BOLD THE MAGAZINE No.58
EXKLUSIV IM INTERVIEW: TILDA SWINTON | EIN MANN DER GEGENSÄTZE: DETLEV BUCK IM GESPRÄCH | DAVID YARROW | DIE OSTKÜSTE SIZILIENS | MIT DEM JAGUAR I-PACE IN SCHOTTLAND UNTERWEGS | NEW WATCHES: MODERN UND KOSMOPOLITISCH | 50 JAHRE PORSCHE DESIGN
EXKLUSIV IM INTERVIEW: TILDA SWINTON | EIN MANN DER GEGENSÄTZE: DETLEV BUCK IM GESPRÄCH | DAVID YARROW | DIE OSTKÜSTE SIZILIENS | MIT DEM JAGUAR I-PACE IN SCHOTTLAND UNTERWEGS | NEW WATCHES: MODERN UND KOSMOPOLITISCH | 50 JAHRE PORSCHE DESIGN
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10 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> INTERVIEW / TILDA SWINTON<br />
Millers Fantasy-Epos „Three Thousand<br />
Years of Longing“ oder Guillermo del Toros<br />
„Pinocchio“ stehen in diesem Jahr auch<br />
noch auf dem Programm. <strong>BOLD</strong> spricht<br />
exklusiv mit der Ausnahme-Künstlerin über<br />
ihren neuen Film „Memoria“, künstlerische<br />
Mitstreiter und totgesagtes Kino.<br />
Ms. Swinton, Regisseur Apichatpong<br />
Weerasethakul hat bislang nur Filme in<br />
seiner thailändischen Heimat gedreht.<br />
„Memoria“ ist nun seine erste Zusammenarbeit<br />
mit westlichen Schauspielern. Wie<br />
leicht fiel es Ihnen, Teil seiner künstlerischen<br />
Welt zu werden?<br />
Interessantes Bild, das Sie da zeichnen. Ich<br />
fühlte mich ihm schon verbunden, als ich<br />
vor vielen Jahren erstmals seine Arbeit sah.<br />
Später wurden wir Freunde und fingen auch<br />
an zusammenzuarbeiten. Denn schon vor<br />
„Memoria“ haben wir bei verschiedenen<br />
Kunstwerken kollaboriert. Es fühlt sich an,<br />
als seien wir Brüder im Geiste.<br />
Wie lange sind Sie beide denn schon<br />
befreundet?<br />
Unsere Wege kreuzten sich das erste Mal<br />
2004, da saß ich in Cannes in der Jury<br />
und er zeigte dort seinen Film „Tropical<br />
Malady“. Ich bewunderte seine Arbeit sehr,<br />
und zwischen uns entstand eine E-Mail-<br />
Freundschaft. Irgendwann kuratierten<br />
wir gemeinsam ein Festival und kollaborierten<br />
bei einer Veranstaltung in Doha,<br />
und immer wieder sprachen wir über Ideen,<br />
aus denen letztlich „Memoria“ erwuchs. Ich<br />
kam also nicht als Außenseiterin zu diesem<br />
Projekt, sondern wir haben es von Anfang<br />
an gemeinsam entwickelt. Diese enge, familiäre<br />
künstlerische Zusammenarbeit erinnert<br />
mich immer wieder an meine früheren<br />
Arbeiten mit meinem guten Freund Derek<br />
Jarman. Zu schade, dass er und Joe sich nicht<br />
kennenlernen konnten. Die Filme der beiden<br />
sind höchst unterschiedlich, keine Frage.<br />
Aber in ihrer Annäherung an ihre Kunst und<br />
ihrem Feinsinn sind sie ähnlich.<br />
Mit Jarman begannen Sie Ihre Karriere,<br />
bis zu seinem AIDS-Tod 1994 arbeiteten<br />
Sie häufig zusammen. Suchen Sie seither<br />
immer wieder nach ähnlich engen künstlerischen<br />
Beziehungen?<br />
Die neun Jahre mit Derek haben mich enorm<br />
geprägt und verwöhnt; eine bessere Ausbildung<br />
hätte ich in Sachen Film nicht genießen<br />
können. Als er starb, dachte ich zunächst,<br />
das sei es jetzt gewesen. Ich war mir sicher,<br />
dass die Sache mit dem Kino und mir ohne<br />
ihn vorbei sei, obwohl ich zweimal auch<br />
mit anderen Regisseuren gedreht hatte, mit<br />
Peter Wollen bei „A Friendship’s Death“ und<br />
mit Sally Potter bei „Orlando“. Und selbst<br />
als sich dann doch Optionen mit neuen<br />
Filmemachern ergaben, konnte ich mir<br />
nicht vorstellen, nochmal dieses intensive,<br />
familiäre Arbeitserlebnis wie mit Derek zu<br />
erfahren. Aber ich irrte mich. Im Laufe der<br />
Jahre fand ich meinen Weg in andere Filmfamilien,<br />
in die von Wes Anderson oder Jim<br />
Jarmusch, Joanna Hogg oder Bong Joon-ho.<br />
Auch mit Joe werde ich weiterhin zusammenarbeiten.<br />
Dass ich mehr als einmal solche<br />
kreativen Wahlverwandtschaften erleben<br />
durfte, ist mein großes Glück. Denn wenn<br />
ich nicht immer wieder in solchen Kontexten<br />
arbeiten könnte, hätte ich diesen Beruf<br />
vermutlich längst an den Nagel gehängt.<br />
Wie schnell fühlen Sie sich denn bei<br />
solchen künstlerischen Mitstreitern wirklich<br />
zuhause?<br />
Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich, wie<br />
mit allen Freundschaften, aber mit der Zeit<br />
hat man schnell ein Gespür dafür, mit wem<br />
man gut harmoniert und mit wem nicht. In<br />
manchen Fällen kenne ich die Leute ewig,<br />
mit denen ich drehe, etwa Joanna Hogg,<br />
mit der ich befreundet bin. Joe und ich<br />
kennen uns, wie gesagt, auch schon 17 Jahre,<br />
Luca Guadagnino und ich sind seit über<br />
20 Jahren Weggefährten. Aber dann gibt es<br />
auch Fälle wie Pedro Almodóvar. Als der<br />
mich vor drei Jahren anrief, um einen Kurzfilm<br />
zu drehen, kannten wir uns eigentlich<br />
kaum, aber weil ich so vertraut war<br />
mit seinem Werk, spürte ich trotzdem eine<br />
enge Verbindung zu ihm. Gerade habe ich<br />
mit Julio Torres einen Film gedreht, der zum<br />
ersten Mal überhaupt Regie geführt hat.<br />
Doch auch ihn kannte ich zumindest als<br />
Comedy-Autor. So ein Minimum an Bezug<br />
zu jemandem muss ich schon haben, um<br />
mich darauf einzulassen.<br />
Lieben Sie denn alle Ihre Filmfamilien<br />
gleichermaßen?<br />
Ja, und ich habe Angst vor dem Tag, an dem<br />
das für mich zum Problem wird. Denn was<br />
mache ich, wenn Joe und Bong und Joanna<br />
alle gleichzeitig mit mir drehen wollen? Mich<br />
zwischen ihnen entscheiden zu müssen