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Erinnerungen an Lauterbach, Kreis Reichenbach in Schlesien

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mit Rat und Tat. In den Ställen st<strong>an</strong>den fast überall Kühe, Schwe<strong>in</strong>e wurden gefüttert, Hühner, Gänse<br />

und Enten bevölkerten den Hof. Diese Vielzahl <strong>an</strong> Tieren war nicht nur optische Kulisse der<br />

idyllischen Höfe des Schlesierl<strong>an</strong>des, sondern sie lieferte auch das akustische Begleitkonzert im<br />

Ablauf e<strong>in</strong>es Tages. Über allem wachte der Hofhund, der nächtliche E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gl<strong>in</strong>ge und unerwünschte<br />

Besucher von Hof und Stallungen fernhalten sollte. Selten oder nie hört m<strong>an</strong> jetzt noch <strong>in</strong> den<br />

Städten den Hahnenschrei am Morgen, das Gegacker e<strong>in</strong>er Henne, das Geschnatter von Enten und<br />

Gänsen, das Gezirpe von Sperl<strong>in</strong>gen, die sich <strong>an</strong> e<strong>in</strong>er Futterstelle streiten. Der Moloch Verkehr<br />

beherrscht optisch und akustisch die Szene. Zu dem Konzert der schlesischen Heimat gehörte auch<br />

das Wiehern der Pferde, das Grunzen und vergnügte Quietschen der hungrigen Schwe<strong>in</strong>e. Auch die<br />

Kühe machten mit ihrem l<strong>an</strong>ggezogenen Muh auf ihren Appetit aufmerksam. All die vielen<br />

Kle<strong>in</strong>igkeiten vere<strong>in</strong>igten sich täglich zu e<strong>in</strong>er niemals zu vergessenden Heimatmelodie. Heute sehen<br />

wir <strong>an</strong>dere Bilder, hören <strong>an</strong>dere Geräusche, atmen <strong>an</strong>dere Gerüche, leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>deren<br />

Welt als vor fünfzig Jahren.<br />

L<strong>an</strong>gweilig war es auf den Bauernhöfen nie. Sogar im W<strong>in</strong>ter konnte sich ke<strong>in</strong> Bauer auf die faule<br />

Haut legen. Die Vorbereitungen auf die Frühjahrsbestellung mussten getroffen werden.<br />

L<strong>an</strong>dmasch<strong>in</strong>en und Hausgeräte waren zu reparieren. Gekauft wurde nur, was nicht selbst gemachte<br />

werden konnte. So waren die Bauern Besenmacher, Korbflechter, Sattler, Tischler, also<br />

Universalh<strong>an</strong>dwerker. Umf<strong>an</strong>greiche Sattlerarbeiten machte die Sattlerei <strong>in</strong> Heidersdorf.<br />

Die Hausfrauen trafen sich im W<strong>in</strong>ter nicht nur bei Kaffee und Kuchen zu e<strong>in</strong>em fröhlichen Plausch,<br />

sondern auch diese Zeit wurde s<strong>in</strong>nvoll genutzt. Mit Bek<strong>an</strong>nten und Freunden traf m<strong>an</strong> sich <strong>in</strong> den<br />

mollig-warmen Stuben zum Federschleißen. Erst wenn e<strong>in</strong>e mit Daumen vollgestopfte auf den Kopf<br />

gestellt durch den Innendruck der e<strong>in</strong>gepressten Federn umpurzelte, war die Zeit für den Genuss von<br />

Kaffee und Kuchen. Streusel- und Mohnkuchen nach uralten Rezepten fehlten d<strong>an</strong>n auf ke<strong>in</strong>em<br />

Tisch. Und die Schlesier s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> der Fremde ihrer vielgeliebten Küche treu geblieben. Kließla,<br />

Flesch und Tunke krönen heute noch so m<strong>an</strong>chen Mittagstisch. Die Gerichte der Heimat leben<br />

weiter, werden auch <strong>in</strong> der Fremde bei m<strong>an</strong>chen Familien von Generation zu Generation weiter<br />

gegeben. So k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong> Teil der Sitten und Gebräuche, der schlesischen Identität, überleben.<br />

Pfarrer Harwig mit Mutter und Schwester<br />

(l<strong>in</strong>ks)<br />

Bärbel He<strong>in</strong>, Kommunion 1945 (rechts)<br />

Ehepaar Kontor He<strong>in</strong> (unten)<br />

Die technische Ausrüstung der Höfe war je nach Größe sehr unterschiedlich. Das Zeitalter der<br />

Traktoren hatte erst begonnen. Nur der Görtler-Alfred verfügte als erster <strong>Lauterbach</strong>er Bauer über<br />

e<strong>in</strong>en L<strong>an</strong>z-Bulldog. Auf den großen Feldern des Dom<strong>in</strong>iums pflügte m<strong>an</strong> schon mit Dampfkraft. Zwei<br />

Dampfmasch<strong>in</strong>en zogen mittels Seilen e<strong>in</strong>en mehrscharigen Pflug h<strong>in</strong> und her. E<strong>in</strong>e Technik, die bei<br />

den K<strong>in</strong>dern Staunen und Fasz<strong>in</strong>ation auslöste. Die meisten Bauern sp<strong>an</strong>nten bei ihrer Feldarbeit die<br />

Pferde <strong>an</strong>. E<strong>in</strong>ige benutzen dafür Kühe oder Ochsen, ja sogar die Komb<strong>in</strong>ation von Pferd und Kuh<br />

war zu sehen. In den letzten Jahren hielten die Selbstb<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> E<strong>in</strong>zug. So g<strong>an</strong>z<br />

störungsfrei funktionierte die Knüpftechnik beim Zusammenb<strong>in</strong>den der Garben <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs jedoch noch<br />

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