Danzig

Brösen
Danzig in Den Worten von günter grass 59
Die letzte Strecke der Tour legen wir auf der Danziger
Straße (Gdańska) zurück. Vor dem Krieg hieß sie auch
so. Sie trug den gleichen Namen seit ihre Entstehung
im Jahre 1831, als wegen der großen Cholera-Epidemie
die Russen einen Weg bauten, der das Zentrum
der Stadt mit der neu erbauten Quarantäneanstalt
verband. Als der Seucheherd erlosch, entstanden
anstelle der Gebäude des Krankenhauses Kurhäuser,
kleine Hotels und Villen. Anfang des neunzehnten
Jahrhunderts begann sich Brösen mit dem Architekten
Jean George Haffner, der auch in Sopot wirkte, in einen
Kurort zu wandeln. Die Anzahl der Kurgäste wuchs
von Jahr zu Jahr.
Es tut uns leid sagen zu müssen, aber heutzutage
macht Brösen keinen Eindruck eines angenehmen
Kurortes, wie er zu den Zeiten der Straßenbahnausflüge
der Matzeraths und Jan Bronskis war. Ehemalige
Villen und Pensionen verschwanden oder gerieten
in Verfall. Es erschienen dafür hässliche, unpersönliche
Wohnblöcke, die diesen schönen Ort verunstalteten.
Und es war doch so angenehm hier:
Der freundliche Badeort – seit
achtzehnhundertdreiundzwanzig Seebad – lag mit
geducktem Fischerdorf und kuppeltragenden Kurhaus,
mit den Pensionen Germania, Eugenia und Else, mit
dreiteiliger Badeanstalt, mit dem Wachtturm der Deutschen
Lebensrettungsgesellschaft und dem achtundvierzig Meter
langen Seesteg genau zwischen Neufahrwasser und Glettkau
am Strand der Danziger Bucht. Der Brösener Seesteg war
zweistöckig und zweigte zur rechten Hand einen kurzen
Wellenbrecher gegen die Wellen der Ostsee ab. An zwölf
Fahnenmasten ließ der Brösener Seesteg Sonntag für
Sonntag zwölf Fahnen zerren: anfangs nur die Fahnen
der Ostseestädte – nach und nach: mehr und mehr
Hakenkreuzfahnen. [Hundejahre, S. 115]
Kurhaus in Brösen