Leo Juli | August 2022
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24 Szene<br />
INTERVIEW<br />
HOLGA: „Ich möchte<br />
alle Dämme einreißen!“<br />
Holga (ca. 50) ist Aktivistin,<br />
arbeitet bei den Stadtwerken<br />
München und hat sich dort am<br />
„Transgender Day of Visibility“ 2021<br />
mit Pomp geoutet. Holga bezeichnet<br />
sich als nicht-binär, als trans*<br />
und „von der Haltung her“ queer.<br />
Über eine solch spannende Persönlichkeit<br />
wollten wir mehr erfahren!<br />
Nicht-Konformität der Gesellschaft<br />
gegenüber zu verteidigen. Heute bin ich<br />
total glücklich damit.<br />
Wie erlebst du die Reaktionen auf<br />
dich in deinem Umfeld?<br />
Ich glaube, die wenigsten verstehen, was<br />
ich bin. Im Arbeits- und Alltagsumfeld<br />
sprechen mich quasi alle männlich an, das<br />
macht mich fertig.<br />
Hast du dafür Verständnis?<br />
Nein. Ich verstehe, dass es schwierig<br />
ist, aber besonders von privilegierten<br />
Menschen aus meinem Umfeld erwarte<br />
ich, aus ihrer bequemen Situation auch<br />
einmal etwas Unbequemes auf sich zu<br />
nehmen. Es gibt viele Wege, wie man<br />
mich ansprechen kann, aber die Ansprache<br />
als „Herr“ tut weh.<br />
Holga, was bedeutet nicht-binär<br />
für dich?<br />
Für mich bedeutet es, mich mehr weiblich<br />
als männlich zu fühlen, etwa im Verhältnis<br />
80 zu 40 – in der Summe lebe ich also zu<br />
weit über 100 % Geschlechtlichkeit. Diese<br />
Geschlechtlichkeit prägt mein Leben<br />
sehr. Ich habe einen sehr offenen Bezug<br />
zur Sexualität abseits vom Geschlecht,<br />
obwohl oder weil ich seit über 22 Jahren<br />
mit einer Person in einer monogamen<br />
Beziehung lebe.<br />
Wie empfindest du deine Identität,<br />
was macht dich aus?<br />
Ich fühle mich besonders. Nicht im Sinne<br />
von abgehoben, aber im Sinne einer<br />
einzigartigen Kombination.<br />
Magst du deinen Körper?<br />
Ja, denn er ist gesund. Ich fände es toll,<br />
wenn er beide Geschlechter abbilden<br />
würde, aber ich möchte meinen Körper<br />
nicht durch Operationen beeinflussen. Ein<br />
Kind zu gebären und zu stillen wäre ein<br />
Traum – und vielleicht der einzige Grund<br />
für eine OP gewesen.<br />
Vom Style her bist du eine ziemlich<br />
auffällige Erscheinung …<br />
Anfangs war mein auffälliger Stil ein<br />
Schutzpanzer. Ich wollte beeindrucken<br />
und quasi beweisen, dass ich eine Frau<br />
bin. Doch hängt meine Weiblichkeit nicht<br />
vom Outfit ab, sondern es ist mein Leben.<br />
Ich habe lange gebraucht, auch mal Jeans<br />
und Pulli zu tragen oder wie eine gesetzte<br />
Familienfrau auszusehen. Das kann ich<br />
heute schon auch.<br />
Hattest du dir jemals gewünscht,<br />
nicht so „besonders“ zu sein?<br />
Es hat eine Weile gedauert, mir diese<br />
Besonderheit einzugestehen, und ich<br />
hatte auch nicht immer die Kraft, meine<br />
FOTO: BERND MÜLLER