit und<br />

sagen darüber (und über sich selbst): „Inspiration ist<br />

the book in all its aspects <strong>–</strong> text, structure, illustration,<br />

print and paper <strong>–</strong> and the completed bindings<br />

are as diverse as the individuals who create them.“ Als<br />

Handbuchbinderin ist Katharina Rücker-Weininger<br />

demgemäß stark von der britischen Auffassung dieses<br />

Handwerks beeinflusst, was sie von so manch anderen<br />

deutschen Handbuchbindern abgrenzt.<br />

Aug’ in Aug’ mit Smaug<br />

Ein repräsentatives Beispiel <strong>für</strong> diese besondere Art<br />

der Buchbinderei ist die soeben fertig gestellte Restaurierung<br />

einer alten Taschenbuchausgabe von „Der kleine<br />

Hobbit", erschienen 1974 im dtv Verlag. Der Zustand<br />

dieses Paperback war desolat, der vordere Buchdeckel<br />

und der Rücken fehlten, die Seiten waren zum Teil zerrissen<br />

und mit Tinte und Kugelschreiber beschrieben.<br />

<strong>Das</strong> Buch hatte zwei Generationen durch Kindheit und<br />

Jugend begleitet und sollte nun ein würdiges neues Outfit<br />

bekommen. Es wurde sorgsam auseinandergenommen,<br />

die einzelnen Seiten wurden gereinigt, Risse und<br />

fehlende Ecken ersetzt. Katharina Rücker-Weininger<br />

wählte als Motiv <strong>für</strong> den neuen Einband den Drachen<br />

Smaug, modellierte auf dem neuen Buchdeckel seine<br />

Augenpartie und bemalte sie lebensecht. Zuletzt bestückte<br />

sie den Halblederband dann noch mit schwarzen<br />

„Edelsteinen“, da Smaug ja in seinem Berg auf einem<br />

mächtigen Schatz schläft. Um die fragilen Stacheln und<br />

Schuppen des Motivs zu schützen, liegt das Buch in einer<br />

maßgearbeiteten Kassette, die außen mit einem Florentiner<br />

Papier bezogen ist, das den Betrachter an einen<br />

märchenhaften Drachenwald erinnert. Innen ruht das<br />

Buchobjekt auf schwarzem Ingres-Bütten.<br />

Neben solchen aufwändigen Buchobjekten bietet Rücker-<br />

Weininger aber auch deutlich einfachere und kostengünstigere<br />

Konservierungsmöglichkeiten an: Halbleinen-<br />

oder Pappeinbände beispielsweise. Sie bleibt dem<br />

Geist der englischen Einbanddesigner aber immer treu<br />

Die Künstlerin bindet Bücher aller Art, ob alt oder neu, in<br />

Papier, Stoff oder Leder.<br />

und verfügt über einen enormen Fundus an Buntpapiermustern<br />

aus verschiedenen Epochen, um auch bei diesen<br />

preiswerteren Einbandvarianten jedem Buch sein ganz<br />

eigenes und passendes Äußeres zu geben. Gelegentlich<br />

entwirft sie auch einfach selbst ein Muster aus eigenen<br />

Illustrationen. Hatte sie ihr Gesellenstück „Fabeln von<br />

Lafontaine“ seinerzeit noch mit einem geprägten Ganzledereinband<br />

versehen, so ergänzen heute alternativ<br />

in Optik und Haptik kaum von Echtleder unterscheidbare,<br />

nachhaltige Lederfaserstoffe ihr Portfolio. Gerne<br />

kommt die Künstlerin auch Spezialwünschen nach. So<br />

fertigt sie z. B. neu und individuell gebundene Lieblingsbücher<br />

in Sonderformen als Hochzeitsgeschenk an<br />

oder Blanco-Doppelbücher, die von beiden Seiten aufgeschlagen<br />

werden können, z. B. als Partnertagebuch.<br />

Originell sind auch dünne handgebundene Partybüchlein<br />

mit selbst entworfenen Einbandmustern, in denen<br />

sich die Gäste verewigen können. Derzeit schreibt Katharina<br />

Rücker-Weininger auf der ArtGallery-Website<br />

an ihrem Blog „Kat’s Bücherschätze Blog“ über aktuelle<br />

Buchobjekte, derzeit konkret über ihre Arbeit an „The<br />

Tempest“ von W. Shakespeare in einer Dünndruck Miniaturausgabe<br />

von 1904.<br />

Wer sein Lieblingsbuch in einem neuen Kleid sehen<br />

möchte, bringt es einfach zu den normalen Öffnungszeiten<br />

oder nach telefonischer Absprache in die ArtGallery,<br />

Hinterer Anger 342 in Landsberg.<br />

<br />

Informationen www.artgallery-landsberg.de

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