Hinter dem Horizont - Nord-Handwerk
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<strong>Handwerk</strong>sLeben :: BetrieB <strong>Handwerk</strong>sLeben :: BetrieB<br />
Uhrmacher „de Klockenschauster“ in Schwerin<br />
Zeit im schönsten Gewand<br />
Hans-Joachim dikow ist der schweriner „klockenschauster“. bei ihm bleibt die Zeit nie stehen.<br />
er bringt nicht nur Uhrwerke zum Laufen, sondern auch eine eigene Uhrenkreation<br />
auf den Markt. „Obotrit“ heißen die kleinen kunstwerke für das Handgelenk, die in<br />
Zusammenarbeit mit kunsthandwerkern und künstlern aus der region entstehen.<br />
Hans-Joachim Dikow bringt gern<br />
Dinge zum Laufen. Er bewegt gern<br />
etwas. Vielleicht liegt es auch am Beruf,<br />
dass er den Stillstand nicht mag. Das heißt<br />
aber nicht, dass er das Traditionelle und<br />
Alte nicht schätzt, ganz im Gegenteil. „Ich<br />
bin kein Freund modischer Uhren mit<br />
diesen vielen Funktionen, die kein Mensch<br />
braucht“, sagt der Uhrmacher. Er schätzt<br />
klares, klassisches Design ohne Schnörkel<br />
und Zierrat.<br />
Schon die Uhrwerke, die seine Obotrit-<br />
Uhren beinhalten, sind Klassiker. Eta und<br />
Glashütte sind seine Favoriten und besonders<br />
die Spezimatic von Glashütte hat<br />
es ihm angetan. „Dieses Uhrwerk ist gut<br />
durchkonstruiert, sehr robust und hat sich<br />
über Jahrzehnte bewährt“, erläutert der<br />
Klockenschauster oder hochdeutsch: der<br />
„Uhrenschuster“.<br />
Eigentlich ist es der Spezimatic zu verdanken,<br />
dass Hans-Joachim Dikow auf<br />
36 <strong>Nord</strong><strong>Handwerk</strong> november 2011<br />
die Idee zur Obotrit-Uhrenmarke kam.<br />
Seit er 2006 seinen kleinen, aber feinen<br />
Uhrmacherbetrieb in der Schweriner<br />
Münzstraße eröffnet hat, gehört die Aufarbeitung<br />
von Uhren und Uhrwerken zu<br />
seinen Hauptaufgaben. Im Kundenauftrag<br />
geht er auch gezielt auf die Suche nach<br />
alten Schätzchen, die dann aufs Feinste<br />
wieder hergerichtet werden.<br />
Für die Spezimatic von Glashütte gibt es<br />
immer wieder Interessenten und Aufträge,<br />
aber keine Original-Zifferblätter mehr.<br />
Um die besonderen Vorzüge dieses Uhrwerkes<br />
auch über weitere Jahrzehnte zu<br />
erhalten, kombiniert der Klockenschauster<br />
diese nun mit eigens für seine Obotrit-<br />
Uhren kreierten Zifferblättern örtlicher<br />
Kunsthandwerker und Künstler.<br />
Die klassische edition<br />
Die Zifferblätter für die erste Kleinserie<br />
seiner Obotrit-Uhren ließ Hans-Joachim<br />
Hans-Joachim Dikow<br />
beherrscht nicht nur die<br />
kleinen, sondern auch die<br />
ganz großen Uhrwerke –<br />
vom filigranen Armbanduhrwerk<br />
bis hin zu<br />
Turmuhren.<br />
Der Klockenschauster ist im<br />
alten Fachwerk passend<br />
angesiedelt. Die zum<br />
Verkaufsraum hin offene<br />
Werkstatt bietet den<br />
Kunden viele Einblicke.<br />
Dikow von Hagen Thiel, einem Absolventen<br />
der Grafik- und Design-Schule<br />
Schwerin, gestalten. Das schlichte, klare<br />
Design variiert in den Farben Grau,<br />
Champagner und Schwarz. Die in einer<br />
kleinen Auflage von zunächst 100 Stück<br />
gefertigten Uhren können ausschließlich<br />
beim Klockenschauster gekauft werden<br />
und wirken so edel und zeitlos, dass sie<br />
mühelos alle kommenden Uhrenmoden<br />
überdauern können.<br />
Die „Kanter-edition“<br />
Der in der Region bekannte Maler<br />
Matthias Kanter ist bekennender Uhrenfreak.<br />
Als er von Hans-Joachim Dikows<br />
Plänen für die Obotrit-Uhren hörte, bot<br />
er sofort an, Unikate für eine künstlerische<br />
Linie zu gestalten. Inzwischen hat<br />
er rund zehn Modelle entworfen, jedes<br />
für sich ein wertvolles Einzelstück mit<br />
unverwechselbarem Charakter.<br />
Fotos: Gansen/privat<br />
Die „Frericks-edition“<br />
Eine ungewöhnliche Linie ist auch aus<br />
der Zusammenarbeit mit der Schweriner<br />
Graveurmeisterin Carola Frericks entstanden.<br />
In glänzende Messing-Zifferblätter<br />
graviert sie unterschiedliche Motive, vom<br />
Schweriner Schloss über persönliche Initialen<br />
bis hin zum Club-Emblem.<br />
Auch wenn die Grundidee schier unendliche<br />
Möglichkeiten und Gestaltungsvarianten<br />
zulässt, will Dikow „die Beine<br />
auf <strong>dem</strong> Boden lassen“ und seine Pläne<br />
nicht zu hoch fliegen lassen. „Es haben sich<br />
schon einige Uhrmacher an eigenen Marken<br />
versucht und nicht bedacht, dass dafür erst<br />
einmal Investitionen anfallen, die für unsere<br />
Betriebsgrößen nicht gerade gering sind. Ich<br />
bleibe daher vorerst bei der Kleinserie und<br />
bei den künstlerischen Unikaten.“<br />
Den Markennamen „Obotrit“ hat sich<br />
Hans-Joachim Dikow 2010 patentrechtlich<br />
schützen lassen. Der für „in Mecklenburg“<br />
stehende Zusatz „i. M.“ ist eine<br />
Reminiszenz an alte Zeiten, in denen diese<br />
Bezeichnung unter Schweriner <strong>Handwerk</strong>ern<br />
und Gewerbetreibenden bei der<br />
Ortsangabe üblich war. Immer wieder<br />
stößt man beim Klockenschauster auf diese<br />
sinnhafte Verbindung von alt und neu,<br />
von Tradition und Fortschritt. Das Gute<br />
bewahren und für die neue Zeit weiterentwickeln<br />
ist das Grundprinzip seines<br />
handwerklichen Tuns.<br />
Das passende Umfeld<br />
Mit der Ansiedlung seines Betriebes in<br />
der altstädtischen Schweriner Münzstraße<br />
hat der Klockenschauster eine gute Wahl<br />
getroffen, denn in den letzten Jahren hat<br />
Geburtsstunde einer Obotrit-Uhr. Die klassische Edition gibt es in Gold und Silber. Die Modelle aus der<br />
Kanter-Edition sind dagegen auch farblich auffallend (Bild unten re.).<br />
sich hier viel Kunst und Kultur entwickelt,<br />
so dass eine in Schwerin einzigartige „Kreativstraße“<br />
entstanden ist. Mit eigenen Veranstaltungen<br />
unter <strong>dem</strong> Titel „Kultur beim<br />
Klockenschauster“ trägt Dikow viel dazu<br />
bei, die Anziehungskraft der Münzstraße zu<br />
stärken. „Man muss eben mehr machen als<br />
nur die Tür auf“, sagt er. Bei Buchlesungen<br />
oder Harfenkonzerten bietet seine Werkstatt<br />
Platz für rund 35 Gäste, die dann gern<br />
als Kunden wiederkommen oder auch<br />
seine Uhrenseminare besuchen.<br />
Die Lehrwerkstatt<br />
Dem Schweriner Klockenschauster kann<br />
man in der zum Verkaufsraum hin offenen<br />
Die Schweriner Münzstraße<br />
ist ein kreatives Zentrum<br />
der Stadt. Dazu trägt<br />
„De Klockenschauster“<br />
mit eigenen Kulturveranstaltungen<br />
bei.<br />
Werkstatt jederzeit auf die Finger schauen.<br />
„Ich bin das seit meiner Lehrzeit gewohnt,<br />
das macht mir gar nichts aus“, sagt er.<br />
Mit ruhiger Hand und <strong>dem</strong> durch das<br />
Okular geschärften Auge setzt er – in<br />
zumeist winzige Teile – zerlegte Uhrwerke<br />
wieder zusammen, wechselt<br />
Batterien und Armbänder.<br />
Der Laie darf aber nicht nur<br />
staunen, er kann auch selbst<br />
das Innenleben von Uhren<br />
erforschen. Hans-Joachim<br />
Dikow bietet Uhrenseminare<br />
an (www.de-klockenschauster.<br />
de). In kleinen Gruppen mit<br />
acht bis zehn Teilnehmern<br />
erklärt er Zusammenhänge<br />
und Funktionsweisen<br />
und muss dabei häufig so<br />
viele Fragen beantworten,<br />
dass aus zwei Seminarstunden<br />
auch mal vier werden.<br />
„Bei einem meiner Teilnehmer<br />
führte dies sogar zum Ehekrach,<br />
da der Mann seiner Frau nicht<br />
glaubhaft machen konnte, dass<br />
er bis zwölf Uhr nachts beim<br />
Uhrenseminar war“, erzählt<br />
Dikow. Mehr als die Hälfte<br />
der Schüler kommt wieder.<br />
Zum Einzelunterricht<br />
mit einer eigenen Uhr im<br />
Gepäck.